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Der Einzug digitaler Technologien in die Arbeitsbereiche der Fachkraft für Abwassertechnik hat bereits vor geraumer Zeit begonnen und stellt keine gänzlich neue Erscheinung dar. Als bedeutendste Veränderung kann der Einsatz von Prozessleittechnik angesehen werden, der vielfach bereits seit den 1990er-Jahren erfolgte.

Nach dieser einschneidenden Veränderung war der weitere technologische Entwicklungsprozess insbesondere geprägt von einer gesteigerten Datenaufnahme und -verarbeitung, verbunden mit dem zunehmenden Einsatz digitaler Mess-, Steuerungs- und Regelungstechnik. Über Online-Messtechniken wurden vermehrt Zustände erfasst und mittels vernetzter Aktoren Steuerungs- und Regelungsmaßnahmen eingeleitet. 

Digitalisierungs- und Vernetzungsansätze in der betrieblichen Praxis

Der Umfang im Einsatz digitaler Messtechnik steht vielfach im Zusammenhang mit der Größe einer Kläranlage. Auf großen Anlagen ist häufig ein stärkerer Einsatz digitaler Messtechnik festzustellen. Die Vernetzung ist wesentlicher Faktor des digitalen Wandels in der Abwassertechnik. Netzwerke ermöglichen einen Zugriff auf Daten und Maschinentechnik über Anlagengrenzen hinweg und führen zu einer Flexibilisierung von Arbeitsorten. Es ist bereits heute möglich, Überwachungs- und Steuerungsaufgaben IT-basiert von beliebigen Orten aus via Fernzugriff wahrzunehmen. 

Die mit der Vernetzung einhergehenden Anwendungen bieten Potenziale hin zu einer effektiveren und effizienteren, sich an dynamische Rahmenbedingungen anpassenden Prozessgestaltung. Dies wird unter anderem ermöglicht durch Daten aus externen Quellen, die für interne Prozesse genutzt werden (Bsp. Wetterdaten), sowie durch Daten aus internen Quellen, die über eine externe Verarbeitung Nutzen generieren (Bsp. Instandhaltungsorganisation). 

Maschinenhersteller bieten vermehrt Servicedienstleistungen zusammen mit ihren Produkten an. Es werden Maschinendaten netzbasiert erhoben und herstellerseitig ausgewertet. Darauf aufbauend können dann Instandhaltungsmaßnahmen geplant und durchgeführt werden.

Neben der Effektivitäts- und Effizienzsteigerung durch die Digitalisierung bewirkt der erhöhte Vernetzungsgrad aber auch sicherheitsbezogene Risiken und Gefahrenpotenziale. Eine ausreichende, den gesetzlichen Vorgaben entsprechende IT-Sicherheit ist als Grundvoraussetzung einer weiteren Integration von Informations- und Kommunikationstechnologien zu betrachten. Mangelnde IT-Sicherheit kann als Hemmnis einer weiteren Entwicklung angesehen werden.

Software zur Organisation und Dokumentation ist in der betrieblichen Praxis weit verbreitetet und etabliert sich immer mehr. Für die Arbeitsbereiche der Fachkräfte für Abwassertechnik ist insbesondere die softwarebasierte Organisation von Instandhaltungsprozessen sowie die teilweise schon automatisiert stattfindende softwarebasierte Dokumentation von Prozessdaten von großer Bedeutung. Auch Softwarelösungen, die zur Erfassung, Verwaltung und Präsentation raumbezogener Daten dienen, sogenannte Geoinformationssysteme, werden aktuell bereits eingesetzt und in Zukunft verstärkt an Bedeutung gewinnen.

Ebenfalls sind betriebliche Anwendungssysteme in den Unternehmen zu finden. Hier sind insbesondere die häufig auf operativer Ebene verwendeten Enterprise-Resource-Planning-Systeme (ERP-Systeme)321 zu nennen. 

Assistenzsysteme zur Unterstützung der Facharbeit, z. B. Datenbrillen, sind in der betrieblichen Praxis im Allgemeinen nicht anzutreffen, jedoch werden Potenziale in Bezug auf die Ausbildung neuer Fachkräfte und die Schulung von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen mithilfe IT-basierter Simulation gesehen. Sehr vereinzelt findet auch schon eine Anwendung in den Betrieben statt.

Mobile Endgeräte werden auf Ebene der Facharbeit größtenteils zum Informationsaustausch genutzt. Grundlage hierfür sind zum Beispiel Instant-Messaging-Dienste322. Auch gibt es in einigen Betrieben innovative Ansätze zur Bereitstellung technischer Informationen auf Ausbildungs- und Facharbeitsebene über mobile Endgeräte.

Schaubild C4.5-1 beschreibt die aktuelle Verbreitung digitaler Technologien im Arbeitsbereich der Fachkraft für Abwassertechnik.

Schaubild C4.5-1: Welche der folgenden digitalen Anwendungen und Technologien werden von Fachkräften für Abwassertechnik in Ihrem Betrieb bereits genutzt und bei welchen ist die Nutzung geplant? (in %)

Tätigkeitsveränderungen

Die Arbeitsaufgaben wandeln sich zunehmend von einfacheren, körperlich fordernden hin zu komplexeren geistig fordernden Tätigkeiten, wobei auch einfache handwerkliche Tätigkeiten, trotz ihrer quantitativen Abnahme, weiterhin von Bedeutung sind und auch in Zukunft sein werden. 

Der zunehmende Umgang mit Mess-, Steuerungs- und Regelungstechnik und die immer größere Anzahl zur Verfügung stehender Daten bewirken eine Komplexitätssteigerung im Rahmen der Facharbeit. Diese Veränderung spielt sich sowohl auf der Software-Ebene (z. B. Überwachung mittels softwaregestützter Prozessvisualisierung, softwaregestützte Steuerungs- und Regelungsprozesse etc.) als auch auf der Hardware-Ebene im Umgang mit der entsprechenden Technik ab (z. B. Inspektion, Wartung, Inbetriebnahme etc.). 

Der PC-Arbeitsplatz hat an Bedeutung gewonnen. Anlagenbegehungen und Kontrollen vor Ort finden immer weniger statt, werden aber weiterhin durchgeführt und bleiben ein wichtiger Bestandteil des Aufgabenspektrums. 

Tätigkeiten im Umgang mit digitalen Daten werden immer wichtiger. Dies bezieht sich insbesondere auf die Filterung relevanter Daten aus einer Fülle zur Verfügung stehender Informationen sowie die datenbasierte Analyse und Interpretation. Insbesondere spielt die Beurteilung der Plausibilität von Messwerten auf Basis einer gedanklichen Durchdringung und Einordnung in den Gesamtprozess eine zentrale Rolle, um aufbauend Entscheidungen zu treffen und ggf. Systemeingriffe einzuleiten (z. B. Instandhaltungsmaßnamen, Steuerungs- und Regelungsmaßnahmen). 

Die Dokumentation von Messwerten, Prozesszuständen und Instandhaltungsmaßnahmen erfolgt wie gesagt vermehrt digital. Manuelle Dokumentation in Papierform wird immer seltener. Es wird softwarebasiert dokumentiert durch Dateneingabe am Computer oder bereits automatisiert durch das technische System selbst. Auch bei einer automatisierten Dokumentation verbleibt die Aufgabe der Kontrolle und Plausibilitätsbewertung bei der Fachkraft.

Mobile Technologien erhöhen die Effektivität und Effizienz vieler Tätigkeiten. Insbesondere die Überwachungsaufgabe, die ortsunabhängiger wahrgenommen werden kann, ist von dieser Entwicklung betroffen, aber auch andere Tätigkeiten, wie die Dokumentation von Wartungseinsätzen, werden in zunehmendem Maße durch den Einsatz mobiler Technologien beeinflusst. 

Die Tätigkeitsveränderung vollzieht sich auf großen Kläranlagen in vielen Bereichen in anderer Intensität als in kleinen Anlagen, tendenziell sind aber identische Entwicklungen festzustellen. Der Unterschied liegt insbesondere in der Tatsache begründet, dass der Tätigkeitswandel mit der digitalen Durchdringung der Arbeitsbereiche in Beziehung steht. Große Anlagen haben aufgrund ihrer häufig besseren finanziellen Ausstattung mehr Möglichkeiten, in digitale Technologien zu investieren. Kleine Anlagen sind im Gegenzug nicht so stark durch gesetzliche Vorgaben zur IT-Sicherheit „eingeschränkt“ und können netzbasierte Innovationen oftmals früher einsetzen.

Schaubild C4.5-2 beschreibt die zukünftige Veränderung von Tätigkeiten im Arbeitsbereich der Fachkraft für Abwassertechnik durch die zunehmende Digitalisierung der Arbeitswelt.

Schaubild C4.5-2: Welchen Stellenwert haben die folgenden Aufgaben und Tätigkeiten zukünftig im Arbeitsbereich von Fachkräften für Abwassertechnik? (in %)

Künftige Kompetenzanforderungen

Technische Systemkomponenten werden zunehmend nicht mehr isoliert, sondern aus dem Gesamtsystemkontext heraus betrachtet, weil insbesondere die Vernetzung von IT-Komponenten einen immer maßgeblicher werdenden Einflussfaktor darstellt. 

Die verstärkte Einbettung von IT in die Systeme und Prozesse der Abwassertechnik führt zu einer Komplexitätssteigerung in der Facharbeit und zu Veränderungen der Qualifikationsanforderungen. IT-Kompetenz gewinnt zunehmend an Bedeutung und ist im Beruf der Fachkraft für Abwassertechnik hauptsächlich als integraler Bestandteil des System- und Prozessverständnisses zu begreifen.

Die Grundlagen der technischen Systembetrachtung bleiben im Beruf der Fachkraft für Abwassertechnik stets die Prozesse der Abwasserbehandlung und -ableitung. Diese müssen verstanden werden, um im Rahmen der beruflichen Arbeitsaufgaben handlungsfähig zu sein und auch in Zukunft zu bleiben. Dies bedeutet, dass die Fachkraft für Abwassertechnik die technische Funktionsweise des Gesamtsystems sowie die Wechselwirkungen mit der Umwelt und unter den Systemkomponenten verstehen muss. Zusätzlich muss sie über die Fähigkeit verfügen, in vernetzten domänenübergreifenden Prozessen zu denken und zu handeln.

Um durch differenzierte Vorausplanung und zielgerichtetes Handeln Maßnahmen einleiten zu können (z. B. Eingriffe in das technische System), müssen Fachkräfte in der Lage sein, aus einer Vielzahl zur Verfügung stehender Informationen relevante Daten zu filtern, zu analysieren und auf Basis der Kenntnis des Gesamtsystems einer Plausibilitätsbewertung zu unterziehen. 

Durch eine immer größere Anzahl verfügbarer Informationen wächst der Anspruch, der an das Datenverständnis gestellt werden muss.

Die Reflexion von Sicherheitsaspekten wird im Beruf der Fachkraft für Abwassertechnik in Zukunft eine wichtige Rolle spielen. Dies hängt maßgeblich mit der Erhöhung des Vernetzungsgrades, der mit einer Verschärfung sicherheitstechnischer Risiken verbunden ist, zusammen. Die Kenntnis möglicher Risikopotenziale und darauf aufbauendes proaktives Handeln wird stark an Bedeutung gewinnen. 

Technologische Innovationen können erst dann langfristig eine nutzenbringende Wirkung erzielen, wenn eine adäquate Bedienung und Instandhaltung durch das Fachpersonal sichergestellt ist. Neben der Fähigkeit, sich fachbezogene Kompetenzen aneignen zu können, spielt auch die Offenheit der Mitarbeiter/-innen gegenüber neuen Technologien und die Bereitschaft zu einem stetigen Lernprozess eine zentrale Rolle. Dies bedeutet, dass neben einer fachbezogenen, didaktisch optimierten Kompetenzvermittlung auch motivationale Aspekte zu berücksichtigen sind.

(Sebastian Ranft)

  • 321

    „Ein Enterprise-Resource-Planning-System (ERP-System) unterstützt sämtliche in einem Unternehmen ablaufenden Geschäftsprozesse. Es enthält Module für die Bereiche Beschaffung, Produktion, Vertrieb, Anlagenwirtschaft, Personalwesen, Finanz- und Rechnungswesen usw., die über eine gemeinsame Datenbasis miteinander verbunden sind.“ (vgl. https://wirtschaftslexikon.gabler.de/definition/enterprise-resource-planning-system-51587/version-274748, Abruf: 15.01.2019) 

  • 322

    Mit Instant-Messaging-Diensten können in Echtzeit Nachrichten, Bilder sowie Audio-und Videodateien verschickt werden. Bekanntestes Beispiel ist WhatsApp.