Angesichts der aktuell hohen Nachfrage nach Fachkräften und der seit Jahren wachsenden Bestände an sozialversicherungspflichtig Beschäftigten stellt die berufliche Ausbildung eine weiterhin wichtige Möglichkeit dar, den betrieblichen Qualifikationsbedarf zu decken. Allerdings bildeten Ende 2018 von den insgesamt 2,17 Mio. Betrieben mit sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen nur noch 427.000 Betriebe Jugendliche und junge Erwachsene aus. Damit lag der Anteil an Ausbildungsbetrieben bei 19,7% und der Anteil an Auszubildenden an allen Beschäftigten bei 4,8% (vgl. Kapitel A7.1).
Im folgenden Beitrag wird auf Grundlage des BIBB-Betriebspanels zu Qualifizierung und Kompetenzentwicklung (BIBB-Qualifizierungspanel) und anhand einer Reihe von Indikatoren und betrieblichen Strukturmerkmalen untersucht, wie die betriebliche Ausbildungsbeteiligung in den Berichtsjahren 2018 und 2019 ausfiel und welche Hinweise es auf Probleme bei der Besetzung von Ausbildungsstellen gibt. Als Indikatoren werden herangezogen, ob
- Betriebe für die Ausbildungsjahre 2017/2018 und 2018/2019 Ausbildungsstellen nach BBiG/HwO angeboten haben,
- Ausbildungsverträge nach BBiG/HwO neu abgeschlossen wurden und
- Ausbildungsstellen nach BBiG/HwO unbesetzt geblieben sind.
BIBB-Qualifizierungspanel
Das BIBB-Betriebspanel zu Qualifizierung und Kompetenzentwicklung ist eine jährliche Wiederholungsbefragung, mit der repräsentative Längs- und Querschnittdaten zum betrieblichen Qualifizierungsgeschehen in Deutschland erhoben werden. Die betrieblichen Angaben werden über laptopgestützte persönlich-mündliche Interviews (CAPI) und optional über internetgestützte Interviews (CAWI) erhoben. Aktuelle Informationen zum BIBB-Qualifizierungspanel und deren Konzeption sind unter www.qualifizierungspanel.de abrufbar.
Betriebliche Strategien zur Deckung des Qualifikationsbedarfs
Im Ergebnis zeigt sich im Zweijahresvergleich eine große Heterogenität im betrieblichen Handeln, in den Reaktionen der Betriebe auf den Ausbildungsstellenmarkt und auf die Erfahrungen mit der Rekrutierung von Auszubildenden im Vorjahr. Als Untersuchungsgruppen unterschieden werden Betriebe, die im Jahr 2018 keine Ausbildungsangebote gemacht haben, die 2018 erfolglos ihre Ausbildungsstellen angeboten haben und Betriebe, die ihren Bedarf an Nachwuchskräften zumindest in Teilen decken konnten Tabelle A7.3-1. Für alle drei Betriebsgruppen wurde jeweils untersucht, ob und wie sie sich im Folgejahr 2019 an der Ausbildung beteiligt haben. Im Mittelpunkt steht dabei die Frage, wie Betriebe auf eine erfolglose Suche nach geeigneten Bewerberinnen und Bewerbern reagieren und welche betrieblichen Strukturmerkmale wie Betriebsgröße, Branche oder Kammerzugehörigkeit charakteristisch für diese Betriebe sind.
Tabelle A7.3-1: Betriebliche Ausbildungsbeteiligung: Angebot und Besetzung von Ausbildungsstellen in den Ausbildungsjahren 2017/2018 und 2018/2019 nach ausgewählten Strukturmerkmalen (in %) (Teil 1)
Tabelle A7.3-1: Betriebliche Ausbildungsbeteiligung: Angebot und Besetzung von Ausbildungsstellen in den Ausbildungsjahren 2017/2018 und 2018/2019 nach ausgewählten Strukturmerkmalen (in %) (Teil 2)
Klassifikation der Wirtschaftssektoren im BIBB-Qualifizierungspanel
- Primärsektor (Land-, Forstwirtschaft, Bergbau, Energie-, Wasserversorgung, Abfallwirtschaft),
- Verarbeitendes Gewerbe (Herstellung von chemischen und pharmazeutischen Erzeugnissen, Elektro-, Metallgewerbe, Maschinen-, Fahrzeugbau, Herstellung sonstiger Güter wie Holz, Papier, Nahrungsmittel, Textilien),
- Bauwirtschaft (Hoch- und Tiefbau, vorbereitende Baustellenarbeiten, -installation),
- Handel und Reparatur (KFZ-Handel, Groß- und Einzelhandel, Reparaturgewerbe),
- Primär unternehmensnahe Dienstleistungen (finanz-, rechts- und wohnungswirtschaftliche Dienstleistungen, Forschung/Entwicklung, Architektur-, Ingenieurbüros, Werbung/Marktforschung, Leiharbeit, Reise-, Sicherheitsgewerbe),
- Primär personenbezogene Dienstleistungen (Beherbergungs-, Gastronomiegewerbe, Informations-, Kommunikationsgewerbe, Verkehrs-, Lagergewerbe, Friseurgewerbe, sonstige personenbezogene Dienstleistungen),
- Medizinische und pflegerische Dienstleistungen (Gesundheits-, Sozialwesen, Arztpraxen, Kliniken, Heime),
- Öffentliche Dienstleistungen (Öffentliche Verwaltung, Erziehung, Unterricht, Verbände, Interessenvertretungen, Organisationen ohne Erwerbscharakter).
Betriebe ohne Ausbildungsangebote
Im Zweijahresvergleich zeigt sich bei den wiederholt befragten Betrieben mit 70,6% ein durchschnittlich hoher Anteil an Betrieben, die weder 2018 noch 2019 Ausbildungsangebote gemacht haben Tabelle A7.3-1 (Spalte 12). Die Anteile fielen insbesondere bei kleineren Betrieben, bei Betrieben aus dem IHK-Bereich, bei den Freien Berufen, im öffentlichen Dienst und – abgesehen vom Bereich Land-, Forstwirtschaft und Bergbau – vor allem bei Betrieben im Dienstleistungsbereich überdurchschnittlich hoch aus. Auch in Ostdeutschland war der Anteil der Betriebe, die in beiden Berichtsjahren keine Ausbildungsstellen angeboten haben, überdurchschnittlich hoch.
Betriebe mit Neuangebot an Ausbildungsstellen
Insgesamt 27,8% der befragten Betriebe, die 2018 keine Ausbildungsstellen angeboten haben, wollten sich 2019 an der Ausbildung von Nachwuchskräften beteiligen Tabelle A7.3-1 (Spalte 3). Davon konnten 2019 etwa jeweils die Hälfte entweder keine Nachwuchskräfte finden (12,5%) oder Ausbildungsverträge mit Ausbildungsstellenbewerberinnen und -bewerbern abschließen (15,2%). Im direkten Vergleich fielen die Erfolgschancen vor allem für größere Betriebe, Betriebe in der Bauwirtschaft, im Handels- und Reparaturgewerbe, in den neuen Bundesländern, im IHK- und HwK-Bereich sowie im öffentlichen Dienst zum Teil deutlich höher aus. Besondere Probleme scheinen in der Land- und Forstwirtschaft und teilweise auch bei den medizinischen oder pflegerischen Dienstleistungen, den überwiegend persönlichen Dienstleistungen und bei den freien Berufen vorzuliegen.
Betriebe mit Problemen, Ausbildungsstellen zu besetzen
Die 35,7% der Betriebe, die sich 2018 erfolglos bemüht haben, entsprechend qualifizierte Schulabsolventinnen und -absolventen für ihre Ausbildungsstellen zu gewinnen Tabelle A7.3-1 (Spalte 7), reagierten größtenteils dadurch, dass sie mit 15,1% entweder 2019 keine Ausbildungsstellen angeboten haben (vgl. Spalte 4) oder es mit 15,1% zwar erneut, aber erfolglos versuchten, und somit zur Gruppe der Betriebe mit hohen Anteilen an unbesetzten Ausbildungsstellen gehörten (vgl. Spalte 5). Nur ein kleiner Teil der Betriebe (5,6%) schaffte es, das für 2019 geschaffene Neuangebot vollständig zu besetzen (vgl. Spalte 6).
Besonders Betriebe mit einer Zugehörigkeit zum IHK- und/oder HwK-Bereich, Kleinstbetriebe mit bis zu 19 Beschäftigten, Betriebe im Dienstleistungsbereich (insbesondere Handels- und Reparaturgewerbe, überwiegend persönliche Dienstleistungen, medizinische und pflegerische Dienstleistungen) gehörten in der Mehrzahl zur Gruppe der in beiden Berichtsjahren ausbildungsinteressierten Betriebe, die vergeblich nach geeigneten Auszubildenden suchten oder auf Ausbildungsangebote verzichteten. Dies gilt auch für Betriebe in den neuen Bundesländern. Relativ erfolgreich in ihrem Bemühen, Auszubildende zu finden, waren Betriebe mit 20 und mehr Beschäftigten, das verarbeitende Gewerbe und die Bauwirtschaft sowie der öffentliche Dienst.
Betriebe ohne Besetzungsprobleme
Im Vorjahr bei der Rekrutierung von Nachwuchskräften erfolgreiche Betriebe hatten im Durchschnitt auch im Folgejahr keine größeren Probleme bei der Stellenbesetzung. Von den 36,5% der 2018 erfolgreichen Betriebe Tabelle A7.3-1 (Spalte 11) gelang es einem Großteil (20,5%) auch 2019, die Bewerbersuche mit Neuverträgen abzuschließen (Spalte 10). Durchschnittlich 5,0% hatten 2019 jedoch auch unbesetzte Ausbildungsstellen zu verzeichnen und 11,1% der Betriebe boten keine erneuten Ausbildungsstellen an; wobei ein Teil dieser Betriebe eventuell ihren Bedarf an Nachwuchskräften bereits 2018 gedeckt hatte.
Ausbildungsstellen erfolgreich zu besetzen, gelang zu einem hohen Prozentanteil insbesondere größeren Betrieben (vgl. Spalte 10), Betrieben aus dem verarbeitenden Gewerbe und der Bauwirtschaft sowie im Bereich öffentlicher Dienstleistungen. Eher kritisch fiel die Erfolgsbilanz im produzierenden Gewerbe und im Dienstleistungsbereich aus, hier vor allem bei den überwiegend persönlichen Dienstleistungen, aber auch bei unternehmensnahen Dienstleistungen und im Handels- und Reparaturgewerbe.
Fazit
Insgesamt ergeben sich unterschiedliche Erklärungsmöglichkeiten für die in den letzten Jahren insgesamt rückläufige und sich nur allmählich stabilisierende Ausbildungsbeteiligung (vgl. Kapitel A7.1). Die mit zunehmender Betriebsgröße konstant erfolgreich agierenden Betriebe haben bei gleichzeitig nachlassenden Erfolgschancen von Betrieben mit weniger als 20 Beschäftigten den Trend im betrieblichen Ausbildungssystem zu größeren mittelständischen Betrieben und Großunternehmen als Träger der betrieblichen Ausbildung weiter verstärkt. Ungeachtet ihrer Erfahrungen im Vorjahr weist der Saldo aus erfolgreichen168 und erfolglosen169 mittelständischen Betrieben und Großbetrieben hohe positive Werte auf, während der Saldo für Klein- und Kleinstbetriebe mit -37,3 Prozentpunkten auf einen nachlassenden Anteil von Kleinstbetrieben in der Ausbildungsbeteiligung hinweist. Der Grund hierfür liegt darin, dass sich trotz mehrfacher Versuche von Kleinst- und Kleinbetrieben kein Erfolg einstellt. Nur jeder dritte Kleinbetrieb konnte seine Ausbildungsangebote mit Nachwuchskräften erfolgreich besetzen.
Auch ist zu erwarten, dass das verarbeitende Gewerbe und mit Abstrichen das Baugewerbe wie bisher auch zu den ausbildungsstarken Bereichen im Ausbildungssystem gehören werden. Demgegenüber könnte der Dienstleistungsbereich – abgesehen von öffentlichen Dienstleistungen – an Bedeutung verlieren. Dies trifft insbesondere auf das Handels- und Reparaturgewerbe und für den Bereich der überwiegend persönlichen Dienstleistungen zu, die in beiden Berichtsjahren erfolglos Auszubildende gesucht haben und hohe Anteil an Betrieben aufweisen, die im Zweijahresvergleich keine Angebote an Ausbildungsstellen gemacht haben. Da in den neuen Bundesländern die Gruppe der sowohl 2018 wie auch 2019 konstant erfolglosen Betriebe dominiert, wird sich in der Folge der bisherige Trend zu einer vergleichsweise niedrigeren Ausbildungsbeteiligung verfestigen.
(Klaus Troltsch, Sabine Mohr)