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Im Rahmen der BA/BIBB-Bewerberbefragung 2020 (Kapitel A8.1) wurden die ausbildungsinteressierten jungen Menschen um Auskunft darüber gebeten, ob sie sich auch auf betriebliche Berufsausbildungsstellen beworben hatten, die mehr als 100 km von ihrem Wohnort entfernt liegen. Bei einer Entfernung des Ausbildungsbetriebs von mehr als 100 km vom Heimatort ist ein tägliches Pendeln kaum noch realisierbar, sodass in den meisten Fällen ein Umzug erforderlich sein dürfte. 7% der Befragten gaben an, dass sie sich tatsächlich auf mehr als 100 km vom Heimatort entfernte Ausbildungsplätze beworben hatten Tabelle A8.2.2-1.

Tabelle A8.2.2-1: Mobilitätsverhalten von im Berichtsjahr 2019/2020 registrierten Ausbildungsstellenbewerbern/ -bewerberinnen (ohne Personen im Kontext von Fluchtmigration): Ergebnisse der BA/BIBBBewerberbefragung 2020 (in %)

Wie sich bereits in den Ergebnissen der Befragung 2018 abzeichnete (BIBB-Datenreport 2019, Kapitel A8.2), lässt sich auch in der BA/BIBB-Bewerberbefragung 2020 ein deutlicher Zusammenhang zwischen Geschlecht, Alter sowie Schulabschluss und der Bereitschaft zu einer ausbildungsbedingten Mobilität erkennen. Während junge Männer, jüngere Bewerber und Bewerber/-innen mit Hauptschulabschluss relativ selten Bewerbungen für Ausbildungsplätze im Umkreis von über 100 km vom Wohnort entfernt versendeten, war dies bei Frauen, Älteren und Studienberechtigten viel häufiger der Fall. Ob Bewerber/-innen in Städten (dicht besiedelte Gebiete), kleineren Städten und Vororten (Gebiete mit mittlerer Bevölkerungsdichte) oder ländlichen Gebieten (dünn besiedelte Gebiete) leben, scheint hingegen keinen nennenswerten Einfluss darauf zu haben, ob sie sich auch überregional bewerben.

Verstädterungsgrad DEGURBA (Degree of Urbanisation)

Der Verstädterungsgrad DEGURBA (von engl. „Degree of Urbanisation“) ist ein Kriterium zur Charakterisierung eines Gebietes. Er wird entsprechend der Definition von Eurostat beim Statistischen Bundesamt erfasst.

Auf der Grundlage des Anteils der lokalen Bevölkerung in städtischen Ballungsgebieten und städtischen Zentren werden Gemeinden in drei Gebietstypen eingeteilt:

  • Städte (dicht besiedelte Gebiete)
    Gemeinden, deren Bevölkerung zu mindestens 50% in städtischen Zentren lebt.
  • Kleinere Städte und Vororte (Gemeinden mit mittlerer Bevölkerungsdichte)
    Gemeinden, deren Bevölkerung zu weniger als 50% in städtischen Zentren und zu weniger als 50% in ländlichen Gebieten lebt.
  • Ländliche Gebiete (dünn besiedelte Gemeinden)
    Gemeinden, deren Bevölkerung zu mindestens 50% in ländlichen Gebieten lebt.

Der Verstädterungsgrad bietet gegenüber der Bevölkerungsdichte (Einwohner pro Quadratkilometer) den Vorteil, dass er nicht durch die flächenmäßige Ausdehnung einer Gemeinde verzerrt wird und somit ein treffenderer Indikator für die Erreichbarkeit städtischer Zentren durch die Bevölkerung ist. Zudem ist er aufgrund der klaren Kategorisierung leicht verständlich. Vgl. Eurostat 2021 für detaillierte Informationen.

Insgesamt scheint der Einfluss der offiziell erfassten lokalen Marktlage auf das Mobilitätsverhalten gering zu sein.192 Lediglich in Regionen mit einer Angebots-Nachfrage-Relation (eANR) von über 110 sind überregionale Bewerbungen etwas seltener zu beobachten (4%) als bei einem aus Sicht der Jugendlichen weniger entspannten Markt. Bedeutsamer als die allgemeine Ausbildungsmarktlage vor Ort ist dagegen die individuelle Bewerbungshistorie der befragten Jugendlichen. Liegt das Jahr des erstmalig angestrebten Ausbildungsbeginns schon weiter zurück (sodass die betroffenen Jugendlichen schon relativ lange auf Ausbildungsplatzsuche sind), steigt auch deren Neigung, sich überregional zu bewerben.

Diejenigen, die sich zum Befragungszeitpunkt in dualer Berufsausbildung befanden, wurden in der BA/BIBB-Bewerberbefragung auch nach ihrem tatsächlichen Mobilitätsverhalten im Zusammenhang mit der Aufnahme der Ausbildung gefragt. 6% gaben an, für die Aufnahme der Ausbildung umgezogen zu sein. Dabei zeichnen sich in etwa dieselben Einflussgrößen ab, wie oben in Hinblick auf die überregionalen Bewerbungen geschildert wurde. Auszubildende, die ursprünglich aus ländlichen Regionen stammen, gaben allerdings etwas häufiger an, für die Ausbildung umgezogen zu sein, als solche aus dichter besiedelten Gebieten. Dass sich Bewerber/-innen aus ländlichen Regionen nicht häufiger weiter als 100 km entfernt bewarben (s. o.), könnte darauf hindeuten, dass Umzüge für die Aufnahme einer Ausbildung eher unterhalb der Entfernung von 100 km stattfinden.

Deutlich häufiger als Umzüge ist tägliches Pendeln zu beobachten Tabelle A8.2.2-1. Knapp ein Viertel aller Befragten (24%) in dualer Berufsausbildung gab an, mehr als 20 km tägliche Wegstrecke (einfache Fahrt) bis zum Ausbildungsbetrieb zurückzulegen. Vor allem Auszubildende, die in ländlichen Regionen leben, berichteten von solchen Wegstrecken (32%), während nur 16% der Auszubildenden in Städten angaben, einen Arbeitsweg von 20 km oder mehr zu haben.

(Philip Herzer)

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    Zu berücksichtigen ist allerdings, dass die eANR die bereits durch Mobilität beeinflussten Marktlagen widerspiegeln. Informationen zum Einfluss von Mobilität auf die Situation am Ausbildungsmarkt finden sich bei Herzer/Ulrich 2020.