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Die generalistische Pflegeausbildung erfolgt nach dem Pflegeberufegesetz (PflBG) des Bundes. Die Gesetzgebungskompetenz für Fortbildungen bzw. Weiterbildungen im Gesundheitsbereich liegt aufgrund der föderalen Zuständigkeit bei den 16 Bundesländern. Neben der vertikalen Durchlässigkeit, die beispielweise in Führungspositionen mündet, ermöglicht das System der Pflegeberufe auch die horizontale Spezialisierung über Weiterbildungen, die nach abgeschlossener Pflegeausbildung und zeitlich vorgegebener Berufserfahrung angeschlossen werden können. Diese Weiterbildungen im Berufskontext werden im Unterschied zu den Angeboten der Fachschulen und der höherqualifizierenden Berufsbildung nach BBiG/HwO in der Regel nicht als Aufstiegsfortbildung bezeichnet.

Eine Möglichkeit der horizontalen Spezialisierung für Pflegefachkräfte ist die Praxisanleitung.

Pflegeausbildung und professionelle Pflege

Nach der Definition des International Council of Nurses (ICN)361 umfasst die professionelle Pflege die eigenverantwortliche Versorgung und Betreuung von Menschen aller Altersgruppen und deren Familien. Pflege umfasst in allen Settings die Prävention sowie die Förderung der Gesundheit und die Versorgung und Betreuung kranker, behinderter und sterbender Menschen. Weitere Aufgaben der Pflege sind die Wahrnehmung der Interessen und Bedürfnisse (Advocacy) von Betroffenen, die Pflegeforschung, die Mitwirkung in der Gestaltung der Gesundheitspolitik sowie das Management des Gesundheitswesens und die Pflegebildung.

Praxisanleitung

Die Wissensvermittlung für die Pflegeauszubildenden findet an unterschiedlichen Lernorten statt – in den Pflegeschulen im theoretischen und praktischen Unterricht mit 2100 Stunden und in der praktischen Pflegeausbildung mit 2500 Stunden in regulär drei Ausbildungsjahren.

In der Zeit der praktischen Pflegausbildung lernen die Auszubildenden die vom Gesetzgeber vorgegebenen Einsatzbereiche kennen. Aufgrund der orientierenden und vertiefenden Einsätze sind Auszubildende in der Lage, sich entsprechende Kompetenzen anzueignen. Das Ziel liegt hierbei vor allem auf der Verzahnung des theoretischen Wissens mit dem praktischen Pflegehandeln. Maßgebend hierbei ist vor allem die Weitergabe der praktischen Expertise der Pflegenden, die durch die Praxisanleitenden an den unterschiedlichen praktischen Lernorten gewährleistet wird. Praxisanleitende haben zu ihrer erfolgreich abgeschlossenen Pflegeausbildung nach PflBG § 4 Abs. 3 eine berufspädagogische Zusatzqualifikation im Umfang von mindestens 300 Stunden absolviert. Die berufspädagogische Zusatzqualifikation wird unter unterschiedlichen Bezeichnungen durchgeführt – Fortbildung, Weitbildung, Zusatzqualifizierung im Rahmen einer Fachweiterbildung oder eines Pflegestudiums. Mit Beginn der generalistischen Pflegeausbildung wurde diese Spezialisierung um eine kontinuierliche berufspädagogische Fortbildung im Umfang von mindestens 24 Stunden jährlich erweitert (§ 4 Abs. 3 PflAPrV).

Zielsetzung der Praxisanleitung ist es, eine professionelle Haltung in den einzelnen Pflegesituationen einzunehmen und dadurch den Auszubildenden anforderungsgerechte, professionelle und pflegebezogene Handlungskompetenz (vgl. Krell 2017, S. 38) zu vermitteln. Dabei sind die erlernten Methoden zur Anleitung und Ausübung beruflicher Handlungsfelder durch die Praxisanleitenden so zu vermitteln, dass berufliche Aufgaben verantwortungsvoll und situationsgerecht von den Auszubildenden angewendet werden können. Die fachliche Korrektheit schätzen die Praxisanleitenden ein. Die Planung und Evaluation von Maßnahmen für die Auszubildenden durch Praxisanleitende werden zudem auf der Grundlage aktueller Erkenntnisse vorgenommen.

Der Träger der praktischen Ausbildung übernimmt die Verantwortung für die Durchführung der praktischen Ausbildung, einschließlich ihrer Organisation. Auch ist dieser dazu verpflichtet, die geplante und strukturierte Praxisanleitung für die Auszubildenden im Umfang von mindestens zehn Prozent während jeden Praxiseinsatzes zu gewährleisten.

Die Aufgaben von Praxisanleitenden

Eines der Tätigkeitsfelder der Praxisanleitenden umfasst die pädagogische Unterstützung in der Pflegepraxis. Dazu gehört beispielweise eine Konzeption, die alle Pflegefachkräfte befähigt, die Auszubildenden in situativen Anleitungssituationen kompetenzfördernd begleiten zu können. Auch die Einhaltung von mindestens zehn Prozent geplanter und strukturierter Praxisanleitung während des jeweiligen Praxiseinsatzes der Auszubildenden und ihre Hilfe bei der Bearbeitung der von ihnen entwickelten Arbeits- und Lernaufgaben gehören dazu.

Ein weiteres Tätigkeitsfeld ist die Zusammenarbeit mit dem pädagogischen Personal der Pflegeschule und weiteren Praxisanleitenden der Lernortkooperation. Das gemeinsame Ziel aller Akteure lautet hierbei, eine kompetenzfördernde Lernumgebung für die Auszubildenden zu schaffen. Das gelingt besonders gut, wenn ein kontinuierlicher Austausch zwischen Praxisanleitenden, Pflegepädagoginnen und Pflegepädagogen und Auszubildenden gewährleistet ist.

Im zwischenmenschlichen Umgang berücksichtigen Praxisanleitende die psychosozialen und emotionalen Hintergründe der Auszubildenden. Dabei spielt die durch die Praxisanleitendenden geförderte Reflexionsfähigkeit der Auszubildenden, das eigene Handeln konstruktiv-kritisch hinterfragen zu können, eine bedeutende Rolle in der Kompetenzbildung.

Praxisanleitung kann in Einzel- oder Gruppensituationen erfolgen. Wichtig für die Gruppenanleitung ist dann das pädagogische Prinzip der Binnendifferenzierung und der produktive Umgang mit Heterogenität in Lehr-/Lernsituationen. Dazu werden individuelle Kenntnisse und Fähigkeiten der Lernenden in anzuleitenden Gruppen oder Teams entsprechend erkannt, berücksichtigt und gefördert. Hierzu gehört die Handlungsorientierung in den verschiedenen Lernsituationen. Das eigene Handeln wird situativ variabel angepasst und begründet, um Entscheidungs- und Handlungsprozesse nachvollziehbar zu machen.

Eine erweiterte Tätigkeit haben zentrale Praxisanleitende oder Praxiskoordinatoren/-koordinatorinnen. Diese, meist auf Masterniveau qualifizierten Praxisanleitenden koordinieren die Einsätze in einer Institution, konzipieren Praxiscurricula und entwickeln häufig im Team mit anderen Praxisanleitenden Arbeits- und Lernaufgaben. Sie sind an den Schnittstellen zwischen praktischer, theoretischer Pflegeausbildung und dem Management tätig.

Inhaltliche Ausgestaltung der berufspädagogischen Zusatzqualifikation zur Praxisanleitung

Durch die Regelung des § 4 PflAPrV sind die verschiedenen Landesverordnungen in den Inhalten vergleichbar, jedoch in der Zielsetzung unterschiedlich konkret. Zahlreiche Ausbildungsstätten innerhalb der 16 Bundesländer verwenden das Konzept der „DKG-UAG Weiterbildung zur Praxisanleitung“, welches die Deutsche Krankenhausgesellschaft entwickelte. Die Inhalte dieser und auch weitere Konzeptionen sind in Modulen gefasst. Die Themen in der berufspädagogischen Zusatzqualifikation zum/zur Praxisanleitenden beinhalten beispielweise das Erlernen einer gelungenen Gesprächsführung mit den Auszubildenden in den Vor-, Zwischen- und Abschlussgesprächen im jeweiligen Praxiseinsatz. Hinzu kommen die Reflektionsgespräche nach einer geplanten und strukturierten Praxisanleitung auf der Grundlage des vereinbarten Ausbildungsplanes. In den festgelegten 300 Stunden der berufspädagogischen Zusatzqualifikation zum/zur Praxisanleitenden werden die Bedürfnisse der heutigen Auszubildenden vermittelt. Ziel ist es, die Auszubildenden strukturiert an die Wahrnehmung der beruflichen Aufgaben als Pflegefachfrau/-fachmann, Gesundheits- und Krankenpfleger/-in, Altenpfleger/-in heranzuführen. Auch die Leistungseinschätzung und Prüfungsgestaltung nach der neuen Ausbildungs- und Prüfungsverordnung (PflAPrV) sind Bestandteile dieser Qualifikation.

In den Modulen zählen neben den Aufgaben für Praxisanleitende auch pflegetheoretische und -wissenschaftliche Inhalte sowie Bedingungs- und Bedarfsanalysen. Ebenso fließen berufspolitische Inhalte in die berufspädagogische Zusatzqualifikation zur Praxisanleitung ein.

Ein besonderer Schwerpunkt liegt bei der Vermittlung der Kompetenzen nach der Pflegeausbildungs- und Prüfungsverordnung (PflAPRV), die in den Anlagen 1 bis 5 beschrieben sind und sich auf die Zwischenprüfung und die staatlichen Prüfungen beziehen. Die Praxisanleitenden sind hier besonders gefordert, den Auszubildenden den heute gültigen Pflegebedürftigkeitsbegriff, der auf die Unterstützung der selbstständigen Lebensführung abzielt, zu vermitteln.

Eine einheitliche Regelung zur inhaltlichen Ausgestaltung und Strukturierung für die vorgeschriebenen 24 Stunden berufspädagogischer Fortbildungen pro Jahr lässt sich schwer realisieren. Grund hierfür ist die föderale Struktur des Bildungssystems und den daraus resultierenden verschiedenen Anforderungen der Bundesländer. In den meisten Curricula der Bundesländer finden sich die Konzeptionen von geplanter und situativer Praxisanleitung oder die Entwicklung von Ausbildungsplänen wieder. Praxisanleiter/-innen vertraten bei dem BIBB Fachworkshop „Praxisanleitung“ im März 2020 die Meinung, dass zudem individuelle und berufspolitische Themen als Lerninhalte mit einfließen sollten. Auch die Möglichkeit der Praxisanleitenden selbst bei der Gestaltung von Fortbildungsinhalten zu partizipieren, wurde von den Expertinnen und Experten als erstrebenswert erachtet.

Kosten und Entlohnung der berufspädagogischen Zusatzqualifikation

In den Verordnungen der Bundesländer werden zu den Kosten der berufspädagogischen Zusatzqualifikation „Praxisanleitung“ keine Angaben gemacht. Der Blick auf die einzelnen Ausbildungsstätten zeigt jedoch Kosten von bis zu 2500 € pro berufspädagogischer Zusatzqualifikation „Praxisanleitung“. Manche Krankenhausträger binden ihre selbst ausgebildeten Praxisanleitenden nach erfolgreich abgeschlossener berufspädagogischer Zusatzqualifikation vertraglich für bis zu zwei Jahre.

Mit der berufspädagogischen Zusatzqualifikation ist eine geringfügige Höhergruppierung im Tarifvertrag verbunden.362 Bei fachweitergebildeten Pflegenden werden die Praxisanleitenden eine Stufe höher eingruppiert bzw. sie erhalten vom Träger der Einrichtung eine vereinbarte Zulage. Für einen Tarif im Öffentlichen Dienst bedeutet das beispielweise, dass die reguläre Entgeltgruppe von 7 auf 8 gestuft wird. Für fachweitergebildete Pflegefachkräfte wird die bereits erreichte Entgeltgruppe 9 mit einem vorab geregelten monatlichen bzw. jährlichen Zuschlag vergütet.

Fazit

Die Praxisanleitung in der praktischen Pflegeausbildung ist genauso systemrelevant wie die Arbeit der Pflegefachkräfte selbst und trägt zu einer effektiven und nachhaltigen Versorgung der zu Pflegenden bei. Sie ist ein wesentlicher Schlüssel zur Sicherung der Qualität der generalistischen Ausbildung. Dies spiegelt sich in den Weiterbildungsanforderungen von mindestens 300 Stunden in der berufspädagogischen Zusatzqualifikation wider. Die gesetzliche Vorgabe von mindestens 24 Stunden Fortbildung pro Jahr garantiert zusätzlich ein aktuelles Wissen über die Pflegepraxis. So kann eine kontinuierliche pädagogisch-fachliche Auseinandersetzung mit den Themen der praktischen Pflegeausbildung stattfinden.

Durch die fehlende europaweite Vereinheitlichung von Vorgaben ist jedoch die europäische und internationale Anerkennung der berufspädagogischen Zusatzqualifikation von Praxisanleitung vor allem im Hinblick auf die Durchlässigkeit für die berufliche Mobilität nicht vorhanden. Konkret bedeutet dies, dass die hohen Kompetenzen von in Deutschland qualifizierten Praxisanleitenden im Ausland möglicherweise nicht angemessen anerkannt werden. Dies ist besonders dort zu befürchten, wo eine rein akademische Pflegeausbildung etabliert ist. Eine stärkere Durchlässigkeit zwischen beruflichen und akademischen Qualifikationen könnte hier Karrierewege im In- und Ausland nachhaltig fördern. Auch hierzulande könnten pflegepädagogische Bachelorangebote die Qualifizierung zum/zur Praxisanleitenden integrieren.

(Bettina Dauer, Zoé Klein)