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Seit dem Datenreport zum Berufsbildungsbericht 2012 wird kontinuierlich über die Jugendarbeitslosigkeit in Europa berichtet. Spätestens seit 2013 erlangten die Daten besondere Aufmerksamkeit, da im Zusammenhang mit der Wirtschafts- und Finanzkrise in vielen Ländern Südeuropas ein extremer Anstieg der Arbeitslosigkeit Jugendlicher zu verzeichnen war, der auch auf europäischer Ebene eine Reihe von politischen Aktivitäten hervorgerufen hat. Bei der Verwendung und Interpretation der Daten ist zu beachten, dass verschiedene Messkonzepte zur Arbeitslosigkeit Jugendlicher genutzt werden, deren Wert in der Regel unterhalb des gängigsten Indikators, der Jugendarbeitslosenquote liegen.

Ergänzend zu den Indikatoren im BIBB-Datenreport 2014, Kapitel E2 wurde die Übersicht mit einem zusätzlichen Indikator erweitert. Den Quoten zur Jugendarbeitslosigkeit nach dem ILO-Konzept (vgl. Eurostat 2019a; Eurostat 2019b), der relativen Jugendarbeitslosigkeit und dem Anteil der erwerbslosen Jugendlichen an der gleichaltrigen Bevölkerung (vgl. Eurostat 2019c; Eurostat 2019d) wurden die sogenannten NEET-Quoten (vgl. Eurostat 2019e) hinzugefügt. Die NEET-Quoten umfassen dabei alle nichterwerbstätigen Jugendlichen, die zum Zeitpunkt der Messung weder an Bildung noch an Weiterbildung teilnahmen. Durch die verschiedenen Definitionen und empirischen Konzeptionen zeigen sich deutliche Unterschiede in den Daten. Im Folgenden werden die Daten für das Jahr 2018 betrachtet. Die jährlichen Angaben sind gegenüber saisonalen Schwankungen bereinigt und liefern damit insgesamt zuverlässigere Ergebnisse. Aus Gründen der Aktualität wurden zusätzlich auch die Angaben der vierteljährlichen Quoten für das dritte Quartal 2019 ergänzt.

Messung von Jugendarbeitslosigkeit im internationalen Vergleich – Ansätze und empirische Konzepte

Anteil der erwerbslosen Jugendlichen an den gleichaltrigen Erwerbspersonen (Jugendarbeitslosenquote nach dem ILO-Konzept)

Dieser Indikator gibt Aufschluss über den Anteil der erwerbslosen Jugendlichen am gesamten gleichaltrigen Arbeitskräftepotenzial und wird als Quotient aus der Zahl der Arbeitslosen und der Erwerbspersonen (Erwerbstätige plus Erwerbslose) gebildet (vgl. Eurostat Metadata 2019) (vgl. Kapitel A10.1.3).326

Anteil der erwerbslosen Jugendlichen an der gleichaltrigen Bevölkerung (Erwerbspersonen und Nichterwerbspersonen)

Eine andere Kennzahl zur Arbeitslosigkeit von Jugendlichen setzt die Anzahl der arbeitslosen Jugendlichen in ein Verhältnis mit allen Personen (Erwerbs- und Nichterwerbspersonen) in derselben Altersgruppe. Sie gibt damit den Anteil der Arbeitslosen an der Altersgruppe an. Aufgrund des größeren Nenners ist die Zahl geringer als die der Jugendarbeitslosenquote.

Relative Jugendarbeitslosigkeit

Um z. B. konjunkturelle Effekte zu kontrollieren, kann man die Jugendarbeitslosigkeit des jeweiligen Landes in Relation zur Gesamtarbeitslosigkeit (nach ILO-Definition) setzen. Hierzu sind in Tabelle D1.3-1 die Arbeitslosenquoten der unter 25-Jährigen den Arbeitslosenquoten der 25- bis 74-Jährigen gegenübergestellt. Der daraus resultierende Quotient (relative Jugendarbeitslosigkeit) zeigt, inwieweit Jugendliche unter den Arbeitslosen in besonders hohem Maße von Arbeitslosigkeit betroffen sind.

NEET-Quote – Not in Education, Employment and Training: Nichterwerbstätige Jugendliche, die weder an Bildung noch an Weiterbildung teilnehmen

Der Indikator bezieht sich auf den relativen/prozentualen Anteil der Jugendlichen (einer gegebenen Altersgruppe und des jeweiligen Geschlechts) an der gleichaltrigen Gesamtbevölkerung, die sich weder in einem Beschäftigungsverhältnis/Arbeitsverhältnis befinden noch weiterführende Bildungskurse besuchen oder einer Ausbildung nachgehen (vgl. Eurostat Metadata 2017). Im Zähler müssen zwei Bedingungen für die Befragten erfüllt sein: (a) Sie sind nicht berufstätig (d. h. arbeitslos oder fallen unter die Nichterwerbspersonen nach ILO-Definition) und (b) sie befinden sich in den vier Wochen vor der Befragung nicht in Bildung oder Ausbildung (weder formal noch nicht formal). Der Nenner bezieht sich auf die Gesamtbevölkerung der gleichen Altersgruppe sowie des jeweiligen Geschlechts, abgesehen von den Befragten, die nicht auf die Frage „Partizipation in regulärer (formaler) Bildung und Ausbildung“ geantwortet haben.

Jugendarbeitslosigkeit nach dem ILO-Konzept

Auch im Jahr 2018 fiel die Arbeitslosigkeit unter den Jugendlichen (15 bis 24 Jahre) im Gegensatz zu der Altersgruppe der 25- bis 74-Jährigen in allen betrachteten Ländern insgesamt deutlich höher aus Tabelle D1.3-1. Gegenüber dem Jahr 2017 konnte die Jugendarbeitslosigkeit jedoch in allen betrachteten Ländern weiter gesenkt werden. Vor allem für die stark betroffenen Länder wie Griechenland, Italien, Spanien und Portugal zeigt sich dieser Trend seit 2013 weiterhin deutlich.327 Entsprechend hat sich auch der EU-Durchschnitt verringert (2017: 16,8% vs. 2018: 15,2%).

Tabelle D1.3-1: Arbeitslosigkeit, Jugendarbeitslosigkeit, relative Jugendarbeitslosigkeit und NEET-Quoten im europäischen Vergleich (Teil 1)

Tabelle D1.3-1: Arbeitslosigkeit, Jugendarbeitslosigkeit, relative Jugendarbeitslosigkeit und NEET-Quoten im europäischen Vergleich (Teil 2)

Relative Jugendarbeitslosigkeit

Mit Blick auf die relative Jugendarbeitslosigkeit im Jahr 2018 lässt sich jedoch feststellen, dass sich der steigende Trend der Betroffenheit der jungen Erwerbsbevölkerung im Vergleich zu den Älteren im EU-Durchschnitt (28 Länder) seit 2015 weiter fortsetzte (2017: 2,49 vs. 2018: 2,53). Gerade im Hinblick auf Griechenland, Spanien und Portugal wird deutlich, dass trotz sinkender Jugendarbeitslosenquote die relative Jugendarbeitslosigkeit leicht angestiegen ist. Es scheint sich demnach um einen stärkeren Anstieg der allgemeinen Erwerbstätigkeit in diesen Ländern zu handeln, der eine negative Tendenz in der Jugendarbeitslosigkeit verdeckt. Nicht nur die Jugendlichen haben somit von einem Aufschwung am Arbeitsmarkt profitiert, sondern vor allem auch ältere Personen. Hervorzuheben ist zudem die Entwicklung in Lettland, bei der die Jugendarbeitslosigkeit deutlich gesunken ist (Lettland 2017: 17% vs. Lettland 2018: 12,2%) und Deutschland in Bezug auf die relative Jugendarbeitslosigkeit (Deutschland 2018: 2,00 vs. Lettland 2018: 1,72) als Spitzenreiter abgelöst hat.

Anteil der erwerbslosen Jugendlichen an der gleichaltrigen Bevölkerung und NEET-Quoten

Der Anteil der erwerbslosen Jugendlichen an der gleichaltrigen Bevölkerung sank weiterhin europaweit (2017: 7% vs. 2018: 6,3%), wobei Griechenland, Italien, Spanien und Schweden die meisten Arbeitslosen bei den 15- bis 24-Jährigen im Jahr 2018 verzeichnen mussten. Eine deutliche Verbesserung in dieser Hinsicht lässt sich in Portugal feststellen (2017: 8,1% vs. 2018: 6,9%). Die NEET-Quoten zeigen zudem, dass sinkende Jugendarbeitslosigkeitsquoten europaweit und in den meisten betrachteten Ländern auch mit abnehmenden prozentualen Anteilen von nichterwerbstätigen Jugendlichen zusammenhängen (EU-28 2017: 10,9% vs. EU-28 2018: 10,5%), die 2018 weder an Bildung noch an Weiterbildung teilnahmen.

(Viktor Ulbrich, Philipp Grollmann, Frederik Hugo)

  • 326

    Für Deutschland wird die Arbeitskräftestrichprobenerhebung dabei als Teil der jährlichen Mikro-Volkszählung durchgeführt. Es liegen Unterschiede zwischen den Zahlen zu Deutschland aus Kapitel A10.1.3 vor, da sich die Altersgruppe zur Berechnung der Erwerbslosenquote unterscheidet.

  • 327

    Auch für Schweden, Großbritannien, Belgien und Lettland ist eine ähnliche Entwicklung erkennbar.