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Die Mobilität von Jugendlichen kann dazu beitragen, regionale Ungleichgewichte von Angebot und Nachfrage auf dem Ausbildungsmarkt zu mindern. Sie kann jedoch auch dazu führen, dass in Regionen mit einem aus Sicht der Jugendlichen attraktiven Angebot deutlich mehr Ausbildungsstellenbewerber/-innen aktiv sind, als aus dieser Region selbst stammen. Sofern sich die einheimischen Bewerber/-innen nicht im selben Ausmaß mobilitätsbereit zeigen wie die Ausbildungsinteressierten von außerhalb, können sich die Verhältnisse auf dem Ausbildungsmarkt infolge von Mobilität somit auch verschlechtern (vgl. BIBB-Datenreport 2018, Kapitel A8.2.1 und ausführlich Matthes/Ulrich 2018).

Amtliche Informationen zur Mobilität von Jugendlichen im Zusammenhang mit ihrer Berufsausbildung lassen sich aus der Beschäftigtenstatistik der Bundesagentur für Arbeit (BA) gewinnen. Die Statistik gibt darüber Auskunft, wo Auszubildende wohnen und wo ihre Ausbildungsstätten liegen. Auf dieser Basis werden im Folgenden regionale Mobilitäten zum Stichtag 30.09.2017 nachgezeichnet. Bei der Interpretation ist zu berücksichtigen, dass die Mobilität, die in der BA-Beschäftigtenstatistik sichtbar wird, lediglich die erfolgreich realisierte Mobilität in den Fällen widerspiegelt, in denen die jungen Menschen im Zuge der auswärtigen Aufnahme einer Ausbildung ihren Hauptwohnsitz nicht verlegen. Bei Einschluss von Personen, die ihren Hauptwohnsitz ändern, würde die erfolgreich realisierte Mobilität nochmals höher ausfallen, ohne dass diese Größe anhand von amtlichen Daten quantifizierbar wäre.

Noch höher als die erfolgreich realisierte Mobilität ist zudem die faktisch aktivierte Mobilitätsbereitschaft anzusetzen, gemessen an der in der amtlichen Statistik ebenfalls nicht bekannten Zahl von ausbildungsinteressierten Jugendlichen, die sich mit oder ohne Erfolg überregional bewerben. Diese Zahl wird wiederum von der Zahl der Personen mit latenter Mobilitätsbereitschaft übertroffen, die all jene Personen umfasst, die bei „Schwierigkeiten bei der Lehrstellensuche auch Ausbildungsplatzangebote außerhalb der Heimatregion in Betracht […] ziehen und sich gegebenenfalls auch auf diese Angebote […] bewerben“ (Ulrich/Ehrenthal/Häfner 2006, S. 101). Die Mobilitätsbereitschaft der Jugendlichen ist somit deutlich größer, als sie sich in den hier berichteten Zahlen zur faktischen Mobilität niederzuschlagen vermag (vgl. dazu z. B. auch Technopolis Group 2015).

Faktisch realisierte Mobilität zwischen den Ländern

Zum Stichtag 30.09.2017 wohnten rund 109.700 der 1.602.700 Beschäftigten, die zum Stichtag 30.09.2017 von der BA als Auszubildende registriert wurden, nicht in dem Bundesland, in dem ihr Ausbildungsbetrieb angesiedelt war (vgl. Spalten 4 und 5 in Tabelle A8.2.1-1). Dies sind 6,8%.171

Die länderübergreifende Mobilität führt insbesondere in den Stadtstaaten dazu, dass höhere Anteile der dort verfügbaren Ausbildungsplätze nicht von eigenen Landesbewohnern/-bewohnerinnen besetzt sind (vgl. Spalte 7 Tabelle A8.2.1-1), so in Bremen (38,4%), Hamburg (32,4%) und Berlin (20,4%). Zwar gibt es in den Stadtstaaten auch in nennenswertem Maße dort wohnende Jugendliche, die ihre Ausbildung außerhalb ihres eigenen Bundeslandes absolvieren (Bremen 16,1%, Hamburg 13,1%, Berlin 9,1%; vgl. Spalte 8). Doch liegen diese Anteile deutlich unter den Einpendlerquoten (vgl. Spalte 9), sodass das Einpendeln klar überwiegt.

Tabelle A8.2.1-1: Zahlen und Indikatoren zur länderübergreifenden Mobilität von Auszubildenden (Stichtag: 30.09.2017)

Entlastung der Ausbildungsmärkte durch Mobilität – hier wiederum aus der Perspektive der Jugendlichen – erfahren insbesondere die Länder Brandenburg, Schleswig-Holstein, Sachsen-Anhalt, Niedersachsen und Thüringen. Hier fallen die Auspendlerquoten in andere Länder deutlich höher aus als die Einpendlerquoten aus den anderen Ländern Tabelle A8.2.1-2. Wichtige auswärtige Ausbildungsmärkte sind:

  • für Brandenburg Berlin (19,6% der in Brandenburg lebenden Auszubildenden lernen in Berlin),
  • für Schleswig-Holstein Hamburg (11,3%),
  • für Sachsen-Anhalt Niedersachsen (3,2%) sowie Sachsen (3,0%),
  • für Niedersachsen Hamburg (2,5%) und Bremen (3,4%) sowie
  • für Thüringen Bayern (3,1%), Hessen (2,0%) und Sachsen (2,5%).

Die Länder, in denen die meisten dort wohnenden Auszubildenden auch ausgebildet werden, sind Bayern und Nordrhein-Westfalen (jeweils 97,1%; Tabelle A8.2.1-1, Spalte 10), gefolgt von Baden-Württemberg (95,9%). Dies dürfte unter anderem daher rühren, dass es sich zugleich um die 3 Länder mit der absolut höchsten Bevölkerungszahl bzw. mit dem absolut höchsten Ausbildungsplatzangebot handelt. Eine Rolle mag aber auch die periphere Lage dieser 3 Länder innerhalb des Bundesgebiets spielen, bei Bayern und Baden-Württemberg zudem die aus Sicht der Jugendlichen überdurchschnittlich gute Ausbildungsmarktlage (vgl. Kapitel A1.1).

Am seltensten absolvieren brandenburgische Auszubildende ihre Ausbildung im eigenen Land (74,6%), mit deutlichem Abstand gefolgt von den Bremer Auszubildenden (83,9%).

Tabelle A8.2.1-2: Relative Verteilung der im jeweiligen Land wohnenden Auszubildenden auf ihre Ausbildungsplätze nach deren Ort (in %)

  • 171

    Zu berücksichtigen ist, dass unter den von der Bundesagentur für Arbeit (BA) in der Beschäftigtenstatistik ausgewiesenen Auszubildenden zu einem kleineren Anteil auch Auszubildende außerhalb des dualen Berufsausbildungssystems enthalten sind (vgl. dazu Matthes/Ulrich 2017).