Die betrieblich finanzierte Weiterbildung ist ein wichtiger Teil des lebenslangen Lernens. 2016 wurde die fünfte europäische Erhebung zur betrieblichen Weiterbildung (CVTS5 – Continuing Vocational Training Survey) durchgeführt. Sie stellt für 30 europäische Länder (EU-Mitgliedstaaten sowie Norwegen und Nordmazedonien) vergleichbare Daten zu Angebot, Umfang, Formen, Organisation und Kosten der betrieblichen Weiterbildung für das Jahr 2015 zur Verfügung. Die zentralen Ergebnisse aus CVTS5 wurden in Kapitel B1.2.2 in den BIBB-Datenreporten 2018 und 2019 dargestellt. Nachfolgend wird die Nutzung verschiedener Lernformen in den Unternehmen genauer betrachtet.
Europäische Erhebungen zur betrieblichen Weiterbildung (CVTS)
Die Erhebungen zur betrieblichen Weiterbildung (Continuing Vocational Training Survey, CVTS) werden in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (und weiteren interessierten Staaten wie 2015 Norwegen und Nordmazedonien) durchgeführt. Befragt werden Unternehmen mit zehn und mehr Beschäftigten aus den Wirtschaftsbereichen B bis N sowie R und S der statistischen Systematik der Wirtschaftszweige in der Europäischen Gemeinschaft NACE Rev. 2 (Eurostat 2008).231
In bisher fünf Erhebungen wurden europäisch vergleichbare Daten zu Angebot, Umfang, Formen, Organisation und Kosten der betrieblichen Weiterbildung für die Jahre 1993 (CVTS1 mit zwölf teilnehmenden Ländern), 1999 (CVTS2, 25 Länder), 2005 (CVTS3, 28 Länder), 2010 (CVTS4, 28 Länder) und 2015 (CVTS5, 30 Länder) ermittelt. Seit 2005 sind die EU-Mitgliedstaaten durch EU-Verordnungen verpflichtet, entsprechende Erhebungen durchzuführen. In der Mehrzahl der Länder waren die Unternehmen bei CVTS5 auskunftspflichtig, in Deutschland war die Teilnahme für die Unternehmen freiwillig. Die Rücklaufquote lag mit Ausnahme von vier Ländern bei 50% und mehr, Deutschland hatte mit 24% die niedrigste Rücklaufquote. Insgesamt wurden rund 125.000 Unternehmen in Europa befragt, in Deutschland 2.846. Eurostat veröffentlicht die CVTS-Ergebnisse auf seiner Datenbank.232
Kurse und andere Formen der Weiterbildung
Unter betrieblicher Weiterbildung wird in CVTS vorausgeplantes, organisiertes Lernen verstanden, das vollständig oder teilweise von den Unternehmen finanziert wird. Die Finanzierung kann dabei sowohl direkt (z. B. durch Zahlungen an Weiterbildungsanbieter/-innen für die Teilnahme der Beschäftigten an Kursen) als auch indirekt (durch Teilnahme der Beschäftigten an Weiterbildungsmaßnahmen während der Arbeitszeit) erfolgen. In CVTS5 wurden sieben Weiterbildungsformen unterschieden. Neben Kursen, die entweder intern oder extern organisiert werden und getrennt vom Arbeitsplatz stattfinden, zählen dazu fünf andere Formen der Weiterbildung, darunter auch stärker in den Arbeitsprozess integrierte Formen. Die Grenze zwischen Arbeit und Lernen ist bei diesen anderen, nichtkursförmigen Formen der Weiterbildung oft nicht klar zu ziehen, was die empirische Erfassung schwierig macht (vgl. Moraal/Grünewald 2004). Dies betrifft nicht den Anteil der Unternehmen, die solche Formen anbieten, sondern vor allem detailliertere Informationen, z. B. zur Teilnahme an solchen Formen oder zu den Kosten (vgl. Cedefop 2010, S. 107/108). Für die nichtkursförmige Weiterbildung wurden daher in CVTS5 nur das Angebot und die Teilnahmequote (in Klassen)230 erhoben, aber nicht die Dauer der Lernaktivitäten oder ihre Kosten.
Formen der betrieblichen Weiterbildung in CVTS
Kurse: Veranstaltungen, die ausschließlich der betrieblichen Weiterbildung dienen und vom Arbeitsplatz getrennt stattfinden (z. B. in einem Unterrichtsraum oder Schulungszentrum). Die Teilnehmenden werden in einem vorab von den Organisatoren festgelegten Zeitraum von Weiterbildungspersonal unterrichtet. Es wird zwischen internen und externen Kursen differenziert. Bei internen Kursen liegt die Verantwortung für Ziele, Inhalte, Organisation und Durchführung beim Unternehmen selbst, bei externen Kursen liegt die Verantwortung bei den externen Bildungsträgern, die die Kurse auf dem freien Markt anbieten.
Weiterbildung am Arbeitsplatz: Geplante Phasen der Unterweisung durch Vorgesetzte, Spezialisten/Spezialistinnen oder Kollegen/Kolleginnen und Lernen durch die normalen Arbeitsmittel und andere Medien (Einarbeitung).
Jobrotation innerhalb des Unternehmens und Arbeitsplatztausch mit anderen Unternehmen (durch Austauschprogramme, Abordnungen, Studienbesuche): Sie gelten nur dann als Weiterbildungsmaßnahme, wenn sie im Voraus geplant sind und dem spezifischen Zweck dienen, die Fähigkeiten der Teilnehmenden weiterzuentwickeln. Nicht dazu gehören routinemäßige Versetzungen, die nicht im Rahmen eines geplanten Weiterbildungsprogramms erfolgen.
Informationsveranstaltungen: Z. B. Besuch von Fachvorträgen, Fachtagungen, Kongressen, Workshops, Fachmessen und Erfahrungsaustauschkreisen. Die Teilnahme zählt nur dann als Weiterbildung, wenn der vorrangige Zweck der Teilnahme die Weiterbildung ist.
Lern- und Qualitätszirkel: In Lernzirkeln kommen Beschäftigte regelmäßig mit dem vorrangigen Ziel zusammen, sich über die Anforderungen der Arbeitsorganisation, der Arbeitsverfahren und des Arbeitsplatzes weiterzubilden. Qualitätszirkel sind Arbeitsgruppen, deren Ziel es ist, durch Diskussionen Probleme zu lösen, die mit der Produktion oder dem Arbeitsplatz zusammenhängen. Sie gelten nur dann als Weiterbildung, wenn Weiterbildung der vorrangige Zweck für die Teilnahme ist.
Selbstgesteuertes Lernen: Geplante individuelle Weiterbildungsaktivitäten, z. B. durch E-Learning, mit audiovisuellen Hilfen wie Videos, computergestütztem Lernen, Internet.
Auf die große Bedeutung nichtkursförmiger Lernformen wird bereits seit vielen Jahren hingewiesen, zuletzt insbesondere auch mit Verweis auf die Möglichkeiten, die diese Lernformen zur Bewältigung der Herausforderungen durch die zunehmende Digitalisierung und Automatisierung bieten (vgl. z. B. Dehnbostel 2018; European Commission 2018b; Harteis 2019).233 Sie zeichnen sich durch eine größere Flexibilität und niedrigere Zugangsschwellen aus, z. B. für Geringqualifizierte, und sind auch für die (Weiter-)Entwicklung fachübergreifender Kompetenzen wie der Methoden- und Sozialkompetenz geeignet (vgl. z. B. European Commission 2018b; Moraal u. a. 2009). Im Vergleich zum Lernen in Kursen ist das arbeitsintegrierte Lernen oft einfacher zu organisieren und kostengünstiger (vgl. z. B. De Grip 2015), was für ihren Einsatz in kleineren Unternehmen spricht (vgl. Cedefop 2015b).
Bereits die letzten CVTS-Erhebungen (vgl. BIBB-Datenreport 2016, Kapitel B1.2.2) zeigten die große Bedeutung anderer Formen von Weiterbildung in Deutschland und Europa, ohne dass es zu einer Verdrängung der Kurse gekommen wäre. Eine Nutzung verschiedener Lernformen würde es erlauben, für unterschiedliche Lernbedarfe und verschiedene Beschäftigtengruppen jeweils besonders geeignete Maßnahmen bereitzustellen. Eine zunehmende Nutzung verschiedener Lernformen in Unternehmen konnte jedoch in Europa zwischen 2005 und 2010 nicht festgestellt werden. In vielen weiterbildenden Unternehmen beschränkte sich das Angebot auf ein bis zwei Lernformen.
Nachfolgend wird die weitere Entwicklung in Deutschland und Europa untersucht. Der Schwerpunkt liegt dabei auf dem Jahr 2015; Entwicklungen werden im Vergleich zum Jahr 2010 dargestellt. In einigen Ländern ist die Vergleichbarkeit zwischen den Erhebungswellen bzw. zu den anderen Ländern eingeschränkt. Dies betrifft die Ergebnisse von 2010 und 2015 für Portugal (vgl. Cedefop 2015a, S. 118-119) und von 2015 für Schweden und Tschechien (vgl. Cedefop 2019).234
2015 hat ein erheblicher Anteil der weiterbildenden Unternehmen sowohl Kurse als auch andere Formen der Weiterbildung angeboten. Mit Ausnahme von Lettland war in allen Ländern der Anteil der Unternehmen mit einem kombinierten Angebot aus Kursen und anderen Formen höher als die entsprechenden Anteile der Unternehmen, die ausschließlich Kurse oder andere Formen anboten Schaubild B1.2.2-1. Die beiden Gruppen der Lernformen wurden also zumeist komplementär genutzt.235 Im EU-28-Durchschnitt boten 49% der Unternehmen Kurse und andere Formen an, 11% ausschließlich andere Formen und 13% ausschließlich Kurse. In einigen Ländern war der Anteil der Unternehmen, die nur auf Kurse setzten, deutlich höher, insbesondere in Frankreich (31%), Nordmazedonien (23%) und Finnland (20%). In Lettland war der Anteil der Unternehmen, die ausschließlich andere Formen für die Weiterbildung ihrer Beschäftigten einsetzten, mit 69% mit Abstand am größten. Dies hängt damit zusammen, dass 2015 nahezu alle Unternehmen in Lettland angaben, geplante Phasen der Weiterbildung am Arbeitsplatz (z. B. Unterweisung durch Vorgesetzte oder Kollegen/Kolleginnen, Einarbeitung) durchgeführt zu haben. Ebenfalls vergleichsweise hohe Werte für eine ausschließliche Nutzung der anderen Formen wurden in Estland (22%) und Irland (20%) erzielt.
Bereits 2010 war dieser Mix von Kursen und anderen Formen in den weiterbildenden Unternehmen vorherrschend, mit 43% war der damalige EU-28-Durchschnittswert allerdings noch etwas niedriger. Der höhere Wert im Jahr 2015 ist vor allem auf einen höheren Anteil weiterbildender Unternehmen, also einen Rückgang der Weiterbildungsabstinenz, zurückzuführen. In Deutschland nutzten 2015 mit 58% deutlich mehr als die Hälfte der Unternehmen sowohl Kurse als auch andere Formen der Weiterbildung. Dieser Wert ist im Vergleich zu 2010 um 3 Prozentpunkte gestiegen. Der Anteil der Unternehmen, die ihren Beschäftigten nur Kursangebote machten, war mit 4% sehr niedrig und im Vergleich zu 2010 leicht rückläufig (-2 Prozentpunkte). Mit einem Anteil von 15% setzten mehr Unternehmen ausschließlich auf nichtkursförmige Maßnahmen (+4 Prozentpunkte).
Schaubild B1.2.2-1: Kombination von Kursen und anderen Weiterbildungsformen in Unternehmen 2015 (in % aller Unternehmen)
Betriebliches Angebot an Kursen und anderen Formen
Welche Lernformen haben die Unternehmen im Einzelnen in der betrieblichen Weiterbildung 2015 angeboten? In den meisten Ländern und im EU-28-Durchschnitt war der Anteil der Unternehmen mit Kursen236 am höchsten, in Deutschland, Estland, Irland, Lettland, Malta und Polen der Anteil der Unternehmen mit einem Angebot an Weiterbildung am Arbeitsplatz Tabelle B1.2.2-1. Der Abstand zwischen den Kursen und den einzelnen anderen Lernformen war in vielen Ländern deutlich. Der größte Abstand wurde in Frankreich gemessen, wo 75% der Unternehmen Kurse anboten, der nächsthöhere Wert lag bei 27% für Informationsveranstaltungen. Ein Gegenbeispiel ist Lettland; hier gab es in allen Unternehmen Weiterbildung am Arbeitsplatz; jedoch lediglich in 31% der Unternehmen Kurse und in 30% Informationsveranstaltungen. Insgesamt wurden Kurse, Weiterbildung am Arbeitsplatz und Informationsveranstaltungen im Großteil der Länder sehr viel häufiger angeboten als die drei anderen Formen. Die EU-28-Durchschnitte lagen bei 61% für Kurse, bei 44% für Weiterbildung am Arbeitsplatz und bei 39% für Informationsveranstaltungen. Diese Weiterbildungsformen sind als eher traditionell einzustufen, da sie schon seit langer Zeit verwendet werden. Modernere Formen wie das selbstgesteuerte Lernen (EU-28-Durchschnitt von 22%), Jobrotation/Austauschprogramme (13%) und Lern- und Qualitätszirkel (12%) wurden deutlich seltener eingesetzt. In einigen Ländern wie Luxemburg, den Niederlanden, Norwegen und Schweden wurden diese Formen aber bereits in relativ vielen Unternehmen angeboten, so gab es in 47% der Unternehmen in Schweden selbstgesteuertes Lernen und in 39% Jobrotation/Austauschprogramme, bei den Lern- und Qualitätszirkeln verzeichnete die Niederlande mit 29% den höchsten Wert.
Tabelle B1.2.2-1: Anteil der Unternehmen, die die jeweilige Lernform anbieten 2015 (in %)
Wie 2015 war auch 2010 im EU-28-Durchschnitt der Anteil der Unternehmen mit Kursen mit 56% am höchsten, gefolgt von Unternehmen mit Informationsveranstaltungen und Weiterbildung am Arbeitsplatz (jeweils 34%). Die drei moderneren Formen wurden in 9% bis 14% der Unternehmen angeboten. Die Anteilswerte sind bei allen Formen gestiegen, insbesondere bei der Weiterbildung am Arbeitsplatz (+10 Prozentpunkte) und dem selbstgesteuerten Lernen (+7 Prozentpunkte).
In Deutschland hat sich 2015 die Verteilung gegenüber 2010 leicht geändert. Waren 2010 noch Kurse (mit 61%) die am häufigsten angebotene Lernform, lag 2015 die Weiterbildung am Arbeitsplatz an der Spitze (mit 64%), gefolgt von Kursen (62%) und Informationsveranstaltungen (59%). Deutschland lag bei diesen drei Lernformen über dem EU-28-Durchschnitt, ebenso beim selbstgesteuerten Lernen (26%) und den Lern- und Qualitätszirkeln (19%). Lediglich 10% der Unternehmen in Deutschland boten Jobrotation und Austauschprogramme an. Der EU-28-Durchschnitt wurde um 3 Prozentpunkte unterschritten. Im Vergleich zum Jahr 2010 ist der Anteil an Unternehmen, die die einzelnen Lernformen anboten, bei jeder Lernform angestiegen. Die höchsten Anstiege entfielen wie im EU-28-Durchschnitt auf die Weiterbildung am Arbeitsplatz (+19 Prozentpunkte) und das selbstgesteuerte Lernen (+11 Prozentpunkte). Auch bei den Lern- und Qualitätszirkeln gab es mit 7 Prozentpunkten einen deutlichen Anstieg, geringere Anstiege verzeichneten die Informationsveranstaltungen und Jobrotation/Austauschprogramme (jeweils +3 Prozentpunkte) und Kurse (+1 Prozentpunkt).
Teilnahme an Kursen und anderen Formen
Bereits die Teilnahme eines einzelnen Beschäftigten reicht aus, um als Unternehmen mit einem Angebot an der jeweiligen Lernform klassifiziert zu werden. Um auch die quantitative Bedeutung der einzelnen Lernformen in den Unternehmen einschätzen zu können, werden daher nachfolgend die Teilnahmequoten der Beschäftigten an den einzelnen Lernformen betrachtet. Die Abfrage erfolgte 2015 für die anderen Formen der Weiterbildung nicht in absoluten Zahlen, sondern in drei Gruppen (vgl. Fußnote 230).237 Dies erlaubt nur eine relativ grobe Abschätzung der Bedeutung, insbesondere in der mittleren Gruppe (Anteil der Teilnehmenden an den Beschäftigten zwischen 10% bis unter 50%). Hier sind sowohl Unternehmen mit einer eher geringen als auch mit einer relativ breiten Einbeziehung der Beschäftigten enthalten. Für die nachfolgenden Analysen werden CVTS-Mikrodaten genutzt, die Eurostat der Forschung für 24 (2015) bzw. 22 (2010) Länder zur Verfügung stellt.238 Dabei werden nur die Unternehmen einbezogen, die die jeweilige Lernform angeboten haben. Daher werden je nach Lernform und Land (vgl. Tabelle B1.2.2-1) eine unterschiedliche Zahl von Unternehmen nicht berücksichtigt.
Wie beim Lernform-Angebot wird auch bei den Teilnahmequoten die große Bedeutung der Kurse deutlich Tabelle B1.2.2-2. In neun von 22 Ländern mit vergleichbaren Ergebnissen lag die Teilnahmequote 2015 in mehr als der Hälfte der Unternehmen mit Kursen bei 50% und mehr. Lediglich in Estland, Litauen und Ungarn befand sich weniger als ein Drittel der Unternehmen in dieser Kategorie. Auch bei der Weiterbildung am Arbeitsplatz wurde in vielen Unternehmen ein relativ großer Teil der Beschäftigten einbezogen. In elf Ländern lag in mindestens einem Drittel der Unternehmen die Teilnahmequote bei 50% und mehr. Lettland sticht bei der Weiterbildung am Arbeitsplatz hervor. Hier wurde nicht nur flächendeckend Weiterbildung am Arbeitsplatz angeboten, die Unternehmen beteiligten auch einen Großteil ihrer Beschäftigten an den Maßnahmen – in 83% der Unternehmen waren 50% oder mehr der Beschäftigten einbezogen. In Dänemark, Luxemburg, Belgien, Finnland, Italien, Frankreich und Litauen konzentrierte sich hingegen in einem erheblichen Teil der Unternehmen die Weiterbildung am Arbeitsplatz auf nur wenige Beschäftigte: Zwischen 30% und 48% der Unternehmen gehörten zur Kategorie mit Teilnahmequoten von weniger als 10%. Bei den anderen vier Lernformen waren die Teilnahmequoten in den meisten Ländern recht niedrig. In vielen Ländern wurden in mehr als der Hälfte der Unternehmen weniger als 10% der Beschäftigten bei den angebotenen Maßnahmen berücksichtigt. Dies betraf bei den Informationsveranstaltungen zehn Länder, beim selbstgesteuerten Lernen neun Länder, bei Jobrotation/Austauschprogrammen elf Länder und bei Lern- und Qualitätszirkel sechs Länder. Die Lernangebote konzentrierten sich bei diesen Formen demnach oft nur auf einen kleinen Teil der Beschäftigten, was bei einigen dieser Formen wie der Jobrotation allerdings bereits durch die Lernart weitgehend vorgegeben ist. Digitalen Medien, wie sie insbesondere beim selbstgesteuerten Lernen eingesetzt werden, wird eine hohe und wachsende Bedeutung für die Weiterbildung zugewiesen. Sie ermöglichen es, Beschäftigten für ihre Bedürfnisse passende Weiterbildungen bereitzustellen. Die für 2015 ermittelten Quoten lassen allerdings noch nicht erkennen, dass das selbstgesteuerte Lernen in vielen Ländern für größere Beschäftigtengruppen eingesetzt wird. Am ehesten war dies noch in Estland und Finnland der Fall. In Bulgarien und Rumänien, mit ebenfalls recht vielen Unternehmen in den beiden oberen Kategorien, war der Anteil der Unternehmen, die überhaupt selbstgesteuertes Lernen angeboten hatten, allerdings sehr niedrig.
Tabelle B1.2.2-2: Anteil der Unternehmen, in denen die Teilnahmequote (TQ) bei den Lernformen (Kurse, Weiterbildung am Arbeitsplatz, selbstgesteuertes Lernen) in der jeweiligen Kategorie lag (2015, in % der Unternehmen, die die entsprechende Lernform ...
Im Vergleich zum Jahr 2010 lässt sich bei den Teilnahmequoten an Kursen in den meisten Ländern für 2015 ein Anstieg feststellen. Bei der Weiterbildung am Arbeitsplatz war die Entwicklung hingegen gespalten, die Anteile in der mittleren Kategorie verringerten sich. In Finnland, Malta, Ungarn und Zypern stieg der Anteil der Unternehmen mit einer Teilnahmequote von 50% und mehr um mehr als 5 Prozentpunkte an, in 13 Ländern, u. a. auch in Deutschland, nahm allerdings auch der Anteil der Unternehmen mit einer Teilnahmequote von weniger als 10% um mehr als 5 Prozentpunkte zu. Bei den anderen Lernformen kam es in der Tendenz eher zu einer Verringerung der Teilnahmequoten, in vielen Ländern nahm der Anteil der Unternehmen in der Kategorie „weniger als 10%“ zu.
Auch in Deutschland waren 2015 die Teilnahmequoten bei den Kursen im Durchschnitt höher als bei den anderen Lernformen: So nahmen in 48% der Unternehmen 50% und mehr der Beschäftigten an ihnen teil, in 42% der Unternehmen 10% bis unter 50%. Bei der Weiterbildung am Arbeitsplatz wurden ebenfalls recht hohe Werte ermittelt. Sie lagen bei der Kategorie „50% und mehr“ bei 35%, bei der Kategorie „10% bis unter 50%“ bei 43%. Die Teilnahmequoten bei den anderen Lernformen fielen dazu im Vergleich deutlich ab, insbesondere bei der Kategorie „50% und mehr“. Hier wurden lediglich Anteile zwischen 4% (Jobrotation/Austauschprogramme) und 19% (selbstgesteuertes Lernen) erreicht. Im Vergleich zum Jahr 2010 gab es bei den Kursen und Jobrotation/Austauschprogramme nur geringe Verschiebungen zwischen den drei Gruppen, bei Lern- und Qualitätszirkel kam es zu einer Zunahme in der mittleren Kategorie. Bei der Weiterbildung am Arbeitsplatz, den Informationsveranstaltungen und dem selbstgesteuerten Lernen vergrößerte sich jeweils die Gruppe der Unternehmen mit einer Teilnahmequote von weniger als 10%, sodass man bei diesen Lernformen von einer insgesamt geringeren Beteiligung der Beschäftigten ausgehen kann.
Lernformvielfalt
Wie dargestellt, nutzten viele Unternehmen sowohl Kurse als auch andere Weiterbildungsformen. Die Nutzung bzw. das Angebot von vielfältigen Lernformen in Unternehmen ist ein Hinweis auf eine intensive Auseinandersetzung mit dem Thema Weiterbildung. Sie ermöglicht darüber hinaus, für unterschiedliche Lernbedarfe und verschiedene Beschäftigtengruppen jeweils besonders geeignete Maßnahmen anzubieten (vgl. Grünert/Wiener/Winge 2011; Moraal u. a. 2009). In CVTS5 wurden insgesamt sieben Lernformen unterschieden. Betrachtet werden im Folgenden die durchschnittliche Anzahl der genutzten Lernformen in den Unternehmen und deren Entwicklung zwischen 2010 und 2015. Für diese Analyse werden wiederum die CVTS-Mikrodaten für CVTS4 und CVTS5 genutzt. Dabei werden nur die weiterbildenden Unternehmen einbezogen. Da dieser Anteil, wie oben dargestellt Schaubild B1.2.2-1, in den Ländern unterschiedlich hoch ist, ist auch der Anteil der aus den Auswertungen ausgeschlossenen Unternehmen unterschiedlich; in Rumänien 2015 z. B. 73% der Unternehmen, in Norwegen hingegen nur 1% der Unternehmen.
Die Zahl der angebotenen Lernformen lag 2015 im Durchschnitt der weiterbildenden Unternehmen zwischen 4,0 in Schweden und Luxemburg und 2,0 in Lettland Schaubild B1.2.2-2. Eine relativ große Lernformvielfalt mit im Durchschnitt mindestens drei angebotenen Lernformen zeigte sich in zwölf Ländern. Zu ihnen gehörten vor allem skandinavische und westeuropäische Länder einschließlich Deutschlands, dazu mit Litauen, der Slowakei und Slowenien drei osteuropäische Länder sowie mit Malta ein südeuropäisches Land. Die meisten ost- und südeuropäischen Länder befanden sich jedoch unter den zehn Ländern mit einer geringeren Lernformvielfalt. Als einziges westeuropäisches Land wies Frankreich mit durchschnittlich 2,3 Lernformen ebenfalls einen geringen Wert auf.
Für 19 Länder239 liegen vergleichbare Ergebnisse der Jahre 2010 und 2015 vor. In den meisten Ländern nahm die Anzahl der Lernformen zu; lediglich in Estland, Dänemark und Zypern gab es eine Abnahme; in Norwegen und Malta gab es keine Veränderungen. Sowohl die Zu- als auch die Abnahmen fielen dabei in der Regel relativ gering aus. Stärkere Anstiege (0,4 Prozentpunkte und mehr) waren in Belgien, Rumänien, Finnland, Deutschland und Luxemburg zu verzeichnen, die größte Abnahme mit -0,4 Prozentpunkten in Zypern. Mit einem Durchschnittswert von 3,7 für 2015 (nach 3,2 für 2010) gehörte Deutschland weiterhin zu den Ländern, in denen die weiterbildenden Unternehmen besonders viele verschiedene Lernformen anboten.
Ein Großteil der weiterbildenden Unternehmen beschränkte sein Weiterbildungsangebot auf wenige Lernformen. So boten 2015 in neun Ländern mehr als 50% der Unternehmen nur ein bis zwei Lernformen an. Auf besonders viele weiterbildende Unternehmen traf dies in Lettland (73%), Frankreich (64%) und Zypern (62%) zu Schaubild B1.2.2-3. Wurde nur eine Lernform angeboten, handelte es sich in elf Ländern zumeist um externe Kurse. In neun Ländern, darunter auch Deutschland, hatte die Weiterbildung am Arbeitsplatz den höchsten Anteil, in Slowenien lagen externe Kurse und die Weiterbildung am Arbeitsplatz gleichauf. Ungarn war das einzige Land, in denen Informationsveranstaltungen den höchsten Anteil verzeichneten. Eine hohe Lernformvielfalt (Angebot von fünf bis sieben Formen) wiesen über ein Viertel der Unternehmen in Schweden (43%), Luxemburg (42%), Norwegen (33%), Deutschland (32%), Belgien (28%), Slowenien, der Slowakei und im Vereinigten Königreich (je 26%) auf. Den geringsten Anteil von Unternehmen mit einer hohen Lernformvielfalt gab es in Frankreich (6%) und Lettland (9%).
Schaubild B1.2.2-2: Durchschnittliche Anzahl der Lernformen in weiterbildenden Unternehmen 2015
Schaubild B1.2.2-3: Anteil der weiterbildenden Unternehmen mit einer entsprechenden Anzahl von Lernformen 2015 (in %)
Im Vergleich zum Jahr 2010 zeigte sich in zehn der 19 Länder, für die vergleichbare Ergebnisse vorliegen, eine Entwicklung hin zu einer Pluralisierung der Lernformen. Dies traf auf Belgien, Deutschland, Finnland, Italien, Litauen, Luxemburg, Polen, Rumänien, die Slowakei und das Vereinigte Königreich zu. Hier stieg der Anteil der weiterbildenden Unternehmen, die fünf bis sieben Lernformen angeboten hatten, um mindestens 5 Prozentpunkte. Besonders starke Anstiege waren dabei in Deutschland (+12 Prozentpunkte) und Luxemburg (+18 Prozentpunkte) zu verzeichnen. In Deutschland boten 2015 32% der weiterbildenden Unternehmen fünf bis sieben verschiedene Lernformen an. Der Anteil der Unternehmen mit drei bis vier Lernformen sank um 2 Prozentpunkte auf 42%, der Anteil der Unternehmen mit ein bis zwei Lernformen deutlich um 10 Prozentpunkte auf 26%. In Bulgarien, Estland, Frankreich, Malta, Norwegen, Spanien und Ungarn kam es nur zu geringen Verschiebungen zwischen den drei Gruppen. In Zypern und Dänemark hat sich der Anteil der weiterbildenden Unternehmen mit einem vielfältigen Angebot an Lernformen verringert und entsprechend der Anteil der Unternehmen mit ein bis zwei Lernformen erhöht (+7 Prozentpunkte in Dänemark, +13 Prozentpunkte in Zypern).
Fazit
Wie bereits 2010 zeigte sich auch 2015 die hohe Bedeutung anderer Formen von Weiterbildung in Deutschland und Europa; sie wurden im EU-28-Durchschnitt von mehr als der Hälfte der Unternehmen angeboten. Dennoch kam es nicht zu einer Verdrängung der Weiterbildungskurse; viele Unternehmen nutzten Kurse und andere Formen komplementär. Die Bedeutung der Kurse war weiterhin hoch: In den meisten Ländern wurden sie am häufigsten von den Unternehmen angeboten und in vielen Ländern wurde auch ein erheblicher Teil der Beschäftigten an ihnen beteiligt. Bei den anderen Formen hatte die Weiterbildung am Arbeitsplatz sowohl beim Angebot als auch der Teilnahme die größte Bedeutung. Die vier anderen Formen nicht kursförmiger Weiterbildung hatten ein eher geringes Gewicht, insbesondere auch unter Berücksichtigung der Teilnahmequoten.
Mit Blick auf die Lernformvielfalt gab es in etwa der Hälfte der Länder eine zumindest leichte Zunahme bei der durchschnittlichen Anzahl der eingesetzten Lernformen und lediglich in drei Ländern Abnahmen. Die Veränderungen fielen aber meist gering aus. In Deutschland boten die weiterbildenden Unternehmen 2015 im Durchschnitt 3,7 verschiedene Lernformen an. Dies ist einer der höchsten Werte innerhalb der europäischen Länder, für die entsprechende Daten vorliegen. Die Lernformvielfalt hat sich in Deutschland zwischen 2010 und 2015 um 0,5 Prozentpunkte erhöht. Europaweit beschränkten viele Unternehmen ihr Angebot nur auf wenige Lernformen. In neun Ländern bot mehr als die Hälfte der weiterbildenden Unternehmen höchstens ein bis zwei Lernformen an.
(Gudrun Schönfeld, Marion Thiele)
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230
In CVTS3/CVTS4 wurden die Teilnahmequoten noch in absoluten Zahlen ermittelt. In CVTS5 gaben die Unternehmen an, ob der Anteil der Teilnehmenden an den Beschäftigten weniger als 10%, 10% bis unter 50% oder 50% und mehr betrug.
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231
In CVTS1 wurden nicht in allen Ländern alle vorgesehenen Wirtschaftsbereiche in die Befragung einbezogen.
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232
Siehe https://ec.europa.eu/eurostat/web/education-and-training/data/database. Dort sind die Ergebnisse von CVTS2 bis CVTS5 abrufbar. Für CVTS1 werden auf der Eurostat-Datenbank keine Ergebnisse veröffentlicht, da diese Erhebung als Pilotstudie nur eingeschränkt vergleichbar mit den späteren Erhebungen ist.
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233
Die arbeitsplatzintegrierten bzw. arbeitsplatznahen Weiterbildungsformen wurden auch in der nationalen Zusatzerhebung zu CVTS5 näher untersucht (vgl. Kapitel C4.1). In einer telefonischen Befragung bei 270 weiterbildenden Unternehmen und in zwölf Fallstudien wurden u.a. der Bezug zu den benötigten Kompetenzen hergestellt.
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234
Die Werte für die Jahre, die nicht vergleichbar sind, werden in den Schaubildern und Tabellen gekennzeichnet. Sie werden bei den Auswertungen im Text nicht berücksichtigt.
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235
De Grip (2015) macht in diesem Zusammenhang auf Spillover-Effekte aufmerksam, die entstehen, wenn Beschäftigte Kurse besuchen und im Nachgang Kolleginnen/Kollegen am Arbeitsplatz das neue Wissen vermitteln.
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236
Interne und externe Kurse werden hier zusammen betrachtet.
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237
Für die Kurse liegen auch Teilnahmequoten in absoluten Zahlen vor (vgl. zu den Ergebnissen BIBB-Datenreport 2018, Kapitel B1.2.2). Zur besseren Vergleichbarkeit mit den anderen Lernformen werden diese Quoten hier in Klassen umgerechnet.
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238
Die Verantwortung für alle Schlussfolgerungen, die aus den Mikrodaten gezogen wurden, liegt bei den Autorinnen.
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239
Für Lettland und Slowenien liegen für 2010 keine Mikrodaten vor. Die Werte für Portugal und Tschechien sind nicht vergleichbar mit den anderen Ländern, für Schweden ist ein zeitlicher Vergleich nicht möglich.