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Das Thema der vorzeitigen Vertragslösungen in der dualen Berufsausbildung wird bereits seit dem starken Anstieg der Lösungsquoten im Verlauf der 1980er-Jahre diskutiert. Die Reduktion der Anzahl von Vertragslösungen bzw. die Vermeidung von Ausbildungsabbrüchen in der dualen Berufsausbildung erhalten insbesondere auch vor dem Hintergrund eines befürchteten Fachkräftemangels große Aufmerksamkeit und stehen weiterhin auf der bildungspolitischen Agenda. In diesem Kontext werden insbesondere Ziele zur Förderung der dualen Berufsausbildung von Jugendlichen mit schwierigen Startchancen sowie zur Sicherung der Qualität der Berufsausbildung formuliert (vgl. Allianz für Aus- und Weiterbildung 2019–2021).

Sowohl die vorzeitige Lösung von Ausbildungsverträgen (vorzeitige Vertragslösungen) als auch das Nichtbestehen der Abschlussprüfung kann zu einem gänzlichen Ausbildungsabbruch, also einem Ende des Ausbildungsverhältnisses ohne (dualen) Berufsabschluss, führen. Dieses Kapitel hat vorzeitige Lösungen von Ausbildungsverträgen zum Gegenstand und basiert auf Daten der Berufsbildungsstatistik (vgl. Kapitel A5.1). Zu einer Analyse der Gründe für bzw. der Verläufe nach Vertragslösungen auf Basis des Nationalen Bildungspanels (NEPS) siehe Kapitel A8.3. Analysen zum Prüfungserfolg finden sich in Kapitel A5.7. Zum Ausbildungsverlauf der Ausbildungsanfängerkohorte 2008 siehe BIBB-Datenreport 2015b, Kapitel A4.7 und Uhly 2015.

Vorzeitig gelöste Ausbildungsverträge (kurz: Vertragslösungen)

Vorzeitig gelöste Ausbildungsverträge sind definiert als vor Ablauf der im Berufsausbildungsvertrag genannten Ausbildungszeit gelöste Ausbildungsverträge.

Eine Form der vorzeitigen Lösung eines Berufsausbildungsverhältnisses stellt die Kündigung von Ausbildungsverträgen dar. Sie wird in § 22 Berufsbildungsgesetz (BBiG) geregelt; demnach kann ein Ausbildungsverhältnis während der Probezeit (maximal vier Monate) von beiden Seiten jederzeit und ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden. Nach der Probezeit ist eine ordentliche Kündigung mit einer Kündigungsfrist von vier Wochen nur noch seitens der Auszubildenden möglich, und zwar aus den beiden Gründen „Ausbildung in einer anderen Berufstätigkeit“ oder „Aufgabe der Berufsausbildung“. Will der Ausbildungsbetrieb den Vertrag nach der Probezeit kündigen, muss dieser – in Anbetracht der besonderen Bedeutung des Ausbildungsverhältnisses für die berufliche Entwicklung – einen „wichtigen Grund“ angeben.

Weitere Fälle vorzeitiger Vertragslösung sind: der Abschluss von Aufhebungsvereinbarungen; das Schließen eines gerichtlichen Vergleichs, der eine Aufhebung zum Gegenstand hat; die Anfechtung des Ausbildungsvertrags, z. B. wegen Irrtums oder wegen Täuschung nach §§ 119 ff. BGB; der Tod des Auszubildenden (nicht der Tod des Ausbildenden, da dann in der Regel dessen Rechtsnachfolger Ausbilder wird); die tatsächliche Beendigung wegen Fernbleibens von der Ausbildung oder wegen unterlassener Ausbildung.

Da die Berufsbildungsstatistik nur Daten zu Verträgen bzw. Ausbildungsverhältnissen erhebt, die tatsächlich angetreten wurden, werden Vertragslösungen, die vor Antritt der Ausbildung erfolgen, nicht erfasst. 

Die Berufsbildungsstatistik erhebt vorzeitige Vertragslösungen ab dem Berichtsjahr 1977 differenziert für die einzelnen Ausbildungsberufe (zunächst nur für Industrie und Handel sowie Handwerk, ab 1978 für alle Zuständigkeitsbereiche). Im Laufe der Zeit wurden die Meldungen schon im Rahmen der Aggregatdatenerhebung weiter ausdifferenziert (nach Geschlecht und Berichtsjahren). Seit der Umstellung auf eine vertragsbezogene Einzeldatenerfassung können die Lösungsdaten prinzipiell nach allen erhobenen Merkmalen differenziert werden. Wobei aufgrund von Meldeproblemen (noch) nicht alle Differenzierungen vorgenommen werden bzw. ermittelte Quoten verzerrt sein können (vgl. Uhly 2019b).

Der Verbleib nach der Vertragslösung wird nicht erhoben: Monatsgenaue Ausbildungsverläufe innerhalb des dualen Systems (vertraglich vereinbarter Beginn und vereinbartes Ende des Vertrages, Vertragslösung, Prüfungsteilnahme und -ergebnis) werden nur bis zum Ende des jeweiligen Ausbildungsverhältnisses erfasst. Die Daten aus den verschiedenen Ausbildungsverträgen einer Person bzw. die Daten zu einem Ausbildungsvertrag aus den verschiedenen Berichtsjahren können nicht miteinander verknüpft werden. Es liegen somit keine vollständigen Verlaufsdaten vor; Vertragslösungen ohne bzw. mit gänzlichem Ausbildungsabbruch im dualen System können nicht differenziert werden (vgl. Kapitel A5.1, Uhly 2015).

Die Gründe für Vertragslösungen werden im Rahmen der Berufsbildungsstatistik nicht (mehr) erhoben (vgl. Uhly 2015, S. 25 und BIBB-Datenreport 2014, Kapitel A4.7).

Vertragslösung ≠ Abbruch: Nicht jede vorzeitige Vertragslösung stellt einen Abbruch der Ausbildung dar, und nicht jeder Abbruch geht mit einer Vertragslösung einher. Beide Begriffe haben eine gemeinsame Schnittmenge, sind jedoch nicht deckungsgleich (vgl. Uhly 2015 und 2013).

Zu den Begriffen „vorzeitige Vertragslösungen“ und „Ausbildungsabbrüche“

Vorzeitige Vertragslösungen in der dualen Berufsausbildung erfolgen i. d. R. durch Aufhebungsvertrag oder durch Kündigung. Ob eine vorzeitige Vertragslösung einen gänzlichen Abbruch der dualen Berufsausbildung bedeutet, kann auf Basis der Berufsbildungsstatistik (vgl. Kapitel A5.1) nicht betrachtet werden. Auch mit der Einzeldatenerhebung der Berufsbildungsstatistik (seit dem Berichtsjahr 2007) werden vollständige Verläufe innerhalb der dualen Berufsausbildung nur für diejenigen erfasst, die keinen Ausbildungsvertragswechsel mit vorheriger Vertragslösung aufweisen, keinen Anschlussvertrag abschließen, keine Mehrfachausbildung innerhalb des dualen Systems absolvieren und die zudem auch nicht ohne (abschließende) Teilnahme an der Abschlussprüfung ausscheiden. Verläufe, die über die duale Berufsausbildung hinausgehen, werden mit der Berufsbildungsstatistik überhaupt nicht erfasst. 

Zum Verbleib nach der Vertragslösung liegen eine Vielzahl an unterschiedlichen Studien96 vor, die zu weitgehend übereinstimmenden Befunden kommen. Etwa die Hälfte aller Personen mit vorzeitiger Vertragslösung schließt relativ zeitnah erneut einen Ausbildungsvertrag im dualen System ab (vgl. Uhly 2015 und 2013 und Kapitel A8.3).97 In diesen Fällen handelt es sich also um Vertragswechsel innerhalb des Systems der dualen Berufsausbildung (mit und ohne Berufswechsel) und nicht um Ausbildungsabbrüche. Die Vertragslösungsquote ist keine Abbruchquote und kann deshalb auch nicht mit der Studienabbruchquote verglichen werden, die nur vollständige Austritte aus dem Hochschulstudium erfasst und Hochschul- sowie Studienfachwechsel nicht mit einbezieht98 (vgl. BIBB-Datenreport 2015b, Kapitel A4.7). Je nach weiterem Verlauf nach der vorzeitigen Vertragslösung sind die Folgen für die Auszubildenden (und die Ausbildungsbetriebe) unterschiedlich einzuschätzen, nicht immer stellen sie ein Scheitern dar (vgl. Lettau 201799 und Stalder/Schmid 2016).

Da mit der Berufsbildungsstatistik keine personenbezogenen Verlaufsdaten vorliegen, sind gänzliche Abbrüche einer dualen Berufsausbildung nicht identifizierbar. Eine grobe Kalkulation in Anlehnung an die Berechnung der Studienabbruchquote für das Berichtsjahr 2012 ergab ca. 16% Ausbildungsabbrüche im dualen System100, d. h., ca. 16% der Anfänger/-innen einer dualen Berufsausbildung (BBiG/HwO) erwarben keinen Berufsabschluss innerhalb des dualen Systems. Hierbei werden Abbrüche also ausschließlich mit Bezug zur dualen Berufsausbildung betrachtet.101 Die so kalkulierte Abbruchquote in der dualen Berufsausbildung lag damit deutlich unterhalb der Lösungsquote (2012: 24,4%). 

Analysen auf Basis der integrierten Erwerbsbiografien des Instituts für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB) erlauben Verlaufsbetrachtungen auch über die duale Berufsausbildung hinaus. Kotte (2018) ermittelt eine „Abbruchquote“ von nur 6,2%102; hierbei werden Ersteinsteiger/-innen in eine betriebliche Ausbildung des Jahrgangs 2005, die zum Zeitpunkt des Ausbildungseinstiegs unter 23 Jahre alt waren, über einen Zeitraum von acht Jahren nach Ausbildungseinstieg betrachtet. Kotte verwendet einen deutlich enger gefassten Abbruchbegriff, indem er nur Ausbildungsanfänger/-innen, die innerhalb von acht Jahren (bis 2013) gar keinen Berufs- oder Studienabschluss erwarben, als solche mit Ausbildungsabbruch einordnet. Diejenigen die z. B. eine vollzeitschulische Berufsausbildung oder ein Studienabschluss erwarben, werden nicht zu denjenigen mit Ausbildungsabbruch gezählt (vgl. Kotte 2018, S. 450). Somit ist die deutliche Abweichung zur Abbruchquote, die sich alleine auf die duale Berufsausbildung bezieht, nicht erstaunlich. Die Analyse der IAB zeigt, dass ein Großteil derjenigen mit Abbruch einer dualen Berufsausbildung einen beruflichen Abschluss in einem anderen Bildungsbereich oder einen Studienabschluss erwarb; ca. 6% der Anfänger/-innen verblieben aber auch acht Jahre nach Einstieg ohne Berufsabschluss oder Studium.

Die im Folgenden dargestellten Befunde betreffen immer vorzeitige Vertragslösungen in der dualen Berufsausbildung insgesamt und nicht Ausbildungsabbrüche im Speziellen. 

Vorzeitige Vertragslösungen 2018 nach Zeitpunkt der Lösung 

Im Berichtsjahr 2018 wurden bundesweit 151.665 Ausbildungsverträge vor Ablauf der im Ausbildungsvertrag genannten Ausbildungszeit gelöst Tabelle A5.6-1. Betrachtet man den Zeitraum zwischen Beginn der Ausbildungsverträge und der vorzeitigen Lösung, so zeigt sich, dass – wie auch in den Vorjahren – ca. zwei Drittel der gelösten Ausbildungsverträge innerhalb des ersten Jahres nach Beginn des Ausbildungsvertrages fielen. 33,8% aller Vertragslösungen erfolgten noch während der Probezeit103 und 32,9% nach der Probezeit, aber noch innerhalb der ersten zwölf Monate nach Beginn des Ausbildungsverhältnisses. Auch in das zweite Jahr nach Vertragsbeginn fiel mit 23,6% noch ein großer Anteil der Lösungen; bei 9,7% der Lösungen lag der Vertragsbeginn weiter als 24 Monate zurück. Der Anteil der Vertragslösungen, die innerhalb der Probezeit an allen vorzeitigen Vertragslösungen erfolgten, lag seit 1993 bei ca. 25%. Seit 2006 stieg dieser Anteil bis 2015 nahezu stetig auf mehr als ein Drittel an. Seit 2005 wurde die maximale Dauer der Probezeit mit dem Berufsbildungsreformgesetz von bis zu drei auf bis zu vier Monate ausgeweitet, was an sich schon zu einem Anstieg des Anteils der Vertragslösungen, die in die Probezeit fallen, führen kann. Betrachtet man die Verteilung der Vertragslösung auf die Ausbildungsjahre (Ausbildungsstadien)104, so wird jedoch deutlich, dass der Anteil der „frühen“ Vertragslösungen, die insgesamt im ersten Ausbildungsjahr erfolgen, seit 2005 zunimmt (vgl. Uhly 2015) und dass hier nicht nur ein Effekt der Ausweitung der Probezeit vorliegt.

In den Ausbildungsberufen des Zuständigkeitsbereichs der freien Berufe fanden vorzeitige Vertragslösungen mit 38,7% aller Vertragslösungen etwas häufiger in der Probezeit statt. In den Ausbildungsberufen der Hauswirtschaft traten nur 19,0% aller Vertragslösungen in die Probezeit und in vergleichsweise starkem Maße erfolgten sie zu späteren Zeitpunkten der Ausbildung; 20,4% der Lösungen erfolgten in diesen Berufen später als zwei Jahre nach Beginn des Ausbildungsvertrages. Auch von den insgesamt relativ wenigen Vertragslösungen in den Ausbildungsberufen des öffentlichen Dienstes fielen 14,6% erst im dritten Jahr nach Ausbildungsbeginn und später an. Ansonsten zeigt sich jedoch insgesamt eine ähnliche Verteilung der Vertragslösungen über die Zeit nach Beginn des Ausbildungsverhältnisses im Vergleich der Zuständigkeitsbereiche.

Tabelle A5.6-1: Vorzeitige Vertragslösungen nach Zuständigkeitsbereichen und Zeitpunkt der Vertragslösung (absolut und in % aller Vertragslösungen), Bundesgebiet 20181,2,3

Vertragslösungsquote 

Die Vertragslösungsquote der dualen Berufsausbildung, die als Näherungswert für den Anteil der gelösten Ausbildungsverträge an begonnenen Ausbildungsverträgen interpretiert werden kann, betrug im Berichtsjahr 2018 insgesamt 26,5% (LQneu); während der Probezeit betrug die Lösungsquote 8,9%, nach der Probezeit 17,7% Tabelle A5.6-2. Die Lösungsquote ist keine personenbezogene Quote. Der Anteil der Auszubildenden, die (mindestens) eine Vertragslösung aufweisen, wird unterhalb der Lösungsquote liegen und kann für Deutschland auf Basis der Berufsbildungsstatistik nicht ermittelt werden.105

Vertragslösungsquote (kurz: Lösungsquote) – „Schichtenmodell“, neue Berechnungsweise

Die Lösungsquote nach dem Schichtenmodell wird entsprechend folgender Formel berechnet:

Vertragslösungsquote

Wie ist diese Formel zu verstehen?

Sie kann als Näherungswert für den Anteil der im Berichtsjahr (BJ) begonnenen Ausbildungsverträge, die im Laufe der Ausbildung vorzeitig gelöst werden, interpretiert werden.

Betrachtet man zunächst die erste Teilquote, so enthält diese für das BJ 2018 nur einen Teil der Verträge, die 2018 begonnen und vorzeitig gelöst wurden. Der Anteil gelöster Verträge wird sich noch erhöhen, da einige der 2018 begonnenen Verträge, die in 2018 nicht gelöst wurden, 2019 oder später noch gelöst werden. Da mit Datenstand BJ 2018 noch unbekannt ist, wie viele der Verträge künftig noch gelöst werden, kann man stellvertretend Vergangenheitswerte heranziehen. Der Anteil der 2017 oder früher begonnenen Verträge, die 2018 gelöst wurden, kann als stellvertretende Größen für den Anteil der 2018 begonnenen Verträge, die in den kommenden Jahren gelöst werden, betrachtet werden. Die Differenzierung wird aus pragmatischen Gründen auf vier Teilquoten begrenzt. 

LQneu und LQalt

Das Quotensummenverfahren wurde auch schon vor der Revision der Berufsbildungsstatistik angewandt (LQalt), allerdings konnten hierbei für einzelne Bestandteile nur Näherungswerte verwendet werden. Bei LQneu wird im Vergleich zu LQalt eine verbesserte Berechnungsweise angewandt, sie kann jedoch erst ab dem Berichtsjahr 2010 (ab 2009 mit drei Teilquoten) berechnet werden. 

Zu weiteren Details zur Lösungsquotenberechnung siehe https://www.bibb.de/de/4705.php und https://www.bibb.de/dokumente/pdf/dazubi_daten.pdf.

Zur Abgrenzung gegenüber weiteren Größen und Indikatoren zum Thema (Befunde aus Studien, grobe Kalkulation der Ausbildungsabbruchquote auf Basis der Berufsbildungsstatistik, Ausbildungsabbruchs-Indikator von Eurostat) siehe Uhly 2015.

Tabelle A5.6-2: Vertragslösungsquote in % der begonnenen Ausbildungsverträge, Bundesgebiet 1993 bis 20181

Vertragslösungsquote – Entwicklungen im Zeitverlauf

Betrachtet man die Entwicklung der Lösungsquote seit Anfang der der 1990er-Jahre, ergab sich für 2016 erstmals ein Wert leicht oberhalb des üblichen Schwankungsbereichs (20% bis 25%) Tabelle A5.6-2. Im Berichtsjahr 2018 ist die Lösungsquote im Bundesdurchschnitt im Vergleich zum Vorjahr erneut um 0,8 Prozentpunkte leicht angestiegen.

Im Zeitverlauf schwankte die Lösungsquote seit den 1990er-Jahren bundesweit deutlich im Zusammenhang mit der Lage am Ausbildungsmarkt (vgl. BIBB-Datenreport 2014, Kapitel A4.7 und Uhly 2015). Je günstiger die Angebots-Nachfrage-Relation aus Sicht der Ausbildungsstellennachfragenden war, desto höher fiel die Lösungsquote aus. Ein eher von der Ausbildungsmarktlage unabhängiger, starker Anstieg der Quote war für die 1980er-Jahre zu verzeichnen. Zur Entwicklung der Lösungsquote im Zeitverlauf vgl. BIBB-Datenreport 2018 sowie Uhly 2015, S. 39f.

Lösungsquoten nach Geschlecht und Staatsangehörigkeit der Auszubildenden

Im Gesamtdurchschnitt des dualen Systems ergab sich für das Berichtsjahr 2018 eine nahezu gleiche Lösungsquote für Frauen (26,6%) und Männer (26,5%) Tabelle A5.6-3. Während der Probezeit lag die Lösungsquote der Frauen bei 9,7% und damit 1,3 Prozentpunkte über der Quote der Männer. Nach der Probezeit fiel die Lösungsquote der Frauen mit 16,9% um 1,2 Prozentpunkte geringer aus als die der Männer.

Im Vergleich zu den Männern relativ hohe Lösungsquoten der Frauen ergaben sich im Durchschnitt in den Ausbildungsberufen des Handwerks (Frauen: 39,7%; Männer: 33,8%) sowie der Landwirtschaft (Frauen: 28,0%; Männer: 24,5%) Tabelle A5.6-3. In den Ausbildungsberufen des öffentlichen Dienstes, der Hauswirtschaft und in geringerem Maße auch in denen der freien Berufe fielen die Lösungsquoten der Frauen (5,6%, 29,4% bzw. 28,4%) niedriger aus als die der Männer (9,9%, 31,8% bzw. 29,9%). Auffallend ist, dass die Lösungsquoten der Frauen in jenen Zuständigkeitsbereichen höher ausfielen, in denen Frauen unterrepräsentiert waren. Umgekehrt fielen die Lösungsquoten der Männer in den Zuständigkeitsbereichen vergleichsweise hoch aus, in denen der Männeranteil an den Auszubildenden geringer war. Zum Frauenanteil in den Zuständigkeitsbereichen vgl. Kapitel A5.2

Deutliche Unterschiede in den Lösungsquoten zeigen sich auch bei den Verträgen der Auszubildenden mit deutscher und ausländischer Staatsangehörigkeit. Ausländische Auszubildende hatten in allen Zuständigkeitsbereichen höhere Lösungsquoten als deutsche Auszubildende Tabelle A5.6-3. Von den Ausbildungsverträgen der ausländischen Auszubildenden wurden im Durchschnitt 35,3% vorzeitig gelöst, von den Ausbildungsverträgen der Auszubildenden mit deutschem Pass nur 25,5%. Diese Relation zeigt sich auch bei den Lösungen innerhalb und nach der Probezeit. Teilweise sind die Unterschiede in den Lösungsquoten zwischen deutschen und ausländischen Auszubildenden auch auf Unterschiede hinsichtlich des höchsten allgemeinbildenden Schulabschlusses zurückzuführen.

Tabelle A5.6-3: Vertragslösungsquoten (LQneu in %) nach Personenmerkmalen und Zuständigkeitsbereichen, Bundesgebiet 20181,2

Lösungsquoten nach allgemeinbildendem Schulabschluss

Bei der Betrachtung der Lösungsquoten nach dem zuvor erworbenen allgemeinbildenden Schulabschluss (vgl. Kapitel A5.5.1) zeigt sich deutlich, dass die Lösungsquote umso höher ausfiel, je niedriger der allgemeinbildende Schulabschluss der Auszubildenden war Tabelle A5.6-3. So wiesen Auszubildende ohne Hauptschulabschluss mit 39,3% eine deutlich höhere Lösungsquote auf als Studienberechtigte (15,4%). Bei den Verträgen der Auszubildenden mit Hauptschulabschluss ergab sich für das Berichtsjahr 2018 eine Lösungsquote von 39,2%. Die Verträge von Auszubildenden mit Realschulabschluss wurden zu 24,5% vorzeitig gelöst. Diese Rangfolge der Abschlussgruppen zeigt sich ähnlich in allen Zuständigkeitsbereichen. In den Ausbildungsberufen des Handwerks und der freien Berufe fielen allerdings die Lösungsquoten der Studienberechtigten mit über 20% vergleichsweise hoch aus. In den Ausbildungsberufen des öffentlichen Dienstes betrug die Lösungsquote derer ohne Hauptschulabschluss 7,9%, allerdings bei sehr kleiner Anzahl begonnener Ausbildungsverträge der Auszubildenden mit dieser Vorbildung (45 Neuabschlüsse in 2018) und jährlich stark schwankender Lösungsquote dieser Personengruppe. Im Zuständigkeitsbereich Industrie und Handel fiel die Lösungsquote derjenigen ohne Hauptschulabschluss 2018 etwas niedriger aus als die derjenigen mit Hauptschulabschluss.

Die Relationen von Lösungsquoten während und nach der Probezeit fielen über alle Schulabschlüsse hinweg ähnlich aus Tabelle A5.6-3. Allerdings war der Anteil der Vertragslösungsquote nach der Probezeit an der Gesamtlösungsquote der jeweiligen Vorbildungsgruppe umso höher, je niedriger der allgemeinbildende Schulabschluss war. 

Vertragslösungsquoten nach Ländern, Zuständigkeitsbereichen und Ausbildungsberufen

Die Lösungsquoten unterschieden sich deutlich zwischen den Ländern. Sie reichten von durchschnittlich ca. 22,8% in Baden-Württemberg bis 34,6% in Berlin Tabelle A5.6-4. Insgesamt fielen die Lösungsquoten in Ostdeutschland eher höher aus106; allerdings waren sie auch im Saarland (30,3%), in Schleswig-Holstein (30,1%) und Hamburg (29,6%) mit ca. 30% vergleichsweise hoch.

Ebenso deutlich variierten die Lösungsquoten zwischen den Zuständigkeitsbereichen Tabelle A5.6-4. In den Berufen des Handwerks zeigte sich mit 35,1% im Bundesdurchschnitt die höchste Lösungsquote, gefolgt von den Berufen der Hauswirtschaft (29,7%) und den freien Berufen (28,5%). Eine sehr niedrige durchschnittliche Lösungsquote von nur 7,2% ergab sich lediglich für die Berufe des Zuständigkeitsbereichs öffentlicher Dienst. Im Zuständigkeitsbereich Industrie und Handel fiel sie mit 23,1% leicht unterdurchschnittlich aus.

Die Lösungsquoten variierten noch deutlicher zwischen den einzelnen dualen Ausbildungsberufen Tabelle A5.6-5. Betrachtet man die 20 Berufe107 mit den jeweils höchsten und niedrigsten Lösungsquoten, reichten die Lösungsquoten von unter 5% bis über 50%. Es zeigen sich weitgehend übereinstimmende Ergebnisse gegenüber den Vorjahren. Unter den Berufen mit sehr hohen Lösungsquoten von ca. 40% bis ca. 50% fällt der Beruf Sport- und Fitnesskaufmann/-kauffrau (LQneu: 42,1%) in besonderer Weise auf. In den kaufmännischen Berufen fallen die Lösungsquoten üblicherweise deutlich unterdurchschnittlich bis allenfalls leicht überdurchschnittlich aus.108 Sehr hohe Lösungsquoten waren ansonsten vor allem in den Berufen des Hotel- und Gaststättengewerbes (z. B. Restaurantfachleute, Koch/Köchin, Fachmann/Fachfrau für Systemgastronomie und Fachkraft im Gastgewerbe109), Dienstleistungsberufen aus den Tätigkeitsbereichen Transport, Körperpflege sowie Reinigung110 (z. B. Friseur/-in, Berufskraftfahrer/-in, Gebäudereiniger/-in, Fachkraft für Möbel-, Küchen- und Umzugsservice, Fachkraft für Schutz und Sicherheit, und Kosmetiker/-in) zu beobachten; außerdem wiesen einige Bauberufe (Gerüstbauer/-in, Bauten- und Objektbeschichter/-in, Maler und Lackierer/Malerin und Lackiererin, Dachdecker/-in und Stuckateur/-in) und Lebensmittelberufe des Handwerks (Fachverkäufer/-in im Lebensmittelhandwerk, Bäcker/-in und Fleischer/-in) sehr hohe Lösungsquoten auf. Auch wenn im Durchschnitt im Handwerk die Lösungsquote höher ausfällt, findet man sehr hohe Lösungsquoten nicht in besonderer Weise in Handwerksberufen; allerdings gibt es kaum größere Handwerksberufe mit sehr niedrigen Lösungsquoten (siehe hierzu auch Uhly 2015 und BIBB-Datenreport 2016, Kapitel A4.7). Niedrige Lösungsquoten von – z. T. deutlich – unter 10% wiesen neben den Ausbildungsberufen des Zuständigkeitsbereichs öffentlicher Dienst (z. B. Fachangestellte/-r für Medien- und Informationsdienste, Verwaltungsfachangestellte/-r, Fachangestellte/-r für Arbeitsmarktdienstleistungen, Sozialversicherungsfachangestellte/-r und Justizfachangestellte/-r) vor allem kaufmännische Dienstleistungsberufe (z. B. Bankkaufmann/-kauffrau, Industriekaufmann/-kauffrau, Medienkaufmann/-kauffrau für Digital und Print, Kaufmann/Kauffrau im E-Commerce), aber auch technische Produktionsberufe und Laborberufe der Industrie auf (z. B. Biologielaborant/-in, Chemikant/-in und Chemielaborant/-in, Fluggerätmechaniker/-in, Elektroniker/-in für Automatisierungstechnik, Fertigungsmechaniker/-in, Mechatroniker/-in, Industriemechaniker/-in).

Tabelle A5.6-4: Vertragslösungsquoten in % der begonnenen Ausbildungsverträge (LQneu) nach Zuständigkeitsbereichen und Ländern 20181,2

Tabelle A5.6-5: Ausbildungsberufe mit den höchsten und niedrigsten Vertragslösungsquoten in %, Bundesgebiet 20181,2

Ursachen von Vertragslösungen und Maßnahmen zu ihrer Verringerung

Die hier dargestellten deskriptiven Ergebnisse dürfen nicht kausal interpretiert werden. Wenn die Lösungsquoten beispielsweise bei Jugendlichen mit Hauptschulabschluss oder in Berufen des Handwerks im Durchschnitt sehr hoch ausfallen, dann bedeutet dies nicht, dass der Hauptschulabschluss oder das Handwerk an sich die Ursache für das höhere Lösungsrisiko sind. Die Ursachen für Vertragslösungen sind vielfältig und komplex (vgl. Uhly 2015). Jugendliche mit Hauptschulabschluss findet man beispielsweise eher in Berufen mit instabileren Ausbildungsverhältnissen, außerdem weniger wahrscheinlich in ihrem Wunschberuf, was auch zu einem höheren Lösungsrisiko führt. Im Handwerk findet man deutlich höhere Anteile an Auszubildenden mit geringeren Schulabschlüssen als im Bereich Industrie und Handel; zudem liegen hier eher kleinbetriebliche Strukturen vor. Beides erhöht das Lösungsrisiko (vgl. Rohrbach-Schmidt/Uhly 2015). 

Werden Auszubildende oder Ausbildungsbetriebe direkt nach den Gründen für vorzeitige Vertragslösungen befragt (siehe auch Kapitel A8.3), kommen die verschiedenen Studien zu weitgehend übereinstimmenden Befunden. Je nachdem, ob (ehemalige) Auszubildende oder Ausbildungsbetriebe befragt werden, werden als Gründe für die Vertragslösungen bzw. Vertragslösungsüberlegungen eher die betrieblichen Ausbildungsbedingungen oder die Ausbildungsleistungen der Jugendlichen genannt. Werden Betriebe bzw. Ausbilder/-innen befragt, werden vor allem Gründe genannt, die in der Verantwortung der Jugendlichen liegen, wie eine mangelhafte Berufsorientierung bzw. Berufswahl, eine mangelnde Leistungsbereitschaft (Fehlzeiten, unzureichende Identifikation mit dem Betrieb, mangelndes Durchhaltevermögen) sowie Leistungsfähigkeit (unzureichende Leistung im Betrieb, Überforderung) der Auszubildenden. Werden Jugendliche bzw. (ehemalige) Auszubildende befragt, nennen diese überwiegend betriebliche Gründe, wie Kommunikationsprobleme bzw. Konflikte mit Ausbildern und Ausbilderinnen und Vorgesetzten, eine mangelhafte Ausbildungsqualität (Beschäftigung statt Ausbildung, mangelnde Vermittlung von Ausbildungsinhalten); außerdem nennen sie Arbeitsbedingungen wie unbezahlte Überstunden, ungünstige Arbeitszeiten und Urlaubsregelungen. Berufsbezogene Gründe werden vor allem von denjenigen genannt, die angaben, dass sie ihren Wunschberuf nicht realisieren konnten oder andere Vorstellungen vom Beruf hatten (vgl. Uhly 2015). Hierbei ist jedoch zu beachten, dass die direkte Frage nach Gründen noch keine Ursachenanalyse darstellt und – wie die Befunde zeigen – die Gefahr nachträglicher Rechtfertigungen sowie wechselseitiger Schuldzuschreibungen besteht (vgl. Uhly 2015).

Vor dem Hintergrund der Diskussion um die Einführung einer Mindestausbildungsvergütung erhält der Zusammenhang zwischen Ausbildungsvergütung und Vertragslösungsquote stärkere Aufmerksamkeit in der öffentlichen Diskussion. Allerdings mangelt es an umfassenden Forschungsdatensätzen, die auch entsprechende Kausalanalysen zulassen. Die Berufsbildungsstatistik erfasst weder die Gründe für Vertragslösungen, noch die Ausbildungsvergütung; deshalb kann auch kein statistischer Zusammenhang zwischen Ausbildungsvergütung und vorzeitigen Vertragslösungen alleine auf Basis der Berufsbildungsstatistik geprüft werden. Kropp u. a. (2014, S. 21) stellen für das Vertragslösungsgeschehen in Sachsen-Anhalt aus dem Jahr 2014 fest111, dass neben dem Effekt des Schulabschlusses auch ein statistisch signifikanter Zusammenhang vorzeitiger Vertragslösungen mit der (durchschnittlichen tariflich vereinbarten) Vergütung besteht. Allerdings ist hierbei zu beachten, dass auch dieser statistische Zusammenhang nicht kausal interpretiert werden darf. Es ist anzunehmen, dass weitere Größen wie die Ausbildungsqualität, die Ausbildungs- und Arbeitsbedingungen etc.112 mit der Vergütung korrelieren und ihrerseits Einfluss auf die Vertragslösungsquote nehmen. Der gemessene Effekt wird dann fälschlicherweise (in kausalem Sinne) der tariflichen Ausbildungsvergütung zugeschrieben. Zudem zeigen verschiedene Erhebungen, dass für die Ausbildungsplatzwahl Vergütungsaspekte nicht die wichtigste Rolle spielen (vgl. BIBB-Datenreport 2019b, Kapitel A5.6, S. 165). Zudem ist es plausibel anzunehmen, dass bei angetretenen Ausbildungsverhältnissen (nur solche Ausbildungsverhältnisse werden von der Berufsbildungsstatistik erfasst) die Ausbildungsvergütung bekannt war und dann nicht der wichtigste Grund im Falle einer Vertragslösung sein wird. Alles in allem kann angenommen werden, dass die Ausbildungsvergütung eine gewisse Rolle auch bei Vertragslösungen spielt, aber wohl eher keine dominierende (vgl. auch Uhly 2013b).

Insgesamt kann in der öffentlichen Diskussion eine Öffnung hin zu Fragen der Ausbildungsqualität und der Attraktivität der Berufe festgestellt werden, allerdings ist die Problemwahrnehmung teilweise noch sehr stark auf die Auszubildenden fokussiert. Vertragslösungen werden überwiegend als ein Phänomen des Scheiterns von Auszubildenden betrachtet (zum Forschungsstand siehe Uhly 2015 und Rohrbach-Schmidt/Uhly 2015). Neuere Analysen zeigen hingegen, dass neben dem Schulabschluss der Auszubildenden auch betriebliche und berufliche Merkmale einen signifikanten Effekt auf das Vertragslösungsrisiko haben: Analysen auf Basis eines erweiterten Kohortendatensatzes der Berufsbildungsstatistik113 haben die Bedeutung von Ausbildungsmarktsegmenten deutlich gemacht und sprechen für einen systematischen von den Merkmalen der Auszubildenden unabhängigen Einfluss der betrieblichen Ausbildungsbedingungen, des Ausbildungsmodells und der Attraktivität des Ausbildungsberufs auf die Vertragslösungswahrscheinlichkeit (vgl. Rohrbach-Schmidt/Uhly 2015). Auch eine multivariate Analyse des betrieblichen Vertragslösungsgeschehens auf Basis des BIBB-Qualifizierungspanels zeigt, dass das Vertragslösungsrisiko bei stark investitionsorientierter betrieblicher Berufsausbildung geringer ausfällt (vgl. Rohrbach-Schmidt/Uhly 2016). Ebenso deuten die Befunde des Schweizer Projekts STABIL114 darauf, dass die Ausbildungsqualität eine wichtige Rolle hinsichtlich der Vermeidung von Lehrvertragsauflösungen spielt (vgl. Negrini u. a. 2015, S. 95).

Eine Verbesserung der Berufsorientierung und die Begleitung der Jugendlichen beim Übergang von der Schule in die Berufsausbildung115, Präventionsmaßnahmen der Berufsberatung oder an Berufsschulen116 sowie ausbildungsbegleitende Hilfen nach Sozialgesetzbuch (§ 75 SGB III) sind sinnvolle Maßnahmen, die Jugendliche auf ihrem Weg zum Berufsabschluss unterstützen können. Allerdings reichen Maßnahmen zur Senkung von Vertragslösungen in der dualen Berufsausbildung, die allein bei den Auszubildenden ansetzen, nicht aus. Auf Basis der Analysen der Berufsbildungsstatistik alleine kann man zwar keine erforderlichen Maßnahmen eindeutig ableiten. Die Befunde auf Basis der Statistik sowie der vorliegenden Studien machen jedoch deutlich, dass erfolgreiche Maßnahmen auch bei der Attraktivität der Ausbildung sowie der Ausbildungsqualität der Betriebe und insbesondere dem Umgang mit Konflikten ansetzen sollten (vgl. hierzu auch Uhly 2015). Das Instrument der assistierten Ausbildung bietet den Vorteil, dass es sowohl für Auszubildende als auch für Ausbildungsbetriebe Unterstützungsmaßnahmen im Rahmen der dualen Berufsausbildung bietet. Seit dem 1. Mai 2015 ist es im Sozialgesetzbuch verankert (§ 130 SGB III).

(Alexandra Uhly)

  • 96

    Die letzte bundesweite Erhebung des BIBB zum Verbleib nach Vertragslösung (vgl. Schöngen 2003) stammt aus dem Jahr 2002. Bis heute folgten viele Studien für einzelne Regionen und Kammerbezirke, die alle zu ähnlichen Ergebnissen gelangen. Der Anteil derjenigen, die erneut einen Ausbildungsvertrag im dualen System (nach BBiG/HwO) abschließen, liegt häufig schon nach relativ kurzer Zeit nach der Vertragslösung (wenige Monate bis zu einem Jahr) bei ca. 50% (vgl. z. B. Greilinger 2019, S. 93 f.; Kropp u. a. 2014, S. 20; Ernst/Spevacek 2012, S. 9; Piening u. a. 2012, S. 51; Schöngen 2003, S. 12; auch für die Schweiz zeigen sich ähnliche Befunde, vgl. z. B. Schmid/Neumann/Kriesi 2016, S. 16). Dieser Anteil wird weiter steigen, wenn ein längerer Zeitraum nach der Vertragslösung betrachtet wird. Auch wenn zu den anschließenden Berufsausbildungen neben dualen Berufsausbildungsverhältnissen nach BBiG/HwO noch andere Berufsbildungen gezählt werden, fällt dieser Anteil höher aus. Wird ein relativ kurzer Zeitraum betrachtet und zudem nur der Wiedereinstieg in den gleichen Kammerbezirk, dann fällt der Anteil geringer aus (vgl. Mischler 2014). Siehe auch die Analyse auf Basis des NEPS in Kapitel A8.3.

  • 97

    Neuere Längsschnittanalysen auf Basis von Individualdaten für die zweijährige Schweizer duale Berufsausbildung kommen ebenfalls zu diesem Ergebnis (vgl. Schmid/Neumann/Kriesi 2016, S. 16). Für einzelne Kantone der Schweiz wurden deutlich höhere Quoten berichtet (vgl. Kriesi u. a. 2016, S. 6).

  • 98

    Fach- und Hochschulwechsel, die zu einem Abschluss führen, werden nicht als Studienabbruch erfasst.

  • 99

    Grundsätzlich kann man zur Analyse von Ausbildungsverläufen im dualen System auch den Längsschnittdatensatz des National Education Panel Survey (NEPS) verwenden. Aufgrund der Fallzahlen können allerdings keine weitergehenden beruflichen und regionalen Differenzierungen vorgenommen werden. Zudem ist zu beachten, dass der Zeitpunkt der Ausbildung der analysierten Startkohorte sechs „Erwachsene“ des NEPS in unterschiedlichen Jahren lag, sodass hier mehrere Ausbildungsjahrgänge zusammengefasst sind.

  • 100

    Es handelt sich um eine grobe Kalkulation, die mit größeren Unsicherheiten behaftet ist und deshalb auch nicht jährlich berechnet wird. Als ein Abbruch („Drop Out“) aus der Perspektive des Systems der dualen Berufsausbildung kann der Anteil derjenigen, die zwar eine duale Berufsausbildung beginnen, jedoch (bis zu einem bestimmten Zeitpunkt) keinen dualen Berufsabschluss nach BBiG/HwO erreichen, betrachtet werden.

  • 101

    Im Rahmen der Berufsbildungsstatistik liegen auch keine Informationen darüber vor, ob noch ein anderer Berufsabschluss in anderen Bildungsbereichen (z. B. schulische Berufsausbildung, Beamtenausbildung) bzw. ein Studienabschluss erreicht wurde. Auch konnte kein längerer Zeitraum berücksichtigt werden, zu dem noch ein Wiedereinstieg in eine duale Berufsausbildung oder eine sogenannte Externenprüfung erfolgt sein könnte.

  • 102

    Die Beschränkung auf unter 23-Jährige erfolgte, „um atypische Lebensverläufe, z. B. eine verspätete Ausbildungsaufnahme im Zuge von Krankheit, Zuzug aus dem Ausland, oder nach Abbruch eines mehrjährigen Studiums auszuschließen“ (Kotte 2018, S. 445). 2008 (das erste Berichtsjahr, zu dem die Anfängerzahl in der dualen Berufsausbildung ermittelt werden kann)  waren ca. 9% der Anfänger/-innen 23 Jahre oder älter. Es kann angenommen werden, dass durch die Altersselektion bei Kotte die berechnete Abbruchquote geringer ausfällt als unter Berücksichtigung aller Altersjahrgänge.

  • 103

    Nach § 20 BBiG muss die Probezeit mindestens einen Monat betragen; sie kann bis zu vier Monate dauern. Für die Berichtsjahre 2007 bis 2015 wurde die Probezeit im Rahmen der Berufsbildungsstatistik grundsätzlich mit vier Monaten kalkuliert, seit dem Berichtsjahr 2016 wird sie erhoben. Dabei zeigte sich, dass von den im Berichtsjahr 2018 begonnenen Ausbildungsverhältnissen 70,7% mit einer Probezeit von vier Monaten gemeldet wurden; weitere 24,6% mit drei, nur 0,8% mit zwei, 3,4% mit einem Monat und 0,5% mit Null Monaten Probezeit. Letzteres ist nur in besonderen Ausnahmefällen möglich.

  • 104

    Es wurde nicht unterschieden nach der Dauer seit Vertragsbeginn, sondern danach, in welchem Ausbildungsstadium (erstes, zweites, … Ausbildungsjahr) die Vertragslösung erfolgt. Bis 2006 wurden Vertragslösungen nur nach den Ausbildungsjahren differenziert erhoben; Monat und Jahr von Vertragsbeginn und Vertragslösung waren nicht erfasst.

  • 105

    Für die Schweiz wurden 2016 durch das schweizerische Bundesamt für Statistik erstmals nationale Ergebnisse zu Lehrvertragsauflösungen veröffentlicht (vgl. Schmid/Neumann/Kriesi 2016, S. 8ff.). Die vertragsbezogene Lösungsquote (LVA-Quote) – vergleichbar der deutschen Lösungsquote, allerdings ex post auf Basis von Verlaufsdaten ermittelt – wurde zunächst lediglich für die zweijährigen Ausbildungsberufe veröffentlicht. Mittlerweile wurde auch für die gesamte Eintrittskohorte eine LVA-Quote veröffentlicht, sie betrug bis einschließlich 2017 für die duale Berufsausbildung 25,3% (vgl. Bundesamt für Statistik 2018). Die personenbezogene LVA-Quote betrug in diesem Zeitraum in der Schweiz nur 20,6%; der Unterschied zur vertragsbezogenen Quote ergibt sich daraus, dass manche Auszubildende mehrfach Vertragslösungen erfahren.

  • 106

    Hierbei ist allerdings zu beachten, dass in Ostdeutschland der Anteil der öffentlich finanzierten Ausbildungsverhältnisse höher ausfiel und Vertragslösungen auch bei einem Wechsel von solchen Ausbildungsplätzen in ein betrieblich finanziertes Berufsausbildungsverhältnis auftreten können; solche Vertragswechsel können als Erfolge betrachtet werden.

  • 107

    Einbezogen wurden staatlich anerkannte Ausbildungsberufe des dualen Systems mit mindestens 300 begonnenen Verträgen im Jahr 2018.

  • 108

    Lediglich bei den beiden kaufmännischen Berufen Hotelkaufmann/-kauffrau (IH) und Personaldienstleistungskaufmann/-kauffrau (IH) fiel die Lösungsquote in den letzten Jahren auch regelmäßig höher aus (27% –33%), allerdings immer noch deutlich geringer als bei den Sport- und Fitnesskaufleuten.

  • 109

    Der Ausbildungsberuf Hotelfachfrau/Hotelfachmann liegt mit einer Lösungsquote von 39,3% (Platz 24) knapp außerhalb der Liste der 20 Berufe mit der höchsten Lösungsquote. Bei den Hotelkaufleuten fällt die Lösungsquote mit 27,8% nur leicht überdurchschnittlich aus.

  • 110

    Zur Unterscheidung von primären und sekundären Dienstleistungsberufen sowie Fertigungsberufen siehe Kapitel A5.4.

  • 111

    Auf Basis von Daten zu den begonnenen Ausbildungsverhältnissen der Jahre 2008 und 2011 der IHK Halle-Dessau, die um weitere Variablen ergänzt wurden; u. a. Ausbildungsvergütungsdaten teilweise aus der Datenbank Ausbildungsvergütungen des BIBB (vgl. Beicht 2018), teilweise geschätzt.

  • 112

    Variablen, die im Analysedatensatz nicht enthalten waren, sodass deren Effekte nicht kontrolliert werden konnten.

  • 113

    Leider enthalten die Daten der Berufsbildungsstatistik nahezu keine betrieblichen Merkmale, sodass deren Einfluss nicht unmittelbar geprüft werden kann. Bei der Analyse von Rohrbach-Schmidt/Uhly (2015) wurde der Kohortendatensatz erweitert, indem Betriebs- und Berufsmerkmale – wie die Betriebsgröße oder die Nettokosten der Ausbildung – als Durchschnittsgrößen in den Ausbildungsberufen (auf Basis der BIBB-Erhebung der Kosten und des Nutzens der betrieblichen Ausbildung 2007 ermittelt) und Variablen zur Ausbildungsmarktlage aufgenommen wurden.

  • 114

    Das Projekt „Stabile Lehrverträge – die Rolle des Ausbildungsbetriebs“ (STABIL) basiert auf einer Querschnittserhebung bei 335 Ausbildungsbetrieben, die die beiden Berufe Koch/Köchin und Maler/Malerin ausbilden. Berufsbildner/-innen und Auszubildende wurden befragt. Der Zusammenhang zwischen Ausbildungsqualität und vorzeitigen Vertragslösungen wurde auf Basis einer Clusteranalyse untersucht (vgl. Negrini u. a. 2015, S. 87f. und S. 93f.).

  • 115

    Siehe hierzu die Themenseite des Bundesinstituts für Berufsbildung „Übergänge in Ausbildung und Beruf“, URL: https://www.bibb.de/de/44.php.

  • 116

    Vgl. beispielsweise das Projekt Praelab, URL: http://www.praelab-hdba.de/ oder das hessische Programm QuABB, URL: http://www.quabb-hessen.de/ausbildungsabbrueche-vermeiden.html (QuABB sieht auch Beratungsleistungen für Betriebe, Lehrer und Eltern vor). Siehe hierzu auch das Schweizer Pilotprojekt „gemeinsam zum Erfolg“ (Laupper 2017).