Das folgende Kapitel befasst sich mit den Bestandszahlen der Auszubildenden im Zeitverlauf insgesamt sowie differenziert nach den einzelnen Zuständigkeitsbereichen und ausgewählten Merkmalen (Geschlecht, Staatsangehörigkeit) auf Basis der Daten der Berufsbildungsstatistik (Kapitel A5.1). Bei den Bestandszahlen handelt es sich um eine Zählung der Auszubildenden über alle Ausbildungsjahre (1., 2., 3. und 4. Ausbildungsjahr). Hierzu zählen alle Personen, die jeweils zum 31. Dezember in einem Ausbildungsverhältnis mit einem Ausbildungsvertrag nach BBiG/HwO stehen. Die Bestandszahlen geben daher Aufschluss über den Umfang der gesamten Ausbildungsleistung von Betrieben und Berufsschulen.
1.288.962 Personen waren bundesweit am 31. Dezember 2020 als Auszubildende in einer dualen Berufsausbildung nach BBiG/HwO gemeldet. Die Bestandszahl ist damit im Vergleich zum Vorjahr deutlich um -3,0 % gesunken Tabelle A5.2-1. Die Gründe hierfür liegen in einer stark rückläufigen Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge im Berichtsjahr 2020 (vgl. Kroll 2021a). Auch wenn dieser Rückgang teilweise auf demografische Veränderungen zurückzuführen war, so fiel er unter den Bedingungen der Coronapandemie deutlich höher aus als erwartet (vgl. Oeynhausen u. a. 2021, S. 10).
Tabelle A5.2-1: Auszubildende am 31. Dezember nach Zuständigkeitsbereichen, Bundesgebiet sowie West- und Ostdeutschland 2010 bis 20201,2
Der regionale Vergleich zeigt, dass der Rückgang der Bestandszahlen in Westdeutschland (-3,3 %) stärker ausfiel als in Ostdeutschland (-1,5 %). Betrachtet man jedoch die Langzeitentwicklung, wird deutlich, dass sich seit 1997 – dem Jahr mit dem höchsten Auszubildendenbestand für Ostdeutschland – die Zahl an Auszubildenden in den östlichen Bundesländern deutlich mehr als halbierte (-55,9 %). In Westdeutschland ist diese Entwicklung zeitverzögert erst seit dem Jahr 2008 (2008 vs. 2020: -15,0 %) zu erkennen. Die Berechnungen für die regionale Entwicklung des Auszubildendenbestands zeigen insgesamt, dass im Berichtsjahr 2020 nur noch jede/-r siebte Jugendliche (14,4 %) in Ostdeutschland ausgebildet wurde. 1997 war es noch rund jede/-r vierte (25,9 %).
Der deutliche Rückgang bei den Bestandszahlen bis zum Jahr 2016 ist auf den starken demografischen Einbruch in der jugendlichen Wohnbevölkerung zurückzuführen. Dies galt in den vergangenen Jahren insbesondere für Ostdeutschland. Eine Übersicht zur langfristigen Entwicklung der Auszubildendenzahlen differenziert nach den einzelnen Bundesländern seit 1992 findet sich in Tabelle A5.2-2 Internet.72 Zur Analyse der aktuellen Entwicklung am Ausbildungsstellenmarkt für das Berichtsjahr 2021 Kapitel A1 und Schuß u. a. 2021.
Bestandsentwicklung in den Zuständigkeitsbereichen
Für die Zuordnung der Auszubildenden zu den Zuständigkeitsbereichen ist in der Regel nicht der Ausbildungsbetrieb maßgeblich, sondern die für den Ausbildungsberuf zuständige Stelle (Erläuterung in Kapitel A1.2). So sind bspw. in der Berufsbildungsstatistik diejenigen Auszubildenden, die im Öffentlichen Dienst oder in den Freien Berufen für Berufe der gewerblichen Wirtschaft ausgebildet werden, – je nach zuständiger Stelle – den Bereichen Industrie und Handel oder Handwerk zugeordnet.
Die Entwicklung der Bestandszahlen an Auszubildenden im Vergleich zum Vorjahr verlief in den einzelnen Zuständigkeitsbereichen unterschiedlich. Während es vor allem in den Bereichen Industrie und Handel sowie Hauswirtschaft und etwas abgeschwächt auch im Handwerk und in den Freien Berufen beim Auszubildendenbestand zu teils deutlichen Rückgängen kam, konnten der Öffentliche Dienst und die Landwirtschaft leichte Zuwächse verzeichnen Schaubild A5.2-1, Tabelle A5.2-1.
Schaubild A5.2-1: Entwicklung der Zahl der Auszubildenden am 31. Dezember von 1992 bis 2020 nach Zuständigkeitsbereichen (Basis = 1992)
Im Zuständigkeitsbereich Industrie und Handel, dem quantitativ deutlich größten Bereich, waren zum 31. Dezember 2020 bundesweit 737.022 Auszubildende (rund 57 % des Gesamtbestandes) beschäftigt. Der Rückgang im Vergleich zum Vorjahr war allerdings in diesem Bereich mit -4,2 % sehr deutlich. Dies ist maßgeblich auf den überdurchschnittlich starken coronabedingten Rückgang der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge 2020 zurückzuführen, der besonders den Bereich Industrie und Handel betroffen hat (vgl. Kroll 2021a). Die Rückgänge bei den Bestandszahlen ergaben sich dabei sowohl für Westdeutschland (-4,4 %) als auch für Ostdeutschland (-2,8 %). Der bundesweit niedrigste Bestand in diesem Bereich war 1995 mit 702.867 Auszubildenden erreicht, der höchste im Jahr 2008 mit 934.221.
Ein derartig deutlicher Rückgang wie zuvor beschrieben hat sich bei den Bestandszahlen im Handwerk, dem zweitgrößten Zuständigkeitsbereich, nicht ergeben. Der Auszubildendenbestand ging hier im Vergleich zum Vorjahr moderater um -1,7 % auf nunmehr 361.290 Auszubildende zurück. Dabei zeigte sich der Rückgang ausschließlich in den westdeutschen Bundesländern (-2,0 %). In Ostdeutschland verblieb der Bestand auf Vorjahresniveau (+0,1 %). Insgesamt zeigt der Langzeitvergleich für die ostdeutschen Bundesländer, dass nach einer positiven Entwicklung bis Mitte der 1990er-Jahre im Zuge des Aufbaus handwerklicher Wirtschaftsstrukturen in Ostdeutschland die bundesweit rückläufige Tendenz bei der Zahl der Auszubildenden in diesem Bereich seit 1998 anhielt und im Jahr 2015 den tiefsten Stand seit 1992 markierte. Zur langfristigen Entwicklung der Ausbildungsverhältnisse nach Zuständigkeitsbereichen in Ost- und Westdeutschland ab 1992 siehe BIBB-Datenreport 2021, Kapitel A5.2, Tabelle A5.2-1. Insbesondere durch den deutlichen Anstieg in den Jahren 2016 bis 2018 ist dieser negative Trend vorerst gestoppt. Dennoch zeigen die vergangenen Jahrzehnte, dass insgesamt der Rückgang der Auszubildendenzahlen in Ostdeutschland deutlich stärker war als in Westdeutschland. Wurden 1997 in Ostdeutschland noch 179.223 Personen im Zuständigkeitsbereich Handwerk ausgebildet, so sind es im Jahr 2020 lediglich noch 50.856. Dies bedeutet einen Rückgang von rd. -72 % (Westdeutschland: rd. -31 %; Bundesgebiet: rd. -43 %).
Im Zuständigkeitsbereich des Öffentlichen Dienstes ist die Anzahl der Ausbildungsverhältnisse in den dualen Ausbildungsberufen auch 2020 erneut gestiegen (+1,9 %). Damit verzeichnet dieser Bereich seit dem Berichtsjahr 2014 einen Zuwachs von 20,9 % (2014: 34.713 vs. 2020: 41.961). Aber auch hier ist der Bestand an Auszubildenden seit 1993 insgesamt deutlich rückläufig. Lag er 1993 noch bei 73.512, so ist er im Laufe der Jahre bis zum Berichtsjahr 2020 auf 41.961 (-43,0 %) gesunken. Der Abwärtstrend ab 1994 resultierte – neben der demografischen Entwicklung – vor allem aus der Privatisierung im Post- und Bahnbereich sowie der Aufhebung des dualen Ausbildungsberufs Sparkassenkaufmann/-kauffrau und dem Wechsel der entsprechenden Ausbildungsberufe in den Zuständigkeitsbereich von Industrie und Handel. Der deutliche Rückgang im Jahr 2007 dürfte zu einem gewissen Teil auf die Umstellung in der Berufsbildungsstatistik zurückzuführen sein73 sowie auf ein verändertes Ausbildungsverhalten im Öffentlichen Dienst (BIBB-Datenreport 2010, Kapitel A5.2.1).
Seit der Revision der Berufsbildungsstatistik wird das Merkmal „Zugehörigkeit der Ausbildungsstätte zum Öffentlichen Dienst“ erfasst. Daraus ergibt sich, dass für das Jahr 2020 zu den 41.961 gemeldeten Auszubildenden des Öffentlichen Dienstes mindestens 19.008 Auszubildende hinzugerechnet werden müssen, die im Öffentlichen Dienst in Berufen der anderen Zuständigkeitsbereiche ausgebildet wurden (zu 58,0 % gehörten sie dem Bereich Industrie und Handel, zu 14,8 % dem Handwerk und zu 19,0 % der Landwirtschaft an; den Freien Berufen und der Hauswirtschaft entstammten 5,4 % bzw. 2,8 % der Auszubildenden). Allerdings muss davon ausgegangen werden, dass das Merkmal „Zugehörigkeit der Ausbildungsstätte zum Öffentlichen Dienst“ im Rahmen der Berufsbildungsstatistik der Statistischen Ämter noch untererfasst ist.74 Für detaillierte Analysen zur dualen Berufsausbildung des Öffentlichen Dienstes auf Basis der Berufsbildungsstatistik siehe Uhly 2020.
Der Auszubildendenbestand in den Freien Berufen ist von 2019 nach 2020 leicht auf nunmehr 111.303 Auszubildende gefallen (-1,9 %). Dieser Rückgang ereignete sich aber nur in Westdeutschland (-2,2 %). In den ostdeutschen Bundesländern kam es in diesem Bereich zu einem leichten Anstieg (+0,6 %). Die Bestandszahl hatte bundesweit im Jahr 1996 mit 160.593 Auszubildenden ihren Höchststand. Bis zum Berichtsjahr 2014 kam es aber seither zu einem recht konstanten Rückgang. Von 2015 bis 2019 war die Entwicklung dann wieder positiv. Im Langzeitvergleich ergibt sich dennoch, dass 2020 gut 30 % weniger Auszubildende im Bereich der Freien Berufe ausgebildet werden als Mitte der 1990er-Jahre.
Zusammen mit dem Öffentlichen Dienst war der Zuständigkeitsbereich der Landwirtschaft der einzige mit einer positiven Entwicklung des Auszubildendenbestands 2020 im Vergleich zum Vorjahr. Im Jahr 2020 befanden sich 32.469 Auszubildende in diesem Bereich und damit 0,4 % mehr als ein Jahr zuvor. Regional zeigt sich hier – wie bereits 2019 – eine unterschiedliche Entwicklung. So kam es in den westlichen Bundesländern zu einem leichten Rückgang (-0,2 %) wohingegen in Ostdeutschland ein Zuwachs von 2,7 % verzeichnet werden konnte. Langfristig betrachtet nahm der Bestand an Auszubildenden in Berufen der Landwirtschaft zwischen 1993 und 2007 stark zu (+13.209 bzw. 44,5 %). Seit dem Jahr 2008 geht die Bestandszahl jedoch wieder deutlich zurück und war 2020 nahezu identisch mit dem Wert von 1992.
Im vergleichsweise kleinen Zuständigkeitsbereich der Hauswirtschaft war der Bestand an Auszubildenden – wie bereits in den vergangenen Jahren – erneut rückläufig (Bundesrepublik: -5,2 %; Westdeutschland: -5,6 %; Ostdeutschland: -4,0 %). 2020 wurden hier lediglich noch 4.914 Personen ausgebildet. Der rückläufige Trend zeigt sich seit Ende der 1990er-Jahre. Die meisten Auszubildenden wurden mit 14.097 im Jahr 1998 erreicht. Damit lag der Bestand 2020 im Vergleich nur noch bei gut einem Drittel des Höchstwertes von 1998 (-65,1 %). Ein noch deutlicherer Rückgang zeigt sich bei der regionalen Differenzierung. In Ostdeutschland fiel der Bestand an Auszubildenden im Bereich der Hauswirtschaft allein zwischen 2004 und 2020 um rund 75 %.
Der Zuständigkeitsbereich Seeschifffahrt umfasste ausschließlich Meldungen für den Beruf Schiffsmechaniker/-in und war dementsprechend klein. Seit 2008 wird er nicht mehr für die Berufsbildungsstatistik gemeldet (Bestand bei letzter Meldung 2007: 963 Auszubildende).75
Frauenanteil in dualen Ausbildungsberufen
Der Anteil an Frauen an allen Auszubildenden im dualen System der Berufsausbildung ist auch im Berichtsjahr 2020 mit 34,8 % im Vergleich zum Vorjahr erneut zurückgegangen (2019: 35,3 %) Tabelle A5.2-3. Damit setzte sich der rückläufige Trend der vergangenen Jahre fort. So lag der Frauenanteil im Jahr 2020 über 6 Prozentpunkte niedriger als noch Anfang der 2000er-Jahre (2002: 41,0 %). Zur langfristigen Entwicklung des Frauenanteils nach Zuständigkeitsbereichen ab 1992 siehe BIBB-Datenreport 2021, Kapitel A5.2, Tabelle A5.2-3. Im Rahmen der Analysen zu den neu abgeschlossenen Ausbildungsverträgen unter Coronabedingungen zeigte sich im Übrigen kein Geschlecht als besonders von Corona und den damit einhergehenden Eindämmungsmaßnahmen im Rahmen der Ausbildung betroffen (vgl. Kroll 2021a). Die Gründe für den anhaltenden Rückgang beim Frauenanteil sind vielfältig und zum Teil auch dem demografischen Wandel geschuldet. Infolge niedriger Geburtenraten ist die Zahl der jungen Frauen und Männer in den letzten Jahren deutlich zurückgegangen. Bei den Männern konnte die dadurch entstandene Nachfragelücke nach dualer Ausbildung allerdings durch die starke Zuwanderung männlicher Migranten zu bedeutenden Teilen gefüllt werden. Zu einem derartigen Kompensationseffekt kam es bei den Frauen nicht bzw. nur bedingt. Außerdem hatte eine insgesamt in den letzten Jahren gestiegene schulische Vorbildung für beide Geschlechter unterschiedliche Folgen. Die jungen Frauen wandten sich zunehmend von den dualen Ausbildungsangeboten in den vermeintlich „einfacheren“ Dienstleistungsberufen ab und gingen stattdessen verstärkt auf Ausbildungsangebote der Gesundheits-, Pflege- und Sozialberufe, des Öffentlichen Dienstes und der Hochschulen ein.76
Tabelle A5.2-3: Frauenanteil an allen Auszubildenden nach Zuständigkeitsbereichen, Bundesgebiet 2010 bis 2020 (in %)1,2
Überdies liegt das Ungleichgewicht bei den geschlechtsspezifischen Anteilen auch maßgeblich in den unterschiedlichen beruflichen Wünschen begründet. Frauen interessieren sich vorrangig für kaufmännische und Dienstleistungsberufe und streben überproportional eine schulische Berufsausbildung an (vgl. Beicht/Walden 2014). Hinzu kommt, dass als Folge der Tertiarisierung – also dem Wandel hin zur Dienstleistungsgesellschaft – zunehmend auch Männer eine Ausbildung im Dienstleistungsbereich aufnehmen und dadurch der ohnehin schon starke Konkurrenzdruck unter den Bewerberinnen in ihren bevorzugten Berufen durch zunehmend männliche Konkurrenz weiter erhöht wird (vgl. Kroll 2015; Kroll 2021b). Dennoch kommen gewerblich-technische Berufe, die im dualen Berufsbildungssystem nach wie vor eine bedeutende Rolle spielen, für Frauen kaum in Betracht. Dementsprechend zeigen sich auch deutlich Unterschiede bei einer berufsspezifischen Betrachtung und bei dem Vergleich des Frauenanteils in den unterschiedlichen Zuständigkeitsbereichen.
Auf der einen Seite gibt es Zuständigkeitsbereiche, in denen über die Jahre relativ konstant fast ausschließlich Frauen zu finden sind. Ein Beispiel hierfür sind die Freien Berufe. Auch wenn der Frauenanteil in den letzten Jahren hier rückläufig war, so waren 2020 mit einem Anteil von 91,3 % immer noch rund neun von zehn Auszubildenden weiblich. Ein ähnliches Bild zeigt sich mit einem Anteil an Frauen von 85,7 % auch für den Hauswirtschaftsbereich. Ein überdurchschnittlich hoher Frauenanteil ergab sich mit 62,9 % auch im Öffentlichen Dienst. Gerade in den 1990er-Jahren war hier der Anteil an Frauen sehr stark angestiegen (1992: 50,7 %; 2000: 64,4 %). Seit Mitte der 2010er-Jahre geht aber auch hier der Frauenanteil wieder stetig zurück Tabelle A5.2-3.
Auf der anderen Seite sind aber gerade die quantitativ bedeutsamsten Zuständigkeitsbereiche Industrie und Handel und Handwerk überwiegend mit männlichen Auszubildenden besetzt. Dies gilt deutlich ausgeprägter nochmal für das Handwerk. Im Bereich Industrie und Handel ist der Frauenanteil seit Mitte der 1990er-Jahre von 43,5 % (1996) um 10 Prozentpunkte auf nur noch 33,5 % im Jahr 2020 gesunken. Der niedrigste Frauenanteil von allen Zuständigkeitsbereichen findet sich im Handwerk. Frauen sind hier traditionell deutlich unterrepräsentiert und dies hat sich in den letzten Jahren weiter verstärkt. 2020 ist der Frauenanteil im Handwerk im Vergleich zum Vorjahr von 18,2 % auf nur noch 17,3 % gesunken. Und auch bei der Entwicklung der letzten Jahre zeigt sich ein deutlicher Rückgang von knapp 7 Prozentpunkten (2009: 24,0 % Frauenanteil). In der Landwirtschaft sind Frauen zwar weiterhin deutlich unterrepräsentiert (23,5 %), hier ist allerdings besonders, dass dies der einzige Bereich ist, in dem der Frauenanteil in den letzten Jahren nicht rückläufig ist, sondern seit 2012 kontinuierlich kleinere Zuwächse zu verzeichnen hat (2012: 21,9 %).
Bei einer Betrachtung der einzelnen Ausbildungsberufe im dualen System zeigt sich eine deutliche Geschlechtersegregation derart, dass ein Großteil der Ausbildungsberufe entweder überwiegend mit Frauen oder überwiegend mit Männern besetzt ist (vgl. Richter/Jahn 2015), wobei der Anteil der typischen Männerberufe deutlich überwiegt. Diese berufsstrukturellen Unterschiede bestehen seit Mitte der 1980er-Jahre (vgl. Uhly 2007). Es hat sich aber in der jüngeren Vergangenheit auch gezeigt, dass die Grenzen typischer Geschlechterdomänen – mit gewissen Einschränkungen – langsam, aber stetig aufweichen, indem zunehmend mehr Frauen in typischen Männerberufen und Männer in typischen Frauenberufen zu finden sind (vgl. Kroll 2021b).
Seit Jahren unverändert ist hingegen die starke Fokussierung beider Geschlechter auf nur wenige Berufe, die bei den Frauen nochmal deutlich stärker ausgeprägt ist als bei den Männern. Für das Berichtsjahr 2020 zeigt sich, dass sich die Hälfte (50,3 %) aller weiblichen Auszubildenden im dualen System auf nur neun Berufe verteilte; das Spektrum bei den männlichen Auszubildenden war dagegen mit 15 Berufen deutlich größer. Die starke Fokussierung – insbesondere von Frauen – auf wenige Berufe wurde schon in der Vergangenheit beobachtet (vgl. Kroll 2015). Die Ursachen hierfür sind vielfältig und sowohl bei den nachfragenden Jugendlichen als auch beim Angebotsspektrum und dem Rekrutierungsverhalten der Betriebe zu suchen.
Ausländeranteil in dualen Ausbildungsberufen
Seit Anfang der 1990er-Jahre bis zum Jahr 2006 hatte sich der Anteil an Auszubildenden mit ausländischem Pass77 nahezu halbiert (1994: 8,0 % vs. 2006: 4,2 %). Zur langfristigen Entwicklung des Ausländeranteils nach Zuständigkeitsbereichen ab 1992 siehe BIBB-Datenreport 2021, Kapitel A5.2, Tabelle A5.2-4. Zurückzuführen war dieser zwischenzeitliche Rückgang z. T. auf verstärkte Einbürgerungen. In der Wohnbevölkerung ging der Anteil ebenfalls zurück. Außerdem dürften erhebliche Engpässe auf dem Ausbildungsstellenmarkt in der Vergangenheit auch zu einer längeren und schwierigeren Übergangsphase – insbesondere für ausländische Jugendliche – beigetragen haben (vgl. Kroll/Granato 2013).
In den letzten Jahren hat sich dieser rückläufige Trend umgekehrt. Seither ist der Anteil an ausländischen Auszubildenden wieder stetig angestiegen und hat 2020 mit 10,9 % einen Höchststand erreicht Tabelle A5.2-4. Die Gründe für diese Entwicklung dürften maßgeblich im deutlichen Anstieg der Zahl Geflüchteter liegen. Die Bestandszahlen der ausländischen Auszubildenden mit einer Staatsangehörigkeit aus einem (nicht europäischen) Asylherkunftsland78 haben in den letzten Jahren deutlich zugenommen (Bestand 2012: 2.763 vs. 2020: 48.562).79 Allerdings ist festzuhalten, dass es sich bei der Gruppe der Auszubildenden mit einer Staatsangehörigkeit aus einem Asylherkunftsland nicht um eine eindeutige Abgrenzung von Geflüchteten handelt. Hier können ebenso gut zu einem Teil Personen enthalten sein, die schon länger in Deutschland leben und die auch über andere Migrationswege (u. a. Arbeitsmigration, Familiennachzug) nach Deutschland gekommen sind.
Tabelle A5.2-4: Ausländeranteil an allen Auszubildenden nach Zuständigkeitsbereichen, Bundesgebiet 2010 bis 2020 (in %)1,2
Für eine Einschätzung des Ausmaßes der Integration in die duale Berufsausbildung ist der Ausländeranteil unter den Auszubildenden kein geeigneter Indikator. Um diese Einschätzung vornehmen zu können, muss der Ausländeranteil unter den Auszubildenden in Relation zum Ausländeranteil in der Wohnbevölkerung im entsprechenden Alter gesetzt werden. Dies geschieht mit der Analyse der Ausbildungsanfängerquote der Jugendlichen in Kapitel A5.8. Für einen Vergleich der Zuständigkeitsbereiche bzw. auch für Analysen auf der Ebene der Einzelberufe eignet sich der Ausländeranteil hingegen schon.
Die Entwicklung des Ausländeranteils 2020 im Vergleich zum Vorjahr gestaltete sich in den Zuständigkeitsbereichen unterschiedlich. Das Handwerk konnte neben den Freien Berufen als einziger Bereich auch 2020 mit einem Plus von 0,2 Prozentpunkten leichte Zuwächse beim Ausländeranteil verzeichnen. Damit lag dieser im Handwerk 2020 mit 14,6 % knapp 10 Prozentpunkte höher als noch im Jahr 2006 (4,8 %) Tabelle A5.2-4. Beispiele für Berufe mit einem überdurchschnittlich hohen Ausländeranteil unter den Auszubildenden im Bereich des Handwerks waren: Friseur/-in (32,3 %), Parkettleger/-in (28,1 %) und Bauten- und Objektbeschichter/-in (24,4 %).
Dahingegen lag der Ausländeranteil im quantitativ größten Zuständigkeitsbereich Industrie und Handel mit 8,8 % leicht unter dem Vorjahreswert und auch weiterhin recht deutlich unter dem Gesamtdurchschnitt von 10,9 %. Im Langzeitvergleich hat sich der Ausländeranteil hier allerdings seit Mitte der 2000er-Jahre deutlich mehr als verdoppelt (2006: 3,7 %). Einzelne ausgewählte Berufe mit einem überproportional hohen Ausländeranteil waren bspw.: Fachkraft im Gastgewerbe (45,1 %), Fachmann/Fachfrau für Systemgastronomie (34,3 %), Restaurantfachmann/-fachfrau (31,0 %) und Fachkraft für Möbel-, Küchen- und Umzugsservice (29,5 %).
Der Bereich Freie Berufe war im Vergleich weiterhin der Bereich mit dem höchsten Ausländeranteil und dieser ist von 2019 (15,7 %) nach 2020 noch einmal deutlich auf nunmehr 18,3 % gestiegen.80 Ausschlaggebend für den hohen Anteil an ausländischen Auszubildenden waren die überproportional hohen Ausländeranteile in den Berufen Zahnmedizinische/-r Fachangestellte/-r (Ausländeranteil: 30,4 %) und Pharmazeutisch-kaufmännische/-r Angestellte/-r (Ausländeranteil: 25,5 %). Außerdem findet man in diesen beiden Berufen in der Gruppe der ausländischen Auszubildenden fast ausschließlich Frauen (95,2 % bzw. 88,2 %). Darüber hinaus ist auffällig, dass sich mehr als ein Drittel (36,8 %) aller weiblichen Auszubildenden mit ausländischem Pass 2020 in der Ausbildung zur Zahnmedizinischen Fachangestellten, Medizinischen Fachangestellten oder Pharmazeutisch-kaufmännischen Angestellten befand.
Im Öffentlichen Dienst ist der Anteil an ausländischen Auszubildenden im Vergleich zu den vorher beschriebenen Entwicklungen leicht um -0,1 Prozentpunkte gefallen und verblieb mit 3,3 % auf recht niedrigem Niveau. Ähnlich stellt sich die Situation im Bereich der Landwirtschaft dar (Ausländeranteil 2019: 3,3 % vs. 2020: 3,1 %). Im Bereich der Hauswirtschaft ist der Anteil an ausländischen Auszubildenden zwischen 2019 und 2020 recht deutlich von 8,2 % auf nunmehr 7,5 % gesunken.
(Stephan Kroll)
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72
Eine ausführlichere Übersicht zu ausgewählten Merkmalen auf der Basis der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge differenziert nach den einzelnen Bundesländern findet sich in Kapitel A5.3.
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73
Nach Auskunft des Statistischen Bundesamtes führte die Umstellung der Datenlieferung im Jahr 2007 insbesondere im Zuständigkeitsbereich des Öffentlichen Dienstes zu Einschränkungen in der zeitlichen Vergleichbarkeit der Ergebnisse. Allerdings zeigt sich auch in der BIBB-Erhebung über neu abgeschlossene Ausbildungsverträge im Jahr 2007 ein starker Rückgang in den Berufen des Öffentlichen Dienstes (siehe https://www.bibb.de/dokumente/pdf/naa309/naa309_2007re_tab002_1land.pdf). Insofern ist unklar, in welchem Ausmaß der Rückgang in den Ausbildungsberufen des Öffentlichen Dienstes in der Berufsbildungsstatistik durch die Umstellung der Datenlieferung und in welchem Maße durch reale Entwicklungen bedingt ist.
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74
Auf Basis eines für das Berichtsjahr 2016 durchgeführten Abgleichs mit Daten der Personalstandstatistik des Statistischen Bundesamtes könnte eine Untererfassung für das Berichtsjahr 2016 von ca. 17 % vorgelegen haben (Kapitel A6.2). Der Abgleich ist nicht unproblematisch und muss unter spezifischen Annahmen erfolgen, siehe hierzu Uhly/Kroll 2021 Erläuterungen zum Datensystem Auszubildende (DAZUBI), Hinweise zu den einzelnen Berichtsjahren, siehe https://www.bibb.de/dokumente/pdf/dazubi_berichtsjahre.pdf.
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75
Da der Ausbildungsberuf nicht nach BBiG oder HwO geordnet ist, sondern einen vergleichbar geregelten Beruf außerhalb des Geltungsbereichs des BBiG darstellt, wurde er bis 2007 freiwillig gemeldet (die gesetzliche Grundlage für die Berufsbildungsstatistik, insbesondere § 88 BBiG, betrifft nur Ausbildungsberufe, die nach BBiG/HwO geregelt sind). Mit den erweiterten Meldepflichten im Rahmen der Revision der Berufsbildungsstatistik durch das BerBiRefG wurde die Datenmeldung im Jahr 2008 eingestellt. Ausbildungsverträge werden im Zuständigkeitsbereich der Seeschifffahrt weiterhin abgeschlossen.
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76
Für ausführlichere Informationen zu den Gründen sinkender Ausbildungsbeteiligung junger Frauen siehe auch Dionisius/Kroll/Ulrich 2018.
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77
In der Berufsbildungsstatistik wird die Staatsangehörigkeit der Auszubildenden erfasst, ein möglicher Migrationshintergrund kann jedoch nicht ausgewiesen werden. Als ausländische Auszubildende werden alle Auszubildenden ohne deutschen Pass gezählt. Jugendliche, die sowohl über eine deutsche als auch eine nicht deutsche Staatsangehörigkeit verfügen, werden nicht als ausländische Auszubildende erfasst.
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78
Es handelt sich hierbei um eine Differenzierung der BA. Das Aggregat „Personen mit einer Staatsangehörigkeit aus einem der zugangsstärksten Herkunftsländern von Asylbewerbern“ oder kurz „Asylherkunftsländer“ wird (seit Juni 2016) durch die BA folgendermaßen definiert: „In das Aggregat wurden die nichteuropäischen Länder aufgenommen, die in den letzten Jahren zu den Ländern mit den meisten Asylerstanträgen gehörten; es umfasst folgende acht Länder: Afghanistan, Eritrea, Irak, Iran, Nigeria, Pakistan, Somalia und Syrien“ (Bundesagentur für Arbeit 2017).
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79
Eine differenziertere Analyse zu dieser Personengruppe findet sich in Kroll/Uhly 2018.
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Hierbei ist allerdings zu beachten, dass bei einer Kammer in Nordrhein-Westfalen für das Berichtsjahr 2020 fälschlicherweise die überwiegende Mehrheit der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge im Beruf „Medizinische/-r Fachangestellte/-r“ mit einer ausländischen Staatsangehörigkeit gemeldet wurde. Die Entwicklung (2019 bis 2020) bei den ausländischen Auszubildenden im Bereich der Freien Berufe ist daher sowohl für Nordrhein-Westfalen als auch für das Bundesgebiet überschätzt (siehe auch: Erläuterungen zum Datensystem Auszubildende (DAZUBI) – Hinweise zu den einzelnen Berichtsjahren unter: https://www.bibb.de/dokumente/pdf/dazubi_berichtsjahre.pdf).