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Die duale Berufsausbildung trägt auf Grundlage des Berufsbildungsgesetzes (BBiG) und in Kooperation mit berufsbildenden Schulen maßgeblich zur Qualifizierung der Beschäftigten in Unternehmen bei. In der Ausbildungsordnung vorgegebene Anforderungen, die von ausbildenden Betrieben nicht ausreichend abgedeckt werden können, werden nach § 5 Abs. 2 Nr. 6 BBiG durch die überbetriebliche Ausbildung (ÜBA) aufgegriffen. Vielfach betrifft dies die Ausbildung in klein- und mittelständischen Unternehmen (KMU). Die bundesweit ca. 1.000 überbetrieblichen Bildungsstätten (ÜBS, vgl. Kapitel A9.5) (vgl. Ekert u. a. 2009, S. 17) tragen zu einem systematischen Erwerb berufsrelevanter Kompetenzen mit einem hohen berufs- und betriebspraktischen Bezug bei. Mit der handlungsorientierten Ausbildung bieten die ÜBS eine produktionsunabhängige Lehr-/Lernsituation. Betriebliche Qualifikationsanforderungen werden nicht nur in der ÜBA abgebildet, sondern auch in den Maßnahmen der Fort- und Weiterbildung. Dabei obliegt es den ÜBS, die Angebote kontinuierlich an aktuelle technische oder auch ökonomische Entwicklungen anzupassen. Seit einigen Jahren stellt dabei die voranschreitende Digitalisierung eine besondere Herausforderung dar. Die digitale Transformation der Arbeitswelt verändert die Anforderungen an Fachkräfte gravierend, zugleich aber auch die Möglichkeiten der Ausgestaltung betrieblicher Ausbildung. Der Einsatz von Desktop-PCs oder Laptops mit Internetzugang, Smartphones sowie Tablets ist in Ausbildungsbetrieben inzwischen eine Selbstverständlichkeit. Im Gegensatz dazu ist der Anteil der Betriebe, die digitale Neuentwicklungen, wie Datenuhren oder -brillen, im Einsatz haben, sehr gering (vgl. Gensicke u. a. 2016). Derartige Weiterentwicklungen sind so schnell(-lebig), dass gerade KMU mit diesem Tempo nicht immer Schritt halten und die sich bietenden Möglichkeiten nicht vollständig nutzen können. Oft sind sie nicht in der Lage, im Rahmen der Ausbildung den ausreichenden Kompetenzerwerb hierfür sicherzustellen. So werden auch die Chancen, die die neuen Technologien für die beruflichen Lehr- und Lernprozesse in Betrieben bieten, oft nicht genutzt (vgl. ebd.). ÜBS – als Partner der KMU – können hierauf aufgrund ihrer oben beschriebenen Funktion durch entsprechende Bildungsangebote reagieren. Mit den Lehrgängen der ÜBA, vor allem im Handwerk, in der Industrie und der Agrarwirtschaft, unterstützen sie die Betriebe bei der Ausbildung der Fachkräfte unter Berücksichtigung technologischer Innovationen. 

Digitalisierung in überbetrieblichen Bildungsstätten (ÜBS)

Mit der vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) 2016 begonnenen zusätzlichen Förderung der Digitalisierung in überbetrieblichen Berufsbildungsstätten (ÜBS) und Kompetenzzentren (vgl. Bundesministerium für Bildung und Forschung 2018) werden die ÜBS unterstützt, den durch die Digitalisierung veränderten Anforderungen zu begegnen. Die nachfolgenden Ausführungen basieren daher auf Kenntnissen und Erfahrungen sowie ersten Ergebnissen aus der Förderung durch das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB). Diese zielt darauf ab, „[…] die Möglichkeiten zur Verbreitung der mit der Digitalisierung verbundenen Technik für ÜBS im Bereich der Ausbildung von Fachkräften schneller und gezielter voranzutreiben“ (ebd., S. 1). Um dies zu ermöglichen, wird einerseits digitale Ausstattung zur Umsetzung des überbetrieblichen Ausbildungsangebots gefördert, andererseits werden in 8 Pilotprojekten Auswirkungen der Digitalisierung auf berufliche Tätigkeitsprofile identifiziert, Anforderungen und Konsequenzen auf die Qualifizierung der Fachkräfte und des Bildungspersonals ermittelt und das Bildungsangebot dementsprechend angepasst. 

Förderung digitaler Ausstattung

Wesentliches Ziel der BMBF-Richtlinie (vgl. ebd.) ist die zügige Integration digitaler Techniken in den ÜBS. Erste Analysen der Förderung legen nahe, dass diese Zielstellung erreicht werden kann. Bisher konnten im Zeitraum 2016 bis 2018 222 Anträge mit einem Volumen von ca. 80 Mio. € gefördert werden. Dies betraf u. a. rund 25.900 digitale Ausstattungsgegenstände. Schaubild C6.1-1 zeigt die prozentuale Verteilung der Höhe der Förderung und der Anzahl an Anträgen auf die Zuständigkeitsbereiche. 

Schaubild C6.1-1: Verteilung der (bisherigen) Fördermittel und Anträge nach Zuständigkeitsbereichen 2016 bis 2018 (in %)

Auffällig ist, dass der Fokus in den Anträgen der ÜBS zunächst auf der Ausstattung der Schulungsräume (zur theoretischen Unterweisung) sowie auf Gegenständen zur digitalen Präsentation und mobilen Endgeräten gelegen hat. Hier zeigt sich eine Parallelität zu dem von Gensicke u. a. (2016) beschriebenen Umgang mit digitalen Techniken in den Betrieben. 

Neben dem Einsatz von PCs, Tablets und Notebooks in der ÜBA zur selbstständigen Informationsrecherche berufsrelevanter Aspekte oder zur Führung onlinebasierter Berichtshefte stand vor allem die Anfertigung technischer Zeichnungen im Vordergrund, welche bspw. bei der additiven Fertigung von Werkstücken zum Einsatz kommen (vgl. Ekert/Otto/Jahn 2018, S. 10). So erhalten Ausbilderinnen und Ausbilder in den ÜBS die Möglichkeit, durch Digitalisierung veränderte Fertigungsverfahren in den Mittelpunkt der Betrachtung und des Kompetenzerwerbs im Rahmen der ÜBA zu stellen. 

Die Förderung konnte auch zur Erneuerung und Modernisierung der Ausstattung der Lehrwerkstätten mit digitaler Technik beitragen. Insbesondere die Bereiche Metall- und Elektrotechnik oder auch die Kfz-Technik haben einen hohen Anteil an der geförderten Ausstattung. 

Nach eigenen Angaben verfolgen die Bildungsstätten dabei insbesondere folgende Zielsetzungen (vgl. ebd.): 

  • Attraktivität der ÜBA-Angebote für Betriebe,
  • Attraktivität der ÜBA-Angebote für Auszubildende,
  • Attraktivität der Ausbildungsberufe für Jugendliche/(potenzielle) Auszubildende erhöhen.

Die Steigerung der Attraktivität der Arbeit von Ausbilderinnen und Ausbildern in den ÜBS wurde als weiteres Ziel genannt. Mit einer entsprechenden Qualifizierung des eigenen Personals war die Erhöhung sowohl des technischen Verständnisses als auch des Know-hows über die Bedienung und Anwendung der entsprechenden Ausstattung verbunden. Im Wesentlichen erfolgte dies über Herstellereinweisungen und -schulungen. Neben der Vermittlung des fachgerechten Umgangs mit den Maschinen und Anlagen wurden auch Kenntnisse über deren zielführende Integration in die Überbetriebliche Lehrlingsunterweisung (ÜLU) vorgestellt und damit verbunden die didaktische und methodische Befähigung, die Lernenden in der Nutzung und Anwendung der neuen Ausstattung zu unterweisen. Resümierend sehen die Bildungsstätten vor allem aufgrund der Schnelllebigkeit der Technik weiterhin hohen Qualifizierungsbedarf. Auch bedürfen die technischen Veränderungen sowie die zum Teil sehr hohe Komplexität der angeschafften Ausstattung einer intensiven Auseinandersetzung. Hinsichtlich der Methodik des Einsatzes der Ausstattung besteht ebenfalls ein hoher Schulungsbedarf. Medienkompetenz des Ausbildungspersonals kann nicht über die hier benannten einmaligen Schulungen aufgebaut werden, sondern bedarf regelmäßiger Fort- und Weiterbildungen (vgl. Ekert/Otto/Jahn 2018, S. 8). Hierfür werden geeignete Konzepte exemplarisch im Rahmen der 8 Pilotprojekte entwickelt und erprobt. 

Förderung von Pilotprojekten zur Analyse der Auswirkung der Digitalisierung auf die überbetriebliche Ausbildung

Durch 8 Pilotprojekte, die unterschiedliche Berufsbilder und die damit verbundenen überbetrieblichen Lehrgänge in den Blick nehmen, werden die konkreten Auswirkungen der Digitalisierung auf die Arbeitswelt identifiziert Tabelle C6.1-1. Hiervon werden – auch unter Analyse geltender Curricula – Qualifizierungsbedarfe abgeleitet und durch entsprechende Gestaltung der Lehr-/Lernprozesse sowie den Einsatz erforderlicher Ausbildungsmittel erprobt. Dabei werden auch Konzepte zur Erhöhung der Medienkompetenz des Ausbildungspersonals und der Auszubildenden in den Blick genommen. Träger der Pilotprojekte sind ÜBS, die sich nach den Richtlinien der Bundesregierung (Bundesministerium für Bildung und Forschung/Bundesministerium für Wirtschaft und Energie 2015) zu einem Kompetenzzentrum weiterentwickelt haben.

Alle Projekte befassen sich mit der Analyse von Arbeitsprozessen und -aufgaben sowie der Analyse und dem Abgleich aktueller Curricula. Unter Berücksichtigung neuer technologischer Entwicklungen werden Qualifizierungsbedarfe angepasst und Curricula samt pilothafter Erprobung erneuert oder erweitert. Weitere Aufgaben, denen sich die Mehrheit der Projekte widmet, sind die methodisch-didaktische Gestaltung von Lehr-/Lernprozessen sowie die Entwicklung und Umsetzung geeigneter Lehr-/Lernkonzepte, verbunden mit der Entwicklung und/oder dem Einsatz innovativer Ausbildungsmittel sowie der Erarbeitung von Vorschlägen für die Qualifizierung des Bildungspersonals vor allem hinsichtlich der Medienkompetenz. 

Tabelle C6.1-1: Übersicht über alle im Sonderprogramm ÜBS-Digitalisierung geförderten Pilotprojekte in Kompetenzzentren

Exemplarische erste Ergebnisse 

In einem ersten Schritt galt es für die Pilotprojekte, die Auswirkungen der Digitalisierung auf die betrachteten Gewerke zu analysieren. Dabei zeigten sich überaus heterogene Ergebnisse. So verdeutlichte z. B. eine Analyse die Perspektiven sächsischer Bauunternehmen auf die Digitalisierung und die derzeitigen Einsatzmöglichkeiten digitaler Arbeits- und Hilfsmittel sowie auf die Arbeitsmethode des Building Information Modeling (BIM)328 (vgl. Martin/Niethammer 2018). 

Hierdurch konnten Indikatoren für Qualifizierungsbedarfe in der Erstausbildung in der Bauwirtschaft abgeleitet werden. Deutlich wurde, dass BIM bisher wenig Berücksichtigung findet und in der Arbeitspraxis abhängig von der Unternehmensgröße zum Einsatz kommt. Vor allem für das mittlere Baustellenmanagement wird sich hier jedoch eine zukünftige Aufgabe herauskristallisieren. Für die Facharbeiter/-innen wird die Qualifizierung aktuell dagegen eher als nachrangig betrachtet, jedoch wird auch hier für die Zukunft mit einer Qualifizierung in begrenztem Ausmaße gerechnet (vgl. ebd.). Qualifizierungsmaßnahmen können sich zum Beispiel auf Kenntnisse über die Arbeit mit BIM-Modellen beziehen.

Für die Arbeit an den beruflichen Lernorten – insbesondere den überbetrieblichen Berufsbildungsstätten – bedeutet dies, dass das Ausbildungspersonal über eine Qualifizierung entsprechend den am Bau beteiligten Mitarbeitergruppen verfügen muss. Der Qualifizierungsbedarf für die Ausbildenden in den ÜBS ist somit analog zu dem der Poliere und der Bauleitung in der Bauwirtschaft einzuordnen. Sie sollten und müssen insbesondere über vertiefte Kenntnisse zur Arbeit mit dreidimensionalen Gebäudemodellen verfügen. Das Pilotprojekt „Bau’s mit BIM“ des Berufsförderungswerks (BFW) Bau Sachsen e. V. stand somit vor der Aufgabe, ein entsprechendes Qualifizierungsangebot für Ausbildende zu erarbeiten und erprobte dies erfolgreich im Herbst 2018.

Anders gelagerte Anforderungen stellen sich für die Qualifizierung der zukünftigen Fachkräfte in der Zahntechnik, in der die Digitalisierung bereits starke Auswirkungen zeigt. Aufgrund von Befragungen von Arbeitgebern und Angestellten in den zahntechnischen Laboren sowie unter Auszubildenden und Berufsschullehrern und -lehrerinnen konnten Qualifizierungsbedarfe ermittelt werden, denen die bestehenden Curricula nicht entsprechen. Die Gewerbeakademie der Handwerkskammer Freiburg konzipierte und erprobte daraufhin im Rahmen ihres Pilotprojektes „Digital Dental³“ 2 neue überbetriebliche Lehrgänge. Bereits bestehende Lehrgänge wurden um Kenntnisse, Fertigkeiten und Fähigkeiten in der Anwendung digitaler Technologien erweitert (Handwerkskammer Freiburg 2018).

Auch in anderen Pilotprojekten galt es, die Lehr-/Lernangebote an die ermittelten Qualifizierungsbedarfe anzupassen. Im Projekt „DigiZ“329 des Bundesausbildungszentrums für Zimmerer konnten Aspekte identifiziert werden, die in angepasste überbetriebliche Lehrgänge übergehen sollten, so z. B. die Integration des digitalen Aufmaßes, der Erwerb von Grundkenntnissen im Umgang mit Anwendungen von computer-aided design (CAD)330  – etwa durch das Lesen und Arbeiten mit CAD-Plänen – oder die Vermittlung eines Grundverständnisses des automatisierten Abbundes331 von Hölzern, welches dann in der beruflichen Fortbildung besonders zum Tragen kommt. 

In einem weiteren Schritt arbeiteten die Pilotprojekte daran, in ihren Lehr-/Lernangeboten innovative Ausbildungsmittel einzusetzen. Dies geschieht etwa in der Handwerkskammer Erfurt durch eine virtuelle Werkstatt oder durch die Schaffung von Lerninseln im Elektro Technologie Zentrum (etz) Stuttgart. Durch ein innovatives Raumkonzept wurde die (Ausbildungs-)Werkstatt 4.0 im etz entwickelt. Der Gestaltung des Lernraums liegt eine didaktische Konzeption zugrunde, die insbesondere der Initiierung des Arbeitens und Lernens in Gruppen dient. Dies erfordert eine Qualifizierung des Ausbildungspersonals, die eingebettet ist in die Anwendung der digitalen Lernplattform ueba.elkonet.de332 und fokussiert darauf, einerseits mit der vorhandenen Lernumgebung (u. a. Netzwerkinfrastruktur, Lerninseln, Endgeräte und Softwaretools) umgehen zu können und andererseits digitale Lernszenarien selbst zu gestalten.

Die hier exemplarisch beschriebenen ersten Ergebnisse dienen zunächst nur der Veranschaulichung der Arbeiten und erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Mit dem Abschluss der Projektarbeiten im Juni 2019 können Ergebnisse abgeleitet werden, die im Anschluss hinsichtlich ihrer Breitenwirkung und Übertragbarkeit zu prüfen und aufzubereiten sind.

(Christiane Köhlmann-Eckel)

  • 328

    Das Building Information Modeling (BIM) beschreibt eine Methode der optimierten Planung, Ausführung und Bewirtschaftung von Gebäuden mithilfe von Software.

  • 329

    DigiZ Digitalisierung im Zimmererhandwerk: https://www.foraus.de/html/foraus_5034.php

  • 330

    CAD wird zur Erstellung digitaler Konstruktionsmodelle verwendet.

  • 331

    Der Vorbereitung von Holzkonstruktionen.

  • 332

    Ausbildungsportal für die überbetriebliche Ausbildung in den elektro- und informationstechnischen Ausbildungsberufen (https://ueba.elkonet.de).