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Die Auswirkungen der Coronapandemie auf das Ausbildungsgeschehen in Deutschland sind auch im Berichtsjahr 2021 spürbar. Zwar entwickelte sich das Ausbildungsplatzangebot im Rahmen der dualen Berufsausbildung nach dem erheblichen Rückgang im Vorjahr wieder positiv und stieg um 1,7 % auf 536.200 Stellen,3 lag aber noch deutlich unter dem Niveau von 2019 (578.200) vor Ausbruch der Coronapandemie. Die Ausbildungsplatznachfrage sank hingegen erneut um 0,9 % auf 540.900. Zum Vergleich: 2019 fragten insgesamt 598.800 junge Menschen bei der BA eine Ausbildungsstelle nach. Das waren 57.900 bzw. 9,7 % mehr Ausbildungsplatznachfragende als im aktuellen Berichtsjahr Tabelle A1.1.1-3.4

Anhand der längerfristigen Entwicklung des Ausbildungsplatzangebots und der Ausbildungsplatznachfrage ist ersichtlich, dass die Rückgänge von Angebot und Nachfrage nur zu einem Teil auf die Coronapandemie und ihre Eindämmungsmaßnahmen zurückgeführt werden können Tabelle A1.1.1-3. Im Zuge sinkender Zahlen an Schulabgängern/-abgängerinnen in den vergangenen Jahren Tabelle A1.1.1-4, einem sinkenden Ausbildungsinteresse und steigenden Zahlen unbesetzter Ausbildungsstellen war der Ausbildungsmarkt bereits vor Ausbruch der Coronapandemie von rückläufigen Entwicklungen gekennzeichnet. Vor diesem Hintergrund hatte auch die bereits im Frühjahr 2019 durchgeführte Punktschätzung durch das „Ökonometrische Prognose-und Simulationsmodell des Ausbildungssystems“ (PROSIMA) für das Ausbildungsjahr 2020 mit Rückgängen auf der Angebots- und Nachfrageseite und daraus folglich für die Anzahl neu abgeschlossener Ausbildungsverträge gerechnet (BIBB-Datenreport 2020, Kapitel A2). Für das zurückliegende Ausbildungsjahr 2021 hatte die PROSIMA-Punktschätzung, insbesondere aufgrund einer erstmals seit 2016 angestiegenen Zahl an Schulabgängern/-abgängerinnen eine leichte Erholung auf beiden Seiten des Marktes vorausgesagt. Das Modell prognostizierte einen Anstieg des Ausbildungsplatzangebots um 4.700 auf insgesamt 532.100 Ausbildungsplatzangebote und aufseiten der Ausbildungsplatznachfrage einen Anstieg um 8.000 auf insgesamt 553.700 (BIBB-Datenreport 2021, Kapitel A2). Bemerkenswert ist, dass trotz einer gestiegenen Zahl an Schulabgängern und Schulabgängerinnen die Nachfrageseite entgegen der Prognose, nach den erheblichen Einbrüchen im Vorjahr erneut gesunken ist. Zu welchem Anteil der Rückgang der Ausbildungsplatznachfrage auf ein tatsächlich gesunkenes Interesse an einer Ausbildung zurückzuführen ist und welcher Teil des Nachfragerückgangs durch die geringeren Vermittlungsaktivitäten der BA oder durch eingeschränkte Maßnahmen zur Berufsorientierung erklärt werden kann, lässt sich nicht sicher einschätzen.

Tabelle A1.1.1-3: Entwicklung von Angebot und Nachfrage 2011 bis 2021 in Deutschland (Stichtag 30. September)

Tabelle A1.1.1-4: Entwicklung der Zahl der Schulabgänger/-innen und -absolventen/-absolventinnen 2010 bis 2021 (2021 geschätzt)

Nachfrage: Differenzierungen nach persönlichen Merkmalen

In den letzten Jahren veränderte sich die Ausbildungsplatznachfrage in ihrer Merkmalsstruktur. Bei der Betrachtung der Ausbildungsplatznachfrage seit 2011 entwickelte sich die Zahl der Nachfragerinnen anteilig stärker rückläufig als die der Nachfrager. Seit 2011 fiel die Zahl der Nachfragerinnen um 68.200 bzw. 25,8 % auf 196.100 (im Vergleich zum Vorjahr: -2.900 bzw. -1,5 %). Bei den jungen Männern, bei denen die Nachfrage im Laufe des vergangenen Jahrzehnts teilweise sogar anstieg, fiel der Rückgang von 2011 (377.500) auf 2021 (344.600) um 32.900 bzw. 8,7 % dagegen geringer aus Tabelle A1.1.1-3. Die Entwicklung der relativen Anteile verdeutlicht den Rückgang der jungen Frauen an der gesamten Ausbildungsplatznachfrage deutlicher: Der Anteil der jungen Frauen sank von 41,2 % im Jahr 2011 auf 36,3 % im Berichtjahr 2021 um rd. 5 Prozentpunkte. Umgekehrt stieg der Anteil der jungen Männer um 5 Prozentpunkte von 58,8 % im Jahr 2011 auf 63,7 %.

Zum anderen zeichnet sich die Nachfrage seit einigen Jahren – infolge einer demografisch bedingt sinkenden Zahl an Schulabgängern/-abgängerinnen und des Trends zur Höherqualifizierung – durch eine im Schnitt stark gestiegene schulische Vorbildung aus. Während 2011 noch 137 Nachfrager/-innen mit Hauptschulabschluss auf jeweils 100 studienberechtigte Nachfrager/-innen entfielen, waren es 2021 nur noch 86. Die Zahl der Nachfrager/-innen mit Studienberechtigung überstieg somit erneut die Zahl der Nachfrager/-innen mit Hauptschulabschluss5 Tabelle A1.1.1-3.

Während steigende Zahlen geflüchteter Ausbildungsstellenbewerber/-innen 2017 und 2018 zu einer leicht steigenden Ausbildungsplatznachfrage beigetragen hatten, wurden 2021 nur noch 16.300 Nachfrager/-innen im Kontext Fluchtmigration registriert (-900 bzw. -5,4% im Vergleich zu 2020).6

Angebots-Nachfrage-Relation

Da gegenüber dem Vorjahr bundesweit das Ausbildungsplatzangebot wieder leicht angestiegen und gleichzeitig die Ausbildungsplatznachfrage etwas zurückgegangen ist, veränderte sich das Verhältnis zwischen beiden Größen (eANR = erweiterte Angebots-Nachfrage-Relation) zugunsten der Ausbildungsplatznachfrager/-innen. Im Berichtsjahr 2021 fallen rechnerisch 99,1 Ausbildungsplatzangebote auf je 100 Ausbildungsplatznachfrager/-innen. Die Angebots-Nachfrage-Relation ist gegenüber dem Vorjahr von 96,6 auf 99,1 gestiegen und stellt einen neuen Höchstwert seit erstmaliger Berechnung der Kennzahl im Jahr 2007 dar. Aus Perspektive der Jugendlichen ist diese Entwicklung positiv zu interpretieren, da sie zumindest im statistischen Durchschnitt mit weniger Bewerbern und Bewerberinnen um die angebotenen Stellen konkurrieren. Diese Entwicklung soll jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass am Ausbildungsmarkt nach wie vor in vielen Ausbildungsberufen Versorgungsprobleme für Jugendliche bestehen Tabelle A1.1.1-3.

Wie bereits in den Vorjahren, gab es jedoch deutliche Unterschiede zwischen den Bundesländern. Das Bundesland mit dem höchsten eANR-Wert war 2021 erneut Bayern. Hier kamen rechnerisch 111,3 Angebote auf 100 Nachfrager/-innen (2020: 110,4). Ebenfalls überdurchschnittliche eANR-Werte wurden in Thüringen mit eANR = 110,0 (2020: 107,8), in Mecklenburg-Vorpommern mit eANR = 108,5 (2020: 106,1) und in Sachsen-Anhalt mit eANR = 103,7 (2020: 101,5) erreicht. Unterdurchschnittliche Werte wurden vor allem in Berlin mit eANR = 82,8 (2020: 84,4), in Hamburg mit eANR = 89,0 (2020: 89,4) und in Bremen mit eANR = 91,6 (2020: 89,3) gemessen Tabelle A1.1.1-5.

Tabelle A1.1.1-5: Eckdaten zum Ausbildungsmarkt im Jahr 2021 differenziert nach Bundesländern

Die regionalen Unterschiede in den Ausbildungsmarktlagen waren auf Ebene der Arbeitsagenturbezirke noch deutlich ausgeprägter als auf Ebene der Länder. Aus Sicht der Nachfrager/-innen war die Ausbildungsmarktlage in vielen Arbeitsagenturbezirken im Süden und Osten Deutschlands deutlich günstiger als in Bezirken im Norden und Westen des Landes: Spitzenwerte von über 120 erreichte die eANR 2021 in den bayerischen Arbeitsagenturbezirken Weiden (134,7), Schwandorf (128,1), Deggendorf (127,1), Passau (126,0), Regensburg (121,5) sowie im thüringischen Altenburg-Gera (122,5). In insgesamt 22 weiteren Arbeitsagenturbezirken kamen rechnerisch mindestens 110 Angebote auf 100 Nachfragende. Diese Bezirke verteilen sich auf Bayern, Baden-Württemberg, Sachsen, Sachsen-Anhalt sowie Thüringen. Die Anzahl der Bezirke mit einer eANR von kleiner als 90 reduzierte sich im Jahr 2021 im Vergleich zu 2020 deutlich von 39 auf 21. Weniger als 80 Angebote auf 100 Nachfragen wurden im Jahr 2021 in keinem Bezirk verzeichnet. Recklinghausen (82,3), Kiel (82,4), Berlin (82,8), Hameln (82,9) sowie Detmold (83,9) wiesen jedoch eine eANR von kleiner als 85 auf Schaubild A1.1.1-1.

Schaubild A1.1.1-1: Verhältnisse von Angebot und Nachfrage (eANR) 2021 in den Arbeitsagenturbezirken

  • 3

    Ganze Zahlen werden im Text auf ein Vielfaches von 100 gerundet. Genauere Werte können den Tabellen entnommen werden, wobei auch hier alle ganzen Zahlen, die im Zusammenhang mit der BIBB-Erhebung zum 30. September stehen, als Folge von datenschutzrechtlichen Bestimmungen auf ein Vielfaches von 3 gerundet wurden.

  • 4

    Die Angebots- und Nachfragezahlen, getrennt nach West- und Ostdeutschland, mit den Entwicklungen von 2009 bis 2021 finden sich in Tabelle A1.1.1-1 Internet, entsprechende Differenzierungen nach Ländern in Tabelle A1.1.1-2 Internet. Für eine tabellarische Darstellung der Ausprägungen aller Marktindikatoren auf Ebene der Arbeitsagenturen siehe Schuß u. a. 2021.

  • 5

    Da im Rahmen der BIBB-Erhebung über neu abgeschlossene Ausbildungsverträge nicht die schulische Vorbildung der Auszubildenden erfasst wird, lässt sich die Aufteilung der Nachfrage nach Schulabschlüssen lediglich mithilfe von DAZUBI – „Datenbank Auszubildende“ des BIBB auf Basis der Daten der Berufsbildungsstatistik der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder (Erhebung zum 31. Dezember) – schätzen. Hierfür wird die relative Aufteilung der zum 31. Dezember erfassten neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge auf die verschiedenen Schulabschlüsse auf die aktuellen Neuabschlusszahlen aus der Erhebung zum 30. September projiziert. In Verbindung mit Daten der BA-Ausbildungsmarktstatistik, welche differenzierte Angaben zu den Schulabschlüssen enthält, wird anschließend die Nachfrage nach Schulabschluss berechnet.

  • 6

    Hierbei werden nur jene Geflüchtete gezählt, die sich als Ausbildungsstellenbewerber/-innen registriert haben und in eine Ausbildungsstelle einmündeten oder bis zum Stichtag auf Ausbildungsplatzsuche waren. Die Gesamtzahl aller bei der BA registrierten Bewerber/-innen im Kontext Fluchtmigration betrug 2020 31.100 (-2.100 bzw. -6,3 % im Vergleich zum Vorjahr) (vgl. Bundesagentur für Arbeit 2021a).