In diesem Kapitel wird die duale Berufsausbildung nach BBiG/HwO im Vergleich zu anderen (Aus-)Bildungsstationen dargestellt. Ziel ist es, die duale Berufsausbildung in den Kontext des gesamten (Aus-)Bildungsgeschehens einzuordnen und ihre Bedeutung im Vergleich zu anderen Bildungssektoren zu bestimmen. Hierfür werden insbesondere Daten der iABE genutzt, weil diese für eine solche Betrachtung in besonderer Weise geeignet sind.
Statistiken und Erhebungen zur dualen Berufsausbildung nach BBiG/HwO
Daten zur dualen Berufsausbildung nach BBiG/HwO liegen aus verschiedenen Datenquellen vor: Zentrale Datenquellen sind neben der iABE die BIBB-Erhebung zum 30.09. und die Berufsbildungsstatistik Tabelle A-1.
Bei der iABE handelt es sich im eigentlichen Sinne nicht um eine Statistik, sondern um ein Berichtssystem, welches verschiedene amtliche Statistiken zu einem Gesamtüberblick über das (Aus-)Bildungsgeschehen zusammenführt, also integriert. Neben den Daten zur dualen Berufsausbildung nach BBiG/HwO finden sich hier auch Daten zu Anfängern/Anfängerinnen in anderen vollqualifizierenden Berufsausbildungen außerhalb BBiG/HwO, z. B. zu schulischen Berufsausbildungen in Gesundheits-, Erziehung- und Sozialberufen (GES) oder Daten zum Übergangsbereich, zu Bildungsgängen, die den Erwerb der Hochschulreife ermöglichen, oder zum Studium.
Bei der BIBB-Erhebung zum 30.09. handelt es sich um eine jährliche Totalerhebung aller neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge des dualen Systems zum Stichtag 30.09. Die Daten zu den neu abgeschlossenen Ausbildungsverträgen werden dann mit Daten – ebenfalls zum Stichtag 30.09. – aus der Geschäftsstatistik der Bundesagentur für Arbeit (BA) verbunden, um zeitnah zum Beginn des Ausbildungsjahres eine Analyse zum Angebot und der Nachfrage nach Ausbildungsplätzen anzufertigen (vgl. Kapitel A1).
Auch bei der Berufsbildungsstatistik handelt es sich um eine jährliche Totalerhebung. Hier werden neben Merkmalen der Auszubildenden, Ausbildungsverläufe, Ausbildungsberufe und Ausbildungsstätten auch neu abgeschlossene Ausbildungsverträge im dualen System zum Stichtag 31.12. erfasst (vgl. Kapitel A5).
Bei den drei genannten Datenquellen handelt es sich demnach um unterschiedliche Statistiken, Erhebungen bzw. Berichtssysteme, die unterschiedliche Daten zu verschiedenen Stichtagen erheben und entsprechend andere Zustände und Prozesse der dualen Berufsausbildung beleuchten:
- Die iABE eignet sich insbesondere dann, wenn es um die Einordung der dualen Berufsausbildung in den Kontext des gesamten (Aus-)Bildungsgeschehens geht; wenn z. B. die Zahl der Anfänger/-innen in Berufsausbildung den Zahlen der Anfänger/-innen im Studium, in schulischer Berufsausbildung oder im Übergangsbereich gegenübergestellt werden soll.
- Die BIBB-Erhebung zum 30.09. wird insbesondere in Verbindung mit Daten aus der Ausbildungsmarktstatistik der BA zum 30.09. genutzt. Aufgrund der Aktualität der Daten können zeitnahe Berechnungen von Angebot und Nachfrage im dualen System vorgenommen werden.
- Die Vorteile der Berufsbildungsstatistik liegen insbesondere in den Möglichkeiten der detaillierten Betrachtungen, u. a. von berufsstrukturellen Entwicklungen auf Grundlage eines breiten Merkmalskatalogs auf Basis von Einzeldaten.
Jugendliche im Alter von 15 bis 24 Jahren (Bestandsdaten)
Für die Frage, in welchen Bildungssektoren sich die Jugendlichen eines bestimmten Alters befanden, ist es sinnvoll, die Jugendlichen einer Altersgruppe (Bestandsdaten) in Relation zur Wohnbevölkerung im entsprechenden Alter zu setzen (z. B. Jugendliche in dualer Berufsausbildung nach BBiG/HwO im Alter von 15 bis 24 Jahren ÷ Wohnbevölkerung im Alter von 15 bis 24 Jahren). Die Anteile variieren deutlich, je nachdem, welche Altersgruppe betrachtet wird. Hier wurde die Altersgruppe der 15- bis 24-Jährigen gewählt (vgl. Statistisches Bundesamt 2020a).
Bei der nachfolgenden Betrachtung muss berücksichtigt werden, dass Jugendliche unterschiedlich lange in den verschiedenen Bildungs- und Erwerbsbereichen verweilen. Während eine duale Berufsausbildung nach BBiG/HwO in der Regel drei Jahre dauert, kann ein Studium mehr als fünf Jahre dauern. Maßnahmen des „Übergangsbereichs“ sind zum Teil nur von unterjähriger Dauer. D. h., Jugendliche in dualer Ausbildung werden i. d. R. in drei aufeinanderfolgenden Erhebungsjahren im Bestand des Sektors „Berufsausbildung“ erfasst, während Teilnehmer/-innen in Maßnahmen im „Übergangsbereich“ in diesen i. d. R. nur in einem Jahr gezählt werden.
Schaubild A4.1-1 gibt einen Überblick über die Bildungs- und Erwerbsstationen von Jugendlichen im Alter von 15 bis 24 Jahren im Jahr 2018. In diese Betrachtung der Alterskohorten flossen Daten der iABE, der Bevölkerungsfortschreibung des Statistischen Bundesamtes sowie Daten des Mikrozensus ein. Es stellt von links nach rechts das (Aus-)Bildungsgeschehen entsprechend der integrierten Ausbildungsberichterstattung (iABE) dar. Dieses fasst alle (Aus-)Bildungsstationen zusammen, die Jugendlichen nach dem Verlassen der allgemeinbildenden Schule (Sekundarstufe I) offenstanden. Weil den genutzten Datenquellen u. a. unterschiedliche Stichtage und Datenerhebungsverfahren zugrunde liegen, handelt es sich hier um Schätzwerte. Die ausgewiesenen Anteile werden auf ganze Zahlen gerundet, um den Schätzcharakter deutlich zu machen.
Schaubild A4.1-1: Anteil der Jugendlichen in den Bildungssektoren und -konten nach Altersjahren 2018 in % (Bestandsdaten)1
Um auch die Stationen außerhalb des (Aus-)Bildungsgeschehens für eine Altersklasse möglichst vollständig zu dokumentieren, wurden darüber hinaus auch andere Bildungsstationen ausgewiesen:
- Jugendliche, die sich in der Sekundarstufe I der allgemeinbildenden Schule befinden, und
- Jugendliche, die bereits eine vollqualifizierende Berufsausbildung abgeschlossen haben und eine Weiterbildung an einer beruflichen Schule absolvieren.
Die Jugendlichen im (Aus-)Bildungsgeschehen sowie die Jugendlichen, die sich in der Sekundarstufe I oder in Weiterbildung befinden, bilden im Folgenden zusammen die Gruppe von Jugendlichen in formaler Bildung. In Schaubild A4.1-1 werden außerdem Jugendliche ausgewiesen, die sich nicht in Bildung befanden, sondern die als Erwerbstätige, Erwerbslose oder Nichterwerbspersonen erfasst wurden. Darüber hinaus wurde unterschieden, ob diese Personengruppen bereits erfolgreich eine formale Qualifizierung im (Aus-)Bildungsgeschehen durchlaufen haben oder nicht.
Betrachtet wird zunächst die Altersgruppe der 15- bis 24-Jährigen, die sich im Jahr 2018 in formaler Bildung befanden:
Die duale Berufsausbildung nach BBiG/HwO stellte mit einem Anteil von 14% an der gleichaltrigen Wohnbevölkerung in der gewählten Altersgruppe eine bedeutende Qualifikationsstation für die Altersgruppe dar.
In schulischer Berufsausbildung befanden sich darüber hinaus rund 4% der 15- bis 24-Jährigen. Hierzu zählen die Ausbildungen im Gesundheits-, Erziehungs- und Sozialwesen, in denen sich rund 3% der Altersgruppe befanden, beispielsweise in Ausbildungen zum/zur Gesundheits- und Krankenpfleger/-in, Altenpfleger/-in oder Erzieher/-in. Bedingt durch den demografischen Wandel und den Rechtsanspruch auf einen U3-Betreuungsplatz besteht hier bereits heute ein großer Fachkräftemangel. Darüber hinaus befand sich 1% der Jugendlichen in anderen Formen der schulischen Berufsausbildung, z. B. als Kaufmännischer/Kaufmännische Assistent/-in oder Gestaltungstechnischer/Gestaltungstechnische Assistent/-in oder in einer Beamtenausbildung im mittleren Dienst. Auf die berufsstrukturellen Entwicklungen in der schulischen Berufsausbildung wird in Kapitel A6.1 genauer eingegangen.
In teilqualifizierenden Maßnahmen des „Übergangsbereichs“ befanden sich rund 3% der Jugendlichen zwischen 15 und 24 Jahren. Hierzu zählen alle Maßnahmen, die das Ziel der Vorbereitung auf oder der Integration in Berufsausbildung haben, beispielsweise die berufsvorbereitenden Maßnahmen der BA (BvB) oder Maßnahmen der Berufsorientierung (vgl. Kapitel A9.4).
Eine Höherqualifizierung – ob über den „Erwerb der Hochschulreife“ (15%), ein „Studium“ (18%) oder eine „Weiterbildung“ (1%) – strebten insgesamt rund 34% der 15- bis 24-Jährigen an. Zu den Studierenden zählen sowohl junge Menschen, die ihr Studium „traditionell“ an Hochschulen oder Verwaltungsfachhochschulen absolvieren, als auch diejenigen, die dual an Hochschulen und Berufsakademien studieren.
Unter den Jugendlichen, die sich außerhalb der formalen Bildung befanden, stellten die erwerbstätigen Jugendlichen, die bereits einen formalen Bildungsabschluss erworben haben, mit 13% die größte Untergruppe dar. Zu den Erwerbstätigen zählen nach der Definition der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) alle Personen, die in einem Arbeitsverhältnis stehen, selbstständig ein Gewerbe oder eine Landwirtschaft betreiben oder als mithelfende Familienangehörige im Betrieb eines Verwandten mitarbeiten. Da dieser Gruppe auch Personen angehören, die eine geringfügige Tätigkeit (Minijob) ausüben, als Aushilfe nur vorübergehend beschäftigt sind oder einem Ein-Euro-Job nachgehen, werden hier – abweichend vom Normalarbeitsverhältnis – auch atypische Beschäftigungsformen erfasst (vgl. Kapitel A10).
Rund 5% der Jugendlichen im Alter von 15 bis 24 Jahren gingen einer Erwerbstätigkeit nach, ohne zuvor einen formalen Bildungsabschluss erhalten zu haben. Darüber hinaus befand sich 1% der Altersgruppe weder in formaler Bildung noch war es erwerbstätig (Not in Education or Employment (NEET), vgl. Kapitel D1.3). Über die Gruppe der jungen Erwachsenen ohne Berufsausbildung wird ausführlich in Kapitel A1141 berichtet.
Für 10% – die Sonstigen – konnte der Verbleib statistisch nicht geklärt werden. Hierzu lagen entweder keine Daten vor oder die Daten konnten nicht überschneidungsfrei in die Kohortenbetrachtung aufgenommen werden. Zu den Sonstigen zählen z. B. Jugendliche, die ein Praktikum absolvieren, Jugendliche, die nach dem Abitur ein Jahr zur beruflichen und persönlichen Orientierung im Inland oder Ausland absolvieren („Gap Year“), Jugendliche in Arbeitsgelegenheiten mit Qualifizierungsanteil nach SGB II und Jugendliche in gesellschaftlichen Diensten, wie beispielsweise dem Bundesfreiwilligendienst oder dem freiwilligen Wehrdienst42.
Betrachtet man die einzelnen Altersgruppen, so unterscheidet sich die Verteilung auf die Bildungsbereiche, dem Lebensverlauf folgend, erheblich von Jahrgang zu Jahrgang. Es zeigt sich eine deutliche qualifikationsspezifische Prägung der unterschiedlichen Altersgruppen:
- In der Altersgruppe der 15-Jährigen befanden sich noch rund 80% der Jugendlichen in Sekundarstufe I.
- Im Alter von 17 Jahren strebten 51% der Jugendlichen eine Hochschulzugangsberechtigung an. Auch war der Anteil der Jugendlichen im „Übergangsbereich“ mit 12% in diesem Alter am höchsten.
- Unter den 19-Jährigen befanden sich die meisten Jugendlichen in „Berufsausbildung“ (34%).
- In der Altersgruppe der 22-Jährigen dominierten mit 30% die Studierenden.
- Unter den 23-Jährigen befanden sich bereits 29% junge Erwerbstätige, die bereits eine formale Qualifikation erworben hatten.
- Im Alter von 24 Jahren befanden sich auch immer noch 2% Jugendliche, die weder formal qualifiziert noch erwerbstätig waren.
Anfänger/-innen in den Bildungssektoren
Im Folgenden werden nicht spezifische Altersgruppen betrachtet, sondern altersunabhängig alle Anfänger/-innen im (Aus-)Bildungsgeschehen in den Blick genommen. Diese Betrachtung ist insbesondere dann sinnvoll, wenn es darum geht, zu vergleichen, inwiefern die unterschiedlichen Bildungssektoren nachgefragt wurden, um z. B. Ausbildungskapazitäten zu planen oder Bildungstrends zu identifizieren. Hierzu werden die Anfänger/-innen eines Sektors ins Verhältnis zu allen Anfängern und Anfängerinnen des (Aus-)Bildungsgeschehens gesetzt (z. B. Anfänger/-innen im Sektor „Berufsausbildung“ ÷ alle Anfänger/-innen im (Aus-)Bildungsgeschehen).
Im Jahr 2019 begannen 36,8% (730.260) der Anfänger/-innen des (Aus-)Bildungsgeschehens eine vollqualifizierende Berufsausbildung. Von diesen starteten 67,4% eine duale Ausbildung nach BBiG/HwO, 32,6% begannen eine schulische Berufsausbildung. Hiervon entfielen 25,5% auf Berufsausbildungen in Gesundheits-, Erziehungs- und Sozialberufen. In den „Übergangsbereich“ mündeten 255.282 Jugendliche (12,9%) ein. 24,5% (486.261) strebten den Erwerb einer Hochschulzugangsberechtigung (HZB) an. Zugleich begannen 25,8% ein Studium (511.761) Schaubild A4.1-2.
Indikatoren der iABE und des Berichts „Bildung in Deutschland“ im Vergleich
Auch der Bericht „Bildung in Deutschland“ nutzt Daten der iABE. Obwohl beide Berichtssysteme die gleichen Daten referieren, haben die Indikatoren einen anderen Fokus: Die Bezugsgrößen bilden unterschiedliche Grundgesamtheiten ab.
Die Anfänger/-innen im Sektor „Berufsausbildung“ ergeben in Bezug zu den Anfängern/Anfängerinnen in den vier iABE-Bildungssektoren den Indikator „Relative Bedeutung des Bildungssektors Berufsausbildung“; dieser beträgt 35,0% (Stand 2015).
Die Autorengruppe Bildungsberichterstattung fokussiert auf das „berufliche Ausbildungssystem“ und unterscheidet dort drei Sektoren: das duale System, das Schulberufssystem und das Übergangssystem. Daher weist der Bericht „Bildung in Deutschland“ eine Quote der Neuzugänge ins duale System von 50,2% aus (Stand 2015) – als Anteil der Neuzugänge ins duale System an der Summe aller Neuzugänge ins Ausbildungssystem (vgl. Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2016, S. 102).
Schaubild A4.1-2: Entwicklung der Sektoren des Ausbildungsgeschehens 2005 bis 2019 – absolut und relativ (100% = alle Anfänger/-innen im Ausbildungsgeschehen)
Die Sektoren zeichneten sich jedoch durch sehr unterschiedliche Entwicklungsdynamiken aus. Betrachtet man die Veränderung der Zahlen aller Anfängerinnen und Anfänger für die einzelnen Bildungssektoren und -konten zwischen 2005 und 2019, so zeigen sich unterschiedliche Trends: Während die duale Berufsausbildung nach BBiG/HwO bis zum Jahr 2007 eine positive Entwicklung vorwies, verzeichnete sie – u. a. als Folge der Wirtschaftskrise – einen Einbruch im Jahr 2009. Gegenüber dem Höchststand im Jahr 2007 zeigte sich ein Rückgang um rund 13,6%.
Die Anzahl der Anfänger/-innen in den schulischen Berufsausbildungen in Gesundheits-, Erziehungs- und Sozialberufen ist hingegen seit 2005 fast kontinuierlich gestiegen und verzeichnete ein Plus von 30,4%. Die sonstigen vollzeitschulischen Berufsausbildungen haben sich im selben Zeitraum rückläufig entwickelt (-34,4%). Insgesamt verzeichnete der Sektor „Berufsbildung“ einen Rückgang von rund 9.000 Anfängern und Anfängerinnen (-1,2%).
Die Zahl der Anfänger/-innen im „Übergangsbereich“ hat sich zwischen den Jahren 2005 und 2014 kontinuierlich reduziert (-165.000 bzw. rund 40%). Dieser Rückgang vollzog sich größtenteils parallel zur demografischen Entwicklung. Im Jahr 2014 stiegen die Zahlen jedoch erstmals wieder an und verzeichneten gegenüber dem Jahr 2016 ein Plus von 19,9% bzw. rund 50.000 Anfängern/Anfängerinnen. Dieser Anstieg war vor allem auf die zunehmende Zahl von Geflüchteten zurückzuführen, die insbesondere in Programme zum Erlernen der deutschen Sprache im „Übergangsbereich“ einmündeten (vgl. Statistisches Bundesamt 2017b). Gegenüber dem Jahr 2016 – analog zu den rückläufigen Zahlen der Geflüchteten – verzeichnete der „Übergangsbereich“ 2019 wieder einen Rückgang um -15,7%. Der „Übergangsbereich“ hat mit rund 255.000 Anfängern/Anfängerinnen im Jahr 2019 fast wieder den Tiefstand aus dem Jahr 2014 (252.670) erreicht, bevor die Zahl der Jugendlichen in den Maßnahmen aufgrund der verstärkten Zuwanderung Geflüchteter nach Deutschland deutlich anstieg. Es ist zu berücksichtigen, dass das Standardlieferprogramm der iABE die im Zuge der „Flüchtlingswelle“ neu entwickelten Maßnahmen nicht berücksichtigt. Somit werden z. B. die rund 3.000 jungen Menschen in BA-Maßnahmen wie „KompAS“ oder „Perspektive für Flüchtlinge“ nicht im Rahmen der iABE ausgewiesen (vgl. Kapitel A12.2). Aber auch diese Zahlen haben sich deutlich reduziert (-80% gegenüber 201743). Darüber hinaus befinden sich viele junge Geflüchtete in unterschiedlichen Programmen der Länder oder Kommunen, die im Rahmen der iABE nicht erfasst werden. Die Rückgänge sind zudem vor dem Hintergrund zu sehen, dass sich die Ausbildungsmarktsituation aus Sicht der nachfragenden Jugendlichen weiter entspannt hat.
Die steigenden Zahlen der Anfänger/-innen im Sektor „Erwerb der Hochschulreife“ (+7,0%) und im „Studium“ verweisen auf einen Trend zur Höherqualifizierung (+39,7%). Es muss jedoch berücksichtigt werden, dass in den letzten Jahren die Umstellung auf das achtjährige Gymnasium (G8) – zeitversetzt in den einzelnen Bundesländern44 – doppelte Entlassjahrgänge nach der Sekundarstufe I bzw. nach dem Abitur hervorgebracht hat. Im (Aus-)Bildungsgeschehen stiegen in den entsprechenden Jahren die Einmündungen in den Sektoren „Erwerb der HZB (Sek II)“ (verkürzte Mittelstufe) und „Studium“ (doppelte Abiturjahrgänge). Im Jahr 2010 zeigte sich beispielsweise der Ausschlag des bevölkerungsreichsten Bundeslandes Nordrhein-Westfalen im Sektor „Erwerb der HZB (Sek II)“ sowie drei Jahre später im Sektor „Studium“. Inzwischen ist die Umstellung auf das achtjährige Gymnasium in fast allen Bundesländern erfolgt, entsprechend stabilisiert sich auch die Zahl der Anfänger/-innen in beiden Sektoren.
Im Jahr 2017 zeigt die Grafik einen starken Rückgang der Anfänger/-innen im Sektor „Erwerb der HZB“. Dieser ist wiederum durch die Wiedereinführung des neunjährigen Gymnasiums in Niedersachsen zu erklären, wodurch ein Jahrgang (mit Ausnahme der Jugendlichen an Gesamtschulen und beruflichen Schulen) quasi „ausfiel“.
Die größte Dynamik wies der Sektor „Studium“ auf. Neben den Effekten des achtjährigen Gymnasiums wird die Zahl der Studienanfänger/-innen auch durch die Zahl der Bildungsausländer/-innen beeinflusst. Hierbei handelt es sich um ausländische Studierende, die ihre Hochschulzugangsberechtigung im Ausland erworben haben und ein Studium in Deutschland aufnehmen. Das Statistische Bundesamt verzeichnete rund 110.000 Bildungsausländer/-innen für das Jahr 201845; im Jahr 2005 waren es noch rund 55.600. Ihre Zahl hat sich demnach gegenüber dem Jahr 2005 fast verdoppelt (vgl. Statistisches Bundesamt 2020d).
Vergleicht man die Anfänger/-innen in dualer Berufsausbildung mit den Anfängern/Anfängerinnen im Studium und berücksichtigt dabei einerseits, dass Bildungsausländer/-innen aus dem Ausland hinzukommen, aber gleichzeitig auch deutsche Jugendliche ein Studium im Ausland aufnehmen (vgl. Dionisius/Illiger 2015, S. 43), so zeigt sich, dass immer noch mehr Anfänger/-innen eine duale Berufsausbildung aufnahmen, statt ein Studium zu beginnen Schaubild A4.1-3. Auch wurde der Sektor „Berufsausbildung“ – zu dem sowohl die duale Berufsausbildung nach BBiG/HwO als auch die schulischen Berufsausbildungen gehören – von insgesamt mehr Jugendlichen nachgefragt.
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Daten der iABE einen Trend zur Höherqualifizierung ausweisen, der sich in den letzten Jahren konsolidiert hat Tabelle A4.1-1.
Betrachtet man zur Einordung den Anteil der Schulabsolventen/Schulabsolventinnen mit Studienberechtigung, so hat sich dieser von rund 25% im Jahr 2005 bis zum Jahr 2011 auf 36,8% erhöht. Seither hat er sich auf diesem Niveau eingependelt und erreichte im Jahr 2018 einen Wert von 34,9%. Gleichzeitig verzeichnete die Gesamtzahl der Schulabgänger/-innen gegenüber dem Jahr 2005 einen Rückgang um 15,3% (vgl. Statistisches Bundesamt 2020b). Diese simultan verlaufenden Prozesse haben zur Folge, dass sich in der Summe die Zahl der Anfänger/-innen im Sektor „Erwerb der HZB“ wieder rückläufig entwickelt. Auch im Sektor „Studium“ zeigt sich bei der alleinigen Betrachtung der deutschen Studierenden (ohne Bildungsausländer/-innen), dass auch hier die Anfängerzahlen wieder leicht rückläufig sind.
Schaubild A4.1-3: Anfänger/-innen in Berufsausbildung und Studium 2005 bis 2018 im Vergleich1
Tabelle A4.1-1: Anfänger/-innen in den Sektoren und Konten der integrierten Ausbildungsberichterstattung (iABE) – Bundesübersicht 2005 bis 2019 (Teil 1)
Tabelle A4.1-1: Anfänger/-innen in den Sektoren und Konten der integrierten Ausbildungsberichterstattung (iABE) – Bundesübersicht 2005 bis 2019 (Teil 2)
Unterschiede der Bildungssektoren im Hinblick auf Geschlecht, Nationalität und schulische Vorbildung
Nachfolgend werden die Sektoren des (Aus-)Bildungsgeschehens im Hinblick auf die der iABE zur Verfügung stehenden Merkmale Geschlecht, Nationalität, und schulische Vorbildung betrachtet Tabelle A4.1-2.
Das (Aus-)Bildungsgeschehen unterscheidet sich in der Aufteilung der Geschlechter kaum vom Bevölkerungsdurchschnitt: Vergleicht man die Geschlechteranteile der Sektoren und Konten des (Aus-)Bildungsgeschehens mit dem Bevölkerungsdurchschnitt, so zeigt sich 2019 für „Studium“ (51,7%) und „Berufsausbildung“ (47,4%) ein relativ ausgeglichenes Verhältnis der Geschlechter. Hinter dem Verhältnis in der Berufsausbildung verbergen sich aber große Unterschiede: Während die duale Berufsausbildung eher männlich dominiert war (36,8% weiblich), stellten sich die schulischen Berufsausbildungen insbesondere in den GES-Berufen (76,2% Frauen) als stark weiblich dominiert dar. Der Sektor „Erwerb der Hochschulreife“ wurde mit insgesamt 53,2% etwas stärker von jungen Frauen besucht. Im Sektor „Integration in Ausbildung (Übergangsbereich)“ hingegen war der Frauenanteil unterdurchschnittlich hoch (38,6%). Betrachtet man die Entwicklung der Frauenanteile zwischen 2005 und 2019 in den Sektoren, so zeigt sich, dass die Anteile nur geringfügig schwankten.
Auch spiegelten die Anfänger/-innen im (Aus-)Bildungsgeschehen mit einem Ausländeranteil von 16,6% im Jahr 2019 weitgehend die Struktur der deutschen und der nicht deutschen Bevölkerung in der Altersgruppe der 15- bis 24-Jährigen (15,9% 2018)46 wider Schaubild A4.1-4. Die Sektoren und Konten wichen in ihrer Aufteilung allerdings deutlich davon ab: Der „Übergangsbereich“ wies mit 32,0% den höchsten Anteil von Anfängern und Anfängerinnen ohne deutsche Staatsangehörigkeit auf. Der Sektor „Berufsausbildung“ (12,4%) sowie der Sektor „Erwerb der Hochschulreife“ (6,6%) verzeichnete deutlich niedrigere Werte. Der Anteil ausländischer Anfänger/-innen war in den schulischen Berufsausbildungen im Gesundheits-, Erziehungs- und Sozialwesen (13,5%) etwas höher als in der dualen Berufsausbildung nach BBiG (12,4%). Der niedrigere Ausländeranteil (8,8%) für die sonstige schulische Berufsausbildung entsteht durch die Zusammenfassung mit der Beamtenausbildung, welche nur deutsche Staatsbürger/-innen beginnen dürfen.
Tabelle A4.1-2: Anfänger/-innen in den Bildungssektoren nach ausgewählten Merkmalen 2018 und 2019
Schaubild A4.1-4: Entwicklung der Ausländeranteile in den Bildungssektoren 2005 bis 2019 (in %)
Der Sektor „Studium“ verzeichnete einen Ausländeranteil von 24,2%. Dabei muss beachtet werden, dass sich unter den ausländischen Studienanfängern und -anfängerinnen rund 88% sogenannter Bildungsausländer/-innen befanden, dies sind ausländische Studierende, die ihre Hochschulzugangsberechtigung im Ausland erworben haben.
Im Vergleich zum Jahr 2005 haben sich die Ausländeranteile in der Wohnbevölkerung um 4,9 Prozentpunkte erhöht. Dies spiegelt sich auch bei den Entwicklungen der Ausländeranteile in den Bildungssektoren wider. Der Sektor „Berufsausbildung“ insgesamt als auch die duale Berufsausbildung nach BBiG/HwO verzeichneten gegenüber dem Jahr 2005 einen Anstieg von rund sieben Prozentpunkten auf rund 12%. Der Ausländeranteil in den schulischen Berufsausbildungen in Gesundheits-, Erziehungs- und Sozialberufen stieg im gleichen Zeitraum um rund neun Prozentpunkte auf 13,5%. Es kann davon ausgegangen werden, dass es sich hierbei u.a. auch um geflüchtete Jugendliche handelt. So zeigen beispielsweise die Daten der BA/BIBB-Migrationsstudie 2016 (vgl. Matthes u. a. 2018, S. 22) bzw. BA/BIBB-Fluchtmigrationsstudie 2018 (vgl. Eberhard/Gei 2019, S. 222) ebenfalls einen leichten Anstieg der Bewerber/-innen mit Fluchtmigrationshintergrund, die in eine schulische Berufsausbildung eingemündet sind, von rund 2% im Jahr 2016 auf rund 3% im Jahr 2018.47 In den sonstigen schulischen Berufsausbildungen schwankte der Anteil der Ausländer/-innen im Betrachtungszeitraum. Wie bereits oben erwähnt ist der Ausländeranteil hier durch die Zusammenfassung mit der Beamtenausbildung wesentlich niedriger als in den GES-Berufen.
Der Ausländeranteil im Sektor „Studium“ erhöhte sich von rund 18% im Jahr 2005 auf rund 24% im Jahr 2019. Hierbei ist – wie oben bereits berichtet – zu berücksichtigen, dass auch die Zahl der Bildungsausländer/-innen gegenüber dem Jahr 2005 deutlich gestiegen ist.
Einen deutlichen Anstieg der Ausländeranteile verzeichnete der „Übergangsbereich“. Hier sind die Anteile von rund 14% im Jahr 2005 auf 32% im Jahr 2019 gestiegen. Ein wesentlicher Faktor für den sprunghaften Anstieg seit dem Jahr 2014 ist, dass verstärkt Geflüchtete in den „Übergangsbereich“ einmündeten.
Die Ausländeranteile für den Sektor „Erwerb der Hochschulreife“ und somit auch für das (Aus-)Bildungsgeschehen insgesamt können aufgrund fehlender Werte erst ab dem Berichtsjahr 2009 ausgewiesen werden. Gegenüber dem Jahr 2009 ist der Ausländeranteil im Sektor „Erwerb der Hochschulreife“ vergleichsweise stabil.
Mit dem Merkmal „schulische Vorbildung“ erfasst die iABE den höchsten allgemeinbildenden Schulabschluss. Die Ausprägungen sind: Allgemeine Hochschulreife, Fachhochschulreife, Realschul- oder gleichwertiger Abschluss, Hauptschulabschluss und ohne Hauptschulabschluss. Anders als in der Berufsbildungsstatistik wird die berufliche Vorbildung (vgl. Kapitel A5.5.1) nicht erfasst.
Da die Sektoren sich entsprechend ihrer Bildungsziele voneinander abgrenzen, unterscheiden sie sich auch bezüglich des Merkmals „Vorbildung“ Tabelle A4.1-2.
- Sektor „Berufsausbildung“
Für die Aufnahme einer dualen Berufsausbildung müssen junge Menschen keinen formalen Schulabschluss mitbringen, in den Schulberufen sieht das z. T. anders aus. Entsprechend war der Anteil der Anfänger/-innen ohne (4,4%) und mit Hauptschulabschluss (23,0%) in der dualen Berufsausbildung höher als in den schulischen Berufsausbildungen. Unter den Anfängern und Anfängerinnen in den sonstigen schulischen Berufsausbildungen, hinter denen sich in der Regel sogenannte Assistentenausbildungen verbergen, verfügten 83,8% über einen mittleren Abschluss, nur 7,4% begannen eine Ausbildung mit Hauptschulabschluss. Der Anteil der Anfänger/-innen ohne Hauptschulabschluss lag bei 0,9%. In den schulischen Berufsausbildungen im Gesundheits-, Erziehungs- und Sozialwesen verfügte rund ein Viertel (26,1%) sogar über das (Fach-)Abitur. Hierzu geben Kapitel A5 und Kapitel A6 tiefergehende Auskunft. Dort werden u. a. berufsstrukturelle Unterschiede auch im Hinblick auf die schulische Vorbildung der Anfänger/-innen erläutert. - Sektor „Integration in Ausbildung (Übergangsbereich)“
Der Großteil der jungen Menschen im Übergangssektor (41,4%) hat die Schule mit Hauptschulabschluss verlassen, 19,5% aller Anfänger/-innen verfügten sogar über einen Realschul- oder gleichwertigen Abschluss. Nur ein vergleichsweise geringer Anteil konnte keinen Schulabschluss vorweisen (30,6%). - Sektor „Erwerb der Hochschulreife (Sek II)“
Eine Hochschulzugangsberechtigung streben i. d. R. junge Menschen mit der Eingangsvoraussetzung Realschulabschluss an. Durch die Umstellung auf G8 wird der Realschulabschluss in einigen Bundesländern jedoch erst nach der zehnten Klasse, der sogenannten „Einführungsphase der gymnasialen Oberstufe“ vergeben, sodass Jugendliche mit Beendigung der Mittelstufe nur über einen Hauptschulabschluss verfügen. Dies erklärt den Anteil von 1,5% mit Hauptschulabschluss. - Sektor „Studium“
Die Aufnahme eines Studiums setzt i. d. R. den Abschluss der fachgebundenen oder allgemeinen Hochschulreife voraus. Der Großteil besaß die allgemeine Hochschulreife (85,7%), knapp ein Fünftel der Studienanfänger/-innen (14,3%) immatrikulierte sich mit der Fachhochschulreife.
-
41
Dort steht jedoch, anders als in diesem Überblick, die Altersgruppe der 20- bis 34-Jährigen im Zentrum der Berichterstattung.
-
42
Da es sich beim Mikrozensus nicht um eine Vollerhebung handelt, sind Daten für eine einzelne Personengruppe nach Alter zum Teil unsicher. Auf eine Ausweisung wird hier daher verzichtet.
-
43
Daten zu den BA-Maßnahmen vorwiegend für Geflüchtete (Jahresdurchschnittsbestand) liegen erst ab dem Berichtsjahr 2017 vor.
-
44
Doppelte Abiturjahrgänge: 2007 Sachsen-Anhalt; 2008 Mecklenburg-Vorpommern; 2009 Saarland; 2010 Hamburg; 2011 Bayern, Niedersachsen; 2012 Baden-Württemberg, Berlin, Brandenburg, Bremen; 2013 Hessen (1,5-facher Jahrgang), Nordrhein-Westfalen; 2016 Schleswig-Holstein (vgl. Kultusministerkonferenz 2017b).
-
45
Daten für 2019 liegen noch nicht vor.
-
46
Daten zur Wohnbevölkerung liegen für das Jahr 2019 noch nicht vor.
-
47
Hierbei muss jedoch berücksichtigt werden, dass sich die Ergebnisse nur auf die Teilgruppe der bei der BA als Bewerber/-innen registrierten Geflüchteten bezieht. Zudem gibt es methodische Unterschiede bei der Erfassung des Fluchthintergrundes der Bewerber/-innen in den Studien von 2016 und 2018. Für weitergehende Informationen hierzu siehe auch https://www.bibb.de/de/4730.php.