Tabelle A9.3-1 dokumentiert die Ausgaben der öffentlichen Haushalte für die berufliche Ausbildung von 2001 bis 2020.217 Es finden alle Aufwendungen Berücksichtigung, welche verursachungsgerecht in Zusammenhang mit der Entwicklung, Verbesserung, Durchführung und Förderung von Ausbildungsgängen nach BBiG § 1 Abs. 1 und 2 stehen. Ausgaben, die zwar einen Bezug zur beruflichen Bildung aufweisen, aber nach dem Verursacherprinzip nicht eindeutig dem Berufsbildungssystem zugerechnet werden können, sind nicht enthalten. Dies betrifft z. B. die Maßnahmen der Kinder- und Jugendhilfe des Bundesministeriums für Familie, Senioren und Jugend (BMFSFJ), die teilweise zwar den Übergang in den Arbeitsmarkt erleichtern sollen, aber mit hoher Wahrscheinlichkeit so oder ähnlich auch durchgeführt würden, wenn ein Berufsbildungssystem nicht existierte.
Durch Kreuze wird in Tabelle A9.3-1 angedeutet, ob eine Ausgabenposition eher durch die anerkannten Berufsausbildungen des dualen Systems (DS), durch die Maßnahmen des Übergangssystems (ÜS) und/oder durch das Schulberufssystem (SBS) verursacht wird. Die Einteilung ist allerdings nicht exakt; eine Position kann Ausgaben für einen oder mehrere Bereiche enthalten. Zudem existiert keine eindeutige definitorische Abgrenzung des ÜS.218 Weiterhin schließen einige Einzelpositionen Aufwendungen für Weiterbildung in teilweise beträchtlichem Umfang ein (Kapitel B3.5). Durch Summierung der entsprechend markierten Zeilen der Tabelle erhält man infolge dieser Abgrenzungsschwierigkeiten jeweils lediglich eine Obergrenze der öffentlichen Gesamtausgaben für die berufliche Ausbildung in DS, ÜS und SBS. Die tatsächlich den jeweiligen Sektoren zurechenbaren Ausgabenvolumina liegen vermutlich niedriger.
Tabelle A9.3-1: Öffentliche Aufwendungen für die berufliche Ausbildung (Teil 1)
Tabelle A9.3-1: Öffentliche Aufwendungen für die berufliche Ausbildung (Teil 2)
Folgende weitere Hinweise sind bei der Interpretation der Tabelle sowie bei Vergleichen mit Vorjahren zu berücksichtigen:
Für die Bundesministerien sind alle Aufwendungen erfasst, die nach sachlichen Erwägungen der beruflichen Bildung zuzuordnen sind. Aufgrund des Funktionenplans werden sie in der Jahresrechnungsstatistik und im Bildungsfinanzbericht des Statistischen Bundesamtes zwar meist den Bereichen Weiterbildung und Arbeitsmarktpolitik zugerechnet, faktisch dienen die in Tabelle A9.3-1 ausgewiesenen Positionen aber auch in signifikantem Umfang der Ausbildungsförderung. Sie sind an den Haushaltstiteln der Ministerien orientiert und fassen teilweise mehrere Förderprogramme und Maßnahmen zusammen.219 Da es regelmäßig zu Abgrenzungsänderungen kommt, kann die Entwicklung einzelner Haushaltstitel nur schwer im Zeitablauf interpretiert werden. Insgesamt waren die Bundesausgaben aber zuletzt etwas gestiegen (insbesondere die des BMBF), was größtenteils auf Maßnahmen zur Integration von geflüchteten Menschen in die berufliche Ausbildung zurückzuführen ist. Die mit Abstand größte Ausgabenposition auf Bundesebene bilden die Unterhaltsleistungen an berufliche Vollzeitschüler/-innen nach dem BAföG. Letztere werden zu 100% als Zuschuss gewährt. Bis Ende 2014 wurden sie zu 65% vom Bund und zu 35% von den Ländern getragen. Seit 2015 übernimmt der Bund die vollständige Finanzierung.
Das Bundesprogramm „Ausbildungsplätze sichern“ unterstützt in den Jahren 2020 und 2021 kleine und mittelständische Ausbildungsbetriebe und ausbildenden Einrichtungen mit insgesamt 500 Mio. €, damit diese während der Coronapandemie ihr Ausbildungsplatzangebot aufrechterhalten können. Für 2020 sind hiervon 150 Mio. € vorgesehen.
Die Ausgaben der Länder und Kommunen für berufliche Schulen (Teilzeit- und Vollzeitberufsschulen, Berufsaufbauschulen, Berufsfachschulen, Fachoberschulen, Berufsoberschulen, berufliche Gymnasien) sind der Jahresrechnungsstatistik des Statistischen Bundesamtes entnommen. Da die Belastung der öffentlichen Haushalte dargestellt werden soll, ist das Konzept der Grundmittel anzuwenden. Hier werden die Nettoausgaben mit den unmittelbaren Einnahmen der öffentlichen Hand verrechnet. Die vorläufigen Ist-Ausgaben im Jahr 2019 betrugen gut 8,8 Mrd. €.220 Seit dem Jahr 2015 sind die Ausgaben damit deutlich gestiegen. Auch die Ausgaben je Schüler/-in an beruflichen Schulen (inkl. Fachschulen) sind im gleichen Zeitraum um 17% auf 5.828 € angewachsen.221 In der realen Betrachtung beträgt der Anstieg der Pro-Kopf-Ausgaben 11,2% seit 2015, bezogen auf den vom Statistischen Bundesamt ermittelten Verbraucherpreisindex für Deutschland. Für das Jahr 2020 wurden in den öffentlichen Haushalten knapp 9,0 Mrd. € veranschlagt. Zieht man die Zahl der unterrichteten Stunden je Schulart im Ausbildungsjahr 2019/2020 als Verteilungsschlüssel heran, so entfallen geschätzte 3,3 Mrd. € von den für das Jahr 2020 eingestellten Haushaltsmitteln auf die Teilzeitberufsschulen. Mit den verbleibenden 5,7 Mrd. € werden weitere Schularten im beruflichen Bildungswesen finanziert, wie z. B. Berufsfachschulen, Fachgymnasien, Fachoberschulen, das Berufsvorbereitungsjahr, das Berufsgrundbildungsjahr und die Fachschulen.
Die landeseigenen Ausbildungsförderungsprogramme können nicht genau quantifiziert werden. Wie die Bundesprogramme werden sie in der Jahresrechnungsstatistik möglicherweise größtenteils zum Bereich der Weiterbildung, der Arbeitsmarktpolitik oder der Wirtschaftspolitik gezählt. Einen Überblick über die Förderprogramme zur Berufsausbildung sowie Informationen zu Fördergegenstand, -berechtigten und -bedingungen geben die Kapitel A9.4.2 und Kapitel A9.4.3 sowie die Programmdatenbank der Fachstelle überaus.222 Die Fördermittel in den einzelnen Programmen wurden bis zum Jahr 2015 durch eine vom BIBB beauftragte Erhebung bei den zuständigen Ministerien ermittelt. Das gesamte Volumen konnte dabei allerdings nur sehr grob abgeschätzt werden. Einerseits lagen nicht für alle Programme Informationen vor. Andererseits waren auch Programme erfasst, die zwar einen Bezug zur Berufsbildung aufweisen, aber nicht ursächlich durch das Berufsausbildungssystem bedingt sein müssen. Größenordnungsmäßig lag das Fördervolumen der Länder bis zum Jahr 2015 bei ungefähr 0,5 Mrd. €. Hierin dürften auch Mittel des Europäischen Sozialfonds enthalten sein.223
Die berufsbildungsbezogenen Ausgaben der BA betreffen neben der Berufsausbildung auch die Berufsorientierung und -vorbereitung (Kapitel A9.4.1). Nicht berücksichtigt ist in Tabelle A9.3-1 die Förderung der Integration an der zweiten Schwelle, welche eine beschäftigungspolitische Maßnahme darstellt. Ein Großteil der BA-Mittel fließt der Unterstützung besonders benachteiligter Auszubildender (und hier wiederum der außerbetrieblichen Ausbildung) zu. Neu im Instrumentarium der BA ist seit 2015 die assistierte Ausbildung (AsA), eine Unterstützungsmaßnahme für Unternehmen bei der Ausbildung von jungen Menschen, die sonst schwer einen Ausbildungsplatz finden würden.
Die Leistungen der BA für Menschen mit Behinderung (Kapitel A9.4.1) sind nicht in Tabelle A9.3-1 berücksichtigt. Sie stehen zwar teilweise im Zusammenhang mit Ausbildungsaktivitäten, dürften aber zum größten Teil nicht ursächlich dem Berufsausbildungssystem zuzurechnen sein. Gleiches gilt für die Leistungen des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) für Menschen mit Behinderung im Rechtskreis des zweiten Sozialgesetzbuches (SGB II) sowie für das ab 2014 geltende BMAS-Programm zur intensivierten Eingliederung und Beratung von schwerbehinderten Menschen.
Der Finanzierungsbeitrag der öffentlichen Hand wird durch den Beitrag der ausbildenden Betriebe in Privatwirtschaft und öffentlichem Dienst ergänzt. Deren Aufwendungen werden traditionell durch das BIBB geschätzt. Nach Berechnungen, welche auf einer repräsentativen Erhebung für das Ausbildungsjahr 2017/2018 (Kapitel A9.2) basieren, betrugen die Bruttokosten, d. h. die Ausbildungskosten ohne Berücksichtigung der Ausbildungserträge, rund 27,2 Mrd. €. Die Nettokosten der Betriebe für die Ausbildung im dualen System lagen bei rund 8,4 Mrd. €. Dabei ist zu bedenken, dass die Betriebe neben den gemessenen Ausbildungserträgen noch weiteren Nutzen generieren können, der allerdings schwer zu quantifizieren ist, z. B. durch die Einsparung von Personalgewinnungskosten oder durch einen mit dem Ausbildungsengagement einhergehenden Imagegewinn. Im Vergleich zur letzten Erhebung für das Ausbildungsjahr 2012/2013 sind die Bruttokosten um 1,6 Mrd. € und die Nettokosten um etwa 0,7 Mrd. € gestiegen (vgl. Schönfeld u. a. 2020), obwohl die Gesamtzahl der Auszubildenden in diesem Zeitraum um 7,4% zurückgegangen ist (Tabelle A5.2-1). Teilweise kann der Kostenanstieg durch die allgemeine Preisentwicklung erklärt werden. Darüber hinaus sind die Ausbildungsvergütung und die Löhne des ausbildenden Personals noch stärker als die Preise gestiegen.
(Normann Müller, Marion Thiele)
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Aus Platzgründen werden nicht alle Jahre durchgehend dargestellt. Angaben zu den Jahren 2002 bis 2014 finden sich in früheren Ausgaben des Datenreports.
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Die Elemente des Übergangsbereichs bilden nach Meinung vieler Expertinnen/Experten keine abgestimmte, zweckgebundene Einheit, sodass auch der Begriff „Übergangssystem“ umstritten ist. Die Autorengruppe Bildungsberichterstattung (2014, S. 100) versteht unter dem Übergangssektor alle Maßnahmen, die keinen vollqualifizierenden beruflichen Abschluss vermitteln, sondern auf die Aufnahme einer Ausbildung vorbereiten. Die Förderung der außerbetrieblichen Ausbildung wird in diesem Beitrag zu den durch das duale System verursachten Ausgaben gerechnet, da sie ein Substitut für die betriebliche Ausbildung darstellt und das duale System ergänzt.
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Detailliertere Informationen zu einzelnen Programmen oder Fördermaßnahmen, die einen Bezug zur beruflichen Ausbildung aufweisen, finden sich in Kapitel A9.4. Siehe auch Programmdatenbank der Fachstelle überaus: http://www.ueberaus.de/wws/9.php#/wws/programme.php.
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Dieser Wert beinhaltet auch die Fachschulen, die eher der Weiterbildung als der Ausbildung zuzurechnen sind (Kapitel B3.5). Zum Vergleich: Die in der Finanzstatistik für das Jahr 2019 ausgewiesenen Grundmittel für das gesamte Bildungswesen lagen bei ca. 150,1 Mrd. €, wobei es sich hierbei aber noch um vorläufige Ist-Angaben handelt (siehe Statistisches Bundesamt 2020h, S. 30).
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Diese Rechnung basiert jeweils auf den gewichteten Schüler/-innenzahlen aus beiden für das jeweilige Kalenderjahr relevanten Ausbildungsjahren (vgl. auch die entsprechende Fußnote in Tabelle A9.3-1). Zudem wurden die Teilzeitschüler/-innenzahlen in Vollzeitäquivalente umgerechnet.
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Vgl. auch die in Kapitel B3.5 beschriebene Problematik bei der Berücksichtigung von ESF-Mitteln.