Die Berufsausbildung an berufsbildenden Schulen oder kurz die „schulische Berufsausbildung“154 umfasst ein sehr heterogenes Feld. Hinter diesem Konstrukt verbergen sich verschiedene Formen von Ausbildungen, deren Gemeinsamkeit darin besteht, dass sie nicht im dualen System nach BBiG/HwO ausgebildet werden. Die Mehrheit der schulischen Berufsausbildungen unterliegt der Kultushoheit der Länder und ist dementsprechend landesrechtlich geregelt. Für viele der landesrechtlich geregelten Ausbildungen gelten bundesweite Rahmenvereinbarungen der KMK (vgl. u. a. Kultusministerkonferenz 2021c). Neben den landesrechtlich geregelten Ausbildungen gibt es aber auch bundesrechtlich (außerhalb BBiG/HwO) geregelte Ausbildungen im Gesundheitswesen (vgl. Kultusministerkonferenz 2021a).
Die auf Bundesgesetzen beruhenden Berufe befinden sich momentan in einem starken Wandel. Auf Grundlage des neuen Pflegeberufegesetzes (PflBG), das am 1. Januar 2020 in Kraft getreten ist, wurden die bisher separaten Berufe Altenpfleger/-in, Gesundheits- und Krankenpfleger/-in sowie Gesundheits- und Kinderkrankenpfleger/-in zu einem neuen einheitlichen Beruf mit der Bezeichnung Pflegefachmann/-frau zusammengeführt. Der erste Jahrgang hat seine Ausbildung im Schuljahr 2020/2021 begonnen. Differenzierte Daten zu den Auszubildenden in dem neuen generalistischen Pflegeberuf werden ab dem Erhebungsjahr 2020 in der Statistik nach der Pflegeberufe-Ausbildungsfinanzierungsverordnung (PfleA) erfasst. Auch die Ausbildung zur Hebamme wurde im Rahmen des Hebammenreformgesetzes (HebRefGe), welches ebenfalls am 1. Januar 2020 in Kraft getreten ist, reformiert. Die Ausbildung findet nunmehr akademisch im Rahmen eines dualen Studiums statt und nicht mehr wie bisher an Fachschulen. In einem Übergangszeitraum bis Ende 2022 kann neben einem Hebammenstudium zusätzlich eine Hebammenausbildung nach altem Recht an einer Fachschule begonnen werden. Weiterhin wurden für die Ausbildungen zum/zur Anästhesietechnischen Assistenten/Assistentin (ATA) und zum/zur Operationstechnischen Assistenten/Assistentin (OTA) erstmals bundesweit einheitliche Regelungen geschaffen. Die Grundlage bildet das Anästhesietechnische- und Operationstechnische-Assistenten-Gesetz (ATA-OTA-G), das am 1. Januar 2022 in Kraft trat. Darüber hinaus wurden die vier Ausbildungen in der medizinisch-technischen Assistenz (MTA) der Fachrichtungen Laboratoriumsanalytik, Radiologie, Funktionsdiagnostik und Veterinärmedizin modernisiert. Das MTA-Reformgesetz tritt am 1. Januar 2023 in Kraft. Auch die Ausbildung zum/zur Pharmazeutisch-technischen Assistenten/Assistentin wurde im Rahmen des PTA-Reformgesetzes erneuert, welches ebenfalls am 1. Januar 2023 in Kraft tritt.
Viele der – bundes- als auch landesrechtlich geregelten – Gesundheits-, Erziehungs- und Sozialberufe (GES-Berufe) werden sowohl im Betrieb (z. B. Krankenhaus) als auch am Lernort Schule (z. B. Schule des Gesundheitswesens) unterrichtet. Der Begriff „schulische“ Berufsausbildung für diese eher dual strukturierten Bildungsgänge ist daher irreführend, aber durchaus etabliert. Neben den bundes- und landesrechtlich geregelten schulischen Berufsausbildungen gibt es einige wenige anerkannte Ausbildungsberufe nach BBiG/HwO, die über Ausnahmeregelungen an Berufsfachschulen ausgebildet werden können.
Vermittelt werden die schulischen Ausbildungen an unterschiedlichen Schularten: Berufsfachschulen, Fachakademien, Fachgymnasien, Fachschulen, Schulen des Gesundheitswesens und Teilzeit-Berufsschulen.155 Diese schulartenspezifische Differenzierung ist geschichtlich gewachsen und landesrechtlich kodifiziert.
Um das Feld der schulischen Berufsausbildung umfassend statistisch zu beschreiben, müssen drei Datenquellen herangezogen werden: die iABE, die Fachserie 11, Reihe 2 „Berufliche Schulen“ und die Statistik nach der Pflegeberufe-Ausbildungsfinanzierungsverordnung (PfleA). Während die iABE Daten zu Anfängerinnen und Anfängern156 ausweist, liefert die Fachserie „Berufliche Schulen“ u. a. Zahlen zu Schülerinnen und Schülern im 1. Schuljahrgang. Die PfleA liefert Daten zu den Ausbildungseintritten pro Berichtsjahr und den neu abgeschlossenen Ausbildungsverträgen zum 31. Dezember. Es handelt sich hierbei also um unterschiedlich definierte Erhebungseinheiten, die zu unterschiedlichen Stichtagen erhoben werden. Sie können daher nicht direkt miteinander verglichen werden. Zudem werden für die Erhebungseinheiten unterschiedliche Merkmale zur Verfügung gestellt (siehe Erläuterung).157
Amtliche Statistiken zur schulischen Berufsausbildung
Die integrierte Ausbildungsberichterstattung (iABE) bündelt („integriert“) ab dem Berichtsjahr 2005 Daten aus verschiedenen amtlichen Statistiken (Statistik zu allgemeinbildenden und beruflichen Schulen, Hochschulstatistik, Personalstandstatistik, Förderstatistik) zu den Bildungsstationen von Jugendlichen. Diese werden in vier „Bildungssektoren des Ausbildungsgeschehens“ systematisiert: „Berufsausbildung“, „Integration in Berufsausbildung (Übergangsbereich)“, „Erwerb der Hochschulreife (Sek II)“ und „Studium“ (Kapitel A4). Für den Sektor „Berufsausbildung“ werden Zahlen zur schulischen und dualen Ausbildung sowie der Beamtenausbildung in sechs „Bildungskonten“ nachgewiesen Tabelle A4-1. Die iABE bietet Zahlen zu Anfängern/Anfängerinnen, Schülern/Schülerinnen (Bestände) und Absolventen/Absolventinnen bzw. Abgängern/Abgängerinnen nach verschiedenen Merkmalen. Für die Anfänger/-innen liegen z. B. die Merkmale Bundesland, Geschlecht, Staatsangehörigkeit (deutsch/nicht deutsch), Alter und schulische Vorbildung vor. Analysen nach berufsstrukturellen Merkmalen sind nicht möglich (vgl. Statistisches Bundesamt, verschiedene Jahrgänge c).
Im Rahmen der iABE flossen bisher die Daten zu den Ausbildungen in den Pflegeberufen auf Basis der Statistik „Berufliche Schulen“ in das Konto „Schulische Berufsausbildungen im Gesundheits-, Erziehungs- und Sozialwesen“ (I 05) ein. Mit der Einführung der PfleA liefern einige Bundesländer aus Gründen der Datensparsamkeit keine Daten mehr für die Statistik zu den beruflichen Schulen. Für diese Länder fließen nun die Eckdaten der PfleA zu den Ausbildungseintritten in die iABE ein (siehe Erläuterung in Kapitel A4).
Die Fachserie „Berufliche Schulen“ stellt ab dem Berichtsjahr 1992 detaillierte Daten für die beruflichen Schulen zur Verfügung. Neben Zahlen zu den Schülern/Schülerinnen – u. a. im 1. Schuljahrgang – und Absolventen/Absolventinnen bzw. Abgängern/Abgängerinnen158 in den unterschiedlichen Schularten finden sich auch Daten zu Klassen, Anfängern/Anfängerinnen, Lehrkräften und Unterrichtsstunden. So liegen z. B. für die Schüler/-innen nach Schularten folgende Merkmale vor: Schuljahrgang, Berufsbezeichnung, Geschlecht und Bundesland. Zur Klassifikation der Berufe (KldB) wird seit dem Schuljahr 2012/2013 die „KldB 2010“159 genutzt. Erst ab dem Schuljahr 2013/2014 liegen für einige Berufe zeitlich vergleichbare Daten vor (vgl. Statistisches Bundesamt, verschiedene Jahrgänge b).
Aufgrund der Einführung der PfleA liefern einige Bundesländer aus Gründen der Datensparsamkeit keine Daten mehr für die Statistik zu den beruflichen Schulen. In der Statistik der beruflichen Schulen kommt es daher durch die fehlenden Angaben der Länder zu einem Bruch in der Zeitreihe. Davon ist auch die iABE betroffen.
Die Statistik nach der Pflegeberufe-Ausbildungsfinanzierungsverordnung (PfleA) ist eine bundesrechtlich geregelte Vollerhebung mit Meldepflicht. Sie liefert ab dem Erhebungsjahr 2020 Daten zur Ausbildung zum/zur Pflegefachmann/-frau. Meldepflichtig sind die für die Umlagefinanzierung der Ausbildung in der Pflege zuständigen Stellen der Länder. Sie nehmen ihre Meldungen an die Statistischen Landesämter auf Basis der Daten vor, die ihnen von den Schulen und Trägern der praktischen Ausbildung zum Zwecke der Umlagefinanzierung übermittelt wurden. Die PfleA erhebt Einzeldaten. Die Erhebung erfolgt jährlich zum Stichtag 31. Dezember für das jeweilige Kalenderjahr. Sie erhebt Daten zu Ausbildungseintritten160 nach Berichtsjahr sowie zu den neu abgeschlossenen Ausbildungsverträgen zum 31.12. nach den folgenden Merkmalen: Bundesland, Geschlecht, Alter, Ausbildungsumfang (Vollzeit/Teilzeit), Erhalt von Fördermitteln, Prüfungsergebnis und Art der Trägerschaft (öffentlich, privat, freigemeinnützig) (vgl. Statistisches Bundesamt 2021n).
Die drei Quellen haben jeweils unterschiedliche Stärken und Schwächen:
- Die iABE-Daten haben ihren besonderen Mehrwert bei „systemischen“ Betrachtungen. So helfen die iABE-Daten, die Bedeutung der schulischen Berufsausbildung innerhalb des Ausbildungsgeschehens sowie im Vergleich zur dualen Ausbildung nach BBiG/HwO einzuordnen. Darüber hinaus stehen Daten seit dem Berichtsjahr 2005 zur Verfügung, sodass inzwischen Langzeitbetrachtungen möglich sind. Auf Basis verschiedener Merkmale und Merkmalskombinationen können die Anfänger/-innen in den Bildungskonten beschrieben werden (Geschlecht, Staatsangehörigkeit, schulische Vorbildung und Alter) (Kapitel A4).
- Die Daten der Fachserie sind insbesondere notwendig, um die „berufsstrukturelle“ Bedeutung und Entwicklung nachzuzeichnen. Zeitreihen für die Schüler/-innen im ersten Schuljahrgang nach Berufen stehen im Standardlieferprogramm der Fachserie nicht zur Verfügung. Ein zeitlicher Vergleich ist insbesondere deshalb schwierig, weil sich sowohl die Klassifikation der Berufe (KldB) als auch die Tabellen im Zeitverlauf verändert haben und der Beruf des/der Pflegefachmann/-frau nicht mehr für alle Bundesländer erhoben wird (siehe hierzu auch Kapitel A4).161 Für die Schüler/-innen im ersten Schuljahrgang stehen die Merkmale Beruf, Schulart und Geschlecht zur Verfügung.
- Die PfleA stellt vollständige Daten zum Beruf des/der Pflegefachmann/-frau zur Verfügung und schließt damit derzeit die Lücke in der Statistik der Beruflichen Schulen. Sie enthält auch Daten zu den neu abgeschlossenen Ausbildungsverträgen zum 31. Dezember. Diese Daten sind gut mit den BBiG/HwO-Berufen auf Basis der Berufsbildungsstatistik zum 31. Dezember vergleichbar. Allerdings umfasst sie nicht alle Merkmale der Berufsbildungsstatistik. So wird z. B. die schulische Vorbildung oder auch die Staatsangehörigkeit nicht erhoben.
-
154
Die verwendeten Bezeichnungen für dieses Bildungssegment sind in der Literatur vielfältig: „Schulberufssystem“, „vollzeitschulische Berufsausbildung“, „Schulausbildung“ oder „Schulberufe“.
-
155
Eine ausführliche Beschreibung der verschiedenen Schularten findet sich in den Erläuterungen der Fachserie 11, Reihe 2, Berufliche Schulen (vgl. Statistisches Bundesamt 2021f).
-
156
Anfänger/-innen in der iABE: Als Anfänger/-innen werden Bildungsteilnehmer/-innen bezeichnet, die im Berichtsjahr erstmalig in einem Bildungsgang unterrichtet wurden. Es werden auch Bildungsteilnehmer/-innen als Anfänger/-innen gezählt, die direkt in die zweite Jahrgangsstufe eintreten (vgl. Statistische Ämter des Bundes und der Länder, 2011, S. 70). Die Fachserie „Berufliche Schulen“ nutzt hingegen die Definition der Schüler/-innen im 1. Schuljahrgang. Der Schuljahrgang kennzeichnet lediglich das klassenspezifische Bildungsniveau. In der PfleA werden Ausbildungseintritte für das gesamte Berichtsjahr erfasst.
-
157
Im BIBB-Datenreport 2015, Kapitel A5.1.1, Tabelle A5.1.1-1 wurde anhand der Anfängerdaten exemplarisch gezeigt, wie sich die Konten und Tabellen der beiden Statistiken einander zuordnen lassen. Die Gegenüberstellung zeigt, dass die Daten beider Quellen derzeit nur bedingt miteinander vergleichbar sind.
-
158
Daten zu den Anfängerinnen/Anfängern liegen nur nach Schularten und nicht nach Berufen vor.
-
159
Die Berichtsjahre davor werden auf Basis der Klassifikation der Berufe von 1992 ausgewiesen.
-
160
Daneben sind auch Schulen und Träger der praktischen Ausbildung Erhebungseinheiten. Auf diese wird hier jedoch nicht eingegangen.
-
161
Grundsätzlich liegen die Daten der Schulstatistik seit dem Jahr 1992 vor. Bei Zeitreihenvergleichen muss beachtet werden, dass mit dem Schuljahr 2012/2013 eine Umstellung von der KldB 1992 auf die KldB 2010 erfolgte. Erst ab dem Schuljahr 2013/2014 liegen für einige Berufe zeitlich vergleichbare Daten vor.