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Aufgrund der hohen bildungspolitischen Bedeutung, die das Thema Integration von Geflüchteten in die berufliche Bildung erfährt, stellen nicht nur Ausbildungsstellenbewerber/-innen mit Migrationshintergrund insgesamt, sondern auch die Teilgruppe der Bewerber/-innen mit Fluchthintergrund eine zentrale bildungspolitische Zielgruppe dar. Aus diesem Grund erhebt die BA seit 2016 im Rahmen ihrer Ausbildungsberichterstattung, ob bei drittstaatenangehörigen Bewerberinnen und Bewerbern ein Fluchthintergrund vorliegt (Personen im Kontext von Fluchtmigration).

Bewerber/-innen mit Migrationshintergrund (und Fluchthintergrund)

Seit 2016 erhebt die BA im Rahmen ihrer Ausbildungsberichterstattung, ob bei drittstaatenangehörigen Bewerberinnen und Bewerbern ein Fluchthintergrund vorliegt (Personen im Kontext von Fluchtmigration) (Kapitel A12.2). Bei Bewerberinnen und Bewerbern mit Fluchthintergrund handelt es sich um Personen, denen im Rahmen der Ausbildungsmarktstatistik der BA das Merkmal „Personen im Kontext Fluchtmigration“ zugewiesen wurde. Entscheidend für die Zuweisung des Merkmals sind Staatsangehörigkeit und Aufenthaltsstatus der Bewerber/-innen. So werden drittstaatenangehörige Ausländer/-innen mit einer Aufenthaltsgestattung (§ 55 AsylG), einer Aufenthaltserlaubnis Flucht (§ 22-26 AufenthG) oder einer Duldung (§ 60a AufenthG) als Bewerber/-innen im Kontext von Fluchtmigration geführt.

Während Bewerber/-innen mit Fluchthintergrund somit bereits in der Ausbildungsmarktstatistik identifiziert werden können, ist dies für Migrantinnen und Migranten ohne Fluchthintergrund nicht möglich.

Für Personen ohne Kontext Fluchtmigration, die im Rahmen der BA/BIBB-Bewerberbefragung 2021 befragt wurden, wird der Migrationshintergrund indirekt definiert: Bewerber/-innen, die in Deutschland geboren wurden und ausschließlich über die deutsche Staatsangehörigkeit verfügen sowie ausschließlich Deutsch als Muttersprache erlernt haben, gelten als Personen ohne Migrationshintergrund. Bei allen anderen wird ein Migrationshintergrund angenommen. Mit dieser Definition lässt sich allerdings ein Migrationshintergrund für einen Teil der Bewerber/-innen nicht erkennen. Dies trifft auf in Deutschland geborene Bewerber/-innen mit alleiniger deutscher Staatsangehörigkeit und alleiniger deutscher Muttersprache zu, deren Eltern aber zugewandert waren. Hier wären zur Identifikation des Migrationshintergrunds Informationen über die Eltern der Jugendlichen erforderlich. Angaben zu den Eltern dürfen in der BA/BIBB-Bewerberbefragung jedoch aus Datenschutzgründen nicht erhoben werden.

Anders gestaltet es sich allerdings für die Gruppe der Bewerber/-innen mit Migrationshintergrund, die keinen Fluchthintergrund haben. So weist die Ausbildungsmarktstatistik zwar Bewerber/-innen mit nicht deutscher Staatsangehörigkeit aus, Angaben zu Bewerberinnen und Bewerbern mit deutscher Staatsangehörigkeit und Migrationshintergrund fehlen jedoch.181 Aus diesem Grund wird der Migrationshintergrund bei der BA/BIBB-Bewerberbefragung auf Basis der Selbstauskunft der Befragten erhoben. Sie werden in Abgrenzung zur Gruppe der Bewerber/-innen mit Fluchthintergrund im Folgenden als Bewerber/-innen mit Migrationshintergrund, aber ohne Fluchthintergrund bezeichnet. Werden beide Gruppen angesprochen (Bewerber/-innen mit Fluchthintergrund und Bewerber/-innen mit Migrationshintergrund, aber ohne Fluchthintergrund), wird von Personen mit Migrationshintergrund insgesamt gesprochen.

Auswertungen der BA/BIBB-Bewerberbefragung 2021 zeigen, dass im Berichtsjahr 2021 etwa ein Drittel (33 %) der Bewerber/-innen einen Migrationshintergrund, aber keinen Fluchthintergrund aufwies. Bei weiteren knapp 7 % handelte es sich um Bewerber/-innen mit Fluchthintergrund.182 Somit besaßen rd. 39 % der Bewerber/-innen einen Migrationshintergrund insgesamt. Damit hat der Anteil der Bewerber/-innen mit Migrationshintergrund insgesamt im Vergleich zu 2018 und 2020 nur leicht zugenommen, nachdem er von 2016 auf 2018 aufgrund der hohen Fluchtmigration deutlich angestiegen war Schaubild A8.1.1-1.

Im Berichtsjahr 2021 war der Frauenanteil in der Gruppe der Bewerber/-innen mit Migrationshintergrund, aber ohne Fluchthintergrund mit 42 % etwas höher als in der Gruppe der Bewerber/-innen ohne Migrationshintergrund (37 %) Tabelle A8.1.1-1. Aufgrund der demografischen Struktur der Geflüchteten fiel bei ihnen der Anteil der Frauen (27 %) erheblich geringer aus. Gleichwohl ist der Frauenanteil bei den Geflüchteten im Vergleich zu 2018 (15 %)183 und 2020 (24 %) abermals angestiegen.

Schaubild A8.1.1-1: Anteil der Bewerber/-innen mit Migrationshintergrund an allen Bewerberinnen und Bewerbern von 2004 bis 2021 (in %)

Tabelle A8.1.1-1: Merkmale der Bewerber/-innen nach Migrations- und Fluchthintergrund des Berichtsjahrs 2021 (in %)

Wie 2020 zeigen sich auch 2021 deutliche Unterschiede zwischen den drei Gruppen hinsichtlich ihrer Altersstruktur: Vor allem der Anteil der Personen ab einem Alter von 21 Jahren fiel in der Gruppe der Bewerber/-innen mit Fluchthintergrund (55 %) erheblich höher aus als in den beiden Vergleichsgruppen (Bewerber/-innen ohne Migrationshintergrund: 20 %, Bewerber/-innen mit Migrationshintergrund, aber ohne Fluchthintergrund: 25 %).

In Bezug auf den Altbewerberanteil besteht zwar kein relevanter Unterschied mehr zwischen den Gruppen, der Anteil ist nur bei den Bewerberinnen und Bewerbern mit Migrationshintergrund, aber ohne Fluchthintergrund leicht überdurchschnittlich (28 %). Jedoch sind bei diesen (9 %) und insbesondere bei den Bewerberinnen und Bewerbern mit Fluchthintergrund (13 %) die Anteile derer, bei denen keine sichere Zuordnung möglich war, höher. Bei Personen mit Migrationshintergrund (aber ohne Fluchthintergrund) korrespondiert das, im Vergleich zu Bewerbern und Bewerberinnen ohne Migrationshintergrund, höhere Alter mit einem höheren Altbewerberanteil und deutet damit auf vergleichsweise schwierigere Übergangswege hin (vgl. Beicht 2015; Beicht/Walden 2019). Auch bei den Geflüchteten indiziert der hohe Altbewerberanteil schwierigere Zugangswege in die Ausbildung (vgl. Eberhard/Schuß 2021). Gleichwohl ist ihr höheres Alter auch auf die demografische Struktur der Gruppe der Geflüchteten insgesamt zurückzuführen.

Was die Schulabschlüsse betrifft, so wiesen Bewerber/-innen mit Fluchthintergrund häufiger keinen Abschluss auf (11 %) als Bewerber/-innen mit Migrationshintergrund, aber ohne Fluchthintergrund (4 %) und Bewerber/-innen ohne Migrationshintergrund (4 %). Dieses Ergebnis muss allerdings mit Vorsicht interpretiert werden, da die Kategorie lediglich auf fehlende deutsche Abschlüsse verweist und sich Geflüchtete noch im Anerkennungsverfahren befinden könnten.

Insgesamt zeigte sich allerdings auch, dass Jugendliche mit Fluchthintergrund (41 %) häufiger als Personen mit Migrationshintergrund (32 %) und Personen ohne Migrationshintergrund (26 %) über einen Hauptschulabschluss verfügten. Über einen mittleren Schulabschluss oder die (Fach-)Hochschulreife verfügen Personen mit Fluchthintergrund seltener als die beiden anderen Personengruppen.

Zum Befragungszeitpunkt befanden sich 43 % der Bewerber/-innen ohne Migrationshintergrund in einer betrieblichen Berufsausbildung nach BBiG/HwO. Bei den Bewerberinnen und Bewerbern mit Migrationshintergrund insgesamt fielen die entsprechenden Anteile geringer aus (Migrationshintergrund, aber ohne Fluchthintergrund: 30 %; mit Fluchthintergrund: 26 %). Im Vergleich zur letzten Befragung vor der Coronakrise 2018 sind die betrieblichen Verbleibsquoten für alle drei Gruppen gesunken. Zwischen 2020 und 2021 sind die Quoten bei Bewerbern bzw. Bewerberinnen mit Migrationshintergrund, aber ohne Fluchthintergrund von 28 % auf 30 % wieder leicht angestiegen. Bei Personen mit Fluchthintergrund ist sie jedoch von 32 % auf 26 % zurückgegangen und bei Personen ohne Migrationshintergrund ist sie leicht von 46 % auf 43 % gesunken Schaubild A8.1.1-2.

Schaubild A8.1.1-2: Verbleibsquoten der Bewerber/-innen in betrieblicher Ausbildung in den Berichtsjahren 2010 bis 2021 nach Migrations- und Fluchthintergrund (in %)

Wird der Beobachtungszeitraum ausgeweitet, zeigt sich für Bewerber/-innen ohne Migrationshintergrund, dass ihre betriebliche Verbleibsquote im Jahr 2020 mindestens genauso hoch oder sogar höher ausfiel als in den Jahren 2010 bis 2016. Bei Personen mit Migrationshintergrund insgesamt trifft dies hingegen nicht zu.

Bei den Verbleiben in Ausbildungsformen, die ebenfalls zu einem vollqualifizierenden (Berufs-)Abschluss führen, zeigen sich 2021 folgende Veränderungen gegenüber 2020:

Die Anteile der Bewerberinnen und Bewerber in außerbetrieblicher Berufsausbildung sind in allen drei Gruppen leicht gesunken, während die Anteile an Ausbildungen im Schulberufssystem184 bzw. einer sonstigen Berufsausbildung außerhalb von BBiG/HwO in allen drei Gruppen um rd. 2 Prozentpunkte gestiegen sind auf 6 % bzw. 7 % Tabelle A8.1.1-2.

Tabelle A8.1.1-2: Verbleib der Bewerber/-innen nach Migrations- und Fluchthintergrund der Berichtsjahre 2020 und 2021 zum Befragungszeitpunkt (in %)

Bei den Bewerbern bzw. Bewerberinnen ohne Migrationshintergrund befinden sich insgesamt rd. 57 % in Ausbildungsformen, die zu einem vollqualifizierenden (Berufs-)Abschluss führen (betriebliche oder außerbetriebliche Ausbildung nach BBiG/HwO, Ausbildung außerhalb BBiG/HwO, Studium). Unter den befragten Personen mit Migrationshintergrund, aber ohne Fluchthintergrund (42 %) sowie mit Fluchthintergrund (36 %) sind diese Anteile weiterhin deutlich geringer. Die geringeren Verbleibsquoten in betrieblicher Ausbildung sind hier der hauptsächliche Faktor.

Zusätzlich fällt auf, dass viele Personen mit Fluchthintergrund sonstig verblieben sind. Dies ist zu einem großen Umstand der Tatsache geschuldet, dass unter Sonstiges auch der Besuch eines Sprachkurses fällt, den viele Geflüchtete zum Befragungszeitpunkt (noch) besuchten.

Bei den nicht vollqualifizierenden Verbleiben zeigen sich nur geringfügige Veränderungen gegenüber 2020. Während 2020 mehr Personen arbeitslos bzw. -suchend waren als 2018, sind die Anteile nun nur bei Personen ohne Migrationshintergrund leicht gestiegen, bei Bewerberinnen und Bewerbern mit Migrationshintergrund, aber ohne Fluchthintergrund mit 13 % (2020: 16 %) und bei Geflüchteten mit 12 % (2020: 14 %) wieder etwas zurückgegangen.

Die Einstiegsqualifizierung (EQ), die 2018 noch 4 % der befragten Personen mit Fluchthintergrund absolvierten, spielten sowohl 2020 als auch 2021 in dieser Gruppe mit lediglich 1 % keine besondere Rolle mehr. Dieser Rückgang könnte sich negativ auf den Zugang zu betrieblicher Ausbildung auswirken, denn die EQ kann maßgeblich die Zugangschancen von Geflüchteten auf eine betriebliche Ausbildungsstelle erhöhen (vgl. Eberhard/Schuß 2021).

  • 181

    Zwar wird seit 2012 der Migrationsstatus der gemeldeten Bewerber/-innen im Rahmen der Ausbildungsvermittlung erhoben, aufgrund von Erfassungsproblemen der BA wurde dieser aber bisher noch nicht im Rahmen der Ausbildungsmarktstatistik ausgewiesen.

  • 182

    Der Anteil der Geflüchteten fällt im Rahmen der BA/BIBB-Bewerberbefragung 2021 mit 7 % ebenso hoch aus wie in der Ausbildungsmarktberichterstattung (vgl. Schuß u. a., Tabelle A6 in 2021).

  • 183

    Die Angaben zu den Bewerberinnen und Bewerbern 2018 sind im BIBB-Datenreport 2019, Kapitel A8.1 dargestellt.

  • 184

    Hierunter wird die Berufsausbildung außerhalb von BBiG/HwO, d. h. nach sonstigen bundes- oder landesrechtlichen Regelungen, verstanden.