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Die Zahl der institutionell erfassten ausbildungsinteressierten Jugendlichen schließt alle Personen ein, die entweder einen Ausbildungsvertrag unterschrieben oder aber zumindest zeitweise bei der BA als Ausbildungsstellenbewerber/-innen registriert waren. Sie beinhaltet somit neben

  • den Jugendlichen, die ohne Mitwirkung der Beratungs- und Vermittlungsdienste erfolgreich einen Ausbildungsvertrag abschließen,7
  • den Bewerbern/Bewerberinnen, die mithilfe dieser Dienste in eine Berufsausbildung einmünden, und
  • den zum Stichtag 30. September noch suchenden Bewerbern/Bewerberinnen,
  • auch jene von der BA registrierten „anderen ehemaligen Bewerber/-innen“, die ihren Vermittlungswunsch vor dem Stichtag wieder aufgaben (vgl. Bundesagentur für Arbeit 2020b) und deshalb nicht zur offiziellen Ausbildungsplatznachfrage gerechnet werden.

Im Jahr 2020 sank die Zahl der ausbildungsinteressierten Personen gegenüber dem Vorjahr deutlich um 62.600 junge Menschen bzw. -8,0% auf 724.300. Dies ist die niedrigste Zahl seit 1992, als erstmals für das wiedervereinigte Deutschland gesamtdeutsche Ausbildungsmarktzahlen errechnet werden konnten. Zwar fiel die Zahl Anfang der 1990er-Jahre demografisch bedingt auch sehr niedrig aus. Damals war jedoch eine erneute schnelle Zunahme absehbar. Dies ist in der heutigen Zeit nicht mehr der Fall.

Einmündungs- bzw. Beteiligungsquote (EQI)

Der Anteil der ausbildungsinteressierten Personen, der einen neuen Ausbildungsvertrag abgeschlossen hat (EQI) , lag 2020 bundesweit bei 64,5% und fiel damit um 2,2 Prozentpunkte niedriger aus als 2019. Der Rückgang signalisiert, dass – vermutlich ebenfalls im Zusammenhang mit dem COVID-19-Krisengeschehen – mehr Ausbildungsinteressierte bei ihrer Suche bis Ende des Jahres erfolglos blieben oder sich Alternativen wie einem erneuten Schulbesuch zuwandten. Wie die eANR so ist auch die Einmündungsquote von deutlicher regionaler Varianz geprägt. Besonders hohe Einmündungsquoten wurden 2020 in Bayern (EQI = 73,6%), Thüringen (71,8%) und Hamburg (70,9%) beobachtet, unterdurchschnittliche Werte unter anderem in Berlin (50,1%) und Brandenburg (58,1%) (siehe dazu nochmals Tabelle A1.1.1-5).

Differenzierungen nach Arbeitsagenturbezirken zeigen eine noch deutlich größere Varianz. Hier reichte 2020 die Spannweite der Messungen von Werten um 80% in den bayerischen Bezirken Schwandorf (80,6%) und Passau (79,2%) bis hin zu Werten unter 50% in den Regionen Offenbach (47,1%), Recklinghausen (49,3%) und Oberhausen (49,9%).

Einmündungs- bzw. Beteiligungsquote (EQI)

Der Anteil der ausbildungsinteressierten Personen, der einen neuen Ausbildungsvertrag abschließt, wird als Einmündungsquote (EQI) bzw. Beteiligungsquote ausbildungsinteressierter Personen bezeichnet. Die Quote gibt wieder, wie gut es gelingt, Jugendliche, die sich im Berichtsjahr zumindest zeitweise für eine Berufsausbildung interessieren, auch für eine Beteiligung an Berufsausbildung zu gewinnen.

Ausbildungsinteressierte, die ihren Vermittlungswunsch vorzeitig aufgaben

Die Größe der institutionell erfassten ausbildungsinteressierten Personen unterscheidet sich von der offiziellen Ausbildungsplatznachfrage durch Einschluss jener von der BA registrierten Ausbildungsstellenbewerber/-innen, die ihren Vermittlungswunsch noch vor dem Stichtag wieder aufgaben (in der Ausbildungsmarktstatistik der BA: „andere ehemalige Bewerber/-innen“). 2020 lag deren Zahl bei 178.600 Personen; ihr Anteil an allen 724.300 ausbildungsinteressierten Personen betrug somit bundesweit 24,7%. Wie Tabelle A1.1.3-1 zeigt, verblieben von diesen 178.600 Personen 67.600 im Bildungssystem, 21.400 in Erwerbstätigkeit und 5.200 in gemeinnützigen oder sozialen Diensten. Weitere 84.400 machten keine nähere Angabe zu ihrem Verbleib, wobei 24.800 unter ihnen am 30. September auch arbeitslos gemeldet waren. Zu den restlichen 59.500 liegen keinerlei Information zu ihrem Verbleib vor. Aus den BA/BIBB-Bewerberbefragungen ist aber bekannt, dass sich von allen unbekannt verbliebenen Bewerbern/Bewerberinnen in der Regel nur ein geringer Teil in einer vollqualifizierenden Ausbildung (betrieblich, schulisch, hochschulisch) befindet, während relativ viele arbeitslos bzw. ohne Beschäftigung sind oder lediglich jobben (Kapitel A8.1).

Tabelle A1.1.3-1: Verbleibsstatus der ausbildungsinteressierten Personen im Jahr 2020 nach Bundesländern

Statistische Analysen zeigen, dass der Anteil der Ausbildungsinteressierten, die ihren Vermittlungswunsch vorzeitig aufgegeben haben, von der Lage auf dem Ausbildungsmarkt beeinflusst wird. Je mehr Ausbildungsplatzangebote den Ausbildungsinteressierten gegenüberstehen, desto kleiner fällt der Anteil der „ehemaligen Bewerber/-innen“ aus (BIBB-Datenreport 2020, Kapitel A1.1.3). Dieser Zusammenhang ist plausibel, berücksichtigt man, dass das neue Ausbildungsjahr zum Stichtag der Ausbildungsmarktbilanz (30. September) bereits mehrere Wochen alt ist und sich Bewerber/-innen bei drohender Erfolglosigkeit rechtzeitig – das heißt, bereits längere Zeit vor dem Bilanzierungsstichtag – um Alternativen bemühen müssen. Nach Beginn dieser Alternativen (wie z. B. erneuter Schulbesuch) erscheint es offenbar vielen jungen Menschen sinnvoll, diese Alternativen auch zu Ende zu führen, den Vermittlungsauftrag damit bereits vor dem Stichtag zu stornieren und den Ausbildungswunsch auf das nächste Ausbildungsjahr zu verschieben. Für eine solche Strategie spricht auch, dass die Vermittlungschancen im Nachvermittlungsgeschäft des „fünften Quartals“ (ab dem 1. Oktober bis zum Ende des Kalenderjahres) relativ gering sind (Kapitel A1.1.4).

Die vorzeitige Aufgabe des Vermittlungswunsches resultiert jedoch nicht ausschließlich aus einer schwierigen Ausbildungsmarktlage und individuellen Vermittlungshemmnissen, sondern erfolgt in vielen Fällen auch freiwillig. Das Interesse an einer dualen Berufsausbildung steht bei vielen Jugendlichen im Zusammenhang mit konkurrierenden Interessen an anderen Ausbildungsformen wie schulische Berufsausbildung oder Studium. Dies gilt insbesondere für jene Jugendliche, die über höhere schulische Vorbildungen verfügen und sich hierüber auch mehr Optionen für ihren weiteren Bildungsweg verschafft haben.

Somit gilt insgesamt, dass es sich bei den Ausbildungsinteressierten, die vorzeitig ihren Vermittlungswunsch wieder aufgeben, um eine sehr heterogen zusammengesetzte Gruppe handelt. Wie Tabelle A1.1.3-2 zeigt, sind die verschiedenen Schulabschlüsse und Altersgruppen in keiner anderen Bewerbergruppe („einmündende Bewerber/-innen“, „Bewerber/-innen mit Alternative zum 30. September“, „unversorgte Bewerber/-innen“) so breit und gleichmäßig verteilt wie bei den „anderen ehemaligen Bewerbern/Bewerberinnen“.

Tabelle A1.1.3-2: Vergleich von Merkmalen der Bewerber/-innen in Abhängigkeit von deren Vermittlungsstatus im Berichtsjahr 2019/2020

Ausbildungsinteressierte, die Beratungs- und Vermittlungsdienste einschalten

Die Gesamtzahl der bei der BA registrierten Ausbildungsstellenbewerber/-innen lag 2020 bei 473.000 Tabelle A1.1.3-2. Der Anteil aller bei der BA gemeldeten Bewerber/-innen an allen 724.300 institutionell erfassten Ausbildungsinteressierten im Jahr 2020 lag somit bei 65,3%. Dieser Wert kann grob als rechnerische „Einschaltquote“ interpretiert werden – grob deshalb, weil in der Gesamtzahl der Ausbildungsinteressierten jene Jugendlichen fehlen, die sich selbst bei fortgesetzt erfolgloser Ausbildungsplatzsuche um keine institutionelle Unterstützung durch die Beratungs- und Vermittlungsdienste bemühen und deshalb auch nirgendwo institutionell erfasst werden können.

Die BA verweist darauf, dass sich ein Teil der Inanspruchnahme der Beratungs- und Vermittlungsdienste „nach den jeweiligen Verhältnissen auf dem Ausbildungsmarkt“ richtet (Bundesagentur für Arbeit 2020b). So deuten auch die entsprechenden Entwicklungen innerhalb der Länder im letzten Jahrzehnt darauf hin, dass die Jugendlichen die Ausbildungsvermittlung bei aus ihrer Sicht schwierigerer Marktlage (niedrige Angebots-Nachfrage-Relation) „häufiger und früher“ nutzen und bei guter Marktlage (hohe Angebots-Nachfrage-Relation) „seltener und später“ (BIBB-Datenreport 2020, Kapitel A1.1.3).

Altbewerber/-innen

2020 hatten insgesamt 210.600 bzw. 44,5% der insgesamt 473.000 registrierten Ausbildungsstellenbewerber/-innen die Schule bereits in einem früheren Jahr als dem Berichtsjahr verlassen. Von ihnen hatten 80.900 die Schule im Vorjahr und 129.700 in noch früheren Jahren beendet Tabelle A1.1.3-2. Verglichen mit dem Vorjahr ging die Zahl der sogenannten Altbewerber/-innen um 11.000 (-5,0 %) zurück.

Auch wenn die Bewerber/-innen wegen ihres früheren Schulentlassjahres umgangssprachlich als Altbewerber/-innen bezeichnet werden, ist nicht sicher, ob sie sich tatsächlich bereits einmal in früheren Jahren für eine Berufsausbildungsstelle interessiert hatten. Seit 2014 enthält die BA-Ausbildungsmarktstatistik deshalb auch Angaben über die gemeldeten Bewerber/-innen für Berufsausbildungsstellen, die nicht nur im aktuellen Berichtsjahr, sondern bereits auch in früheren Jahren mit Unterstützung einer Arbeitsagentur oder eines Jobcenters eine Ausbildungsstelle gesucht haben. Personen, die in mindestens einem der letzten fünf Berichtsjahre als Bewerber/-innen in der Statistik der BA registriert waren, werden somit ebenfalls als Altbewerber/-innen bezeichnet, wenn auch aus einer anderen Perspektive.

Bewerber/-innen mit Kontakt zu den Beratungs- und Vermittlungsdiensten in früheren Jahren

Bei der Interpretation der Zahlen zu den Bewerbern/Bewerberinnen, die bereits in früheren Jahren Kontakt zu den Beratungs- und Vermittlungsdiensten hatten, nimmt die BA die Zuordnung zu den Jahreskategorien danach vor, wann die Person zuletzt in früheren Jahren als Bewerber/-in gemeldet war. Es sind also keine Aussagen darüber möglich, ob z. B. eine Person, die zum letzten Mal ein Jahr vor dem Berichtsjahr gemeldet war, auch schon in früheren Jahren mit Unterstützung der BA eine Ausbildungsstelle gesucht hatte. Umgekehrt darf aus dem längeren Zurückliegen der letzten Erfassung als Bewerber/-in nicht geschlossen werden, dass die Person sich während des gesamten Zeitraums vergebens um eine Ausbildungsstelle bemüht hatte.

Von den bundesweit 473.000 gemeldeten Bewerbern/Bewerberinnen des Jahres 2020 hatten sich 183.900 Personen (38,9%) auch schon in mindestens einem der letzten fünf Berichtsjahre für eine Ausbildungsstelle beworben Tabelle A1.1.3-3. Dies waren 2.900 (-1,6%) weniger als 2019. Gleichwohl ist der Anteil der Bewerber/-innen aus früheren Berichtsjahren an allen gemeldeten Bewerbern/Bewerberinnen erneut gestiegen (2019: 36,5%). Jugendliche, bei denen die Übergangsphase in Ausbildung einen längeren Zeitraum in Anspruch nimmt, halten offenbar noch häufiger als in früheren Jahren den Kontakt zu den Beratungs- und Vermittlungsdiensten aufrecht.

Frühere Analysen hatten bereits gezeigt, dass die Gruppe der Altbewerber/-innen sehr heterogen ist, mit teils guten, aber auch zum Teil ungünstigen Vermittlungsvoraussetzungen. Je länger der Schulentlassungszeitpunkt zurücklag, je schlechter das Zeugnis ausfiel, je älter die Bewerber/-innen waren, desto geringer waren die Chancen auf einen betrieblichen Ausbildungsplatz (BIBB-Datenreport 2018, Kapitel A8.1.1 mit einer umfangreichen Analyse der Entwicklungen zwischen 2006 bis 2016 sowie BIBB-Datenreport 2019, Kapitel A8.1.3 mit Ergebnissen für 2018, in beiden Fällen basierend auf den Ergebnissen der BA/BIBB-Bewerberbefragungen).

Tabelle A1.1.3-3: Registrierte Ausbildungsstellenbewerber/-innen in Deutschland differenziert nach dem letzten Status der Ausbildungssuche vor dem jeweils aktuellen Berichtsjahr

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    Ihre Zahl wird rechnerisch ermittelt als Differenz zwischen der Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge und der von der BA registrierten Ausbildungsstellenbewerber/-innen, die in eine Berufsausbildungsstelle einmünden.