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Auf internationaler Ebene (OECD-Länder) haben Arntz/Gregory/Zierahn (2016, S. 15f.) unter Verwendung von PIAAC-Daten (Programme for the International Assessment of Adult Competencies, 2012) den Anteil der Arbeitnehmer mit hohem Substitutionsrisiko345 auf Basis der Arbeitsplatztätigkeiten346 berechnet. Ähnlich wie bei Dengler/Matthes (2015, 2018) wurde auch hier der Task-Ansatz verwendet, sodass Berufe mit einem höheren Anteil automatisierbarer Tätigkeiten auch zunehmend von Automatisierungsprozessen gefährdet sind (Arntz/Gregory/Zierahn 2016, S. 12f.). Während dieser Anteil in Deutschland347 und Österreich mit 12% den höchsten Wert aufwies, waren im OECD-Durchschnitt insgesamt 9% der Arbeitsplätze von einem hohen Substitutionsrisiko betroffen (Arntz/Gregory/Zierahn 2016, S. 4, 15). Zudem weisen die Daten auf eine gewisse Heterogenität der mittleren Automatisierbarkeit von Berufen zwischen den OECD-Ländern hin Tabelle D2.2-1 (Arntz/Gregory/Zierahn 2016, S. 33). Für die Schweiz wurden die Automatisierungswahrscheinlichkeiten auf Basis der Schätzungen für Deutschland übertragen. Hier ergab sich für den Anteil der Erwerbstätigen in Berufen mit einem hohen Automatisierungsrisiko ein Wert von rund 11%, der ungefähr mit den Automatisierungswahrscheinlichkeiten in Deutschland und Österreich übereinstimmt (Bundesrat (Schweizerische Eidgenossenschaft) 2017, S. 26).

Tabelle D2.2-1: Automatisierbarkeit in den OECD-Ländern

Innerhalb einer weiteren Studie auf internationaler Ebene (32 OECD-Länder) wurde die durchschnittliche Automatisierung von Berufen auf Länderebene berechnet (Nedelkoska/Quintini 2018, S. 45f.). Um das Risiko der Automatisierung zu analysieren, folgte die Untersuchung dabei dem Ansatz von Frey/Osborne (2013). Allerdings nutzten die Autoren/Autorinnen auch hier Daten zu Arbeitsplatztätigkeiten (Nedelkoska/Quintini 2018, S. 42f.)348 auf Individualebene (PIAAC, Runden 2011/2012 und 2014/2015, Organisation for Economic Co-Operation and Development 2013, 2016; Quintini 2014). Auf der Basis der Analyse zu den beruflichen Tätigkeiten und deren Automatisierbarkeit wurde die durchschnittliche Automatisierungswahrscheinlichkeit über die 32 OECD-Länder (sowie über die betrachteten Berufe) auf 47% geschätzt, wobei es große Unterschiede im Grad der Automatisierbarkeit zwischen den Ländern gab. Auf europäischer Ebene war anhand der Daten zu beobachten, dass die Länder mit einer geringeren Automatisierungswahrscheinlichkeit vor allem in Nordeuropa angesiedelt sind (Norwegen, Finnland, Großbritannien, Schweden, die Niederlande und Dänemark), während die Länder Süd- und Osteuropas ein höheres Automatisierungsrisiko aufwiesen. Auch Deutschland zeigte mit 52% eine Automatisierungswahrscheinlichkeit auf, die über dem OECD-Durchschnitt lag. Im OECD-Vergleich lag auch Österreich mit 48% leicht über dem mittleren Automatisierungsbereich (Nedelkoska/Quintini 2018, S. 45f.).

In der Studie wurde zusätzlich die mittlere Wahrscheinlichkeit der Automatisierung nach Beruf und Branche berechnet (Nedelkoska/Quintini 2018, S. 49ff.). Dabei wurde deutlich, dass die Berufsgruppen mit der höchsten Wahrscheinlichkeit, automatisiert zu werden, in der Regel keine spezifischen Fähigkeiten oder Schulungen bzw. Qualifikationen benötigen. Die Daten haben weiterhin aufgezeigt, dass die Branchen mit hohem Automatisierungsrisiko meist zum Primär- und Sekundärsektor gehören, während die Branchen mit einer geringen durchschnittlichen Wahrscheinlichkeit der Automatisierung dem Dienstleistungssektor zuzuordnen sind. Insgesamt deuten die Ergebnisse aber auf eine eher monotone Abnahme des Automatisierungsrisikos in Abhängigkeit vom steigenden Qualifikationsniveau hin (Nedelkoska/Quintini 2018, S. 50). Neben den Ergebnissen der potenziellen Automatisierungswahrscheinlichkeiten ist jedoch darauf hinzuweisen, dass der technologische Wandel im Zeitraum 1999 bis 2010 zu positiven Arbeitsnachfrageeffekten in 27 europäischen Ländern geführt hat, was nicht an den begrenzten Möglichkeiten der Substitution durch neue Technologien lag. Vielmehr wurden durch Substitutionseffekte Produktivitätsfortschritte (Einsparung von Kosten) erzielt, die eine gesteigerte Produktnachfrage und damit assoziierte erhöhte Arbeitsnachfrage ermöglicht haben (Gregory/Salomons/Zierahn 2016).

Auch auf europäischer Ebene gewinnt das Thema der digitalen Transformation von Berufen zunehmend an Bedeutung. Seit 2000 hat sich die europäische Wirtschafts- und Sozialpolitik bereits verstärkt mit Fragen der Wissensgesellschaft und wissensbasierten Wirtschaftsentwicklung befasst (Lissabon-Strategie). Damals stand der Wettbewerb mit Ländern wie Japan oder den Vereinigten Staaten bezüglich der mangelnden IT-Infrastruktur, aber auch bezüglich des Förderungsbedarfes von IT-Kompetenzen in der Bevölkerung im Vordergrund. Im Jahr 2010 nahm die Initiative „Die digitale Agenda für Europa“ das Thema wieder auf und setzte auf die Verbreitung des Internets in der Bevölkerung sowie den Aufbau von IT-Kompetenzen, nicht zuletzt als Beitrag zur Inklusion. Die neue europäische Agenda für Kompetenzen (Europäische Kommission 2016) setzt weiter die Digitalisierung als einen Schwerpunkt. Ausgehend von mangelnden grundlegenden digitalen Kompetenzen in der EU-Bevölkerung und von Veränderungen in den Arbeits- und Geschäftsprozessen hat die Europäische Kommission hierzu die Koalition für digitale Kompetenzen und Arbeitsplätze ins Leben gerufen (Europäische Kommission 2016, S. 9). 2016 ging die Europäische Kommission in ihrer Mitteilung davon aus, dass fast die Hälfte der EU-Bevölkerung nicht über grundlegende digitale Kompetenzen verfügt, und stellte fest, dass die Nachfrage nach IT-Fachkräften in dem Zeitraum 2006 bis 2016 jährlich um 4% gestiegen ist (Europäische Kommission 2016, S. 8f.). Die Koalition bedient sich der gängigen Förderinstrumente (europäische Struktur- und Investitionsfonds, Beschäftigungsinitiative für junge Menschen und Erasmus+), um Initiativen und Projekte in diesem Zusammenhang zu fördern; die Fortschritte in der Digitalisierung in Europa und pro Mitgliedsstaat werden mittels eines jährlichen Berichts „Europe’s Digital Progress Report“ festgehalten. Zudem wird die Digitalisierung insbesondere im Rahmen der Allianzen für branchenspezifische Fertigkeiten (Erasmus+ Sector Skills Alliances) gefördert. Im Kern sollen die Allianzen alle relevanten staatlichen und privatwirtschaftlichen Akteure eines Sektors unterschiedlicher Mitgliedsstaaten umfassen, um Innovationen und Exzellenz in der Berufsbildung auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene zu initiieren und zu entwickeln. Im Jahr 2017 wurden 5 Allianzen im Sektor der Automobilindustrie, des Schiffbaus, der Geoinformationen, Kleidungsindustrie sowie im Sektor des Tourismus gefördert. Weitere Allianzen entstehen in den Wirtschaftszweigen verarbeitendes Gewerbe, Gesundheits- und Sozialwesen, öffentliche Verwaltung, Verkehr und Logistik, Kunst und Unterhaltung sowie Land- und Forstwirtschaft (Education, Audiovisual and Culture Executive Agency 2019).

  • 345

    D. h. den Anteil der Arbeitnehmer, deren Automatisierbarkeit von Tätigkeiten am Arbeitsplatz mindestens 70% beträgt.

  • 346

    Die Ergebnisse unterscheiden sich von den Befunden von Frey/Osborne (2013), da diese davon ausgegangen sind, dass ganze Berufe und nicht einzelne Arbeitsaufgaben durch Technologien automatisiert werden (Arntz/Gregory/Zierahn 2016, S. 4, 14). 

  • 347

    Für Deutschland ähneln die Ergebnisse denen einer repräsentativen Umfrage unter deutschen Mitarbeitern/Mitarbeiterinnen, bei der 13% der Mitarbeiter/-innen es für wahrscheinlich oder sehr wahrscheinlich hielten, dass ihr Arbeitsplatz durch Maschinen ersetzt wird (Bundesministerium für Arbeit und Soziales 2016). Zudem sind die Ergebnisse mit einer weiteren Studie von Dengler/Matthes (2015) vergleichbar, die einen anderen methodischen Ansatz verfolgten, aber für das Jahr 2013 auch feststellen konnten, dass 15% aller Arbeitsplätze in Deutschland von der Automatisierung bedroht waren.

  • 348

    Da sich die Arbeitsplätze in ihren Tätigkeiten innerhalb der Berufe stark unterscheiden, würden durch die Analyse des Automatisierungsrisikos auf Grundlage der Qualifikationsanforderungen großer Berufsgruppen wertvolle Informationen verloren gehen (Nedelkoska/Quintini 2018, S. 48).