Die berufliche Aus- und Weiterbildung in Deutschland war auch im Jahr 2021 stark von der Coronapandemie und den zu ihrer Bekämpfung durchgeführten Maßnahmen geprägt:
Das Ausbildungsangebot stieg zwar wieder um 8.800 Stellen auf 536.200 leicht an, der massive Einbruch im Jahr 2020 konnte hierdurch jedoch nicht ausgeglichen werden. Gegenüber dem Vorpandemiejahr 2019 wurden 41.900 Ausbildungsstellen weniger angeboten. Auch die Nachfrage der jungen Menschen nach einer Ausbildungsstelle ging noch einmal um 4.800 auf 540.900 zurück; 2019 lag diese Zahl noch bei 598.800. Ursächlich für diesen Rückgang ist zum einen die demografische Entwicklung, die zu sinkenden Zahlen bei den Schulabgängern/-abgängerinnen führt. Zum anderen geht die Affinität der Jugendlichen zum dualen System der Berufsausbildung insgesamt zurück, wobei das geringere Interesse an dualen Ausbildungsberufen stark mit einem Trend zu akademischen Abschlüssen korrespondiert.
Wie in den Jahren zuvor war es auch 2021 schwierig, ausbildungsinteressierte Jugendliche und stellenofferierende Betriebe zusammenzubringen. Bei den unbesetzten Berufsausbildungsstellen wurde mit 63.200 ein neuer Höchststand erreicht. Ihnen standen 67.800 Bewerberinnen und Bewerber gegenüber, die noch auf der Suche nach einer Ausbildungsstelle waren. Hinsichtlich der Passungsprobleme gab es erneut große Unterschiede zwischen Berufen und Regionen. Die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge ist infolgedessen nur um 5.600 Verträge (+1,2 %) auf 473.100 gewachsen, wie die BIBB-Erhebung zum 30.09. ergab. Gegenüber dem Wert von 2019 waren dies 52.000 (-9,9 %) weniger abgeschlossene Ausbildungsverträge.
Die BA/BIBB-Bewerberbefragung 2021 zeigt, dass ausbildungsplatzsuchende Jugendliche auch im zweiten Jahr der Pandemie vor großen Herausforderungen standen und diese oftmals als belastend wahrgenommenen wurden. Die Einmündungsquote in eine betriebliche Berufsausbildung ging insgesamt noch einmal zurück, wobei hiervon insbesondere Personen mit Fluchthintergrund, Altbewerber/-innen und unbekannt verbliebene Ausbildungsstellenbewerber/-innen betroffen waren. Bildungspolitisch ist dies eine kritische Entwicklung, da sich hierdurch das Risiko erhöht, dass diese Personengruppen auf Dauer ohne formalen Berufsabschluss bleiben.
Erfreulicherweise gab es auch positive Entwicklungen, die auf die Krisenfestigkeit und die starke Integrationsfunktion des dualen Systems hinweisen: So zeigte sich für diejenigen, die einen Ausbildungsvertrag abschließen und ihre Ausbildung antreten konnten, kein höheres Lösungsrisiko im ersten Jahr der Coronapandemie. Die Vertragslösungsquote ging vielmehr sogar erstmals seit 2015 wieder etwas zurück. Darüber hinaus blieben sowohl die Gesamtzahl der angetretenen Abschlussprüfungen als auch der Anteil der erfolgreich bestandenen Prüfungen stabil.
Die Teilnahme an beruflicher Weiterbildung wurde auch 2021 durch die Pandemie eingeschränkt. Die wirtschaftliche Stimmung in der Weiterbildungsbranche ist nach Angaben der aktuellen wbmonitor-Umfrage zwar wieder leicht ins Positive gestiegen, der Klimaindex lag jedoch weiter deutlich unter dem Wert von 2019. Die Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie, insbesondere die Kontaktbeschränkungen, führten zu einem Digitalisierungsschub in der Weiterbildung, wodurch der Anteil digitaler Weiterbildungsformate deutlich gewachsen ist. Ob sich die Angebotsstrukturen nur temporär oder auf Dauer verändert haben, lässt sich derzeit allerdings noch nicht sagen.
Im diesjährigen Schwerpunktkapitel „Fachkräftesicherung und qualifizierte Zuwanderung: Potenziale nutzen“ werden das Migrationsgeschehen der letzten Jahre und die Entwicklung der rechtlichen Rahmenbedingungen betrachtet. Anhand empirischer Daten werden Verwertbarkeit von im Ausland erworbenen Kompetenzen und Qualifikationen auf dem deutschen Arbeitsmarkt sowie Beschäftigungschancen und Lohnaussichten von Personen mit ausländischen Qualifikationen untersucht. Umfassend wird zudem über die Erfahrungen aus zehn Jahren Anerkennung von im Ausland erworbenen Berufsqualifikationen und formal als gleichwertig anerkannten Abschlüssen berichtet, durch die der Arbeitsmarktzugang in Deutschland geöffnet und qualifikationsadäquate Beschäftigung möglich wird. Für die in Deutschland vor dem Krieg Zuflucht suchenden Menschen aus der Ukraine könnten sich die etablierten Anerkennungsverfahren jetzt als sehr nützlich erweisen.
Fachkräftezuwanderung, Nachqualifizierung und berufliche Weiterbildung sind Möglichkeiten, um die Fachkräftebasis für heute und morgen zu sichern. Denn der Altersaufbau unserer Gesellschaft führt dazu, dass sich viele Fachkräfte in Deutschland am Ende ihrer Erwerbsbiografie befinden und in den nächsten Jahren ihr Renteneintrittsalter erreichen. Zu den zentralen bildungspolitischen Aufgaben gehört darüber hinaus, dass wir uns mit aller Kraft um den eigenen Nachwuchs sorgen und die Attraktivität der dualen Berufsausbildung für junge Menschen wieder steigern. Hierbei geht es neben den Verdienstmöglichkeiten und Arbeitsbedingungen vor allem auch um die soziale Anerkennung und das Ansehen dualer Ausbildungsberufe in der Gesellschaft. Darüber hinaus müssen Aufstiegsoptionen und die Durchlässigkeit zu akademischen Bildungsgängen beworben und weiterentwickelt werden.
Der Datenreport zum Berufsbildungsbericht der Bundesregierung wird in diesem Jahr zum vierzehnten Mal vom BIBB herausgegeben. Er enthält umfassende Informationen und Analysen zur beruflichen Aus- und Weiterbildung in Deutschland, gibt einen Überblick über Programme des Bundes und der Länder zur Förderung der Berufsausbildung und informiert über internationale Indikatoren und Benchmarks. Diese Druckausgabe wird durch zusätzliche Tabellen ergänzt, die auf dem Internetportal www.bibb.de/datenreport zum Abruf bereitstehen.
Wir wünschen uns, dass Sie in diesem Datenreport viel Informatives wie auch Anregendes finden werden. Auf Ihr Feedback, Ihre Anregungen und Anmerkungen freuen wir uns (datenreport@bibb.de).
Prof. Dr. Friedrich Hubert Esser
Präsident