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Im Rahmen der BA/BIBB-Bewerberbefragung 2020 wurden die Bewerber/-innen auch explizit danach gefragt, inwieweit die Coronapandemie ihre Berufsorientierung, Berufswahl und Ausbildungsstellensuche beeinflusst hat.

Erste vorläufige Auswertungen zeigen, dass rund 46% der Bewerberinnen und Bewerber, die auf Ausbildungsstellensuche gewesen waren, Angst hatten, wegen der Coronakrise keine passende Ausbildungsstelle zu finden.188 Von denjenigen, die sich zum Befragungszeitpunkt nicht in einer vollqualifizierenden (Berufs-)Ausbildung befanden, waren es sogar 41%, die der Aussage „Ich hatte Angst, wegen der Coronakrise keine passende Ausbildungsstelle zu finden“ ziemlich oder voll und ganz zustimmten und weitere 18%, die der Aussage etwas zustimmten. Bei Personen, die zum Befragungszeitpunkt eine vollqualifizierende Ausbildung (betriebliche Ausbildung oder außerbetriebliche Ausbildung nach BBiG/HwO, Ausbildung außerhalb BBiG/HwO, Studium) absolvierten, fielen die entsprechenden Zustimmungsraten geringer aus Schaubild A8.1.4-1. Insgesamt hatten 21% der ausbildungsstellensuchenden Bewerber/-innen ihre Berufswünsche aufgrund der Coronakrise angepasst.189 Auch hier zeigt sich, dass Personen, die sich zum Befragungszeitpunkt nicht in einer vollqualifizierenden Ausbildung befanden, häufiger sagten, sie hätten ihre Berufswünsche angepasst als Personen, die zum Befragungszeitpunkt eine Ausbildung absolvierten. Warum Auszubildende und Studierende die Ausbildungsstellensuche rückblickend positiver bewerteten als Bewerber/-innen, die sich nicht in einer Ausbildung oder einem Studium befanden, kann verschiedene Gründe haben und lässt sich an dieser Stelle nicht abschließend beantworten. Denkbar ist, dass Personen, denen der Übergang in Ausbildung oder Studium gelungen ist, die Zeit der Ausbildungssuche rückblickend positiv verzerren. Möglich ist aber auch, dass sie bereits vor Beginn der Pandemie eine Ausbildungsstellenzusage hatten oder aber ihre Suche kaum betroffen war.

Schaubild A8.1.4-1: Bewertung der Zeit der Ausbildungsstellensuche (in %): „Hat die Coronakrise Ihre Suche nach einer Ausbildungsstelle beeinflusst? Inwieweit stimmen Sie den folgenden Aussagen zu?“1

Im Rahmen der BA/BIBB-Bewerberbefragung 2020 wurden die Bewerber/-innen auch danach gefragt, ob sich ihr Interesse an einer betrieblichen Ausbildung aufgrund der Coronakrise verändert habe. Wird die Gruppe der Bewerber/-innen fokussiert, die sich zum Befragungszeitpunkt nicht in einer vollqualifizierenden Ausbildung befanden, sagten die wenigsten, ihr Interesse sei gesunken: Lediglich 13% von ihnen gaben an, ihr Interesse habe abgenommen. 53% sagten, ihr Interesse an einer betrieblichen Ausbildung sei unverändert und weitere 18% berichteten von einem gesteigerten Interesse.190

Zusammenfassung und Fazit

Die Coronapandemie und ihre Bekämpfung haben ausbildungssuchende Jugendliche im Jahr 2020 vor große Herausforderungen gestellt. Erste vorläufige Ergebnisse der außerplanmäßigen BA/BIBB-Bewerberbefragung 2020 zeigen, dass viele Bewerber/-innen Sorge äußerten, keine passende Ausbildungsstelle zu finden. Einige passten aufgrund der Coronapandemie ihre Berufswünsche an, aber nur relativ wenige verloren das Interesse an einer betrieblichen Ausbildung.

Werden die Tätigkeiten der Ausbildungsstellenbewerber/-innen des Jahres 2020 mit denen der Bewerberinnen und Bewerber von 2018 verglichen, zeigen sich für bestimmte Bewerbergruppen ungünstige Entwicklungen. Betroffen sind jene Personengruppen, die auch in „normalen“ Ausbildungsvermittlungsjahren seltener Zugang zu einer betrieblichen Ausbildungsstelle finden: Personen mit Migrationshintergrund und Altbewerber/-innen. Im Vergleich zu 2018 befanden sich Bewerber/-innen mit Migrationshintergrund und Altbewerber/-innen 2020 nicht nur seltener in einer betrieblichen Berufsausbildung nach BBiG bzw. HwO, sondern waren auch deutlich häufiger arbeitslos als 2018. Auch bei Bewerberinnen und Bewerbern, die den Kontakt zur BA abgebrochen hatten (unbekannt verbliebene Bewerber/-innen), war der Anteil der Arbeitslosen von 2018 auf 2020 gestiegen.

Inwieweit die Coronapandemie die Integration in die betriebliche Berufsausbildung erschwert (hat), lässt sich anhand dieser ersten deskriptiven Analysen nicht abschließend klären. Hierfür sind weitere Analysen notwendig, die das BIBB ab der zweiten Jahreshälfte 2021 vorlegen wird. Gleichwohl deuten diese ersten vorläufigen Ergebnisse darauf hin, dass bestimmte Bewerbergruppen von der Coronapandemie und ihren Eindämmungsmaßnahmen stärker betroffen sein könnten als andere Gruppen. In diesem Kontext gilt es auch zu untersuchen, inwieweit sich Einschränkungen bei der Teilnahme an betrieblichen Praktika, Einstiegsqualifizierungen und Sprachkursen negativ auf die Integration von Geflüchteten ausgewirkt haben könnten.

(Verena Eberhard, Alexander Christ)

  • 188

    Der Aussage „Ich hatte Angst, wegen der Coronakrise keine passende Ausbildungsstelle zu finden“ stimmten 31% der Bewerber/-innen „ziemlich“ oder „voll und ganz“ zu. Weitere 15% stimmten der Aussage „etwas“ zu.

  • 189

    Der Aussage „Wegen der Coronakrise habe ich meine Berufswünsche angepasst“ stimmten 12% der Bewerber/-innen „ziemlich“ oder „voll und ganz“ zu. Weitere 10% stimmten der Aussage „etwas“ zu.

  • 190

    16% machten keine Angaben oder sagten, sie hätten sich nicht für eine betriebliche Berufsausbildung interessiert.