Die Berufsbildungsstatistik der statistischen Ämter des Bundes und der Länder erfasst unter dem Begriff „neu abgeschlossene Ausbildungsverträge“ die Ausbildungsverhältnisse, die im Kalenderjahr begonnen haben, angetreten wurden und bis zum 31. Dezember nicht gelöst wurden. Im Folgenden werden eine Übersicht über die Neuabschlüsse 2019 nach ausgewählten ab Berichtsjahr 2007 eingeführten Merkmalen (Kapitel A5.1) gegeben und Ausbildungsanfänger/-innen von anderen Arten von Neuabschlüssen abgegrenzt. Zunächst werden die Neuabschlusszahlen nach Zuständigkeitsbereichen, Ländern und im Vorjahresvergleich, wie sie sich im Rahmen der Berufsbildungsstatistik zeigen, skizziert. Die aktuelle Situation auf dem Ausbildungsmarkt wird nicht auf Basis der Berufsbildungsstatistik, sondern anhand der Neuabschlusszahlen der BIBB-Erhebung zum 30. September 2020 in Kapitel A1.1 dargestellt
Neu abgeschlossene Ausbildungsverträge (kurz: Neuabschlüsse)
Neuabschlüsse sind im Rahmen der Berufsbildungsstatistik definiert als die in das Verzeichnis der Berufsausbildungsverhältnisse nach BBiG oder HwO eingetragenen Berufsausbildungsverträge, die im jeweiligen Kalenderjahr begonnen haben und die am 31. Dezember noch bestehen (Definition bis 2006) bzw. die bis zum 31. Dezember nicht gelöst wurden (Definition seit 2007); dabei werden nur solche Ausbildungsverhältnisse erfasst, die auch angetreten wurden.
Die Definition der Neuabschlüsse im Rahmen der Berufsbildungsstatistik und der BIBB-Erhebung über neu abgeschlossene Ausbildungsverträge zum 30. September stimmen aufgrund konzeptioneller Unterschiede beider Erhebungen nicht überein. Die Begriffe unterscheiden sich in beiden Erhebungen nicht nur hinsichtlich des Zeitbezugs (zum Vergleich beider Erhebungen siehe Uhly u. a. 2009).
Tabelle A5.3-1 zeigt, dass im Berichtsjahr 2019 insgesamt76 513.309 Ausbildungsverhältnisse neu angetreten und bis zum 31. Dezember 2019 nicht wieder gelöst wurden. Die Neuabschlusszahl war damit gegenüber dem Vorjahr (521.901) um 1,6% gesunken. Lediglich im Saarland (+1,7%) und in geringem Maße in Hamburg (+0,2%), Schleswig-Holstein (+0,1%) sowie Thüringen (+0,1%) waren Zuwächse zu beobachten. In allen anderen Ländern sank die Neuabschlusszahl; der Rückgang reichte von 0,6% in Mecklenburg-Vorpommern bis 3,0% in Bayern.
Tabelle A5.3-2 stellt für ausgewählte Merkmale die Zahl und den Anteil der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge 2019 jeweils nach Zuständigkeitsbereichen und Ländern dar.
Tabelle A5.3-1: Neu abgeschlossene Ausbildungsverträge nach Zuständigkeitsbereichen sowie Ländern 2018 und 20191
Tabelle A5.3-2: Neu abgeschlossene Ausbildungsverträge nach ausgewählten neuen Merkmalen der Berufsbildungsstatistik, Zuständigkeitsbereichen und Ländern (absolut und in % der Neuabschlüsse) 2019 (Teil 1)1, 2
Tabelle A5.3-2: Neu abgeschlossene Ausbildungsverträge nach ausgewählten neuen Merkmalen der Berufsbildungsstatistik, Zuständigkeitsbereichen und Ländern (absolut und in % der Neuabschlüsse) 2019 (Teil 2)1, 2
Tabelle A5.3-2: Neu abgeschlossene Ausbildungsverträge nach ausgewählten neuen Merkmalen der Berufsbildungsstatistik, Zuständigkeitsbereichen1 und Ländern (absolut und in % der Neuabschlüsse) 2019 (Teil 3)1, 2
Überwiegend öffentlich finanzierte Berufsausbildungsverhältnisse
Überwiegend öffentlich finanzierte Berufsausbildungsverhältnisse dienen der Versorgung von Jugendlichen mit Marktbenachteiligung (wenn trotz Ausbildungsreife kein Ausbildungsplatz gefunden wurde), mit sozialen Benachteiligungen, mit Lernschwäche sowie mit Behinderung. Im Rahmen der Berufsbildungsstatistik der statistischen Ämter des Bundes und der Länder sowie der BIBB-Erhebung über die neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge (Kapitel A1) gelten solche Ausbildungsverhältnisse, bei denen die öffentliche Förderung mehr als 50% der Gesamtkosten im ersten Jahr der Ausbildung beträgt, als überwiegend öffentlich finanziert.77 Die überwiegend öffentlich finanzierte Berufsausbildung kann sowohl außerbetrieblich als auch betrieblich erfolgen. Von allen neu abgeschlossenen Ausbildungsverträgen wurden für das Berichtsjahr 2019 im Rahmen der Berufsbildungsstatistik 2,9% als überwiegend öffentlich finanziert gemeldet. Seit 2010 ging dieser Anteil bundesweit stetig zurück (2009: 8,4%). Größere Anteile waren noch 2009 insbesondere in den ostdeutschen Ländern zu beobachten. Der Anteil öffentlich finanzierter dualer Berufsausbildung variierte immer noch nach Bundesländern, wobei die Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland geringer ausfielen: In den ostdeutschen Ländern (2009: 23,7%) lag er im Berichtsjahr 2019 zwischen 5,3% und 7,0%, in den westdeutschen Ländern (2009: 5,1) wurden mit 1,6% bis 4,6% geringere Anteile an Neuabschlüssen überwiegend öffentlich finanziert.
In Ausbildungsberufen des Zuständigkeitsbereichs der Hauswirtschaft machten überwiegend öffentlich finanzierte Ausbildungsverträge im Berichtsjahr 2019 mit bundesweit 63,3% aller Neuabschlüsse den mit Abstand größten Anteil aus. In den Landwirtschaftsberufen waren knapp 7%, im Handwerk 3,6% und im Bereich Industrie und Handel 2,6% Neuabschlüsse überwiegend öffentlich finanziert. In Berufen der Zuständigkeitsbereiche freie Berufe und öffentlicher Dienst waren die Anteile mit 0,2% bzw. 0,3% noch geringer.
Teilzeitberufsausbildung
Die Möglichkeit der Teilzeitberufsausbildung wurde 2005 im BBiG verankert. Teilzeitausbildungsverhältnisse sind Berufsausbildungsverhältnisse mit einer Verkürzung der täglichen oder wöchentlichen Ausbildungszeit nach § 8 Absatz 1 Satz 2 BBiG (in der Fassung, die bis zum 31.12.2019 gültig war). Bislang erfolgen nur sehr wenige duale Berufsausbildungsverhältnisse nach BBiG bzw. HwO in Teilzeitform. Auch für das Berichtsjahr 2019 wurden bundesweit lediglich 2.283 Neuabschlüsse als Teilzeitberufsausbildungsverhältnisse gemeldet. Sie machten damit 0,4% aller Neuabschlüsse aus; in keinem Bundesland war dieser Anteil größer als 1,0%. Zu Strukturen und Entwicklungen in der dualen Teilzeitberufsausbildung und insbesondere zu den Ausbildungsverläufen sowie gesetzlichen Neuregelungen ab 2020 siehe Uhly 2020b und Baldus 2020.78
Neuabschlüsse mit einer Verkürzung der Ausbildungsdauer von mindestens sechs Monaten
Die reguläre Ausbildungsdauer (die gemäß der Ausbildungsordnung vorgesehene Dauer) und die tatsächliche Ausbildungszeit können aus verschiedenen Gründen voneinander abweichen. Mit der Variablen „Abkürzung der Ausbildungsdauer“ erhebt die Berufsbildungsstatistik solche Verkürzungen der Ausbildungsdauer, die gemäß § 7 oder § 8 BBiG vereinbart werden. Auszubildende und Ausbildungsbetriebe können solche Abkürzungen gemeinsam beantragen, wenn ein nach Rechtsverordnung von den jeweiligen Landesregierungen anrechnungsfähiger Bildungsgang einer „berufsbildenden Schule oder die Berufsausbildung in einer sonstigen Einrichtung ganz oder teilweise auf die Ausbildungszeit angerechnet“ (§ 7 BBiG) werden soll oder wenn „zu erwarten ist, dass das Ausbildungsziel in der gekürzten Zeit erreicht wird“79 (§ 8 BBiG). Nicht dazu zählen kürzere Ausbildungsdauern aufgrund vorzeitiger Prüfungszulassung sowie sogenannter Anschlussverträge, bei denen eine zweijährige Berufsausbildung gemäß Ausbildungsordnung anzurechnen ist.
Auf Basis der Berufsbildungsstatistik lässt sich die Verkürzung des Ausbildungsvertrages zum einen direkt aus der Variablen „Abkürzung“ ermitteln, zum anderen auch indirekt über Berufsinformationen und die Meldungen zum vereinbarten Beginn und Ende des Ausbildungsvertrages. Tabelle A5.3-2 enthält die Werte auf Basis der unmittelbaren Meldungen zur Abkürzung der Ausbildungsdauer. Diese Abkürzung bezieht sich allerdings nur auf den jeweiligen Ausbildungsvertrag und nicht auf die Ausbildungsdauer insgesamt.80
Von allen Neuabschlüssen wurden für das Berichtsjahr 2019 im Rahmen der Berufsbildungsstatistik 18,9% mit einer Abkürzung von mindestens sechs Monaten (ohne Anschlussverträge) gemeldet.81 Ein überdurchschnittlich hoher Anteil verkürzter Ausbildungsverträge wurde aus Baden-Württemberg (26,3%) sowie aus Bayern (22%) und Hamburg (21,7%) gemeldet. Für Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern fällt dieser Anteil mit unter 10% am geringsten aus. Insgesamt waren diese Verkürzungen überproportional häufig im Zuständigkeitsbereich Landwirtschaft (31,7%), in einzelnen Ländern aber auch in anderen Zuständigkeitsbereichen zu verzeichnen.
Neuabschlüsse mit vorheriger Berufsausbildung
Neben anderen Gründen wie beispielsweise der Teilnahme an vorheriger beruflicher Grundbildung oder Berufsvorbereitung (Kapitel A5.5.2) kann eine vorherige Berufsausbildung ein Grund für kürzere Ausbildungsverträge sein. Die Berufsbildungsstatistik unterscheidet drei Ausprägungen einer vorherigen Berufsausbildung:
- eine vorherige duale Berufsausbildung (BBiG/HwO), die erfolgreich abgeschlossen wurde,
- eine vorherige duale Berufsausbildung (BBiG/HwO), die nicht abgeschlossen wurde, und
- eine erfolgreich abgeschlossene schulische Berufsausbildung.82
Insgesamt wurde für 11,2% der Neuabschlüsse mindestens eine Art dieser Vorbildung gemeldet (Mehrfachnennungen sind möglich).83 Hierbei handelte es sich mehrheitlich um eine vorherige duale Berufsausbildung, und zwar sowohl zuvor nicht erfolgreich absolvierte (6,7% bzw. 34.644) als auch erfolgreich abgeschlossene Berufsausbildungen im dualen System (4,4% bzw. 22.350); für vergleichsweise wenige Auszubildende mit Neuabschluss (0,6% bzw. 3.147) wurde eine vorherige abgeschlossene schulische Berufsausbildung84 gemeldet.
Hinsichtlich der vorherigen Berufsausbildung ergaben sich deutliche Unterschiede zwischen den Ländern sowie den Zuständigkeitsbereichen. Deutlich überdurchschnittliche Anteile zeigten sich in Brandenburg (17,2%), Niedersachsen (15,7%), Sachsen (15,4%) und Mecklenburg-Vorpommern (14,5%). In Hamburg und Bremen fiel dieser Anteil mit 6,0% bzw. 7,4% deutlich geringer aus. Zwischen den Zuständigkeitsbereichen variiert dieser Anteil bundesweit zwischen 18,5% im Handwerk und 7,5% in den Ausbildungsberufen des öffentlichen Dienstes.
Die hohen Anteile vorheriger dualer Berufsausbildung gehen in den meisten Fällen mit deutlich überdurchschnittlich hohen Anteilen vorheriger nicht erfolgreich beendeter dualer Berufsausbildungen einher. Allerdings zeigten sich – mit Ausnahme von Berlin und Sachsen – in den ostdeutschen Ländern auch überproportional hohe Anteile von Auszubildenden mit Neuabschluss, die zuvor schon einmal erfolgreich eine duale Berufsausbildung beendet hatten.
In vielen Ländern fiel dieser Anteil auch in den Ausbildungsberufen des öffentlichen Dienstes hoch aus. Hinsichtlich einer vorherigen absolvierten schulischen Berufsausbildung ergab sich lediglich in Bayern für die dualen Ausbildungsberufe der Landwirtschaft (13,6%) ein auffallend hoher Anteil.
Die Variablen „vorherige Berufsausbildung“, „Abkürzungen des Ausbildungsvertrags“ bzw. die Erhebung der vereinbarten Dauer des Ausbildungsvertrags wurden u. a. deshalb in die Berufsbildungsstatistik aufgenommen, um Erstanfänger und Erstanfängerinnen einer dualen Berufsausbildung (kurz: Ausbildungsanfänger/-innen bzw. Anfänger/-innen) von anderen Arten von Neuabschlüssen abgrenzen zu können. Da von einer Untererfassung vorheriger Berufsausbildungen ausgegangen werden muss (vgl. Uhly/Kroll 2020), reicht es zur Abgrenzung der Anfänger/-innen sowie anderen Arten von Neuabschlüssen nicht aus, die vorherige Berufsausbildung zu berücksichtigen; es müssen zusätzlich Angaben zur vertraglich vereinbarten Ausbildungsdauer herangezogen werden.85
Ausbildungsanfänger/-innen und andere Arten von Neuabschlüssen
Nicht alle neuen Ausbildungsverträge werden von Ausbildungsanfängern und Ausbildungsanfängerinnen im dualen System abgeschlossen. Die Anzahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge ist deshalb nicht mit der Anzahl der Ausbildungsanfänger/-innen im dualen System (nach BBiG bzw. HwO) gleichzusetzen.86 Der Neuabschluss stellt ein vertragsbezogenes Merkmal dar, das auch dann vorliegt, wenn
a. ein Ausbildungsvertrag vorzeitig gelöst wird und ein neuer Ausbildungsvertrag in einem anderen dualen Ausbildungsberuf (Berufswechsel innerhalb des dualen Systems) und/oder mit einem anderen Ausbildungsbetrieb (Ausbildungsbetriebswechsel innerhalb des dualen Systems) abgeschlossen wird;87
b. eine vorherige zweijährige duale Berufsausbildung (BBiG/HwO) in einem „Fortführungsberuf“ fortgeführt wird (Anschlussverträge innerhalb des dualen Systems);
c. nach erfolgreichem Abschluss einer dualen Berufsausbildung erneut ein Ausbildungsvertrag in einem Beruf des dualen Systems abgeschlossen wird, der keinen Anschlussvertrag darstellt (Mehrfachausbildungen innerhalb des dualen Systems).
Um eine Abgrenzung von wirklichen Ausbildungsanfängern und -anfängerinnen vornehmen zu können, sind verschiedene Wege denkbar. Bezogen auf die Anfänger/-innen innerhalb des dualen Systems würde auch eine bundesweite (zuständigkeits- und regionenübergreifende) unveränderliche Personennummer für die Auszubildenden entsprechende Analysen erlauben.88 Es wurde jedoch keine solche Personennummer eingeführt. Deshalb wurde in der Berufsbildungsstatistik der Weg der Erfassung der vorherigen Berufsausbildung sowie der Ausbildungsdauer gewählt, auch wenn die Erhebung von vorherigen Berufsausbildungen im Rahmen der Berufsbildungsstatistik nicht unproblematisch ist.89
Schaubild A5.3-1 gibt einen Überblick darüber, wie sich die Neuabschlüsse auf Ausbildungsanfänger/-innen und andere Arten (Nichtanfänger/-innen) aufteilen.
Ausbildungsanfänger/-innen
Ausbildungsverträge werden nicht nur mit Anfängerinnen und Anfängern einer dualen Berufsausbildung abgeschlossen, sondern auch bei Berufs- und/oder Betriebswechsel, bei sogenannten Anschlussverträgen sowie bei Mehrfachausbildungen innerhalb des dualen Systems. Das BIBB ermittelt die Zahl der Anfänger/-innen im dualen System sowohl als Teilgruppe der Neuabschlüsse als auch der begonnenen Ausbildungsverträge insgesamt. Verwendet werden hierbei die Meldungen zur vorherigen Berufsausbildung, zur vertraglich vereinbarten Ausbildungsdauer, zum Geburtsjahr der Auszubildenden und weiterer Vorbildungsangaben (potenzielle Verkürzungsgründe) der Berufsbildungsstatistik.
Ausbildungsverträge, die mit einer vorherigen dualen Berufsausbildung (erfolgreich beendet oder nicht erfolgreich beendet) gemeldet werden, werden i. d. R. nicht als Anfänger/-innen gezählt; Ausnahmen sind solche Verträge mit geringer Verkürzung, bei denen der erste Ausbildungsvertrag möglicherweise in das gleiche Kalenderjahr fiel. Diese Ausnahmezuordnung erfolgt grundsätzlich nur, wenn nicht auch eine vorherige erfolgreich beendete duale Berufsausbildung gemeldet wurde. Diese wird nur bei der Abgrenzung bezüglich der Neuabschlüsse angewandt, da bei diesen aufgrund der Neuabschlussdefinition ansonsten manche Auszubildende des dualen Systems niemals als Anfänger/-innen gezählt würden.
Diejenigen ohne vorherige duale Berufsausbildung gelten i. d. R. als Anfänger/-innen. Ausnahmen sind Verträge mit einer starken Verkürzung ohne sonstigen offensichtlichen Verkürzungsgrund; denn dies lässt darauf schließen, dass die vorherige duale Berufsausbildung irrtümlicherweise nicht gemeldet wurde.
Zu Details siehe BIBB-Datenreport 2013, Kapitel A4.3 oder Uhly 2012, S. 6f.
Schaubild A5.3-1: Ausbildungsanfänger/-innen und andere Arten von Neuabschlüssen, Bundesgebiet 2019
Verwendet man zur Abgrenzung der Ausbildungsanfängerinnen und Ausbildungsanfänger nicht allein die Angaben zur vorherigen dualen Berufsausbildung, sondern auch die zur vereinbarten Vertragsdauer, so kann man 89% der Neuabschlüsse als Ausbildungsanfänger/-innen identifizieren Tabelle A5.3-3. Die anderen 11% teilen sich auf in diejenigen mit einer zuvor bereits erfolgreich absolvierten dualen Berufsausbildung (4,4%) und solchen mit Vertragswechsel (6,6%). Letztere sind diejenigen, die zuvor bereits einen dualen Ausbildungsvertrag abgeschlossen und nach der Vertragslösung erneut einen Ausbildungsvertrag im gleichen oder in einem anderen Ausbildungsberuf (Ausbildungs- oder Betriebswechsel innerhalb des dualen Systems) neu abgeschlossen haben.90 Dabei werden nur diejenigen mit einer längeren Verkürzung zu den Vertragswechslern und -wechslerinnen gezählt; die anderen werden noch zu den Anfängern/Anfängerinnen gezählt. Die Neuabschlüsse, die mit einer vorherigen absolvierten dualen Berufsausbildung gemeldet wurden, lassen sich weiterhin aufteilen: in Mehrfachausbildungen im dualen System und in sogenannte Anschlussverträge. Als Anschlussverträge wurden 1,2% der Neuabschlüsse gemeldet; es handelt sich hierbei um die Fortführung einer zuvor abgeschlossenen zweijährigen Berufsausbildung im dualen System. Bei knapp 3,2% der Neuabschlüsse handelt es sich folglich um Mehrfachausbildungen innerhalb des dualen Systems. Die genannten Prozentwerte beziehen sich auf das Berichtsjahr 2019, sie waren seit 2008 (das erste Jahr, zu dem die Differenzierungen vorgenommen werden konnten) weitgehend stabil.91
Anschlussverträge (in Fortführungsberufen)
Als Anschlussverträge werden solche Neuabschlüsse bezeichnet, die eine Fortführung einer bereits erfolgreich abgeschlossenen zweijährigen dualen Berufsausbildung in einem (i. d. R. drei- oder dreieinhalbjährigen) dualen Ausbildungsberuf (BBiG/HwO) darstellen. Dabei werden nur solche Fortführungen zu Anschlussverträgen gezählt, bei denen die Ausbildungsordnung die Anrechnung der zweijährigen Berufsausbildung explizit vorsieht (§ 5 Absatz 2 Nr. 4 BBiG). Bislang sind solche Fortführungen ausschließlich in Berufen der Zuständigkeitsbereiche Industrie und Handel sowie Handwerk vorgesehen. In den Ausbildungsordnungen ist von Fortführung/Fortsetzung der Berufsausbildung, von aufbauenden Ausbildungsberufen, von Anrechnungsregelungen und in älteren Ausbildungsordnungen auch (noch) von Stufenausbildung92 die Rede. Die dualen Ausbildungsberufe, auf die eine abgeschlossene zweijährige duale Berufsausbildung laut Ausbildungsordnung angerechnet werden kann, werden im Folgenden „Fortführungsberufe“ genannt.
Dieses Merkmal wird im Rahmen der Berufsbildungsstatistik erst seit dem Berichtsjahr 2016 direkt erhoben, zuvor wurde es (seit dem Berichtsjahr 2007) auf Basis von Berufsinformationen und Meldungen zur Dauer des Ausbildungsvertrages sowie zur Vorbildung näherungsweise ermittelt (siehe hierzu BIBB-Datenreport 2017, Kapitel A5.3)
Tabelle A5.3-3: Ausbildungsanfänger/-innen, Anschlussverträge, Mehrfachausbildungen und Vertragswechsel nach Ländern bzw. Zuständigkeitsbereichen; als Teilgruppen der Neuabschlüsse und Teilgruppen der begonnenen Ausbildungsverträge (absolut und in %)1
Wie Tabelle A5.3-3 zeigt, war der Anteil der Anschlussverträge in allen Bundesländern relativ gering; er variierte im Berichtsjahr 2019 zwischen 0,1% und 2,0% der Neuabschlüsse. Bislang können Anschlussverträge ausschließlich in den beiden Zuständigkeitsbereichen Industrie und Handel sowie Handwerk abgeschlossen werden. Der Anteil an allen Neuabschlüssen fiel in den Berufen von Industrie und Handel mit 1,7% zwar relativ gering aus, er ist aber deutlich höher als bei den Handwerksberufen (0,6%).
Mehrfachausbildungen innerhalb des dualen Systems kamen im Saarland, in Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern, Thüringen und Brandenburg mit 4,9% bis 7,5% der Neuabschlüsse überproportional häufig vor. Nach Zuständigkeitsbereichen differenziert zeigten sich solche Mehrfachausbildungen mit 5,4% bzw. 5,8% überproportional häufig in den Berufen der Landwirtschaft und des öffentlichen Dienstes.
Der Anteil der Vertragswechsel lag in den einzelnen Ländern zwischen 3,4% und 8,6%. Im Zuständigkeitsbereich Handwerk lag er mit 10,4% deutlich höher als in den anderen Zuständigkeitsbereichen. Am geringsten fiel dieser Anteil in den Ausbildungsberufen des öffentlichen Dienstes (0,7%) aus. Mit 4,2% war der Anteil der Vertragswechsel unter den Neuabschlüssen auch in den freien Berufen relativ gering.
Aufgrund dieser Abgrenzung der Ausbildungsanfänger/-innen als Teilgruppe der Neuabschlüsse lassen sich weitere Indikatoren zum dualen System verbessern; siehe z. B. die Ausbildungsanfängerquote des dualen Systems (Kapitel A5.8). Für verschiedene Fragestellungen ist es jedoch sinnvoll, nicht nur die Neuabschlüsse, sondern alle begonnenen Ausbildungsverträge eines Kalenderjahres heranzuziehen. Denn gemäß der Neuabschlussdefinition werden bei dieser Zählgröße Verträge nur dann berücksichtigt, wenn sie nicht bis zum 31. Dezember des Jahres gelöst wurden.93 Deshalb weist Tabelle A5.3-3 auch die Differenzierungen Anfänger/-innen, Anschlussverträge, Mehrfachausbildungen und Vertragswechsel innerhalb des dualen Systems bezogen auf alle begonnenen Verträge des Kalenderjahres aus. Will man beispielsweise betrachten, bei wie vielen Fällen nach einer Vertragslösung wieder ein dualer Ausbildungsvertrag abgeschlossen wird, ist es sinnvoll, alle begonnenen Ausbildungsverträge mit der entsprechenden Vorbildung zu betrachten. Demnach lassen sich 2019 von allen begonnenen Ausbildungsverträgen 56.367 bzw. 9,9% als Vertragswechsel identifizieren. Da die Meldungen zur vorherigen Berufsausbildung und die Abgrenzung der Anfänger/-innen sowie Vertragswechsler/-innen mit Unsicherheit behaftet sind, ist dieser Wert eher als Mindestwert zu betrachten, der faktisch höher ausfallen kann. Insgesamt lag der Anteil der ermittelten Vertragswechsel in der Größenordnung von ca. 36% der durchschnittlichen Lösungsquote der letzten beiden Jahre (Kapitel A5.6). Wie hoch der Anteil der Vertragswechsel an allen Vertragslösungen ist, lässt sich jedoch nicht genau ermitteln.94
(Alexandra Uhly)
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Alle Absolutwerte der Berufsbildungsstatistik sind aus Datenschutzgründen auf ein Vielfaches von 3 gerundet.
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Dabei zählen zu den Gesamtkosten die Ausbildungsvergütung, aber auch alle weiteren im Zusammenhang mit der Ausbildung anfallenden Personal- und Sachkosten sowie Gebühren. Etwaige Erträge durch die Mitarbeit der Auszubildenden bleiben dabei unberücksichtigt. Details zum Merkmal der Finanzierungsform im Rahmen der Berufsbildungsstatistik siehe Uhly 2020d.
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78
Siehe auch die Themenseite des BIBB zur Teilzeitberufsausbildung unter https://www.bibb.de/de/1304.php sowie die Auswahlbibliografie von Linten/Prüstel 2016.
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79
Siehe hierzu die „Empfehlung des Hauptausschusses des Bundesinstituts für Berufsbildung zur Abkürzung und Verlängerung der Ausbildungszeit/zur Teilzeitausbildung“ vom 27. Juni 2008.
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80
Das heißt, eine Abkürzung eines Ausbildungsvertrages kann z. B. auch aufgrund der Anrechnung von vorherigen Ausbildungszeiten in einem anderen Betrieb im gleichen Beruf erfolgen. Die gesamte Ausbildung im Beruf ist dann ggf. nicht kürzer als nach Ausbildungsordnung vorgesehen.
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81
Anschlussverträge sind hier herausgerechnet, auch wenn sie (fälschlicherweise) als Verkürzung gemeldet wurden.
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82
Außerhalb des dualen Systems begonnene und nicht abgeschlossene schulische Berufsausbildungen werden im Rahmen der Berufsbildungsstatistik bislang nicht erhoben.
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Insgesamt liegen hier nur bei 0,5% der Neuabschlüsse Mehrfachnennungen vor.
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84
Unter diejenigen mit vorheriger schulischer Berufsausbildung fallen nicht die „Externenzulassungen“ (auch „Externenprüfungen“ genannt; nach § 43 Absatz 2 oder § 45 Absatz 2 und 3 BBiG), denn diese werden nicht mit den Auszubildendendaten, sondern als eine Gruppe der sonstigen Prüfungen erhoben.
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Für die Abkürzung wird im Folgenden nicht die gemeldete Abkürzung verwendet, sondern die aus den Meldungen zum vereinbarten Vertragsbeginn und -ende berechnete Verkürzung herangezogen.
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Hierbei handelt es sich um einen altbekannten Sachverhalt (vgl. z. B. Uhly 2006; Althoff 1984), dennoch werden die Neuabschlüsse fälschlicherweise immer wieder als Indikator für Ausbildungsanfänger/-innen verwendet.
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87
Reine Berufswechsel können auf Basis der Berufsbildungsstatistik nicht von Betriebswechsel unterschieden werden.
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Anhand dieser Personennummern könnten verschiedene Vertragsmeldungen für die gleiche Person bei der Datenanalyse verknüpft werden und die Erfassung von vorherigen dualen Berufsausbildungen wäre nicht erforderlich. Neben der Vereinfachung der Abgrenzung von Anfängern/Anfängerinnen einer dualen Berufsausbildung würde eine Personennummer auch weitergehende Verlaufsanalysen ermöglichen.
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89
Die Jugendlichen müssen dem Ausbildungsbetrieb dies mitteilen (auch wenn sie kein Eigeninteresse an dieser Informationsweitergabe haben oder dies ihren Interessen sogar entgegensteht), der Betrieb muss dies an die zuständige Stelle melden (auch dann, wenn er kein Eigeninteresse an dieser Information hat).
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90
Möglicherweise befinden sich hierunter auch einige wenige Auszubildende, die nach nicht bestandener Abschlussprüfung ohne Vertragslösung einen neuen Ausbildungsvertrag abschließen; i. d. R. dürfte es sich aber um solche Auszubildenden handeln, die zuvor eine Vertragslösung im dualen System hatten.
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Ab dem Berichtsjahr 2016 wird das Merkmal „Anschlussvertrag“ direkt erhoben und nicht mehr aus anderen Merkmalen näherungsweise ermittelt. Dies hat dazu geführt, dass der Anteil der Anschlussverträge leicht gestiegen und der Anteil der Mehrfachausbildungen leicht gesunken ist.
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Hinsichtlich des Begriffs der Stufenausbildung ist im Anschluss an die Reform des BBiG vom 23.03.2005 eine Begriffsklärung erfolgt. Von der bislang üblichen Begriffsverwendung wird seither abgewichen. „Echte“ Stufenausbildung im Sinne des BBiG liegt derzeit nicht vor. Es handelt sich hierbei um eine Stufung, bei der nach der ersten Stufe kein Abschluss in einem anerkannten Ausbildungsberuf erworben wird. Bei dieser Stufenausbildung endet der Ausbildungsvertrag stets erst nach Abschluss der letzten Stufe (§ 21 Absatz 1 BBiG).
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Dies bietet den Vorteil, dass Personen, die mehrere Ausbildungsverträge im Laufe eines Kalenderjahres abschließen, nicht mehrfach gezählt werden. Es kann allerdings dazu führen, dass nicht alle Personen, die einen Ausbildungsvertrag abgeschlossen hatten, gezählt werden.
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Es lässt sich auf Basis dieser Daten nicht genau ermitteln, wie viele derjenigen mit Vertragslösung erneut in ein Ausbildungsverhältnis des dualen Systems einmünden, da unbekannt ist, wann das vorherige Ausbildungsverhältnis vorzeitig gelöst wurde (die Berufsbildungsstatistik erhebt lediglich, ob eine vorherige Berufsausbildung vorliegt, nicht jedoch den Zeitpunkt der Vorbildung). Zudem ist davon auszugehen, dass die vorherige Berufsausbildung trotz Prüfung der Dauer der Ausbildungsverträge (und somit auch der Anteil der Vertragswechsel) untererfasst ist.