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Die Fachkraft für Lagerlogistik ist ein 3-jähriger Ausbildungsberuf, der zuletzt 2004 zusammen mit dem 2-jährigen Fachlageristen in einer gemeinsamen Verordnung novelliert wurde. Der Fachlagerist/die Fachlageristin kann gemäß den Vorschriften für das 3. Ausbildungsjahr der Fachkraft für Lagerlogistik fortgesetzt werden. Bundesweit wurden im Jahr 2017 447 Anschlussverträge für die Fachkraft für Lagerlogistik geschlossen.318 Mit 10.545 Neuabschlüssen 2017 insgesamt ist diese einer der größten Ausbildungsberufe in Deutschland. Da fast jedes Unternehmen ein Lager bzw. einen Logistikbereich hat, ist die Fachkraft für Lagerlogistik als Querschnittsberuf in nahezu allen Wirtschaftszweigen vertreten.

Viele Jahre galt der Beruf der Fachkraft für Lagerlogistik laut Aussage befragter Ausbildungs- und Personalleiter eher als ein „einfacher“ Beruf. Doch durch den zunehmenden Einsatz von Technologien wandelt sich die Arbeit im Lager, weshalb sich unumgänglich auch die Anforderungen an die Fachkräfte verändern und sich das Image des Berufes langfristig gesehen wandeln wird bzw. muss.

Digitalisierungs- und Vernetzungsansätze in der betrieblichen Praxis 

Das Thema Logistik 4.0 hat in den letzten Jahren einen großen Aufschwung erlebt (vgl. ten Hompel/Kerner 2015; Zanker 2018; Straub u. a. 2017). Zahlreiche neue Technologien für den Logistikbereich wurden entwickelt und auf den Markt gebracht. Dabei sind die Digitalisierungs- und Automatisierungstrends in der (Lager-)Logistik vielfältig und der Technologieeinsatz variiert stark zwischen den verschiedenen Lagern. Nach Angaben der befragten Unternehmensvertreter/-innen liegt die Ursache darin begründet, dass der Einsatz der Technologien oftmals abhängig ist von Kundenwünschen (Lager von Logistikdienstleistern) oder aber die Technologie sich nicht für die Beschaffenheit der eingelagerten Produkte (Material oder Form) eignet. Da Lager von Logistikdienstleistern durch wechselnde Kunden und somit eine Produktvielfalt geprägt sind, lässt sich in diesen Lagern tendenziell weniger Technologien vorfinden als in Industrie und Handel.

Während es dementsprechend noch Lager gibt, die kaum Technologien im Einsatz haben, sind insbesondere neue Logistikzentren von Industrie- oder Handelsunternehmen hoch technologisiert. Durch den Einsatz der neuen Technologien wird die Arbeit in vielen Lagerbereichen effizienter und schneller. So kann z. B. im Wareneingang die Qualitätsprüfung mittels „3D-Konturencheck“319 erleichtert werden. Autonome Transportsysteme übernehmen die Entladung und auch die Einlagerung der Waren. Zellulare Transportsysteme erlauben dabei über dezentrale, autonom interagierende Fördertechnikmodule den Verzicht auf jegliche zentrale Infrastruktur. Und eine vollautomatisierte Kommissionierung kann die Tätigkeit der Lagerarbeiter/-innen fast vollständig ersetzen. Bei der manuellen Kommissionierarbeit werden Hilfsmittel insbesondere in Form von Kommissionier-Handschuhen oder der Pick-Technologien320 zur Unterstützung eingesetzt (vgl. Günther/Klenk/Tenerowicz-Wirth 2014). Bei der Warenentnahme wird die Abnahme der Ware sofort und automatisch im Lagerverwaltungssystem hinterlegt und entsprechend für automatisierten Nachschub gesorgt.

Viele der Technologien für die Logistik, die von Technikanbietern angeboten werden, lassen sich jedoch in der Praxis noch nicht oder nur vereinzelt vorfinden. Grund hierfür ist laut Aussage von Unternehmensvertretern und -vertreterinnen, dass die Technologien noch nicht ausgereift und somit nicht gewinnbringend im Lager einsetzbar seien. Zudem wird es, so die einhellige Meinung der befragten Personen, immer auch Bereiche im Lager geben, die sich nicht oder nur geringfügig – zuletzt aufgrund der Beschaffenheit der Produkte – automatisieren lassen. Zusammenfassend lässt sich somit sagen, dass die Ausprägung von Digitalisierung und Automatisierung von Betrieb zu Betrieb und je nach Branche unterschiedlich weit fortgeschritten ist. Aktuell ist lediglich die Digitalisierung der Lagerbestände bzw. Lagerbewegungen anhand einer Barcode-Scannung und der Verwaltung der Produkte in einem EDV-gestützten Lagerverwaltungssystem Standard über alle Lagertypen und Branchen hinweg Schaubild C4.3-1.

Schaubild C4.3-1: Technologieeinsatz bei der Fachkraft für Lagerlogistik (in %)

Tätigkeitsveränderungen

Zwar kann die Betrachtung der zunehmenden Automatisierung im Lagerlogistikbereich den Anschein erwecken, dass die Arbeit von Fachkräften für Lagerlogistik überflüssig wird, jedoch wiedersprechen die im Rahmen der qualitativen Interviews befragten Experten und Expertinnen aus der Praxis dieser Annahme vehement. Dagegen betonen sie, dass sich die Tätigkeiten der Fachkräfte aufgrund der Digitalisierung zwar verändern werden, der Beruf an sich dadurch jedoch keinesfalls an Bedeutung verlieren, sondern vielmehr gewinnen wird.

So entstehen durch die Digitalisierung Tätigkeiten, die es vorher nicht oder nur in geringem Umfang gab. Dies sind insbesondere Monitoringaufgaben oder steuernde Tätigkeiten. In sogenannten Leitständen überwachen und steuern Fachkräfte den Warenfluss. Zudem identifizieren sie Probleme und beheben diese bestenfalls eigenständig durch einen Blick in die IT-Systeme. Zusätzlich kommt der Kontrolle des Materialflusses an den Anlagen selbst eine größere Bedeutung zu.

Eine weitere Tätigkeit, die mit zunehmender Digitalisierung und Automatisierung an Wichtigkeit gewinnt, ist die Stammdatenpflege. Alle relevanten Daten eines Produkts, wie z. B. Größe, Gewicht, Lagerhaltung etc., müssen bei erstmaligem Eingang in das Lager aufgenommen und in das System eingegeben werden, damit die Produkte digital, d. h. automatisch, im Lager gesteuert werden können. 

Da die Digitalisierung viele Möglichkeiten eröffnet, lassen sich unweigerlich auch im Lager gestiegene Kundenansprüche beobachten. Dies hat zur Folge, dass dem Kunden zusätzliche Dienstleistungen (value added services; sog. „Mehrwertdienstleistungen“) angeboten werden. Diese Tätigkeiten, wie z. B. die je nach Sonderaktion unterschiedliche Verpackung von Produkten, nehmen einen immer größeren Anteil der Arbeitszeit von Fachkräften für Lagerlogistik in Anspruch.

Im Gegensatz zu den oben beschriebenen Tätigkeiten verlieren jedoch operative Aufgaben in der Lagerlogistik durch die Digitalisierung und Automatisierung eher an Bedeutung. So hat z. B. die Ein- und Auslagerung von Produkten durch automatische Kleinteil- sowie automatische Hochregallager an Stellenwert verloren, da die Ein- und Auslagerung nur noch dann durch eine Fachkraft durchgeführt werden muss, wenn sich die Produkte nicht automatisch steuern lassen. Zudem könnten Staplerfahrer/-innen, die heute bereits über einen Bordcomputer ihren Weg und ihre nächste Aufgabe angezeigt bekommen, in naher Zukunft gänzlich durch vollautonome Stapler ersetzt werden. Tätigkeiten verlieren jedoch nicht nur an Bedeutung, wenn sie sich wegrationalisieren lassen; der Stellenwert im Berufsbild sinkt auch dann, wenn die Technologieunterstützung so groß ist, dass kaum noch Fachwissen vonnöten ist und die Tätigkeiten im Grunde von Hilfskräften erledigt werden können. Hiervon sind insbesondere die Bereiche Kommissionierung und Verpackung betroffen. Über Technologien wie Pick-by-voice oder Pick-by-light bekommen die Fachkräfte exakt angesagt bzw. angezeigt, wo sie das Produkt herausgreifen müssen und wie viel sie davon zu entnehmen haben. Und auch in der Verpackung werden den Mitarbeitenden jegliche Informationen über Verpackungsart und -weise vorgegeben, sodass die Handlung an sich den Fachkräften kein explizites Wissen mehr abverlangt.

Künftige Kompetenzanforderungen

Betrachtet man die Verschiebungen im Berufsbild der Fachkraft für Lagerlogistik, lässt sich ein Trend weg von körperlichen hin zu geistigen Tätigkeiten beobachten. Insbesondere in der Industrie wird von einem Wandel hin zu einer Höherqualifizierung gesprochen. Zwar sinkt der Anspruch an das Wissen und Können zur Ausführung manch operativer Tätigkeiten (s. o.), jedoch steigen insgesamt aufgrund der zunehmenden Steuerungsaufgaben der Fachkraft für Lagerlogistik die Kompetenzanforderungen. So wurde in den qualitativen Interviews betont, wie wichtig es für eine gute Fachkraft in Zukunft sei, über ein hohes Maß an Prozessverständnis zu verfügen. Denn während die Fachkräfte in nicht oder nur minder digitalisierten Lagern die Prozesse noch aktiv durchführen, müssen die Fachkräfte in hoch automatisierten Lagern erkennen, welche Prozesse sich hinter dem automatischen Warenfluss verbergen und wie diese ablaufen. Mit diesem sogenannten Prozessverständnis geht unweigerlich eine gewisse Systemkenntnis einher; so brauchen insbesondere die Fachkräfte, die die Prozesse im Leitstand steuern und überwachen, ein Verständnis dafür, welches System welchen Prozess verantwortet und welche Wechselwirkungen zwischen den Systemen bestehen.

Abgesehen von dem Prozess- und Systemverständnis wird erwartet, dass eine angehende Fachkraft für Lagerlogistik eine gewisse IT-Affinität mitbringt. Da bereits heute erkennbar ist, dass in der Lagerlogistik jeder Arbeitsplatz, ob auf dem Stapler oder dem Packtisch, zukünftig mit einem PC oder mobilen Endgerät ausgestattet sein wird, steigt den Fachkräften gegenüber auch der Anspruch im Umgang mit Informations- und Kommunikationsmedien. Dementsprechend wird erwartet, dass sich eine Fachkraft für Lagerlogistik schnell in neue Anwendungen einarbeitet und sich in verschiedenen Systemen zurechtfindet. Mit dem erhöhten Einsatz von Technologien geht unweigerlich auch die Notwendigkeit eines gesteigerten Datenverständnisses einher. Dies betrifft einerseits das Gefühl, welche Daten im Rahmen der Datenpflege in Datenbanken eingegeben werden müssen, andererseits das Verständnis, dass eingegebene Daten über Verknüpfungen Auswirkungen auf andere Bereiche oder Prozesse haben können.

Grundsätzlich haben sich die Prozesse nicht geändert, womit auch das (grundlagenbehaftete) Qualifikationsprofil noch vorerst tragfähig wäre – dennoch ist zunehmend eine Lücke zwischen Profil und Anforderungen zu erkennen. Zumindest gilt das für jene Betriebe, bei denen Digitalisierungs- und Vernetzungsansätze bereits weitergehend als in anderen umgesetzt sind. Bei den weniger „fortschrittlicheren“ Betrieben hingegen decken sich die formalen Qualifikationskriterien noch mit den betrieblichen Anforderungen. Allerdings geben etwas mehr als 40% der Teilnehmer/-innen der Online-Befragung an, dass die Ausbildung in ihrem Unternehmen in den letzten Jahren aufgrund der Digitalisierung angepasst bzw. verändert wurde. Dies weist darauf hin, dass die Unternehmen einen etwas anderen Qualifizierungsbedarf haben, als noch vor einigen Jahren. Wie Schaubild C4.3-2 zeigt, besteht die hauptsächliche Anpassung in der Veränderung des zeitlich-organisatorischen Ablaufs der Ausbildung sowie einer Anpassung der Ausbildungsinhalte.

Ein allgemeines „Höherschrauben“ der Qualifikationsanforderungen wird allerdings nur teilweise befürwortet. So wird die Tendenz zu einer qualitativen Aufwertung der Ausbildung zwar grundsätzlich positiv bewertet bzw. als notwendig angesehen, jedoch von Unternehmen mit schlechter Bewerberlage kritisch gesehen. Sie befürchten, bei einer Aufwertung keine Auszubildenden mehr zu bekommen, die den neuen, formalen Kriterien gewachsen sind. In der Praxis findet daher eine informelle Höherqualifizierung statt: Alle Auszubildenden werden gemäß den formalen Rahmenbedingungen ausgebildet; diejenigen, die jedoch in stärker digitalisierten und vernetzten Unternehmen ihre Ausbildung absolvieren und Interesse und Talent für die Bereiche zeigen, die in den Augen der Unternehmensvertreter/-innen in Zukunft an Bedeutung im Tätigkeitsprofil der Fachkraft für Lagerlogistik gewinnen, werden dahingehend informell ausgebildet.

Schaubild C4.3-2: Wie wurde die betriebliche Ausbildung in den letzten Jahren als Reaktion auf die Digitalisierung in Ihrem Betrieb umgestaltet? (Mehrfachnennung in %)

Auswirkungen auf die Berufsbildung und Qualifikationsbedarfe

Dieses in der betrieblichen Praxis übliche Vorgehen ist jedoch mit einigen Gefahren verbunden. So könnte es durch das Ausbleiben einer formalen Anpassung der Ausbildung zu einem systematischen Qualitätsunterschied in der Ausbildung kommen. Während diejenigen, die bei stärker digitalisierten und vernetzten Unternehmen weitere Qualifikationen, die über die Ausbildung hinausgehen, informell erwerben, später anspruchsvollere Tätigkeiten ausführen können, werden es diejenigen, die nach formalen Kriterien ausgebildet wurden, schwer haben, außerhalb der klassischen, operativen Lagerbereiche Aufgaben zu übernehmen. Das wiederum bedeutet aber auch, dass sie in starker Konkurrenz zu ungelernten Hilfskräften stehen. Da für die Ausführung vieler operativer Tätigkeiten kein explizites Fachwissen mehr vonnöten ist, wird die Entscheidung, ob schlussendlich ungelernte oder gelernte Fachkräfte in der operativen Lagerlogistik dominieren, von der jeweiligen Unternehmensphilosophie abhängen. Dies gilt gleichwohl für den Einsatz von Fachlageristen/Fachlageristinnen.

Und auch im Hinblick auf Konkurrenzfähigkeit zur akademischen Ausbildung birgt eine ausbleibende Anpassung Gefahren: Findet keine Höherqualifizierung der Fachkraft für Lagerlogistik statt, könnte es sein, dass die anspruchsvolleren Tätigkeiten, wie z. B. die System- und Prozesskontrolle im Leitstand, die durch die Digitalisierung im Lagerlogistikbereich entstehen, künftig von Fachkräften mit einem akademischen Abschluss durchgeführt werden.

Um hier eine für alle Beteiligten möglichst gute Lösung herbeizuführen, sollte im Zuge einer Novellierung ein Imagewandel des Berufes angestoßen und damit die in der Realität vorzufindende schlechte Bewerberlage verbessert werden. Hierbei ist eine intensive Öffentlichkeitsarbeit seitens der Sozialpartner und Unternehmen gefragt. Gegebenenfalls ist auch an eine neue Berufsbezeichnung zu denken, die zu einer positiveren Wahrnehmung des Berufs beitragen kann. Ganz unkritisch kann eine Aufwertung des Berufs durch eine Novellierung jedoch nicht gesehen werden. So besteht neben dem Bewerberproblem die Gefahr, dass weniger fortschrittliche Betriebe abgehängt werden, wenn sie die Qualifikationsinhalte nicht bedienen können.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass sich durch die zunehmende Digitalisierung und Automatisierungen im Bereich der Lagerlogistik ein Wandel im Berufsbild abzeichnet. Die Fachkraft für Lagerlogistik hat viel mehr als früher die Aufgabe, den gesamten Prozess im Blick zu haben, zu kontrollieren und ggf. durch Eingriffe in entsprechende IT-Systeme Fehler zu korrigieren, sodass ein reibungsloser Prozessablauf gewährleistet werden kann. Während somit einerseits an die Fachkraft für Lagerlogistik in hoch technologisierten Lagern bereits heute höhere Ansprüche gestellt werden, sinken andererseits in Bereichen, die stark technikunterstützt oder sogar vollautomatisiert sind, die Kompetenzanforderungen an die Fachkräfte. Ob der Beruf der Fachkraft für Lagerlogistik letztendlich eine Auf- oder Abwertung erfährt, hängt massiv davon ab, wie sich die Anforderungen der Betriebe an Bewerber/-innen und die „Bewerberklientel“ in diesem Berufsfeld in den nächsten Jahren entwickeln werden. Der Fachlagerist/die Fachlageristin hingegen sollte – so die Meinung der Experten und Expertinnen – als „niederschwelliger“ Einstieg in den Beruf auf jeden Fall bestehen bleiben.

(Anke Kock, Inga Schad-Dankwart)

  • 318

    Siehe BIBB-Erhebung „Neu abgeschlossene Ausbildungsverträge zum 30.09.“ unter https://www.bibb.de/de/67784.php

  • 319

    Beladungserkennung mit 3D-Kamera.

  • 320

    Pick-by-vision (Kommissionierung mit Unterstützung von Datenbrillen), Pick-by-voice (sog. Sprachkommissionierung) oder Pick-by-light (Kommissionierung mit Entnahmefachanzeigen).