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Das BIBB führt unter der gemeinsamen Leitung mit dem IAB und in Zusammenarbeit mit der GWS die BIBB-IAB-Qualifikations- und Berufsprojektionen durch (QuBe-Projekt). Dabei handelt es sich um eine in zweijährigem Turnus aktualisierte und überarbeitete Langfristprojektion der Wirtschaft und des Arbeitsmarktes in Deutschland. Das Arbeitskräfteangebot und der -bedarf werden dabei bis auf Ebene von 141233 Dreistellern (Berufsgruppen) der Klassifikation der Berufe (KldB) 2010 sowie nach vier Qualifikations- bzw. vier Anforderungsniveaus differenziert. Die Ergebnisse der QuBe-Basisprojektion der aktuell sechsten Welle des QuBe-Projektes wurden im Herbst 2020 veröffentlicht und bereits im BIBB-Datenreport 2021 vorgestellt (vgl. Maier u. a. 2020; BIBB-Datenreport 2021, Kapitel A10.2). Dabei erfolgte erstmals eine differenzierte Ausweisung von qualifikationsspezifischen Wanderungsgewinnen und -verlusten. Außerdem wurde die Erwerbsbeteiligung mit der sechsten Welle erstmals in Abhängigkeit von der wirtschaftlichen Entwicklung bestimmt. Zudem wurde mit der adjustierten Suchdauer ein neuer Indikator zur Beurteilung der anforderungs- und berufsspezifischen Fachkräftesituation bereitgestellt.

BIBB-IAB-Qualifikations- und Berufsprojektionen (QuBe-Projekt)

Die QuBe-Projektionen, die in Zusammenarbeit mit der GWS entstanden sind, zeigen anhand von Modellrechnungen, wie sich Angebot und Nachfrage nach Qualifikationen und Berufen langfristig entwickeln können. Als Datengrundlage dient u. a. der Mikrozensus (letztes Erhebungsjahr 2017), welcher als amtliche Repräsentativstatistik des Statistischen Bundesamts, an der jährlich ein Prozent aller Haushalte in Deutschland beteiligt ist, Informationen über die Bevölkerung und den Arbeitsmarkt liefert. Die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung (in der vorliegenden Projektion bis zum Jahr 2019) ist Grundlage für die Projektion der Gesamtwirtschaft. Die Registerdaten der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten und der ausschließlich geringfügig Beschäftigten der BA liefern zusätzliche Informationen zu den Erwerbstätigen nach Beruf und den entsprechend gezahlten Löhnen (in der vorliegenden Projektion bis zum Jahr 2017). Die Ergebnisse werden nach bis zu 141 Dreistellern (Berufsgruppen) der KldB 2010, nach vier Qualifikationsniveaus nach der Internationalen Standardklassifikation des Bildungswesens (ISCED) 2011 bzw. vier Anforderungsniveaus differenziert.

Die vorliegenden Ergebnisse basieren auf der sechsten Projektionswelle des QuBe-Projektes (vgl. Maier u. a. 2020; BIBB-Datenreport 2021, Kapitel A10.2). Diese baut auf den Methoden der vorherigen Wellen auf (vgl. Helmrich/Zika 2010; Maier u. a. 2018; Maier u. a. 2014; Maier u. a. 2016; Zika u. a. 2012) und nimmt weitere Neuerungen auf (vgl. Kalinowski/Mönnig/Söhnlein 2021).

Weitere Informationen zum Projekt unter www.qube-projekt.de.

MoveOn – Arbeitswelt in einem nachhaltigen Mobilitätssystem

Im Rahmen des QuBe-Projektes wurden bereits verschiedene Szenarioanalysen durchgeführt, um die Effekte einer Abweichung vom aktuellen Entwicklungspfad – der QuBe-Basisprojektion – auf die Wirtschaft und den Arbeitsmarkt in Deutschland abzuschätzen. Dazu gehören bspw. Wolter u. a. (2015; 2016; 2019), die die Auswirkungen der Digitalisierung aufzeigen, und Mönnig u. a. (2018), die sich den Effekten durch eine verstärkte Elektrifizierung des Antriebsstrangs von Pkw widmen. So wurde ebenfalls im Rahmen der sechsten Projektionswelle ein alternatives Entwicklungsszenario erstellt, welches sich schwerpunktmäßig dem Thema der Mobilität widmet – das sog. MoveOn-Szenario (vgl. Mönnig u. a. 2021).

Das Mobilitätssystem unterliegt gegenwärtig einem tiefgreifenden Wandel. Neben der COVID-19-Pandemie werden weitere Faktoren zu nachhaltigen strukturellen Veränderungen der Mobilität von Menschen und Gütern führen (vgl. Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur 2019a). Dazu gehört zum einen das steigende Mobilitätsaufkommen. So werden die inländische Personen- und die Güterverkehrsleistung in Deutschland zukünftig weiter ansteigen. Das Mobilitätssystem muss die dafür erforderlichen Kapazitäten zukünftig entsprechend bereitstellen (vgl. Schubert u. a. 2014). Zum anderen gehört dazu die Digitalisierung, die uns neue Mobilitätskonzepte eröffnet. Dazu gehören bspw. sharingbasierte Verkehrsdienstleistungen. Die Vernetzung von Verkehrsträgern ermöglicht zudem eine verbesserte Auslastung des Verkehrsnetzes und autonom fahrende Systeme werden zunehmend marktreif (vgl. Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur 2019a). Daneben ist auch der Klimaschutz ein entscheidender Treiber der Transformation des Mobilitätssystems. So stellen ein Antriebswechsel für Kraftfahrzeuge und eine verstärkte Nutzung des ÖPNV wichtige Hebel in der Reduzierung der CO2-Emissionen im Verkehrssektor dar. Mit der Klimaschutznovelle hat sich Deutschland dazu verpflichtet, seine Treibhausgasemissionen bis 2030 um 65 % gegenüber dem Jahr 1990 zu reduzieren. Das Sektorenziel im Verkehr liegt bei einer Reduzierung um rd. 50 % gegenüber 1990 (vgl. Bundesregierung 2021; Umweltbundesamt 2020).

Eine Status-quo-Analyse des mobilitätsbezogenen Arbeitsmarktes in Deutschland des BIBB zeigt auf, dass im Jahr 2015 mit rd. 6,2 Mio. Personen ca. 15 % der Erwerbstätigen einen beruflichen Beitrag zur Mobilität leisteten. Dazu zählen all jene, deren „Tätigkeiten in direkter Weise mobil sind (z. B. fahren, transportieren etc.), die an der Produktion oder dem Vertrieb der mobilen Einheiten beteiligt sind (z. B. Berufe in der Fahrzeug-, Luft-, Raumfahrt- und Schiffbautechnik, im Metallbau, Kfz-Vertrieb) oder die infrastrukturell oder in ihren Dienstleistungen einen Beitrag zur (Ermöglichung von) Mobilität leisten (z. B. Straßenbauer/-innen, Kfz-Versicherungskaufleute, Straßenverkehrsleute oder IT- und Softwareentwickler/-innen)“ (Mergener u. a. 2018, S. 47). Damit beeinflusst der Mobilitätswandel einen erheblichen Teil des Arbeitsmarktes.

Um die Wirkungen eines solchen Mobilitätswandels für die Wirtschaft und den Arbeitsmarkt abzubilden, wurden die Modellierung und Datengrundlage der sechsten Welle des QuBe-Projektes erweitert und darauf aufbauend das MoveOn-Szenario erstellt. Dieser Beitrag stellt die Ergebnisse dieses MoveOn-Szenarios vor, welches eine Transformation des Mobilitätssystems hin zu einem dekarbonisierten, umweltfreundlichen, effizienten, bezahlbaren und zukunftsfähigen Mobilitätssystem in Deutschland abbildet.

Modellierung eines nachhaltigen Mobilitätssystems von morgen

Um die Folgen einer Transformation des Mobilitätssystems für die Wirtschaft und den Arbeitsmarkt in Deutschland abzuschätzen, wurde eine Szenarioanalyse durchgeführt. Dazu wurde zunächst die Datengrundlage und Modellierung des QuBe-Projektes erweitert, um so mobilitätsrelevante Aspekte der Wirtschaft und des Arbeitsmarktes im Detail abbilden zu können. Dazu zählt zum einen die Zerlegung von mobilitätsrelevanten Wirtschaftszweigen in der im Modell enthaltenen Input-Output-Rechnung, um damit die Vorleistungsverflechtungen in der Mobilitätsbranche im Detail abbilden zu können. Zum anderen wurde das im Modell enthaltene Verkehrsmodul erweitert, um Fahrzeugbestände sowie die Verkehrsleistung nach Fahrzeugtypen zu modellieren (vgl. Mönnig u. a. 2021).

Auf Basis dieses erweiterten Modells werden zwei mögliche Entwicklungen des deutschen Arbeitsmarktes miteinander verglichen (vgl. Helmrich/Zika 2019): Als Referenzszenario dient eine anhand des erweiterten QuBe-Modells gerechnete MoveOn-Basisprojektion. Sie orientiert sich an der empiriebasierten QuBe-Basisprojektion der sechsten Welle, die ein Fortbestehen der in der Vergangenheit beobachtbaren Trends und Verhaltensweisen im Bildungssystem, der ökonomischen Entwicklung und auf dem Arbeitsmarkt unterstellt (vgl. Maier u. a. 2020; BIBB-Datenreport 2021, Kapitel A10.2). Sie bildet damit ab, auf welchem Entwicklungspfad sich die Wirtschaft, das Bildungssystem und der Arbeitsmarkt in Deutschland aktuell befinden.234 Im Vergleichsszenario – dem MoveOn-Szenario – kommt es dagegen zu einer Transformation des Mobilitätssystems, die über ein Set von Annahmen abgebildet wird, welches über die Einstellungen der MoveOn-Basisprojektion hinaus ins Modell einfließt. Da beiden Projektionen dieselben Modellzusammenhänge und Daten zugrunde liegen, sind Abweichungen in den Ergebnissen ausschließlich auf die getroffenen Annahmen zurückzuführen. Ein Vergleich der beiden Szenarien offenbart damit die Implikationen, die aus den getroffenen Annahmen resultieren.

Zu den Annahmen des MoveOn-Szenarios gehören zunächst umfangreiche Bau- und Ausrüstungsinvestitionen, mit denen die Grundvoraussetzungen für einen Mobilitätswandel geschaffen werden. Dazu zählen zum einen Investitionen zur Verbesserung des öffentlichen Personenverkehrs. Mit ihnen werden u. a. smarte Mobilitätskonzepte in Städten und eine höhere Taktung und Zuverlässigkeit im Schienenverkehr ermöglicht. Zum anderen wird in hohem Maße in den Ausbau der öffentlichen Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge investiert. Infolgedessen passt sich die Mobilität von Menschen und Gütern an. Dabei werden im MoveOn-Szenario Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor in geringerem Maße nachgefragt, während dagegen der Elektroantrieb profitiert. Ein weiterer Punkt dieses Annahmenbündels stellt eine veränderte Zusammensetzung in der Nutzung der einzelnen Verkehrsträger – dem sog. Modalsplit – dar. Schaubild A10.2-1 stellt dazu jeweils den Modalsplit im Güter- und Personenverkehr für das letzte Ist-Jahr 2019 sowie das Projektionsergebnis für das Jahr 2040, einmal in der MoveOn-Basisprojektion und einmal für das MoveOn-Szenario, dar. Dabei wird in der MoveOn-Basisprojektion die Verkehrsleistung der einzelnen Verkehrsträger nach dem Vergangenheitstrend fortgeschrieben. Es zeigt sich, dass der Modalsplit in der Personen- und Güterbeförderung bis zum Jahr 2040 nahezu unverändert bleibt, während der Schienenverkehr dabei leicht an Bedeutung gewinnt. In der Personenbeförderung baut der Luftverkehr zudem leicht seinen intermodalen Beitrag aus. Im MoveOn-Szenario verdoppelt sich dagegen in der Personenbeförderung annahmegemäß der intermodale Beitrag der Verkehrsträger Schiene, Omnibus und Landverkehr (bspw. Straßen- und U-Bahnen) auf insgesamt rd. ein Drittel. Diese Entwicklung geht zulasten des motorisierten Individualverkehrs (Pkw) und des Luftverkehrs. Im Güterverkehr baut die Eisenbahn ihrem Anteil ebenfalls auf rd. ein Drittel bis zum Jahr 2040 aus, während der Landverkehr an Bedeutung verliert.

Darüber hinaus nehmen wir eine verstärkte Digitalisierung und damit zunehmende Automatisierung im Mobilitätssystem an, sodass sich der Bedarf an Arbeitskräften in der Fahrzeugführung verringern wird. Zuletzt nehmen wir eine staatliche Förderung der öffentlichen Verkehrsbetriebe an, die ein kostengünstiges Angebot öffentlicher Mobilitätsdienste sicherstellt. Sämtliche Annahmen wurden anhand von bestehenden Studien und Interviews mit Expertinnen und Experten aus der Mobilitätsbranche plausibilisiert.

Das MoveOn-Szenario

Das MoveOn-Szenario bildet eine Transformation des Mobilitätssystems hin zu einem dekarbonisierten, umweltfreundlichen, effizienten, bezahlbaren und zukunftsfähigen Mobilitätssystem in Deutschland ab. Im Szenario wird bewusst vom aktuell eingeschlagenen Entwicklungspfad abgewichen, welcher sich aus den Vergangenheitsdaten ergibt und in der MoveOn-Basisprojektion abgebildet wird. Dagegen unterliegt das MoveOn-Szenario der Annahme, dass zusätzliche Anstrengungen bzw. Investitionen notwendig sind, damit ein solcher Mobilitätswandel in Deutschland gelingen kann. Dazu werden insgesamt 15 Annahmen in das Modell implementiert, welche sich den folgenden sechs Maßnahmengruppen zuordnen lassen:

1. Bauinvestitionen

Zusätzliche Bauinvestitionen zur Verbesserung der öffentlichen Verkehrsinfrastruktur, Bereitstellung von schnellem Internet und Sicherstellung einer flächendeckenden Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge.

2. Ausrüstungsinvestitionen

Vermehrte Ausrüstungsinvestitionen zur Modernisierung der öffentlichen Verkehrsinfrastruktur. Dazu zählt eine Elektrifizierung der Omnibusse im ÖPNV sowie die Modernisierung von Schienenfahrzeugen und Schiffen.

3. Mobilität von Menschen und Gütern

Ein verändertes Mobilitätsverhalten im Personen- und Güterverkehr hin zum Verkehrsträger Schiene sowie elektrischen Antriebsarten.

4. Produktionsweisen

Veränderte Produktionsweisen und Nachfragestrukturen, die aus einer stärkeren Digitalisierung im Verkehrsbereich folgen. So führt bspw. der vermehrte Einsatz von Fahrassistenzsystemen zu einer erhöhten Sicherheit im Straßenverkehr, wodurch die Nachfrage nach Reparaturdienstleistungen für Kraftfahrzeuge zurückgeht.

5. Berufe

Geringerer Bedarf in der Fahrzeugführung im Zuge eines automatisierten Fahrbetriebs.

6. Staat

Staatliche Förderung der ÖPNV-Anbieter, damit ein kostengünstiges Angebot öffentlicher Verkehrsdienstleistungen ermöglicht wird.

Damit setzt sich das MoveOn-Szenario aus mehreren Teilszenarien zusammen. In diesen werden die Annahmen des MoveOn-Szenarios nacheinander kumuliert betrachtet. So setzt sich das Teilszenario 1 aus der MoveOn-Basisprojektion und der ersten Annahme des MoveOn-Szenarios zusammen. Das Teilszenario 2 setzt sich aus Teilszenario 1 und der zweiten Annahme des MoveOn-Szenarios zusammen usw. So ermöglicht ein Vergleich der einzelnen Teilszenarien mit ihren „Vorszenarien“ eine Abschätzung der Wirkungseffekte der einzelnen Annahmen.

Schaubild A10.2-1: Modalsplit im Güter- und Personenverkehr 2019 und 2040, MoveOn-Basisprojektion und MoveOn-Szenario (in %)

Positive Wirkungen auf Wirtschaft, Arbeitskräfteangebot und -bedarf

Das MoveOn-Szenario bildet die Welt eines dekarbonisierten, umweltfreundlichen, effizienten und bezahlbaren Mobilitätssystems in Deutschland ab. Darin wird sich eine deutlich erhöhte Lebensqualität für die Bevölkerung – insbesondere in urbanen Regionen – zeigen (vgl. Umweltbundesamt 2019). Zudem leisten die eingesparten CO2-Emissionen im Verkehrssektor einen entscheidenden Beitrag zur Erreichung der Klimaziele bis 2030 (vgl. Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur 2019b). Diese Aspekte haben keinen direkten Einfluss auf Wirtschaft oder Arbeitsmarkt und werden daher im Folgenden nicht weiter berücksichtigt. Sie sind jedoch als Teil des gezeichneten Szenarios anzuerkennen.

Im Ergebnis ziehen die vorgenommenen Szenario-Einstellungen des MoveOn-Szenarios im gesamten Projektionszeitraum positive Wirkungen für Bruttoinlandsprodukt (BIP) sowie Arbeitskräfteangebot und -bedarf nach sich. So liegt das BIP bis zum Jahr 2030 um rd. 0,4 % oberhalb des BIP im Referenzszenario. Bis 2035 steigt dieser Effekt auf rd. 0,7 % an.

Aufgrund der hohen zusätzlichen Investitionen steigt im MoveOn-Szenario zunächst die Zahl der Erwerbstätigen im Vergleich zur MoveOn-Basisprojektion um rd. 120.000 an Schaubild A10.2-2. Bis zum Jahr 2035 sinkt der Mehrbedarf jedoch auf rd. 30.000 Personen ab. Die zusätzlichen Beschäftigungsgewinne gehen jedoch über kurzfristige Effekte durch die zusätzlichen Bau- und Ausrüstungsinvestitionen hinaus: So wird ab 2035 der Bedarf an Arbeitskräften stetig ansteigen. Dies ist insbesondere auf den durch zusätzliche Beschäftigung beflügelten privaten Konsum zurückzuführen. Im Jahr 2040 werden schließlich rd. 60.000 Erwerbstätige mehr beschäftigt sein als in der MoveOn-Basisprojektion.

Darüber hinaus führt den Ergebnissen zufolge die erhöhte Wirtschaftsdynamik zu einem im Vergleich zum Referenzlauf höheren Arbeitskräfteangebot (Zahl der Erwerbspersonen). Ab 2023 werden im Vergleich zum Referenzszenario rd. 70.000 Personen jährlich zusätzlich ihre Arbeitskraft anbieten Schaubild A10.2-2.

Schaubild A10.2-2: Zahl der Erwerbstätigen und Erwerbspersonen, Differenz von MoveOn-Szenario und MoveOn- Basisprojektion 2020 bis 2040 (in 1.000 Personen)

Veränderungen des Arbeitskräftebedarfs nach Branchen und Berufen

Die Beschäftigungsgewinne im MoveOn-Szenario zeigen sich jedoch nicht gleichmäßig über sämtliche Berufe und Branchen hinweg. So profitieren erwartungsgemäß insbesondere die Wirtschaftszweige, die der Verkehrs- und Transportbranche zuzuordnen sind. Dazu zählt insbesondere der Landverkehr und Transport in Rohrfernleitungen, wo im Jahr 2040 im MoveOn-Szenario insgesamt knapp 26.000 Erwerbstätige mehr beschäftigt sein werden als in der MoveOn-Basisprojektion. Dies entspricht einem Plus von rd. 2,5 %. Darüber hinaus verzeichnet ebenso die Branche Lagerei sowie Erbringung von sonstigen Dienstleistungen für den Verkehr Beschäftigungsgewinne. Diese belaufen sich auf rd. 12.500 Personen (+1,5 %) im Jahr 2040 im Vergleich zur MoveOn-Basisprojektion. Zudem profitiert der Sonstige Fahrzeugbau aufgrund der verstärkten Nutzung der Binnenschifffahrt und des Schienenverkehrs, wodurch entsprechend der Bedarf an Wasser- und Schienenfahrzeugen zunimmt. Dieser Wirtschaftszweig verfügt im MoveOn-Szenario in 2040 über rd. 2,5 % mehr Beschäftigte als in der MoveOn-Basisprojektion (+2.200 Erwerbstätige).

Aus dieser Entwicklung folgt ein erhöhter Bedarf an Berufen, welche vornehmlich in diesen Branchen vertreten sind. So zeigt Schaubild A10.2-3 die Berufsgruppen (Dreisteller der KldB 2010) mit den jeweils zehn größten positiven und negativen relativen Abweichungen der Erwerbstätigen zwischen dem MoveOn-Szenario und der MoveOn-Basisprojektion im Jahr 2040. Dabei zeigt sich, dass unter den Top zehn Berufen mit den Berufsgruppen

  • Lagerwirtschaft, Post, Zustellung, Güterumschlag,
  • Überwachung und Steuerung Verkehrsbetrieb,
  • technischer Betrieb Eisenbahn-, Luft- und Schiffsverkehr,
  • Kaufleute – Verkehr und Logistik,
  • Servicekräfte im Personenverkehr,
  • Überwachung, Wartung, Verkehrsinfrastruktur sowie
  • Fahrzeugführung im Eisenbahnverkehr

sieben Berufsgruppen vertreten sind, welche vornehmlich den Branchen Landverkehr und Transport in Rohrfernleitungen und Lagerei sowie Erbringung von sonstigen Dienstleistungen für den Verkehr tätig sind. Absolut betrachtet erfolgt der stärkste Beschäftigungsaufbau mit einem Plus von rd. 15.000 Erwerbstätigen im Jahr 2040 in der Berufsgruppe Lagerwirtschaft, Post, Zustellung, Güterumschlag. Da es sich hier jedoch um eine im Vergleich relativ große Berufsgruppe handelt, erzielt diese nur Platz neun im Ranking nach relativen Zuwächsen.

Schaubild A10.2-3: Zahl der Erwerbstätigen nach Berufsgruppen, Abweichung des MoveOn-Szenarios von der MoveOn-Basisprojektion im Jahr 2040, Top zehn und Bottom zehn (in %)

Neben diesen Wirtschaftszweigen und Berufen, die einen direkten Bezug zum Mobilitätssektor aufweisen, profitieren im MoveOn-Szenario ebenso das Baugewerbe und darin verortete Berufsgruppen wie der Tiefbau sowie die Bau- und Transportgeräteführung. Durch die im MoveOn-Szenario angenommene verstärkte Digitalisierung von Mobilitätsdienstleistungen verzeichnen ebenso die IT- und Informationsdienstleister ein leichtes Beschäftigungsplus im Vergleich zur MoveOn-Basisprojektion im Jahr 2040 von rd. 5.000 Erwerbstätigen.

Auf der anderen Seite gibt es jedoch Wirtschaftszweige und Berufe, die im Zuge eines Mobilitätswandels einen geringeren Arbeitskräftebedarf aufweisen. Dies betrifft insbesondere den Kfz-Handel, Instandhaltung und Reparatur von Kfz, wo die Zahl der Erwerbstätigen im MoveOn-Szenario im Jahr 2040 um rd. 5.400 Erwerbstätige geringer ausfällt als in der MoveOn-Basisprojektion. So führt der im MoveOn-Szenario implementierte verstärkte Einsatz von Fahrassistenzsystemen dazu, dass sich die Sicherheit im Verkehr erhöht und Unfälle vermieden werden. Folglich fällt der Bedarf an Reparaturdiensten geringer aus. Auf Ebene der Berufsgruppen zeigt sich ein deutlicher Rückgang des Arbeitskräftebedarfs in der Fahrzeugführung im Straßenverkehr Schaubild A10.2-3. Das Minus von rd. 3 % im Jahr 2040 im Vergleich zur MoveOn-Basisprojektion entspricht ca. 37.000 Erwerbstätigen. Dies ist auf die Annahme des MoveOn-Szenarios zurückzuführen, dass im Zuge einer verstärkten Digitalisierung neben dem höheren Einsatz von Fahrassistenzsystemen zunehmend Tätigkeiten in der Fahrzeugführung durch autonome Fahrsysteme ersetzt werden können und der Bedarf an Fahrzeugführerinnen und -führern entsprechend zurückgeht. Dies schlägt sich ebenso in einem geringeren Bedarf in der Fahrzeugführung im Schiffsverkehr nieder. Der stark steigende Bedarf in der Fahrzeugführung im Eisenbahnverkehr steht dazu im Kontrast Schaubild A10.2-3. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die im MoveOn-Szenario abgebildete vermehrte Nutzung des Zugverkehrs im Personen- und Güterverkehr den Effekt autonomer Fahrsysteme überkompensiert. Dagegen nimmt die Güterverkehrsleistung in der Binnenschifffahrt im MoveOn-Szenario nur in geringem Maße zu, während sich der intermodale Beitrag des Landverkehrs im Gütertransport deutlich verringert Schaubild A10.2-1.

Arbeitsplatzumschlag

Die vorangegangenen Darstellungen machen deutlich, dass ein Mobilitätswandel erhebliche Umwälzungen am Arbeitsmarkt mit sich bringt. Diese werden in Form von wegfallenden und neu entstehenden Arbeitsplätzen im MoveOn-Szenario im Vergleich zur MoveOn-Basisprojektion in Schaubild A10.2-4 dargestellt. Dazu wurden die Arbeitskräftebedarfe nach Branchen-Berufs-Kombinationen (63 Branchen x 144 Berufe = 9.072 Kombinationen) in den einzelnen Teilszenarien, aus denen sich das MoveOn-Szenario zusammensetzt, miteinander verglichen (Das MoveOn-Szenario). Daran wird ersichtlich, welche Berufe in welchen Branchen im MoveOn-Szenario im Vergleich zur MoveOn-Basisprojektion nicht existieren und welche dagegen neu entstehen. Die rechte Seite in Schaubild A10.2-4 zeigt für die Jahre 2025, 2030, 2035 und 2040 den kumulierten Auf- und Abbau nach Teilszenarien. Die linke Seite stellt den daraus resultierenden Saldo an Arbeitsplätzen dar, welche den Zahlen der zusätzlichen Erwerbstätigen aus Schaubild A10.2-2 entsprechen.

Dabei zeigt sich zunächst besonders zu Beginn des Projektionshorizontes ein starker Aufbau von Arbeitsplätzen infolge zusätzlicher Bauinvestitionen. Der Effekt nimmt bis zum Jahr 2040 jedoch ab, da die Investitionen ebenfalls zurückgehen. Die Annahmenbündel der Ausrüstungsinvestitionen, Produktionsweisen und Staat ziehen nur vergleichsweise geringe Umwälzungen nach sich. Der stärkste Umschlag von Arbeitsplätzen resultiert aus dem Annahmenbündel Mobilität von Menschen und Gütern. Dies ist insbesondere auf die darin enthaltene Annahme eines Kfz-Antriebswechsels zurückzuführen. So führt eine Verschiebung der Nachfrage nach dem aktuell vornehmlich genutzten Verbrennungsmotor hin zum Elektromotor oder anderen alternativen Antriebsarten dazu, dass bestimmte Produktionsprozesse und damit Arbeitsplätze wegfallen, während an anderer Stelle neue entstehen. Zudem werden insbesondere durch die Verschiebung des Modalsplits im Personenverkehr zusätzliche Arbeitsplätze im Bereich des öffentlichen Personenverkehrs geschaffen. Zuletzt ist aus Schaubild A10.2-4 ersichtlich, dass ein geringerer Bedarf in der Fahrzeugführung im Zuge eines automatisierten Fahrbetriebs (Schaubild A10.2-4 „Berufe“) zu deutlichen Arbeitsplatzverlusten führt. In Summe besteht jedoch über den gesamten Projektionszeitraum hinweg ein positiver Saldo.

Schaubild A10.2-4: Saldo und Zahl der auf- und abgebauten Arbeitsplätze nach Teilszenarien des MoveOn- Szenarios im jeweiligen Vergleich zum Vorszenario und zur MoveOn-Basisprojektion in den Jahren 2025, 2030, 2035 und 2040 (in 1.000 Arbeitsplätzen)

Fazit

Nach unserem Szenario geht der Umbau hin zu einer ökologischeren Mobilität nicht – wie eine erste Vermutung insbesondere mit Blick auf den Automobilstandort Deutschland befürchten ließe – mit einem Arbeitsplatzabbau, sondern sogar mit einem Zuwachs an Beschäftigung einher. Dieser zeigt sich als Ergebnis aus Arbeitsplatzverlusten in einigen Branchen und Berufen und Zuwächsen in anderen Bereichen. Die stärksten Effekte dieser Entwicklungen schreiben wir dabei Veränderungen im Mobilitätsverhalten sowie dem Potenzial autonomer Fahrsysteme zu. Ausgehend von unserem Mobilitätsszenario dürften die Auswirkungen eines sich wandelnden, mehr auf ökologische Gesichtspunkte ausgelegten Mobilitätsverhaltens in der Gesamtschau positiv ausfallen.

(Stefanie Steeg)

  • 233

    Die KldB 2010 umfasst insgesamt 144 Berufsgruppen. Die Angehörigen der regulären Streitkräfte werden jedoch in den Projektionsergebnissen nicht nach Rang unterschieden, sodass nur 141 Berufsgruppen ausgewiesen werden.

  • 234

    Aufgrund der modelltechnischen Erweiterungen mussten Annahmen, die in der QuBe-Basisprojektion bisher nicht getroffen werden mussten (z. B. Modalsplit im Personen- und Güterverkehr) oder nur approximativ getroffen werden konnten (z. B. Entwicklung der Kfz-Neuzulassungen nach Motorentyp), im erweiterten Modell explizit adressiert werden. Folglich ergeben sich daraus leichte Abweichungen zur QuBe-Basisprojektion.