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Das Thema Frauen in Berufen der Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik (MINT) hat in den vergangenen Jahren nochmals stark an Bedeutung gewonnen, insbesondere aufgrund des erhöhten Fachkräftemangels in diesen Bereichen, der im Jahr 2018 einen neuen Rekord erreicht hat (vgl. Ihsen u. a. 2017; Acatech 2015; Anger/Koppel/Plünecke 2018). Ein Schwerpunkt des BIBB-Forschungsprojektes „Frauen wählen MINT: Einflussfaktoren bei der Berufswahl und der Entscheidung für eine Aufstiegsfortbildung (FeMINT)“ ist die Frage, welche Faktoren die Entscheidung weiblicher Fachkräfte für eine berufliche Höherqualifizierung fördern oder hemmen können (vg. Krämer/Schad-Dankwart 2019; Conein/Krämer/Schad-Dankwart 2020). Denn es zeigt sich insbesondere bei den MINT-Berufen, dass der Anteil von Frauen an Fortbildungsabschlüssen deutlich unter dem Anteil der Auszubildenden liegt. Am Beispiel einiger Chemie- und Metallberufe wird dies deutlich Tabelle C4.3-1.

Tabelle C4.3-1: Frauenanteile in Ausbildungsberufen im Vergleich zum Anteil der Teilnehmerinnen an vorbereitenden Veranstaltungen zu Fortbildungsprüfungen (in %)

Während rund 14% der Auszubildenden des Berufs des Chemikanten/der Chemikantin und sogar mehr als die Hälfte der Chemielaboranten/Chemielaborantinnen weiblich sind, sind nur rund 13% der Teilnehmenden an Vorbereitungskursen zur entsprechenden Fortbildungsprüfung zum/zur Industriemeister/-in Chemie Frauen. Ähnlich verhält es sich bei den Metallberufen, bei denen ebenfalls ein deutlicher Rückgang zwischen dem Frauenanteil an der Ausbildung und dem der Fortbildung zu verzeichnen ist.

Dieser Effekt wird in der Literatur als „leaking pipeline“ bezeichnet; das heißt, dass sich wie beim Durchlauf durch ein löchriges Rohr der Anteil von Frauen im technischen Bereich mit jeder Bildungs- und Karrierestufe verringert (vgl. Solga/Pfahl 2009). Es scheint somit, dass Frauen auch hier immer noch an eine gläserne Decke stoßen. Im Rahmen des FeMINT-Projektes wurden Expertinnen und Experten aus Unternehmen, Organisationen der Interessenvertretung und der Wissenschaft dazu befragt, wie sich diese Entwicklungen verändern können.

Als wichtiges Instrument zur Förderung von Frauen erweisen sich aus Sicht der Befragten regelmäßige und institutionalisierte Gespräche der Vorgesetzten mit ihren Mitarbeiterinnen. Die Ergebnisse dieser Gespräche müssen in eine Festlegung von Zielen münden wie z. B. erforderliche Qualifizierungsmaßnahmen, deren Erreichung später auch verbindlich überprüft werden muss. Dabei ist es durchaus förderlich, dass Vorgesetzte Frauen nicht nur fragen, ob sie z. B. eine Teamleitung übernehmen wollen. Wichtig ist vielmehr, dass im Sinne einer positiven Stärkung der Mitarbeiterin ausdrücklich gesagt wird, dass ihr die Fähigkeit zugetraut wird, eine solche Verantwortung zu übernehmen. Ähnliches gilt für Aufstiegsqualifizierungen. Oft wird es vonseiten der Vorgesetzten dabei belassen, die Teilnahme an einer Fortbildungsmaßnahme zu loben und anzudeuten, dass damit vielleicht in Zukunft eine höhere Position erreichbar wäre. Die Experten und Expertinnen fordern darüber hinaus, dass es hier nicht nur bei einer Ermutigung bleiben dürfe, sondern direkt auch eine entsprechende berufliche Position angeboten werden solle.

In einigen Unternehmen, insbesondere den größeren, werden spezielle Programme zur Förderung von Frauen entwickelt. Dadurch sollen weibliche Fachkräfte bestärkt werden, eigene Vorstellungen über ihre Berufskarriere zu entwickeln und diese auch aktiv voranzutreiben. So werden Frauen z. B. Projekte in Eigenverantwortung übertragen oder sie erhalten erste Führungsaufgaben, die sie auch dazu auffordern sollen, eine entsprechende Karriere anzustreben. Die Erfahrung zeigt, dass in den meisten Fällen Frauen vonseiten des Unternehmens gezielt auf solche Programme angesprochen werden müssen, da sie oft noch nicht über das entsprechende Selbstbewusstsein verfügen.

In Hinblick auf die Frage, wie sich mehr Frauen in Führungspositionen bringen lassen, besteht bei den befragten Experten und Expertinnen über die Notwendigkeit von Quoten für Frauen in leitenden Positionen überwiegend Einigkeit. Die Erfahrungen der Vergangenheit, in der es oft bei entsprechenden Willensbekundungen geblieben ist, macht deutlich, dass es ohne verbindliche Quoten kaum Frauen in Führungspositionen gibt. Dass solche Quoten tatsächlich auch Effekte bringen, zeigen die Erfahrungen in skandinavischen Ländern.

Eine Quote für alle betrieblichen Hierarchien darf nach Ansicht der Befragten jedoch nicht unbedingt als Zwang empfunden werden, sondern sollte auch zum Nachdenken über das eigene Verhalten und die Unternehmenskultur anregen. Außerdem müssten die Themen Frauenförderung und Diversity, d. h. die Wertschätzung menschlicher Vielfalt, auch auf der höchsten Hierarchiestufe des Unternehmens angesiedelt sein, um deren Bedeutung zu unterstreichen. Aus Sicht der Experten und Expertinnen muss es in allen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bereichen in Zukunft selbstverständlicher werden, dass Frauen technische Berufe ausüben und dort auch Karriere machen. Deshalb ist und bleibt die Quote aus ihrer Sicht weiterhin ein wichtiges Instrument.

Das BIBB-Forschungsprojet FeMINT wird sich in weiteren Untersuchungen mit der Frage beschäftigen, wie Frauen in MINT-Berufen zu einer beruflichen Höherqualifizierung ermutigt werden können. Dazu werden u. a. Interviews mit weiblichen Fachkräften in diesen Berufen sowie Teilnehmerinnen an Vorbereitungskursen zu Fortbildungsprüfungen geführt. Zum Ende des Projektes ist eine breit angelegte Onlinebefragung von Frauen in gewerblich-technischen Berufen geplant. Ziel ist es, Empfehlungen zur Förderung der Karriere von Frauen für Unternehmen und die Berufsbildungspolitik zu entwickeln.

(Heike Krämer)