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Aufgrund der hohen bildungspolitischen Bedeutung, die das Thema Integration von Geflüchteten in die berufliche Bildung erfährt, stellen nicht nur Ausbildungsstellenbewerber/-innen mit Migrationshintergrund insgesamt, sondern auch die Teilgruppe der Bewerber/-innen mit Fluchthintergrund eine zentrale bildungspolitische Zielgruppe dar. Aus diesem Grund erhebt die BA seit 2016 im Rahmen ihrer Ausbildungsberichterstattung, ob bei drittstaatenangehörigen Bewerberinnen und Bewerbern ein Fluchthintergrund vorliegt („Personen im Kontext von Fluchtmigration“).

Anders gestaltet es sich für die Gruppe der Bewerber/-innen mit Migrationshintergrund, die keinen Fluchthintergrund haben. So weist die Ausbildungsmarkstatistik zwar Bewerber/-innen mit nicht deutscher Staatsangehörigkeit aus, Angaben zu Bewerberinnen und Bewerbern mit deutscher Staatsangehörigkeit und Migrationshintergrund fehlen jedoch.182 Aus diesem Grund wird der Migrationshintergrund bei der BA/BIBB-Bewerberbefragung auf Basis der Selbstauskunft der Befragten erhoben. Sie werden in Abgrenzung zur Gruppe der Bewerber/-innen mit Fluchthintergrund im Folgenden als Bewerber/-innen mit sonstigem Migrationshintergrund bezeichnet. Werden beide Gruppen angesprochen (Bewerber/-innen mit Fluchthintergrund und Bewerber/-innen mit sonstigem Migrationshintergrund), wird von Personen mit Migrationshintergrund gesprochen.

Auswertungen der BA/BIBB-Bewerberbefragung 2020 zeigen, dass im Berichtsjahr 2020 fast ein Drittel (31%) der Bewerber/-innen einen sonstigen Migrationshintergrund aufwiesen. Bei weiteren 6% handelte es sich um Bewerber/-innen mit Fluchthintergrund.183 Somit besaßen rund 37% der Bewerber/-innen einen Migrationshintergrund. Damit hat sich der Anteil der Bewerber/-innen mit Migrationshintergrund im Vergleich zu 2018 kaum verändert, nachdem er von 2016 auf 2018 aufgrund der hohen Fluchtmigration deutlich angestiegen war Schaubild A8.1.1-1.

Bewerber/-innen mit Migrationshintergrund (und Fluchthintergrund)

Seit 2016 erhebt die BA im Rahmen ihrer Ausbildungsberichterstattung, ob bei drittstaatenangehörigen Bewerberinnen und Bewerbern ein Fluchthintergrund vorliegt („Personen im Kontext von Fluchtmigration“) (Kapitel A12.2.2). Bei Bewerberinnen und Bewerbern mit Fluchtintergrund handelt es sich um Personen, denen im Rahmen der Ausbildungsmarktstatistik der BA das Merkmal „Personen im Kontext Fluchtmigration“ zugewiesen wurde. Entscheidend für die Zuweisung des Merkmals sind Staatsangehörigkeit und Aufenthaltsstatus der Bewerber/-innen. So werden drittstaatenangehörige Ausländer/-innen mit einer Aufenthaltsgestattung (§ 55 AsylG), einer Aufenthaltserlaubnis Flucht (§ 22-26 AufenthG) oder einer Duldung (§ 60a AufenthG) als Bewerber/-innen im Kontext von Fluchtmigration geführt.

Während Bewerber/-innen mit Fluchthintergrund somit bereits in der Ausbildungsmarktstatistik identifiziert werden können, ist dies für Migrantinnen und Migranten ohne Fluchthintergrund nicht möglich.

Für Personen ohne den Kontext Fluchtmigration, die im Rahmen der BA/BIBB-Bewerberbefragung 2020 befragt wurden, wird der Migrationshintergrund indirekt definiert: Bewerber/-innen, die in Deutschland geboren wurden und ausschließlich über die deutsche Staatsangehörigkeit verfügen sowie ausschließlich Deutsch als Muttersprache erlernt haben, gelten als Personen ohne Migrationshintergrund. Bei allen anderen wird ein Migrationshintergrund angenommen. Mit dieser Definition lässt sich allerdings ein Migrationshintergrund für einen Teil der Bewerber/-innen nicht erkennen. Dies trifft auf in Deutschland geborene Bewerber/-innen mit alleiniger deutscher Staatsangehörigkeit und alleiniger deutscher Muttersprache zu, deren Eltern aber zugewandert waren. Hier wären zur Identifikation des Migrationshintergrunds Informationen über die Eltern der Jugendlichen erforderlich. Angaben zu den Eltern dürfen in der BA/BIBB-Bewerberbefragung jedoch aus Datenschutzgründen nicht erhoben werden.

Schaubild A8.1.1-1: Anteil der Bewerber/-innen mit Migrationshintergrund an allen Bewerberinnen und Bewerbern von 2004 bis 2020 (in %)1

Im Berichtsjahr 2020 war der Frauenanteil in der Gruppe der Bewerber/-innen mit sonstigem Migrationshintergrund mit 41% fast ebenso hoch wie in der Gruppe der Bewerber/-innen ohne Migrationshintergrund (39%) Tabelle A8.1.1-1. Aufgrund der demografischen Struktur der Geflüchteten fiel bei ihnen der Anteil der Frauen (24%) erheblich geringer aus. Gleichwohl war der Frauenanteil bei den Geflüchteten im Vergleich zu 2018184 stark angestiegen (2018: 15%). Wie auch 2018 zeigen sich 2020 deutliche Unterschiede zwischen den drei Gruppen hinsichtlich ihrer Altersstruktur: Vor allem der Anteil der Personen ab einem Alter von 21 Jahren fiel in der Gruppe der Bewerber/-innen mit Fluchthintergrund (59%) erheblich höher aus als in den beiden Vergleichsgruppen (Bewerber/-innen ohne Migrationshintergrund: 17%, Bewerber/-innen mit sonstigem Migrationshintergrund: 24%). Bei den geflüchteten Bewerberinnen und Bewerbern fiel mit 30% der Altbewerberanteil höher aus als bei den Bewerberinnen und Bewerbern mit sonstigem Migrationshintergrund (27%) und den Bewerberinnen und Bewerbern ohne Migrationshintergrund (23%). Bei den Bewerberinnen und Bewerbern mit sonstigem Migrationshintergrund korrespondiert ihr, im Vergleich zu Bewerbern und Bewerberinnen ohne Migrationshintergrund, höheres Alter mit ihrem höheren Altbewerberanteil und deutet damit auf ihre vergleichsweise schwierigeren Übergangswege hin (vgl. z. B. Beicht 2015; Beicht/Walden 2019). Auch bei den Geflüchteten indiziert der hohe Altbewerberanteil schwierigere Zugangswege in die Ausbildung (vgl. Eberhard/Schuß 2021). Gleichwohl ist ihr höheres Alter auf die demografische Struktur der Gruppe der Geflüchteten insgesamt zurückzuführen.

Was die Schulabschlüsse betrifft, so wiesen Bewerber/-innen mit Fluchthintergrund häufiger keinen Abschluss auf (9%) als migrantische Bewerber/-innen ohne Fluchthintergrund (4%) und Bewerber/-innen ohne Migrationshintergrund (3%). Dieses Ergebnis muss allerdings mit Vorsicht interpretiert werden, da die Kategorie lediglich auf fehlende deutsche Abschlüsse verweist und sich Geflüchtete noch im Anerkennungsverfahren befinden könnten. Im Vergleich zu 2018 ist der Anteil der geflüchteten Bewerber/-innen ohne Schulabschluss stark gesunken (2018: 40%), wohingegen sich der Anteil mit Hauptschulabschluss fast verdoppelt hat (2020: 46% vs. 2018: 26%). Dies kann darauf hindeuten, dass ausländische Schulabschlüsse anerkannt worden sind. Im Vergleich zu Bewerberinnen und Bewerbern mit sonstigem Migrationshintergrund und Bewerberinnen und Bewerbern ohne Migrationshintergrund besaßen geflüchtete Bewerber/-innen häufiger einen Hauptschulabschluss (46%), aber seltener einen mittleren Abschluss (27%) oder eine Studienberechtigung (14%).

Bewerber/-innen mit sonstigem Migrationshintergrund verfügten häufiger als diejenigen ohne Migrationshintergrund über einen Hauptschulabschluss (33% vs. 25%) und seltener über einen mittleren Schulabschluss (42% vs. 51%). Der Anteil derjenigen mit einer Studienberechtigung unterschied sich in den Bewerbergruppen mit und ohne sonstigen Migrationshintergrund mit 20% bzw. 21% allerdings kaum.

Tabelle A8.1.1-1: Merkmale der Bewerber/-innen nach Migrations- und Fluchthintergrund des Berichtsjahrs 2020 (in %)

Zum Befragungszeitpunkt befanden sich 46% der Bewerber/-innen ohne Migrationshintergrund in einer betrieblichen Berufsausbildung nach BBiG bzw. HwO. Bei den Bewerberinnen und Bewerbern mit Migrationshintergrund fielen die entsprechenden Anteile geringer aus (sonstiger Migrationshintergrund: 28%; mit Fluchthintergrund: 32%). Im Vergleich zu 2018 waren die betrieblichen Verbleibsquoten für alle drei Gruppen gesunken Schaubild A8.1.1-2. Mit einem Minus von vier Prozentpunkten war die Gruppe der Bewerber/-innen mit sonstigem Migrationshintergrund jedoch am stärksten betroffen (2018: 32% vs. 2020: 28%). Wird der Beobachtungszeitraum ausgeweitet, zeigt sich für Bewerber/-innen ohne Migrationshintergrund, dass ihre betriebliche Verbleibsquote im Jahr 2020 mindestens genauso hoch oder sogar höher ausfiel als in den Jahren 2010 bis 2016. Bei Personen mit Migrationshintergrund trifft dies hingegen nicht zu.

Schaubild A8.1.1-2: Verbleibsquoten der Bewerber/-innen in betrieblicher Ausbildung in den Berichtsjahren 2010 bis 2020 nach Migrations- und Fluchthintergrund (in %)

Bei den Verbleiben in Ausbildungsformen, die ebenfalls zu einem vollqualifizierenden (Berufs-)Abschluss führen, zeigen sich hingegen kaum Veränderungen gegenüber 2018: Von den Bewerberinnen und Bewerbern ohne Migrationshintergrund befanden sich jeweils 5% in einer außerbetrieblichen oder vollzeitschulischen Berufsausbildung nach BBiG bzw. HwO oder in einer Ausbildung im Schulberufssystem185 bzw. einer sonstigen Berufsausbildung außerhalb von BBiG/HwO. Weitere 4% studierten an einer Universität, (Fach-)Hochschule oder Berufsakademie Tabelle A8.1.1-2. Von den Bewerberinnen und Bewerbern mit sonstigem Migrationshintergrund absolvierten jeweils 4% eine außerbetriebliche Ausbildung nach BBiG bzw. HwO oder eine Ausbildung im Schulberufssystem und 3% studierten. Bei den Geflüchteten lagen die entsprechenden Anteil bei 5% (außerbetriebliche Ausbildung), 4% (Ausbildung im Schulberufssystem) und 1% (Studium).

Auch bei den nicht vollqualifizierenden Verbleiben zeigen sich kaum Veränderungen zu 2018. Auffallend ist jedoch, dass 2020 mehr Personen arbeitslos waren als 2018. Bei Personen ohne Migrationshintergrund traf dies auf 9% (2018: 7%), bei Bewerberinnen und Bewerbern mit sonstigem Migrationshintergrund auf 16% (2018: 12%) und bei Geflüchteten auf 14% (2018: 9%) zu. Bei den Geflüchteten zeigt sich außerdem, dass 2020 lediglich 1% eine Einstiegsqualifizierung (EQ) absolvierte, während es 2018 noch 4% waren. Dieser Rückgang könnte sich negativ auf den Zugang zu betrieblicher Ausbildung auswirken, denn die EQ erhöht maßgeblich die Zugangschancen von Geflüchteten auf eine betriebliche Ausbildungsstelle (vgl. Eberhard/Schuß 2021).

Tabelle A8.1.1-2: Verbleib der Bewerber/-innen nach Migrations- und Fluchthintergrund des Berichtsjahrs 2018 und 2020 zum Befragungszeitpunkt (in %)

  • 182

    Zwar wird seit 2012 der Migrationsstatus der gemeldeten Bewerber/-innen im Rahmen der Ausbildungsvermittlung erhoben, aufgrund von Erfassungsproblemen der BA wurde dieser aber bisher noch nicht im Rahmen der Ausbildungsmarktstatistik ausgewiesen.

  • 183

    Der Anteil der Geflüchteten fällt im Rahmen der BA/BIBB-Bewerberbefragung 2020 mit 6% um einen Prozentpunkt geringer aus als der Anteil, der von der Ausbildungsmarktberichterstattung ausgewiesen wird (Kapitel A12.2.2). Dies ist darauf zurückzuführen, dass im Rahmen der BA/BIBB-Bewerberbefragung Personen aus Bedarfsgemeinschaften nicht befragt werden dürfen, diese jedoch Teil der Ausbildungsmarktberichterstattung sind.

  • 184

    Die Angaben zu den Bewerberinnen und Bewerbern 2018, die in diesem Kapitel nicht in den Tabellen aufgeführt sind, sind im BIBB-Datenreport 2019, Kapitel A8.1 dargestellt.

  • 185

    Hierunter wird die Berufsausbildung außerhalb von BBiG/HwO, d. h. nach sonstigen bundes- oder landesrechtlichen Regelungen, verstanden.