Entwicklung von Ausbildungsplatzangebot und -nachfrage
Für das Jahr 2020 wird für das Nachfragepotenzial ein Rückgang um weitere 2,2% im Vergleich zum Jahr 2019 erwartet. Dies ist vorwiegend der leicht zurückgehenden Anzahl an Schulabsolventen und -absolventinnen geschuldet. Bei einer nahezu kontinuierlich zurückgehenden Anzahl an Ausbildungsinteressierten lässt sich auch die Ausbildungsbereitschaft der Betriebe, Praxen und Verwaltungen nicht aufrechterhalten. So geht auch das Angebotspotenzial zurück, um 1,3% im Vergleich zum Jahr 2020.
Trotz der gegenseitigen Abhängigkeit von Angebots- und Nachfragepotenzial steht die Ausbildungs- und Meldebereitschaft der Unternehmen, Praxen und Verwaltungen gewöhnlicherweise im Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Entwicklung (vgl. BIBB-Datenreport 2017, Kapitel A2; Maier/Walden 2014). Die aktuellen Prognosen der Wirtschaftsforschungsinstitute für das Jahr 2020 liegen zwischen einer Wachstumserwartung von 0,6% (Bundesbank) und 1,4% (Hamburgisches WeltWirtschaftsInstitut). Die Bundesregierung geht im Jahreswirtschaftsbericht von einem Wachstum von 1,1% aus.25 Bei einem realen Volumenindex26 des Auftragseingangs aus dem Ausland (Verarbeitendes Gewerbe) von 106,6 für das Jahr 2020 (2019: 105.07) kommt PROSIMA auf ein Wachstum von rund 1,06 %. Da es sich in etwa im Mittel der Vorhersage der Wirtschaftsforschungsinstitute bewegt, wird es für die folgenden Prognosen herangezogen.27
Tabelle A2.2-1 gibt die zentralen Kennzahlen des Ausbildungsstellenmarktes unter den geschilderten Nebenbedingungen wieder. Aufgrund des zurückgehenden Angebotspotenzials ist für das Jahr 2020 mit einem Rückgang in der Anzahl der angebotenen Ausbildungsplätze von 578.200 auf 568.900 zu rechnen.28 Dabei werden vor allem die neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge von 525.100 im Jahr 2019 auf 514.90029 im Jahr 2020 zurückgehen, während die unbesetzten Ausbildungsplätze mit 54.000 nahezu auf dem Wert des Jahres 2019 (53.100) verharren.30 Die Ausbildungsplatznachfrage (erweiterte Definition) geht ebenfalls leicht von rund 598.800 Personen (2019) auf 584.900 Personen (2020) zurück. Unter den unvermittelten Bewerberinnen und Bewerbern prognostiziert PROSIMA ebenfalls einen leichten Rückgang von 24.500 auf 22.400 Personen31, wie bei der Anzahl an unvermittelten Bewerbern und Bewerberinnen in Alternativen, die von 49.200 (2019) auf 47.600 (2020) zurückgehen.32
Tabelle A2.2-1: Einschätzung der Ausbildungsmarktentwicklung zum 30.09.2020 (Angaben in Tsd.)
In beiden Angebots-Nachfrage-Relationen ändert sich das Verhältnis der angebotenen zu den nachgefragten Ausbildungsplätzen zugunsten der Ausbildungsnachfrager/-innen. So steigt die Relation von 96,6 auf 97,3 Ausbildungsstellen pro 100 Bewerber/-innen (erweiterte Definition) bzw. von 105,2 auf 105,9 Ausbildungsstellen pro 100 Bewerber/-innen (alte Definition).33
Die gesamten Schätzungen – insbesondere die Schätzung der unbesetzten Ausbildungsplätze – sind für 2020 mit Unsicherheiten verbunden, die über die Grenzen der jeweilig ökonometrisch bestimmten Vertrauensintervalle hinausgehen. So wird für die Ergebnisse in Tabelle A2.2-1 angenommen, dass die Unternehmen, Praxen und Verwaltungen von ihrem bisherigen Ausbildungsverhalten nicht abweichen. Konsistent mit dem zurückgehenden Angebots- und Nachfragepotenzial prognostiziert PROSIMA auch einen Rückgang der bei der BA gemeldeten Ausbildungsstellen (von 572.000 auf 552.100) und gemeldeten Bewerbern und Bewerberinnen (von 511.800 auf 497.700). Die vergangene Entwicklung und die Ex-post-Analyse verdeutlichen, dass Ausbildungsverträge wahrscheinlicher werden, wenn beide Marktseiten das Ausbildungsinteresse institutionell erfassen lassen. Insbesondere die Unternehmen, Praxen und Verwaltungen sollten deshalb die BA für Vermittlungszwecke stärker nutzen, um mehr potenziellen Bewerbern und Bewerberinnen die „Gelegenheit“ zu einer Ausbildung zu ermöglichen.
Um die Abhängigkeit der Prognose von den Rahmenbedingungen zu verdeutlichen, werden erneut Sensitivitätsanalysen mit PROSIMA berechnet. Diese zeigen Folgendes:
- Pro Prozentpunkt geringerem Wirtschaftswachstum verringert sich das Ausbildungsplatzangebot um ca. 6.200 Plätze. Damit würden bei sonst gleichbleibenden Rahmenbedingungen 4.300 neue Ausbildungsverträge weniger geschlossen. Die Zahl der unvermittelten Bewerber/-innen (inklusive Personen mit Alternative) würde um rund 1.900 steigen. Diese relativ geringe Sensitivität ist der zurückgehenden Nachfrage nach Ausbildungsplätzen geschuldet. Bei einem stärkeren Rückgang des Wirtschaftswachstums in Folge der Corona-Krise könnten sich jedoch auch stärkere Effekte hinsichtlich der Zahl der Neuabschlüsse, der unbesetzten Plätze und der unvermittelten Bewerber ergeben.
- Um den Effekt der Ausbildungs- und Meldebereitschaft seitens der Unternehmen, Praxen und Verwaltungen zu simulieren, wird die Anzahl der gemeldeten Stellen auf das Vorjahresniveau (+ 19.000) gesetzt. Es zeigt sich, dass unter diesen Umständen auch das institutionell erfasste Ausbildungsangebot mit 571.900 Stellen um rund 3.000 Stellen steigen würde. Aufgrund der weiterhin zurückgehenden Nachfrage nach Ausbildungsplätzen würde sich dies jedoch nicht nur in einer leicht steigenden Anzahl an neu abgeschlossenen Ausbildungsverträgen (um 1.800 auf 516.700), sondern auch in einem Anstieg der unbesetzten Stellen (um 1.100 auf 55.100) zeigen.
- Um die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge zu erhöhen, müsste auch gleichzeitig die Anzahl der bei der BA gemeldeten Bewerber/-innen, sowie das Nachfragepotenzial steigen. Könnten diese auf dem Wert des Jahres 2019 (+14.000 gemeldete Bewerber/-innen) gehalten werden, könnten 520.500 (+5.600) neu abgeschlossene Ausbildungsverträge im Jahr 2020 erwartet werden. Da die gemeldeten Stellen derzeit jedoch bereits über der Anzahl der gemeldeten Bewerber/-innen liegen, hätte eine Steigerung der bei der BA gemeldeten Bewerber/-innen und des Nachfragepotenzials auch unabhängig von einer Erhöhung der gemeldeten Stellen eine Erhöhung der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge um rund 3.800 zur Folge.
Auswirkungen der „Corona- Krise“ auf die Bereitstellung von Ausbildungsplätzen
Das ursprünglich in China erstmals festgestellte neuartige Coronavirus (SARS-CoV-2) wurde im Verlauf des Frühjahres 2020 auch immer häufiger in Deutschland nachgewiesen. Um die Zahl der Neuinfektionen zu reduzieren, wurden Anfang März 2020 eine Reihe politischer Maßnahmen ergriffen. So wurde die Ausübung wirtschaftlicher Tätigkeiten stark reduziert. Wann und in welchen Schritten der sogenannte „Shutdown“ beendet würde, war zum Erstellungszeitpunkt der Projektion nicht ersichtlich. Der Sachverständigenrat (2020) geht in seinem Sondergutachten zur wirtschaftlichen Entwicklung angesichts der Corona-Pandemie in der Basisprojektion von einem Wirtschaftswachstum von -2,8% aus34. Unter dieser Annahme wäre mit einem Ausbildungsplatzangebot in Höhe von 543.900 Plätzen zu rechnen. Dabei könnten rund 498.500 Ausbildungsverträge neu abgeschlossen werden, rund 45.400 Plätze blieben unbesetzt, die Zahl der unvermittelten Bewerber/-innen (inkl. Personen mit Alternative) stiege auf 77.500 an.
Anzumerken ist, dass die Zahl der unbesetzten Ausbildungsplätze eine schwer zu schätzende Größe ist. Sollte das Wirtschaftswachstum tatsächlich so gering ausfallen, wäre zu erwarten, dass die Zahl der unbesetzten Plätze eventuell stärker sinkt, als in der Simulation ausgewiesen. Des Weiteren ist zu beachten, dass in der Simulationsrechnung von einem unveränderten Ausbildungsinteresse der Jugendlichen ausgegangen wird. Sollten sich jedoch die Schulabschlussprüfungen verschieben, könnte es zu Vermittlungsschwierigkeiten kommen, die einen weitaus größeren Effekt auf die Zahl der Neuabschlüsse zum 30.09.2020 haben könnten. Die Auswirkungen der „Corona-Krise“ auf die duale Berufsausbildung werden anhand einer Reihe von Prognose-Szenarien in Maier (2020) diskutiert.
Die Sensitivitätsanalysen zeigen, dass eine Erhöhung der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge – bei einem positiven Wirtschaftswachstum – vor allem durch eine Steigerung des Nachfragepotenzial nach einer dualen Berufsausbildung herbeigeführt werden könnte. Je mehr Bewerber/-innen bei der BA registriert und somit auch als vermittlungsfähig eingestuft werden, desto höher liegt die Anzahl der durch PROSIMA prognostizierten neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge.
Um die Zahl der vermittlungsfähigen Bewerber/-innen zu erhöhen, kann von staatlicher Seite beispielsweise auf die Möglichkeiten der Einstiegsqualifizierung hingewiesen werden. Zudem gilt es, über Sprachförderung und/oder schulische Nachqualifizierungsmaßnahmen junge Geflüchtete für die Aufnahme einer Berufsausbildung zu befähigen, um ihre Vermittlungschance in eine Berufsausbildung zu erhöhen. Die Unternehmen, Praxen und Verwaltungen können zudem durch Leistungen der Berufsausbildungsbeihilfe (BAB), der Assistierten Ausbildung (AsA) sowie ausbildungsbegleitende Hilfen (abH) in ihren Ausbildungsbemühungen unterstützt werden. Gleichzeitig müsste aber auch die Attraktivität einer dualen Berufsausbildung für Personen mit einer Hochschulzugangsberechtigung gesteigert bzw. der entsprechenden Zielgruppe verdeutlicht werden.
(Tobias Maier)
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25
Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände: Prognosen des Bruttoinlandsproduktes 2020 und 2021. URL: https://arbeitgeber.de/www/arbeitgeber.nsf/res/BIP_Verbr_Prod_Prognosen.pdf/$file/BIP_Verbr_Prod_Prognosen.pdf (Stand: 13.02.2020).
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26
In Preisen des Jahres 2015.
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27
Die Auswirkungen der Corona-Krise auf die Bereitstellung von Ausbildungsplätzen waren zum Zeitpunkt der Schätzung noch nicht bekannt.
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28
Mit einer Irrtumswahrscheinlichkeit von 5% liegt das Ausbildungsplatzangebot zwischen 557.900 und 579.900 angebotenen Stellen.
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Das Vertrauensintervall liegt mit einer Irrtumswahrscheinlichkeit von 5% zwischen 501.700 und 528.100 neuen Ausbildungsverträgen. Größtenteils ist der Rückgang der Neuabschlüsse auf die Bereiche Industrie und Handel zurückzuführen. Hier nimmt die Zahl der Verträge von 304.600 (2019) auf 290.400 (2020) ab. Die Zahl der Neuabschlüsse im Handwerk steigt hingegen leicht von 142.900 (2019) auf 146.400 (2020) an.
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Das Vertrauensintervall liegt mit einer Irrtumswahrscheinlichkeit von 5% zwischen 44.200 und 63.800 unbesetzten Ausbildungsplätzen.
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31
Das Vertrauensintervall liegt mit einer Irrtumswahrscheinlichkeit von 5% zwischen 18.400 und 26.400.
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32
Das Vertrauensintervall liegt mit einer Irrtumswahrscheinlichkeit von 5% zwischen 44.000 und 51.200.
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Die Vertrauensintervalle liegen zwischen 95,3 und 99,3 (erweiterte Definition) und zwischen 103,3 und 108,5 (alte Definition).
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34
Sondergutachten vom 30.03.2020, siehe https://www.sachverstaendigenrat-wirtschaft.de/sondergutachten-2020.html