Das Wichtigste in Kürze
Die duale Berufsausbildung hat in Deutschland traditionell einen hohen Stellenwert. Im längeren Zeitvergleich ist die Zahl der Auszubildenden jedoch deutlich zurückgegangen. 2020 absolvierten 1,29 Mio. Auszubildende eine Ausbildung in einem der 323 nach BBiG/HwO anerkannten Ausbildungsberufe (2019: 1,33 Mio.). 2010 hatte die Gesamtzahl der Auszubildenden noch bei 1,51 Mio. gelegen (Kapitel A3.1 und Kapitel A5.2).
Diese Entwicklung ist auf demografiebedingt sinkende Schulabgängerzahlen, aber auch auf einen Trend zu höheren Schulabschlüssen und eine gestiegene Studierneigung zurückzuführen. Zuletzt musste der Ausbildungsmarkt im Zuge der Coronapandemie und der damit verbundenen Einschränkungen erhebliche Einbußen verkraften.
Auch 2021 hat sich die Lage am Ausbildungsmarkt nur leicht entspannt. Das Niveau von vor der Pandemie wurde bei weitem nicht erreicht. Im Folgenden wird die aktuelle Situation am Ausbildungsmarkt anhand zentraler Eckdaten skizziert. Für weitergehende Informationen wird auf die entsprechenden Kapitel in diesem Datenreport verwiesen.
Aktuelle Entwicklungen auf dem Ausbildungsmarkt 2021
- Leichter Anstieg der Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge
Nach den Ergebnissen der Erhebung des BIBB bei den zuständigen Stellen wurden im Zeitraum vom 1. Oktober 2020 bis 30. September 2021 bundesweit insgesamt 473.1001 Ausbildungsverträge neu abgeschlossen. Das entspricht einem Anstieg um 5.600 Verträge (+1,2 %) im Vergleich zum Vorjahr. Die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge lag jedoch weiterhin deutlich (-52.000 bzw. -9,9 %) unter dem Wert von 2019, dem Jahr vor der Pandemie (Kapitel A1.2). Zuwächse im Vergleich zu 2020 gab es sowohl bei den betrieblichen Ausbildungsverträgen (+4.000 bzw. +0,9 % auf 456.600) als auch bei den außerbetrieblichen Ausbildungsverträgen (+1.600 bzw. +10,9 % auf 16.500).
- Leichte Zuwächse auch beim Ausbildungsangebot
Bundesweit wurden 536.200 Ausbildungsstellen angeboten. Das Ausbildungsangebot (neu abgeschlossene Ausbildungsverträge plus unbesetzte Berufsausbildungsstellen) fiel somit um 8.800 Stellen (+1,7 %) höher aus als im Vorjahr (Kapitel A1.1). Das betriebliche Ausbildungsangebot (ohne überwiegend öffentlich finanzierte Ausbildungsstellen) betrug 519.700. Somit haben Betriebe und Unternehmen in Deutschland 7.200 (+1,4 %) Ausbildungsplätze mehr zur Verfügung gestellt als 2020. Auch das Angebot blieb jedoch deutlich hinter dem Wert von 2019 zurück (Angebot: -41.900 bzw. -7,3 %; betriebliches Angebot: -44.100 bzw. -7,8 %).
- Weitere Rückgänge auf Nachfrageseite
Die Nachfrage (hier: erweiterte Definition = neu abgeschlossene Ausbildungsverträge plus alle zum Stichtag 30. September noch eine Ausbildungsstelle suchenden Bewerberinnen und Bewerber) ist 2021 auf 540.900 gesunken (-4.800 bzw. -0,9 % zu 2020). Der Vergleich zu 2019 (598.800) zeigt erhebliche Einbußen auf der Nachfrageseite (-57.900 bzw. -9,7 %). 2019 war die Nachfrage nach der erweiterten Definition erstmals unter 600.000 gefallen (Kapitel A1.1). Mit Blick auf die Sicherung der künftigen Fachkräftebasis stellt der Rückgang der Nachfrage eine erhebliche Herausforderung dar.
- Anstieg der Angebots-Nachfrage-Relationen
Die Angebots-Nachfrage-Relation (hier erweiterte Definition) lag 2021 bei 99,1 (2020 und 2019 jeweils 96,6). Bezogen allein auf das betriebliche Angebot betrug sie 96,1 (2020: 93,9; 2019: 94,2). Die Einmündungsquote ausbildungsinteressierter Jugendlicher (EQI) fiel mit 66,9 ebenfalls höher aus (2020: 64,5; 2019: 66,7). Somit hat sich die Marktlage aus Sicht der eine Ausbildung nachfragenden Jugendlichen verbessert. Das Ergebnis ist aber auch darauf zurückzuführen, dass die Nachfrage und auch die Zahl der Ausbildungsinteressierten deutlich niedriger ausfallen als in früheren Jahren (Kapitel A1.1).
- Schwierigkeiten bei der Zusammenführung von Angebot und Nachfrage
Auch 2021 ist die Zahl der unbesetzten Berufsausbildungsstellen weiter gestiegen, und zwar um 3.200 (+5,4 %) auf 63.200. 24.600 Bewerberinnen und Bewerber waren noch unversorgt, 4.700 (-16,1 %) weniger als 2020. Die Zahl der Bewerberinnen und Bewerber mit Alternative zum 30.9. und weiterem Vermittlungswunsch in Ausbildung lag mit 43.200 ebenfalls unter dem Vorjahresniveau (-5.700 bzw. -11,6 %). Insgesamt waren somit 67.800 Bewerberinnen und Bewerber noch auf der Suche nach einer Ausbildungsstelle und wünschten eine entsprechende Vermittlung durch die BA (2020: 78.200; 2019: 73.700).
Die Ergebnisse zeigen, dass es nach wie vor Schwierigkeiten gibt, Ausbildungsangebot und -nachfrage zusammenzuführen. Der Anteil der noch eine Ausbildungsstelle suchenden Bewerberinnen und Bewerber an der Gesamtnachfrage fiel 2021 mit 12,5 % niedriger aus als 2020 (14,3 %). Hier wurde nahezu der Wert von 2019 erreicht (2019: 12,3 %). Der Anteil der unbesetzten Stellen am betrieblichen Gesamtangebot ist hingegen weiter gestiegen (2019: 9,4 %; 2020: 11,7 %; 2021: 12,2 %). Dabei gibt es erhebliche Unterschiede zwischen Berufen und Regionen (Kapitel A1.1).
Weitere zentrale Herausforderungen und Entwicklungen
Da mit Veröffentlichung des vorliegenden Datenreports noch nicht aus allen zentralen Statistiken Daten für 2021 vorliegen, beinhaltet die folgende Darstellung neben Angaben für 2021 auch Angaben für 2020. Dies ist bei der Interpretation der Ergebnisse zu beachten.
- Anfängerinnen und Anfänger im Übergangsbereich
Nach deutlichen Rückgängen der Anfängerzahlen im Übergangsbereich zwischen 2005 (417.600) und 2014 (252.700) ist ihre Zahl in den Jahren 2015 und 2016 gestiegen. Dieser Anstieg war im Wesentlichen auf die zunehmende Zahl Geflüchteter zurückzuführen, die insbesondere in Programme zum Erlernen der deutschen Sprache im Übergangsbereich einmündeten. Seitdem sinkt die Zahl wieder. Auch für 2021 ist ein weiterer Rückgang zu verzeichnen. Die Schnellmeldung der integrierten Ausbildungsberichterstattung (iABE) weist 228.100 Anfängerinnen und Anfänger im Übergangsbereich aus. Das sind 6.500 (-2,8 %) weniger als 2020. Gleichzeitig sind mehr Jugendliche im allgemeinbildenden Schulsystem verblieben (Kapitel A4 und Kapitel A12.2).
- Ausbildungsbeteiligung der Betriebe
Nach Analysen des BIBB anhand der Daten der Beschäftigungsstatistik der BA beteiligten sich im Berichtsjahr 2020 419.700 Betriebe an der beruflichen Ausbildung von Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Im Vergleich zum Vorjahr ist die Anzahl der Ausbildungsbetriebe um 6.100 (-1,4 %) gesunken. Die Ausbildungsbetriebsquote lag bei 19,4 % (2019: 19,6 %). Die Rückgänge im Bestand an Ausbildungsbetrieben fielen bei Kleinstbetrieben am stärksten aus (Kapitel A7.1).
- Vertragslösungsquote
2020 wurden 25,1 % der Ausbildungsverträge vorzeitig gelöst (2019: 26,9 %). Die Vertragslösungsquote ist damit erstmals seit 2015 wieder gesunken. Somit zeigen sich zumindest für diejenigen, die einen Ausbildungsvertrag abschließen und den Ausbildungsplatz auch antreten konnten, hinsichtlich des Vertragslösungsrisikos keine besonderen Risiken im ersten Jahr der Coronapandemie. Zu diesem Ergebnis kommen Analysen des BIBB anhand der Daten der Berufsbildungsstatistik der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder (Kapitel A5.6).
- Abschlussprüfungen
2020 wurden nach den Daten der Berufsbildungsstatistik insgesamt 424.200 Abschlussprüfungen registriert (2019: 423.500). Der Anteil der erfolgreich bestandenen Abschlussprüfungen an allen Prüfungsteilnehmenden blieb stabil (2020: 92,3 %, 2019: 92,8 %). Damit konnten für das Jahr 2020 keine besonderen Auffälligkeiten für die Abschlussprüfungen festgestellt werden (Kapitel A5.7).
- Personen ohne Berufsabschluss
Nach BIBB-Berechnungen auf Basis des Mikrozensus verfügten 2020 15,5 % (hochgerechnet 2,33 Mio. Menschen) zwischen 20 und 34 Jahren in Deutschland über keinen Berufsabschluss und somit über schlechtere Voraussetzungen für eine dauerhafte qualifizierte Beteiligung am Erwerbsleben. Personen ohne Schulabschluss sind besonders gefährdet, keinen Berufsabschluss zu erzielen. Mit steigendem Schulabschluss sinkt die Ungelerntenquote. Überdurchschnittlich häufig bleiben auch Personen mit Migrationshintergrund ohne Berufsabschluss. Die Quote der nicht formal Qualifizierten betrug bei den 20- bis 34-jährigen Migrantinnen und Migranten mit eigener Migrationserfahrung 34,8 % (zum Vergleich: Deutsche ohne Migrationshintergrund: 8,9 %) (Kapitel A11.3).
- Sicherung der zukünftigen Fachkräftebasis
Angesichts der beschriebenen Entwicklungen stellt die Sicherung der Fachkräftebasis in Deutschland eine zentrale Herausforderung dar. Nach den Ergebnissen von PROSIMA, dem ökonometrischen Prognose- und Simulationsmodell, das das BIBB für die Vorausschätzung der Ausbildungsmarktlage heranzieht, könnte es 2022 zu einem Anstieg des Ausbildungsangebots und der Nachfrage nach Ausbildungsstellen kommen. Hintergrund ist der für 2022 erwartete, wenngleich aufgrund des Krieges in der Ukraine gebremste, konjunkturelle Aufschwung. Da der Anstieg auf Nachfrageseite voraussichtlich etwas stärker ausfallen wird als auf Angebotsseite, könnte sich das Verhältnis von Angebot und Nachfrage etwas zulasten der nachfragenden jungen Menschen verschlechtern. Für 2022 sind die Schätzungen jedoch mit besonderen Unsicherheiten verbunden (Kapitel A2.2).
- Modernisierung der beruflichen Bildung
Ein modernes und leistungsfähiges Berufsausbildungssystem lebt insbesondere von der Qualität seiner Ausbildungsordnungen. Sie bilden die Grundlage für eine zukunftsfeste Berufsausbildung als Voraussetzung für lebenslanges Lernen. Seit 2012 wurden insgesamt 115 Ausbildungsberufe neu geordnet. Darunter waren 111 modernisierte und vier neue Ausbildungsberufe (Kapitel A3.2).
Weitere Ergebnisse zu Auswirkungen der Coronapandemie auf die berufliche Bildung
Um die Erkenntnislage zu den Auswirkungen der Coronapandemie auf die Berufsausbildung zu verbessern, wurde eine Vielzahl an Umfragen gestartet. Über aktuelle Ergebnisse seiner (Forschungs-)Arbeiten mit Bezug zu Covid-19 informiert das BIBB regelmäßig auf der Internetseite „Berufliche Bildung und Corona“.2
Überblick über die wichtigsten zugrunde liegenden Statistiken
Die oben genannten Kernaussagen zu den zentralen Entwicklungen basieren auf verschiedenen Statistiken und Erhebungen. Über zentrale zugrunde liegende Datenquellen mit ihren jeweiligen Verwendungszwecken informiert Tabelle A-1.
(Bettina Milde)