Digitalisierungs- und Vernetzungsansätze in der betrieblichen Praxis
Die Digitalisierung kommt in den Betrieben, in denen Land- und Baumaschinenmechatroniker/-innen zum Einsatz kommen, ungleichzeitig an, das heißt die Durchdringung mit digitalen Anwendungen ist einzelbetrieblich unterschiedlich. Aber immerhin die Hälfte der Fachkräfte, Ausbilder/-innen und Führungskräfte, die an der BIBB/BMBF-Onlinebefragung 2018 teilgenommenen haben, schätzen den Digitalisierungsgrad der Arbeitsplätze von Land- und Baumaschinenmechatroniker/-innen bereits als hoch, mehr als 40% als mittelmäßig und ca. 6% als niedrig ein Schaubild C4.1-3. Allerdings bleiben auch in hoch digitalisierten Arbeitsumgebungen konventionelle Arbeitsaufgaben und Tätigkeiten wichtig. Neben der Zuordnung zu Wirtschafts- und Technologiebereichen prägen Herstellerbindungen und Technikgenerationen das Arbeitsumfeld von Land- und Baumaschinenmechatroniker/-innen. Die Ausgangslage ist somit heterogen, jedoch sind in nahezu allen Betrieben Tendenzen der Technologieveränderung feststellbar.
Herstellerbindung und Technikgenerationen
Die Herstellerbindung ist neben der Zuordnung zu Wirtschafts- und Technologiebereichen (Landmaschinen, Baumaschinen, Motorgeräte u.a.) ein bestimmendes Merkmal für die Unternehmen. Unternehmen die an bestimmte Hersteller gebunden sind, verkaufen die Maschinen und Geräte dieser Hersteller oder überlassen sie im Rahmen von Leasing, Vermietung und Mietkauf und müssen für Gewährleistung, Garantie und Service einstehen. Damit sind sie mit der neuesten Technik vertraut und müssen den Kunden in diese einführen. Nicht herstellergebundene Unternehmen sind hingegen stärker auf gebrauchte Technik fokussiert. Ihr Schwerpunkt liegt häufiger auf Instandhaltung und Reparatur von Maschinen und Geräten, für die Garantie und Gewährleistung abgelaufen sind und für die Ersatzteile durch den Hersteller ggfls. auch nicht mehr geliefert werden. Dies erfordert andere Qualifikationsanforderungen an die Mitarbeitenden.
Ein zentraler Treiber dieser Veränderungen ist der zunehmende Einsatz von digitalen Steuergeräten. Signale werden über Sensorik erfasst, netzbasiert übertragen und auf Softwareebene ausgewertet. Auf Basis des Informationsverarbeitungsprozesses können physikalische Prozesse digital gesteuert und geregelt werden.
Netzwerke ermöglichen einen Zugriff auf Maschinendaten über Anlagengrenzen hinweg und führen zu einer Flexibilisierung von Arbeitsorten. Die mit dieser Entwicklung einhergehenden Anwendungen bieten Potenziale für eine effektivere und effizientere Prozessgestaltung. Zwischen Anwendern/Endkunden, Händlern/Servicebetrieben und Herstellern von Maschinen und Geräten ist ein intensiver Datenaustausch möglich. Land- und Baumaschinenmechatroniker/-innen, die bei Händlern und Servicebetrieben arbeiten, haben hier eine hohe Verantwortung im Sinne der IT-Sicherheit, des Datenschutzes und der Kommunikation.
Einer steigenden Komplexität der Maschinen wird durch immer ausgereiftere Diagnosetechnik zur Unterstützung des Instandhaltungspersonals begegnet. Die Funktionen eingesetzter Systeme reichen hierbei von der Bereitstellung digitaler Fehlercodes über Hinweise zu möglichen Fehlerursachen bis hin zu vollständig softwaregeführten Diagnoseprozessen.
Mobile Endgeräte werden im Arbeitsprozess vielfach als Informationsbasis und zum Austausch von Informationen genutzt. Es finden sich aber auch weiterführende Anwendungen, die insbesondere auf Dokumentations- und Organisationszwecke abzielen.
Virtual und Augmented Reality zur Unterstützung der Facharbeit und Berufsausbildung sind in der betrieblichen Praxis aktuell noch nicht anzutreffen, jedoch werden in größeren Unternehmen bereits Anwendungsszenarien erarbeitet und Einsatzpotenziale untersucht.
Schaubild C4.4-1 beschreibt die aktuelle Verbreitung typischer digitaler Technologien im Arbeitsbereich von Land- und Baumaschinenmechatronikern/Land- und Baumaschinenmechatronikerinnen.
Schaubild C4.4-1: Aktuelle Verbreitung digitaler Technologien im Arbeitsbereich von Land- und Baumaschinenmechatronikern/-mechatronikerinnen (in %)
Tätigkeitsveränderungen
Berufliche Arbeitsaufgaben, die einen Umgang mit digitalen Technologien erfordern, haben zugenommen und zu Verschiebungen im Arbeitskontext geführt. Dies bezieht sich zum einen auf einen quantitativen Anstieg von Aufgaben mit Digitalisierungsbezug und zum anderen auf erhöhte Kompetenzanforderungen, um veränderte Tätigkeiten weiterhin ausführen zu können. Die Arbeitsaufgaben wandeln sich zunehmend von körperlich fordernden hin zu geistig fordernden Tätigkeiten, wobei auch einfachere handwerkliche Tätigkeiten, trotz ihrer quantitativen Abnahme, relevant bleiben.
Veränderungen in der Facharbeit sind sowohl auf Ebene der Software-Anwendung (z. B. Durchführen softwaregestützter Diagnoseprozesse, Updaten von Maschinensoftware, Ändern/Anpassen von Maschinenparametern etc.) als auch auf Hardware-Ebene im direkten Umgang mit den eingebetteten IT-Systemen (z. B. Inspektion, Wartung, Instandsetzung etc.) zu verzeichnen.
Der Umgang mit digitalen Daten nimmt zu. Dies bezieht sich insbesondere auf die Filterung relevanter Daten aus einer Fülle zur Verfügung stehender Informationen sowie die Analyse und Interpretation der vorhandenen Datenbasis. Die Beurteilung der Plausibilität von Messwerten und Diagnoseergebnissen durch eine gedankliche Durchdringung und Einordnung in das Gesamtsystem spielt hierbei eine zentrale Rolle. Aufbauend darauf können gezielt Entscheidungen getroffen und Systemeingriffe vorgenommen werden.
Die Dokumentation und Planung erfolgt in zunehmendem Maße auf digitaler Ebene. Mobile Technologien werden hierbei als ein Mittel zur Erhöhung von Effektivität und Effizienz im Hinblick sowohl auf den Arbeitsprozess selbst als auch auf den gesamten Geschäftsprozess genutzt.
In der betrieblichen Praxis ist eine Spezialisierung der Mitarbeiter auf bestimmte Maschinen, Maschinentypen oder Produktgruppen üblich. So ist es denkbar, dass sich ein Mitarbeiter ausschließlich mit Motorgeräten befasst und ein anderer den Fokus auf Landmaschinen legt. Eine Differenzierung des Tätigkeitsfeldes in Technologiedisziplinen (Elektrotechnik/Elektronik, Maschinenbau/Mechanik, Informationstechnik/Informatik) oder in bestimmte Aufgabengebiete wie Softwarediagnose und mechanische Instandsetzung findet in der Regel nicht statt.
Die Facharbeit wird vielfach durch eine softwarebasierte Informationsbereitstellung unterstützt, z. B. auf Basis von Diagnosetools, Datenbanken oder Internetanwendungen. Die Unterstützung kann aber auch in Form eines zwischenmenschlichen Informationsaustauschs stattfinden, wobei die Mensch-Mensch-Interaktion zunehmend geprägt ist von der Anwendung mobiler Endgeräte.
Schaubild C4.4-2 beschreibt die zukünftige Veränderung von Tätigkeiten im Arbeitsbereich von Land- und Baumaschinenmechatronikern/Land- und Baumaschinenmechatronikerinnen durch die zunehmende Digitalisierung der Arbeitswelt.
Schaubild C4.4-2: Künftiger Stellenwert ausgewählter Tätigkeiten und Arbeitsaufgaben von Land- und Baumaschinenmechatronikern/-mechatronikerinnen (in %)
Künftige Kompetenzanforderungen
Im Rahmen von Experteninterviews und Betriebsbegehungen wurde deutlich, dass die Betrachtung technischer Systeme und Systemkomponenten sich zunehmend von einer isolierten, lokalen Betrachtung hin zu einer mechatronischen Gesamtbetrachtungsweise wandelt. Insbesondere die Vernetzung von IT-Komponenten ist hierbei als ein maßgeblicher Einflussfaktor hervorzuheben.
Durch die Einbettung und Vernetzung von Informations- und Kommunikationstechnik zwischen Mensch und Maschine und zwischen Maschine und Maschine wird das technische Gesamtsystem komplexer. In- und externe Wechselwirkungen entstehen neu. Zusätzlich gewinnt die Fähigkeit, in vernetzten Prozessen zu denken und zu handeln, an Stellenwert.
Neben dem Arbeiten in Werkstätten und mobilen Einsätzen bei Kunden wird als dritte Arbeitsform der Service über virtuelle und telemediale Netzwerke wichtiger. Hier ist der/die Land- und Baumaschinenmechatroniker/-in nicht mehr unmittelbar an der Maschine oder dem Gerät, sondern kann über das virtuelle Abbild Diagnosen vornehmen und Informationen beschaffen.
Fachkräfte müssen deshalb in der Lage sein, die mit einem höheren Vernetzungsgrad einhergehende Informationsverarbeitung nachzuvollziehen. Fähigkeiten und Kenntnisse zur Datenanalyse und -bewertung, zum strukturierten Vorgehen im Arbeitsprozess, zum Nachvollziehen und Bewerten von Messwerten und maschineninternen Kommunikationsprozessen sowie zur sicheren und zielgerichteten Anwendung digitaler Technologien auf Software- und Hardwareebene sind Grundvoraussetzungen für berufliches Handeln.
Das für Land- und Baumaschinenmechatroniker/-innen relevante Datenverständnis schließt nahtlos an das System- und Prozessverständnis an. Dieses ist im Wesentlichen geprägt durch die Fähigkeit, aus einer Vielzahl zur Verfügung stehender Daten relevante Informationen zu filtern, diese zu analysieren und auf Basis der Kenntnis des Gesamtsystems einer Plausibilitätsbewertung zu unterziehen. Umgang mit Daten bedeutet auch, dass rechtliche Vorgaben zum Datenschutz und zur IT-Sicherheit eingehalten werden.
Ein wichtiger Faktor zukünftiger Entwicklungen ist die Offenheit des Personals gegenüber technologischen Innovationen sowie die Bereitschaft und Fähigkeit, mit neuen Situationen umzugehen. Es hat sich im Rahmen der qualitativen Studienphase gezeigt, dass insbesondere bei älteren Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen eine verstärkte Skepsis und zum Teil auch Abwehrhaltung gegenüber moderner Informations- und Kommunikationstechnik vorhanden ist. Die Förderung der Innovationsbereitschaft durch ein sensibles Heranführen dieser Mitarbeiter/-innen an technologische Innovationen stellt eine wichtige Herausforderung dar. Teamarbeit ist hierbei ein wichtiges Mittel, um berufliche Handlungsfähigkeit im Umgang mit IT-Systemen herzustellen.
Von insgesamt 14 ausgewählten Kompetenzen, die aus den Ergebnissen der Fallstudien generiert wurden, wurde der aktuelle und zukünftige Stellenwert in der Online-Befragung abgefragt. Schaubild C4.4-3 beschreibt die zukünftige Veränderung von Kompetenzen im Arbeitsbereich von Land- und Baumaschinenmechatronikern/-mechatronikerinnen durch die zunehmende Digitalisierung der Arbeitswelt. Die 5 Kompetenzbereiche IT-Anwenderkenntnisse, Systemverständnis, Prozessverständnis, Innovationsbereitschaft und Datenverständnis weisen in der Zukunftsperspektive die größten Zuwächse hinsichtlich ihres Stellenwerts auf.
Kommunikationsfähigkeit, einschließlich des Umgangs mit digitalen Medien, wird im Rahmen des Informationsaustauschs mit anderen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen sowie betriebsexternen Akteuren immer bedeutsamer. Die Land- und Baumaschinenmechatroniker/-innen sind die Mediatoren zwischen Endkunden und Herstellern. Kundenberatung wird noch wichtiger.
Schaubild C4.4-3: Zukünftige Veränderung von Kompetenzen im Arbeitsbereich von Land- und Baumaschinenmechatronikern/-mechatronikerinnen (in %)
Zukünftige Qualifikationsbedarfe
Die Bereitschaft zu einem lebenslangen Lernen rückt für bereits im Beruf Beschäftige als Voraussetzung für die Erhaltung beruflicher Handlungsfähigkeit in den Vordergrund. Zusätzlich erfordern stetig neue technologische Innovationen die kontinuierliche Anpassungsfortbildung der Mitarbeiter/-innen. Möglichkeiten und Wege für eine Aufstiegsfortbildung bedürfen einer Weiterentwicklung. Die Vermittlung eines ausgeprägten Prozess- und Systemverständnisses muss künftig ein zentrales Anliegen der Ausbildung sein. Deduktives Herangehen als didaktisches Prinzip, das heißt vom System und Prozess aus Handeln, sollte Priorität haben.
Das künftige Ausbildungsberufsbild kann grundsätzlich auf das vorhandene aufbauen. Folgende Positionen sollten darin eingebunden werden:
- Lernen als berufsbegleitende Daueraufgabe begreifen,
- Arbeits- und Geschäftsprozesse IT-gestützt planen, vorbereiten, durchführen, abschließen und dokumentieren, mit Kunden und im Team abstimmen, auch unter Nutzung digitaler Medien,
- Störungen an Hard- und Softwarekomponenten erkennen, IT-gestützte Systemanalysen planen und durchführen,
- Daten und Informationen IT-gestützt erfassen, bewerten, verwalten und archivieren,
- geeignete Maßnahmen zu Datenschutz und IT-Sicherheit treffen und unterstützen,
- mobile und stationäre IT-Systeme an Land- und Baumaschinen sowie Motorgeräten installieren, ggf. in Netzwerke einbinden, in Betrieb nehmen, ändern und testen und
- Land- und Baumaschinen sowie Motorgeräte IT-gestützt diagnostizieren und parametrieren.
Eine Neugewichtung bezogen auf die inhaltliche und zeitlich-organisatorische Gestaltung der Ausbildung wird notwendig werden und sollte sich auch in der künftigen Prüfungsgestaltung widerspiegeln.
(Gert Zinke)