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Die Mobilität von Jugendlichen kann dazu beitragen, regionale Ungleichgewichte von Angebot und Nachfrage auf dem Ausbildungsmarkt zu mindern. Sie kann jedoch auch dazu führen, dass in Regionen mit einem aus Sicht der Jugendlichen attraktiven Angebot deutlich mehr Ausbildungsstellenbewerber/-innen aktiv sind, als aus dieser Region selbst stammen. Sofern sich die einheimischen Bewerber/-innen nicht im selben Ausmaß mobilitätsbereit zeigen wie die Ausbildungsinteressierten von außerhalb, können sich die Verhältnisse auf dem Ausbildungsmarkt infolge von Mobilität somit auch verschlechtern (vgl. dazu ausführlich Matthes/Ulrich 2018).

Amtliche Informationen zur Mobilität von Jugendlichen im Zusammenhang mit ihrer Berufsausbildung lassen sich aus der Beschäftigtenstatistik der BA gewinnen. Die Statistik gibt darüber Auskunft, wo Auszubildende wohnen und wo ihre Ausbildungsstätten liegen. Auf dieser Basis werden im Folgenden regionale Mobilitäten nachgezeichnet. Bei der Interpretation ist zu berücksichtigen, dass die Mobilität, die in der BA-Beschäftigtenstatistik sichtbar wird, lediglich die erfolgreich realisierte Mobilität wiederspiegelt. Diese erfasst nur diejenigen Fälle, in denen die jungen Menschen im Zuge der auswärtigen Aufnahme einer Ausbildung ihren Hauptwohnsitz nicht verlegen.

Bei Einschluss von Personen, die ihren Hauptwohnsitz verlegen, würde die erfolgreich realisierte Mobilität nochmals höher ausfallen. Entsprechende Daten werden aber bisher nicht amtlich erhoben. Dies gilt ebenfalls für die folgenden mobilitätsbezogenen Größen, die nochmals höher anzusetzen sind als die erfolgreich realisierte Mobilität mit Wohnsitzverlegung Schaubild A8.2-1

  • Die faktisch aktivierte Mobilitätsbereitschaft umfasst die Zahl aller ausbildungsinteressierten Jugendlichen, die sich mit oder ohne Erfolg überregional bewerben. 
  • Diese Zahl wird wiederum von der Zahl der Personen mit latenter Mobilitätsbereitschaft übertroffen. Sie umfasst all jene Personen, die bei „Schwierigkeiten bei der Lehrstellensuche auch Ausbildungsplatzangebote außerhalb der Heimatregion in Betracht ziehen und sich gegebenenfalls auch auf diese Angebote bewerben“ (Ulrich/Ehrenthal/Häfner 2006, S. 101).

Wenn somit im Folgenden über faktische Mobilität (ohne Umzüge) berichtet wird, ist zu berücksichtigen, dass die Mobilitätsbereitschaft der Jugendlichen grundsätzlich deutlich größer ausfällt, als sich in den hier berichteten Zahlen niederzuschlagen vermag (vgl. dazu z. B. Technopolis Group 2015).

Schaubild A8.2-1: Teilgruppen ausbildungsinteressierter Jugendlicher nach Mobilitätsbereitschaft

Faktisch realisierte Mobilität zwischen den Ländern

Zum Stichtag 30.09.2018 wohnten rund 110.700 der 1.623.000 Beschäftigten, die zu diesem Zeitpunkt von der BA als Auszubildende registriert wurden, nicht in dem Bundesland, in dem ihr Ausbildungsbetrieb angesiedelt war Tabelle A8.2-1 (Spalten 4 und 5). Dies sind 6,8%.173

Die länderübergreifende Mobilität führt insbesondere in den Stadtstaaten dazu, dass höhere Anteile der dort verfügbaren Ausbildungsplätze nicht von eigenen Landesbewohnern/-bewohnerinnen besetzt sind Tabelle A8.2-1 (Spalte 7), so in Bremen (37,2%), Hamburg (32,7%) und Berlin (20,2%). Stärker als die Flächenstaaten zählen die Stadtstaaten zu den Regionen, in denen „die Betriebe mehr Ausbildungsplätze an(bieten), als dies für die Lehrstellenversorgung der Jugendlichen vor Ort notwendig wäre. Sie fungieren als überregionale Ausbildungszentren und ziehen Jugendliche aus Regionen an, in denen das Lehrstellenangebot ungünstiger ausfällt“ (Jost/Seibert/Wiethölter 2019, S. 1). Die hohe Mobilitätsbereitschaft in die Stadtstaaten hängt aber auch „mit dem ergriffenen Beruf zusammen. Während bestimmte Berufsausbildungen in fast jeder Gemeinde zugänglich sind, z. B. in der Backwarenherstellung oder im Bau- und Ausbaugewerbe, werden andere Berufe (wie im MINT- und Marketingbereich) überwiegend in den städtischen Zentren angeboten. Dafür müssen Jugendliche eher mobil sein“ (Jost/Seibert/Wiethölter 2019, S. 6).

Zwar gibt es in den Stadtstaaten auch in nennenswertem Maße dort wohnende Jugendliche, die ihre Ausbildung außerhalb ihres eigenen Bundeslandes absolvieren (Bremen 15,2%, Hamburg 13,4%, Berlin 9,0%; vgl. Spalte 8). Doch liegen diese Anteile deutlich unter den Einpendlerquoten (vgl. die in Spalte 9 aufgeführte Differenz), sodass die Einwanderung klar überwiegt. Dies führt in der Konsequenz dazu, dass „vor Mobilität“ noch günstige bzw. sehr günstige städtische Märkte für die dort einheimischen Jugendlichen mobilitätsbedingt zu eher schwierigen Märkten werden. So zeigen z. B. für den Stadtstaat Hamburg durchgeführte Berechnungen, dass 2018 einem Angebot von 14.000 Ausbildungsplätzen „ohne“ Mobilität eine „einheimische“ Nachfrage von vermutlich 12.600 Personen gegenübergestanden wäre (mit einer entsprechenden Angebots-Nachfrage-Relation von eANR= 111,2 Angeboten je 100 Ausbildungsplätze nachfragenden Personen). Als Folge der Mobilität (starker Zustrom nach Hamburg bei deutlich niedrigerer Auspendlerquote) lag die Nachfrage in Hamburg jedoch bei schätzungsweise 15.700 Personen, sodass die offizielle Angebots-Nachfrage-Relation nur eANR = 89,7 betrug. Für die Hamburger Betriebe, Praxen und Verwaltungen hatte dies den Vorteil, dass 2018 nur 4,7% der entsprechenden Ausbildungsplatzangebote unbesetzt blieben, während es in Deutschland insgesamt 10,0% waren (vgl. dazu Herzer/Ulrich 2020).

Entlastung der Ausbildungsmärkte durch Mobilität – hier wiederum aus der Perspektive der Jugendlichen – erfahren insbesondere die Flächenländer Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen. Hier fallen die Auspendlerquoten in andere Länder merklich höher aus (das heißt, um mindestens drei Prozentpunkte) als die Einpendlerquoten aus den anderen Ländern. Relativ bedeutsame auswärtige Ausbildungsmärkte sind wiederum Tabelle A8.2-2:

  • für Brandenburg: Berlin (19,9% der in Brandenburg lebenden Auszubildenden lernen in Berlin) und Sachsen (1,7%),
  • für Mecklenburg-Vorpommern: Brandenburg (1,2%), Berlin (1,1%) und Hamburg (1,1%),
  • für Niedersachsen: Bremen (3,3%) und Hamburg (2,5%) und Nordrhein-Westfalen (1,9%),
  • für Rheinland-Pfalz: Baden-Württemberg (4,4%), Hessen (3,6%), Nordrhein-Westfalen (3,2%) und das Saarland (1,5%),
  • für Sachsen-Anhalt: Niedersachsen (3,2%) sowie Sachsen (2,7%),
  • für Schleswig-Holstein: Hamburg (11,5%) sowie
  • für Thüringen: Bayern (3,1%), Hessen (2,1%) und Sachsen (2,5%).

Tabelle A8.2-1: Zahlen und Indikatoren zur länderübergreifenden Mobilität von Auszubildenden (Stichtag: 30.09.2018)

Tabelle A8.2-2: Relative Verteilung der im jeweiligen Land wohnenden Auszubildenden auf ihre Ausbildungsplätze nach deren Ort (in %)

Die beiden Länder, in denen die meisten der dort wohnenden Auszubildenden auch dort ausgebildet werden, sind Nordrhein-Westfalen (97,2%) und Bayern (97,1%), gefolgt von Baden-Württemberg (95,9%) Tabelle A8.2-1 (Spalte 10). Dies dürfte unter anderem daher rühren, dass es sich zugleich um die drei Länder mit der absolut höchsten Bevölkerungszahl bzw. mit dem absolut höchsten Ausbildungsplatzangebot handelt. Eine Rolle dürfte im Fall von Bayern und Baden-Württemberg zudem die aus Sicht der Jugendlichen überdurchschnittlich gute Ausbildungsmarktlage spielen (vgl. Kapitel A1.1). Am seltensten lernen brandenburgische Auszubildende im eigenen Land (74,5%), mit deutlichem Abstand gefolgt von den Bremer Auszubildenden (84,8%).

(Philip Herzer, Joachim Gerd Ulrich)

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    Zu berücksichtigen ist, dass unter den von der BA in der Beschäftigtenstatistik ausgewiesenen Auszubildenden zu einem kleineren Anteil auch Auszubildende außerhalb des dualen Berufsausbildungssystems enthalten sind (vgl. dazu Matthes/Ulrich 2017).