Die betrieblich finanzierte Weiterbildung ist ein wichtiger Teil des lebenslangen Lernens. 2016 wurde die Fünfte europäische Erhebung zur betrieblichen Weiterbildung (CVTS5 – Continuing Vocational Training Survey) durchgeführt. Sie stellt für 30 europäische Länder (EU-Mitgliedstaaten sowie Norwegen und Nordmazedonien) vergleichbare Daten zu Angebot, Umfang, Formen, Organisation und Kosten der betrieblichen Weiterbildung für das Jahr 2015 zur Verfügung. Zentrale Ergebnisse wurden jeweils in Kapitel B1.2.2 in den Datenreportausgaben 2018, 2019 und 2020 dargestellt. In diesem Kapitel wird untersucht, ob und durch welche Instrumente Unternehmen bei der betrieblichen Weiterbildung finanziell unterstützt wurden und ob sie Umlagen oder Beiträge an Weiterbildungsfonds für die Finanzierung von Weiterbildungsprogrammen zahlten.
Europäische Erhebungen zur betrieblichen Weiterbildung (CVTS)
Die Erhebungen zur betrieblichen Weiterbildung (Continuing Vocational Training Survey, CVTS) werden in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (und weiteren interessierten Staaten wie 2015 Norwegen und Nordmazedonien) durchgeführt. Befragt werden Unternehmen mit zehn und mehr Beschäftigten aus den Wirtschaftsbereichen B bis N sowie R und S der statistischen Systematik der Wirtschaftszweige in der Europäischen Gemeinschaft NACE Rev. 2 (vgl. Eurostat 2008).267
Europäisch vergleichbare Daten zu Angebot, Umfang, Formen, Organisation und Kosten der betrieblichen Weiterbildung liegen bisher aus fünf Erhebungen für die Jahre 1993 (CVTS1 mit zwölf teilnehmenden Ländern), 1999 (CVTS2, 25 Länder), 2005 (CVTS3, 28 Länder), 2010 (CVTS4, 28 Länder) und 2015 (CVTS5, 30 Länder) vor. Eine sechste Erhebung für das Bezugsjahr 2020 wurde 2021 durchgeführt. Ergebnisse liegen derzeit noch nicht vor.
Seit 2005 sind die EU-Mitgliedstaaten durch EU-Verordnungen verpflichtet, entsprechende Erhebungen durchzuführen. In der Mehrzahl der Länder waren die Unternehmen bei CVTS5 auskunftspflichtig, in Deutschland war die Teilnahme für die Unternehmen freiwillig. Die Rücklaufquote lag mit Ausnahme von vier Ländern bei 50 % und mehr. Deutschland hatte mit 24 % die niedrigste Rücklaufquote. Insgesamt wurden rund 125.000 Unternehmen in Europa befragt, in Deutschland 2.846. Eurostat veröffentlicht die CVTS-Ergebnisse in seiner Datenbank,268 für deutsche CVTS5-Ergebnisse siehe den Tabellenband des Statistischen Bundesamtes (2017a).
Finanzierung der betrieblichen Weiterbildung und finanzielle Unterstützungsangebote
Die betriebliche Weiterbildung in Deutschland und den anderen europäischen Ländern wird vornehmlich durch die Unternehmen, daneben aber auch durch die Beschäftigten und weitere Akteure wie staatlichen Stellen finanziert. Diese Mischfinanzierung ergibt sich durch den Nutzen, der aus der betrieblichen Weiterbildung gezogen wird: Die Investitionen der Unternehmen zielen bspw. auf die Erhöhung ihrer Produktivität, die Sicherung und Verbesserung ihrer Wettbewerbsfähigkeit oder die Anpassung bzw. Aktualisierung der Qualifikationen der Beschäftigten (vgl. z. B. Cedefop 2011b; Dostie 2018; Konings/Vanormelingen 2015; Renaud/Morin 2020). Beschäftigte profitieren durch höhere Einkommen, bessere Karrierechancen und den Erhalt ihrer Beschäftigungsfähigkeit (vgl. z. B. Cedefop 2011a; Ehlert 2017) sowie durch eine größere Arbeitszufriedenheit oder den sozialen Kontakt mit Kollegen/Kolleginnen (vgl. z. B. Müller/Wenzelmann 2018). Auch die Gesellschaft als Ganzes zieht einen Nutzen aus betrieblicher Weiterbildung, bspw. durch ein höheres Wirtschaftswachstum oder eine niedrigere Arbeitslosigkeit (vgl. z. B. Cedefop 2014). Auf politischer Ebene stellt sich die Frage, ob die betrieblichen Investitionen in die Weiterbildung ausreichend sind. Folgt man der klassischen Humankapitaltheorie (vgl. Becker 1962), die vollkommene Konkurrenz auf den Kapital- und Arbeitsmärkten voraussetzt, gäbe es keinen Raum für staatliche Eingriffe, da das Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage für ein optimales Niveau an betrieblicher Weiterbildung sorgt. Allerdings spiegelt diese Annahme nicht die Realität wider. Marktversagen, externe Effekte und asymmetrische Informationen können zu einer Unterfinanzierung führen. Bspw. besteht das Risiko, dass weitergebildete Beschäftigte von anderen Unternehmen abgeworben werden können (Poaching-Problem) oder die Erträge der Weiterbildung zwischen Beschäftigten und Unternehmen geteilt werden (vgl. z. B. Brunello/Wruuck 2020; Müller 2013).
Hier setzen staatliche Programme an, um zu geringen betrieblichen Investitionen in die Qualifizierung der Beschäftigten entgegenzuwirken. Zur Unterstützung gibt es diverse Instrumente (vgl. für einen Überblick z. B. Müller/Behringer 2012; OECD 2017; Ziderman 2018). Ziel ist es, durch die Bereitstellung zusätzlicher Mittel das betriebliche Weiterbildungsangebot insgesamt zu erhöhen. Zugleich können je nach Ausgestaltung der Programme aber auch spezifische Gruppen angesprochen werden wie kleinere Betriebe, ältere Beschäftigte, Geringqualifizierte oder bestimmte Branchen, um so für eine ausgeglichene Beteiligung an Weiterbildung zu sorgen. Die CVTS-Erhebungen liefern empirische Informationen über die Existenz und die Bedeutung solcher finanziellen Fördermaßnahmen in den europäischen Ländern. Neben staatlichen Instrumenten wie steuerlichen Anreizen, Zuschüssen von nationaler269 oder EU-Seite270 wurden auch Einnahmen aus sonstigen Quellen271 sowie Weiterbildungsfonds erfasst. Weiterbildungsfonds können national, regional oder in Branchen organisiert sein (vgl. z. B. Bosch 2019, S. 31-36; Müller/Behringer 2012). Bei ihrer Ausgestaltung gibt es große Spielräume, sodass sich die Fonds zwischen den Ländern, aber auch innerhalb eines Landes, unterscheiden. Alle einbezogenen Unternehmen, unabhängig davon, ob sie selbst weiterbilden oder nicht, zahlen Beiträge, für die sie dann Unterstützung bei den Ausgaben für Weiterbildungsmaßnahmen erhalten können. In einigen Ländern wie z. B. Frankreich, Italien oder Ungarn sind die Umlagen gesetzlich vorgeschrieben. Die Finanzierungsregeln können aber auch gemeinschaftlich durch die Sozialpartner festgelegt werden. Die Höhe der Beiträge ist sehr unterschiedlich und kann sich auch innerhalb eines Landes unterscheiden (für eine Übersicht OECD 2019, S. 35).272 Als Umlagesystem steht den Beiträgen für die meisten Unternehmen keine finanzielle Gegenleistung in gleicher Höhe gegenüber.
Auch wenn durch die aufgeführten Instrumente auf den ersten Blick von positiven Auswirkungen auf die betriebliche Weiterbildung auszugehen ist und sie die Unternehmen entlasten sollen, sind sie mit verschiedenen Schwächen verbunden (vgl. Müller/Behringer 2012; OECD 2017; Ziderman 2018). Zu nennen sind bspw. Mitnahmeeffekte oder administrative Kosten, die z. B. bei Fonds sowohl aufseiten der Unternehmen als auch der Organisation anfallen. Kleinere Unternehmen profitieren in der Regel sehr viel seltener von den verschiedenen Maßnahmen als größere Unternehmen, z. B. weil sie seltener ihren Weiterbildungsbedarf ermitteln, ihre Beschäftigten nicht für Weiterbildung freistellen können oder nicht in der Lage sind, entsprechende Zuschüsse zu beantragen. Die Programme können auch Einfluss auf die Art der Weiterbildungsmaßnahme nehmen, die die Unternehmen auswählen. Häufig werden eher formale bzw. extern angebotene Kurse bezuschusst, informelles Lernen, z. B. am Arbeitsplatz, was für die Bedürfnisse der Unternehmen und Beschäftigten evtl. besser geeignet wäre, jedoch nicht. Nutzen die Unternehmen die Zuschüsse, um Pflichtschulungen, bspw. zu Gesundheits- und Sicherheitsthemen, zu finanzieren, kann das intendierte Ziel der Weiterentwicklung der Kompetenzen der Beschäftigten oft nur unzureichend umgesetzt werden. Gerade in Ländern und Branchen, in denen alle Unternehmen Umlagen zahlen müssen, erhöhen sich die Arbeitskosten, während nur ein Teil der Unternehmen Rückzahlungen erhält.
Nachfolgend wird anhand der CVTS5-Daten gezeigt, wie verbreitet Weiterbildungsfonds und die weiteren oben angeführten finanziellen Unterstützungsinstrumente in Deutschland und den europäischen Ländern 2015 waren. Für die Analysen werden sowohl Daten, die in der Eurostat-Datenbank abrufbar sind, als auch CVTS5-Mikrodaten genutzt, die Eurostat für 24 Länder für Forschungszwecke zur Verfügung stellt.273
Unternehmen mit Umlagen/Beiträgen an Weiterbildungsfonds und Unternehmen mit Einnahmen/Zuschüssen aus Weiterbildungsfonds, staatlichen oder sonstigen Quellen
Alle Unternehmen, unabhängig davon, ob sie im Erhebungsjahr selbst weiterbildeten oder nicht, wurden gefragt, ob sie im Jahr 2015 Umlagen bzw. Beiträge an Weiterbildungsfonds für die Finanzierung von Weiterbildungsprogrammen leisten mussten und/oder Einnahmen aus solchen Fonds erhielten bzw. Zuschüsse der öffentlichen Hand oder sonstige finanzielle Unterstützung aus anderen Quellen, bspw. von Stiftungen, bezogen haben Schaubild B1.2.2-1. Dabei zeigten sich große Unterschiede zwischen den Ländern.
Schaubild B1.2.2-1: Anteil der Unternehmen mit Beiträgen an Weiterbildungsfonds bzw. Einnahmen aus Weiterbildungsfonds/Zuschüssen aus sonstigen Quellen 2015 (in %)
In Belgien, Frankreich, Italien, Spanien und Zypern leisteten auch aufgrund gesetzlicher Vorgaben alle Unternehmen Beiträge zu einer Umlagefinanzierung betrieblicher Weiterbildung. In Ungarn waren die Unternehmen ebenfalls gesetzlich zu Zahlungen in ein Umlagesystem verpflichtet, konnten aber unter bestimmten Voraussetzungen (z. B. bei Durchführung von staatlich anerkannten Weiterbildungsmaßnahmen im Unternehmen) von Abgaben befreit werden. In den anderen Ländern gab es entweder keine Weiterbildungsfonds bzw. Umlagesysteme wie in Estland274 oder sie waren auf einen Teil der Unternehmen, z. B. in bestimmten Branchen oder Regionen, beschränkt.275 Vergleichsweise hohe Anteile von in Fonds einbezogenen Unternehmen gab es in Dänemark (24 %), im Vereinigten Königreich (17 %), in Malta und Luxemburg (je 10 %) sowie in Norwegen (8 %) und Finnland (7 %). In den übrigen Ländern spielten Beiträge an Weiterbildungsfonds kaum bzw. eine untergeordnete Rolle. Auch in Deutschland war der Anteil der Unternehmen, die Beiträge leisteten, mit 4 % gering. Nur in wenigen kleineren Branchen mit meist klein- und mittelbetrieblicher Struktur existierten 2015 überhaupt Fonds zur Weiterbildungsfinanzierung (vgl. für einen Überblick BIBB-Datenreport 2015, Kapitel B3.6).
Beim Anteil der Unternehmen, die Einnahmen aus Weiterbildungsfonds oder anderen Förderinstrumenten erhielten, traten ebenfalls große Unterschiede zwischen den Ländern zutage. Hierbei ist darauf hinzuweisen, dass die Zahlung von Beiträgen zu Weiterbildungsfonds nicht impliziert, dass die zahlenden Unternehmen auch Einnahmen für Weiterbildungsaktivitäten beziehen. Insbesondere in den Ländern, wo alle Unternehmen Beiträge leisten mussten, war die Differenz zwischen dem Anteil der beitragszahlenden Unternehmen und dem Anteil der von Zuschüssen profitierenden Unternehmen groß. In Italien lag sie 2015 bei 92 Prozentpunkten (PP), da nur 8 % der Unternehmen Zuschüsse zu ihren Weiterbildungsmaßnahmen erhielten. Auch in Zypern (-78 PP), Ungarn (-71 PP), Belgien (-63 PP), Frankreich (-60 PP), Spanien (-37 PP) und Dänemark (-10 PP) zahlten erheblich mehr Unternehmen in Weiterbildungsfonds ein, als Unternehmen Zuschüsse empfingen. Dennoch war der Anteil der von Einnahmen profitierenden Unternehmen mit 63 % in Spanien, 40 % in Frankreich und 37 % in Belgien recht hoch. In Luxemburg, Tschechien (jeweils +8 PP) und Finnland (+7 PP) erhielt ein größerer Anteil der Unternehmen Zuschüsse, als Unternehmen Beiträge zahlten. In Luxemburg profitierten die Unternehmen dabei vor allem von staatlichen Zuschüssen, in Tschechien von EU-Zuschüssen und in Finnland von Steuererleichterungen. In den übrigen Ländern, darunter auch Deutschland, war der Anteil der beitragszahlenden und Zuschüsse erhaltenden Unternehmen fast gleich und unterschied sich maximal um 3 PP.
Wie in der Einleitung bereits erwähnt, profitieren kleinere Unternehmen aus verschiedenen Gründen meist seltener von finanzieller Förderung als größere Unternehmen. Dies bestätigen auch die CVTS5-Daten. Die Nutzung der diversen Zuschüsse nahm über alle Länder hinweg mit der Unternehmensgröße zu, wie beispielhaft die Zahlen für Italien und Belgien verdeutlichen: So bekamen 6 % der italienischen und 32 % der belgischen Unternehmen mit 10 bis 49 Beschäftigten finanzielle Zuschüsse, jedoch 23 % (Italien) bzw. 53 % (Belgien) der Unternehmen mit 50 bis 249 Beschäftigten. Unter den Großunternehmen verbuchten 48 % (Italien) bzw. 70 % (Belgien) entsprechende Einnahmen. Auf geringerem Niveau traten auch in Deutschland diese Unterschiede auf. Der Anteil der Kleinunternehmen mit Einnahmen betrug lediglich 2 %, bei den Großunternehmen war hingegen etwa jedes zehnte Unternehmen Empfänger von Zuschüssen. Beiträge zu Weiterbildungsfonds werden hingegen zumeist unabhängig von der Unternehmensgröße geleistet.276 In einigen Ländern nahm jedoch der Anteil der beitragszahlenden Unternehmen mit der Unternehmensgröße zu. Dies betrifft mit Dänemark, Finnland, Luxemburg, Malta, Norwegen, Ungarn und dem Vereinigten Königreich Länder, in denen Weiterbildungsfonds zwar eine gewisse Verbreitung haben, sie aber auf bestimmte Branchen oder Regionen begrenzt sind. Insgesamt wird jedoch insbesondere in Ländern mit einem Umlagesystem gerade bei kleineren Unternehmen ein Ungleichgewicht zwischen Beiträgen und Einnahmen deutlich.
Nach Wirtschaftszweigen277 zeigt sich in den meisten Ländern sowohl beim Anteil der Unternehmen, die Beiträge an Weiterbildungsfonds leisteten, als auch beim Anteil der Unternehmen, die Zuschüsse erhielten, eine relativ gleichmäßige Verteilung. Überdurchschnittliche Anteile beitragszahlender Unternehmen innerhalb eines Landes gab es im Bergbau/Verarbeitenden Gewerbe/Energie- und Wasserversorgung (NACE B-E) in Dänemark und Norwegen, im Baugewerbe (NACE F) ebenfalls in Dänemark sowie in Luxemburg, Ungarn und im Vereinigten Königreich und im Wirtschaftszweig Information und Kommunikation/Erbringung von Finanz- und Versicherungsdienstleistungen (NACE J, K) in Malta. Diese Unterschiede hängen mit der Existenz von Weiterbildungsfonds in bestimmten Branchen zusammen. So gab es bspw. in Dänemark Weiterbildungsfonds im Baugewerbe und im Verarbeitenden Gewerbe. Mit Blick auf die Zuschüsse profitierten die Unternehmen im Bergbau/Verarbeitenden Gewerbe/Energie- und Wasserversorgung in Belgien, Luxemburg, Spanien und Zypern häufiger als die Unternehmen in den anderen Branchen des jeweiligen Landes. Dies traf auch auf die Unternehmen in Belgien, Dänemark, Spanien und dem Vereinigten Königreich im Baugewerbe, auf die Unternehmen in Finnland, Luxemburg und Malta im Wirtschaftszweig Information und Kommunikation/Erbringung von Finanz- und Versicherungsdienstleistungen sowie auf die französischen Unternehmen im zusammengefassten Dienstleistungsbereich (NACE L-N, R, S) zu. In Deutschland waren sowohl die Anteile der umlagen- bzw. beitragszahlenden Unternehmen als auch die Anteile einnahmenerzielender Unternehmen über die Wirtschaftszweige gleichmäßig verteilt.
Zur Bedeutung der Nettobeiträge als Anteil der Arbeitskosten
Im Rahmen der CVTS5 wurden auch die Höhe der Umlagen oder Beiträge an Weiterbildungsfonds sowie die Einnahmen aus den diversen Förderquellen ermittelt. Zur Einschätzung ihrer quantitativen Bedeutung für die Unternehmen werden nachfolgend die Nettobeiträge zu Weiterbildungsfonds, d. h. der Saldo aus Beiträgen und Zuschüssen, in Relation zu den Gesamtarbeitskosten aller Unternehmen betrachtet.278 Arbeitskosten umfassen hierbei die Kosten für Personalaufwendungen, d. h. Bruttolöhne und -gehälter sowie Sozialaufwendungen der Unternehmen für das Jahr 2015. Unternehmen in Frankreich und Ungarn zahlten mit 0,8 % (Frankreich) bzw. 0,7 % (Ungarn) der Arbeitskosten durchschnittlich die höchsten Nettobeiträge in Weiterbildungsfonds. Hier setzt sich das zuvor beschriebene Bild fort: In beiden Ländern sind die Beitragszahlungen verpflichtend. Es zahlten also alle Unternehmen279 in ein Umlagesystem ein, wohingegen nur ein Teil der Unternehmen Zuschüsse aus den entsprechenden Weiterbildungsfonds oder aus anderen Quellen erhielt. Dies traf auch auf die Unternehmen in Belgien, Italien, Spanien und Zypern zu, wobei hier die Nettobeiträge mit 0,3 % in Spanien und Zypern bzw. 0,1 % in Belgien und Italien niedriger ausfielen. Dänemark (0,4 %) und Malta (0,1 %) gehörten 2015 ebenfalls zu den Ländern mit einem positiven Saldo aus Umlagen und Zuschüssen. In diesen acht Ländern mussten die Unternehmen also im Durchschnitt über ihre eigenen Weiterbildungskosten hinaus noch weitere Ausgaben für Weiterbildung tragen. Luxemburg war das einzige Land, in dem die Unternehmen im Schnitt ein Plus von 0,3 % der Arbeitskosten machten. Dies bestätigt das zuvor gezeigte Bild, nach dem der Anteil der Unternehmen, die Zuschüsse bekamen, in Luxemburg größer als der beitragszahlende Anteil war. In allen anderen Ländern glichen sich die Beiträge und Zuschüsse als Anteil der Arbeitskosten in der Summe aus.280 Dahinter verbergen sich zwei Erklärungsmuster: In einigen Ländern wie Bulgarien, Portugal, Rumänien, Schweden und der Slowakei leisteten die Unternehmen nicht oder nur zu einem sehr kleinen Anteil Zahlungen an Weiterbildungsfonds. Zugleich wurden hier keine oder nur marginale Zuschüsse zu Weiterbildungsmaßnahmen an Unternehmen gezahlt. In anderen Ländern, z. B. in Deutschland, Lettland, Litauen oder Polen, gab es zwar sowohl beitragszahlende als auch Fördermittel empfangende Unternehmen, die Beiträge und Zuschüsse waren jedoch im Durchschnitt über alle Unternehmen ausgewogen und stellten in Relation zu den Arbeitskosten keine zusätzliche Belastung für die Unternehmen dar. Vernachlässigt werden darf hierbei jedoch nicht, dass vor allem größere Unternehmen von Zuschüssen profitieren, wohingegen Beiträge auch von kleinen und mittleren Unternehmen gezahlt werden.
Zur Bedeutung der verschiedenen Förderinstrumente
Die Unternehmen, die Einnahmen aus Weiterbildungsfonds bzw. Zuschüsse des Staates oder aus anderen Quellen (wie Stiftungen) erhielten, wurden nach der Art der Förderinstrumente gefragt Tabelle B1.2.2-1. Hierbei ist zu beachten, dass sich der Anteil der Unternehmen mit solchen Einnahmen stark unterscheidet. So traf dies auf weniger als 1 % der Unternehmen in Rumänien zu, in Spanien hingegen auf 63 % der Unternehmen. Auch wenn in den Ländern durchaus mehrere Förderarten angeboten wurden, erreichte in den meisten Ländern 2015 jeweils eine Förderquelle deutlich höhere Anteilswerte als die anderen. In Belgien, Dänemark, Frankreich, Italien, Norwegen, Polen und Rumänien waren dies Einnahmen aus Weiterbildungsfonds, in Bulgarien, Lettland, Litauen, Malta, Slowenien und Tschechien EU-Zuschüsse, in Finnland, Spanien und Ungarn steuerliche Maßnahmen, in Luxemburg und Zypern staatliche Zuschüsse und in Schweden Einnahmen aus anderen Quellen. In Deutschland gaben jeweils 47 % der Unternehmen an, dass sie von nationalen bzw. EU-Zuschüssen281 profitierten. In Estland lag der Anteil der Unternehmen, die Steuererleichterungen bzw. EU-Zuschüsse erhielten, nahezu gleichauf. Im Vereinigten Königreich unterschieden sich die Anteilswerte für Einnahmen aus Weiterbildungsfonds, aus anderen Quellen sowie aus staatlichen Zuschüssen nur wenig.
Tabelle B1.2.2-1: Anteil der Unternehmen, die Einnahmen/Zuschüsse aus dem jeweiligen Förderinstrument erhielten 2015 (in %)
Betrachtet man die einzelnen Förderinstrumente separat, wird deutlich, dass sie jeweils nur in wenigen Ländern eine größere Zahl der Unternehmen mit Einnahmen erreichten, in anderen Ländern jedoch gar nicht vorkamen oder eine untergeordnete Rolle spielten. Nationale, regionale oder Branchenfonds gab es mit Ausnahme von Estland und Litauen zwar in allen Ländern. Allerdings erhielten nur in elf Ländern mindestens ein Drittel der Unternehmen mit Einnahmen Rückzahlungen aus den Fonds; besonders viele Unternehmen in Frankreich (98 %), Dänemark (86 %) und Italien (82 %). In Deutschland traf dies auf 9 % der Unternehmen zu. Insgesamt existieren in Deutschland wie erwähnt nur in sehr wenigen Branchen Weiterbildungsfonds (BIBB-Datenreport 2015, Kapitel B3.6). In neun Ländern profitierten mehr als ein Drittel der Unternehmen mit Einnahmen von EU-Zuschüssen. Mit Bulgarien, Estland, Deutschland, Lettland, Litauen, Malta, Polen, Slowenien und Tschechien waren dies jedoch durchweg Länder, in denen weniger als 10 % aller Unternehmen überhaupt Einnahmen erzielten. Staatliche Zuschüsse empfingen zwischen 2 % (in Italien, Lettland und Spanien) und 93 % (Zypern) der Unternehmen mit Einnahmen. In Belgien, wo immerhin 37 % der Unternehmen Einnahmen aus den verschiedenen Instrumenten verbuchen konnten, gehörten 37 % der Unternehmen zu den Empfängern von nationalen Zuschüssen. In Deutschland lag der entsprechende Anteil mit 47 % noch etwas höher bei einem wesentlich geringeren Anteil von Unternehmen, die überhaupt Einnahmen erhielten. Steuerliche Kompensationen282 waren vor allem in Spanien und Finnland von größerer Bedeutung, Einnahmen aus anderen Quellen in Schweden und im Vereinigten Königreich.
Insgesamt zeigt sich, dass in den meisten Ländern nur ein geringer Teil der Unternehmen von den diversen Fördermaßnahmen für betriebliche Weiterbildung profitiert. Noch deutlicher wird das Bild, wenn man alle Unternehmen einbezieht, also auch solche ohne Einnahmen. Die größte Reichweite hatten dabei noch die Weiterbildungsfonds. So erhielten in Italien 7 % aller Unternehmen Kompensationen, in Dänemark 12 %, in Belgien 22 % und in Frankreich 39 %. Staatliche Zuschüsse bekamen 6 % aller Unternehmen im Vereinigten Königreich. In Belgien lagen die Anteile bei 12 %, in Luxemburg bei 16 % und in Zypern bei 21 %. 63 % der spanischen und 11 % der finnischen Unternehmen konnten zumindest einen Teil der Ausgaben für betriebliche Weiterbildung durch steuerliche Nachlässe ausgleichen. Durch EU-Zuschüsse wurden in Tschechien 7 % der Unternehmen unterstützt, durch Einnahmen aus anderen Quellen 6 % der Unternehmen im Vereinigten Königreich. In allen anderen Ländern lagen die Anteile bei den diversen Förderinstrumenten bei höchstens 5 %. Dies zeigt den insgesamt doch als eher gering einzuschätzenden Einfluss, den solche finanziellen Maßnahmen haben. Dennoch können die Instrumente für das einzelne Unternehmen wichtig sein und die betriebliche Weiterbildung in einem Land oder in Branchen und Unternehmenstypen, die besonderen Bedarf haben, voranbringen.
Fazit und Ausblick
In diesem Beitrag wurde mit den CVTS5-Daten die finanziellen Unterstützungsangebote zur betrieblichen Weiterbildung im Ländervergleich für das Jahr 2015 untersucht. Neben staatlichen Programmen, deren vorrangiges Ziel es ist, betrieblichen Unterinvestitionen in die Qualifizierung der Beschäftigten entgegenzuwirken, wurden auch Einnahmen aus sonstigen Quellen sowie Weiterbildungsfonds erfasst. Die Bedeutung und Umsetzung dieser Instrumente unterschied sich dabei stark zwischen den Ländern und teilweise auch innerhalb eines Landes, z. B nach Branche und Unternehmensgröße. Zahlungen an Weiterbildungsfonds bzw. Umlagesysteme waren in einigen Ländern wie Belgien, Frankreich oder Italien für alle Unternehmen gesetzlich vorgeschrieben; in anderen Ländern gab es hingegen keine Umlagesysteme, oder sie waren auf einzelne Branchen oder Regionen beschränkt. In Deutschland spielten Weiterbildungsfonds keine große Rolle. Lediglich 4 % der Unternehmen zahlten entsprechende Beiträge. Die CVTS5-Zahlen zeigen zudem, dass nicht alle beitragszahlenden Unternehmen gleichermaßen von Zuschüssen profitieren. Insbesondere in Ländern mit verpflichtenden Zahlungen waren die Unterschiede zwischen zahlenden und Zuschüsse empfangenden Unternehmen groß. Neben Einnahmen aus Weiterbildungsfonds wurden in CVTS5 staatliche und EU-Zuschüsse, steuerliche Anreize und Einnahmen aus anderen Quellen wie Stiftungen erfasst. Dabei dominierte in den meisten Ländern jeweils eines der Förderinstrumente, in Deutschland lagen hingegen nationale und EU-Zuschüsse mit jeweils 47 % gleichauf.
Insgesamt profitierte in den meisten Ländern 2015 nur ein geringer Teil der Unternehmen von Fördermaßnahmen für betriebliche Weiterbildung. Die größte Reichweite hatten dabei noch die Weiterbildungsfonds. Deutlich wurde auch, dass kleinere Unternehmen seltener eine finanzielle Förderung erhielten als große Unternehmen. Diese ungleiche Verteilung steht einem wichtigen Ziel der verschiedenen Fördermaßnahmen entgegen, möglichst gleiche Zugangschancen zu betrieblicher Weiterbildung für alle Beschäftigten sicherzustellen. Hier könnte der Aufbau eines Beratungs- bzw. Informationssystems zu vorhandenen Finanzierungsangeboten sinnvoll sein, das zugleich Hilfen bei der Antragstellung vermittelt (vgl. Brunello/Wruuck 2020, S. 27).283 Weitere Schwächen der diversen Förderprogramme liegen z. B. in Mitnahmeeffekten oder hohen administrativen Kosten. Um den Nutzen und die Effektivität der Maßnahmen zu erhöhen, bieten sich Monitoring- bzw. Evaluationsprozesse an. Solche Evaluationen sind in Europa noch relativ selten und wurden nur in einigen Ländern wie Finnland durchgeführt. Dies erschwert fundierte Kosten-Nutzen-Analysen, um zu prüfen, ob der Nutzen der Förderprogramme ausreichend hoch ist, um ihre Kosten zu rechtfertigen (vgl. Brunello/Wruuck 2020, S. 30).
(Gudrun Schönfeld, Marion Thiele)
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267
In CVTS1 wurden nicht in allen Ländern alle vorgesehenen Wirtschaftsbereiche in die Befragung einbezogen.
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268
Siehe https://ec.europa.eu/eurostat/web/education-and-training/data/database. Dort sind die Ergebnisse von CVTS2 bis CVTS5 abrufbar. Für CVTS1 werden in der Eurostat-Datenbank keine Ergebnisse veröffentlicht, da diese Erhebung als Pilotstudie nur eingeschränkt vergleichbar mit den späteren Erhebungen ist.
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269
In Deutschland bspw. bis 2019 das Programm „Weiterbildung Geringqualifizierter und beschäftigter älterer Arbeitnehmer in Unternehmen (WeGebAU)“ oder diverse Bildungsscheckprogramme der Bundesländer.
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270
Zum Beispiel Mitfinanzierung von Qualifizierungsangeboten für die Bezieher/-innen von Kurzarbeitergeld aus dem Europäischen Sozialfonds.
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271
Hierzu zählen Zuschüsse aus nicht staatlichen Quellen wie privaten Stiftungen, aber auch Zahlungen, die die Unternehmen für die Nutzung eigener Schulungszentren und Weiterbildungskurse durch externe Organisationen und Personen erhalten.
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272
So beträgt der für alle Unternehmen obligatorische Beitragssatz z. B. in Italien 0,3 % der Lohn- und Gehaltssumme, in Belgien je nach Branche zwischen 0,1 % und 0,6 %, in Frankreich je nach Unternehmensgröße zwischen 0,55 % und 1,0 % und in Ungarn 1,5 % (vgl. OECD 2019, S. 35).
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273
Griechenland, Irland, Kroatien, die Niederlande, Nordmazedonien und Österreich werden aufgrund fehlender Mikrodaten nicht in die Auswertungen einbezogen. Daher ist auch eine Berechnung von EU-Durchschnitten nicht möglich. Für weitere Informationen zu den CVTS-Mikrodaten siehe https://ec.europa.eu/eurostat/de/web/microdata/continuing-vocational-training-survey. Die Verantwortung für alle Schlussfolgerungen, die aus den Mikrodaten gezogen wurden, liegt bei den Autorinnen.
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274
Daher wurde die Frage nach Beiträgen an Weiterbildungsfonds in Estland nicht gestellt. Die Frage zu Zuschüssen für Weiterbildung war Teil der CVTS5-Erhebung.
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275
Vgl. hierzu auch die Cedefop-Datenbank zur Finanzierung Weiterbildung Erwachsener unter https://www.cedefop.europa.eu/en/publications-and-resources/tools/financing-adult-learning-db (Stand: 09.09.2021), die Informationen zu finanziellen Förderprogrammen, u. a. auch zu Weiterbildungsfonds, in den einzelnen Ländern mit Stand 2015 zur Verfügung stellt.
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276
Wie weiter oben ausgeführt, kann es aber Unterschiede beim obligatorischen Beitragssatz geben.
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277
Auswertungen nach fünf Wirtschaftszweigen (Abschnittsbezeichnungen gemäß NACE Rev. 2, vgl. Eurostat 2008): Bergbau und Gewinnung von Steinen und Erden/Verarbeitendes Gewerbe/Energie- und Wasserversorgung (NACE B-E); Baugewerbe (NACE F); Handel/Verkehr und Lagerei/Gastgewerbe (NACE G-I); Information und Kommunikation/Erbringung von Finanz- und Versicherungsdienstleistungen (NACE J, K); Grundstücks- und Wohnungswesen/Erbringung von freiberuflichen, wissenschaftlichen, technischen und sonstigen Dienstleistungen/Kunst, Unterhaltung und Erholung (NACE L-N, R, S).
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278
Tschechien und das Vereinigte Königreich werden aufgrund eingeschränkter Vergleichbarkeit mit den anderen Ländern bei dieser Variable nicht in die Analyse einbezogen.
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279
Ein Teil der Unternehmen in Ungarn kann die verpflichtenden Zahlungen durch Durchführung von national anerkannten Weiterbildungen im Betrieb ausgleichen.
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280
Eurostat weist in seiner Datenbank, auf die bei dieser Variable zurückgegriffen wird, nur Daten mit einer Kommastelle aus, sodass dennoch geringe Salden in die eine oder andere Richtung möglich sind.
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281
Hier ist allerdings mit Unschärfen zu rechnen, da es für die Unternehmen bei einigen Maßnahmen schwierig zu entscheiden sein dürfte, wer der Finanzier ist. So wurde im deutschen Fragebogen explizit der Bildungsscheck NRW als ein Beispiel für staatliche Zuschüsse aufgeführt, obwohl dieser auch durch den Europäischen Sozialfonds mitfinanziert wird.
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282
In Deutschland wurden steuerliche Vergünstigungen nicht abgefragt. Weiterbildungskosten können als Betriebsausgaben abgesetzt werden, was aber nicht als steuerlicher Anreiz aufgefasst wird.
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283
Dass hier durchaus Bedarf vorhanden ist, wurde z. B. in der deutschen CVTS5-Zusatzerhebung deutlich. Insbesondere kleinere Unternehmen zeigten sich schlecht informiert über staatliche Unterstützungsangebote zur Weiterbildungsförderung. Konkret nach ihrem Unterstützungsbedarf befragt, äußerte ein erheblicher Teil der Unternehmen einen Wunsch nach Beratung und Informationen (vgl. Schönfeld/Schürger 2020, S. 48-51).