Der Zugang von Zugewanderten zum Arbeitsmarkt in Deutschland hängt maßgeblich mit ihrer Staatsangehörigkeit bzw. ihrem Aufenthaltsstatus zusammen. Staatsangehörige der Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU), des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) und der Schweiz genießen die Arbeitnehmerfreizügigkeit. Der Arbeitsmarktzugang für die Staatsangehörigen anderer Staaten (sog. Drittstaaten) richtet sich nach ihrem jeweiligen Status laut Gesetz über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern und Ausländerinnen im Bundesgebiet (Aufenthaltsgesetz). Das Aufenthaltsgesetz kennt mehrere Dutzend Aufenthaltstitel, die jeweils an bestimmte Zwecke wie z. B. Erwerbstätigkeit, Asyl bzw. Flüchtlingsschutz oder Ehegattennachzug gebunden sind. Jeder Aufenthaltstitel hat spezifische Voraussetzungen und Möglichkeiten (vgl. Sachverständigenrat für Integration und Migration 2021b).
Die heutige rechtliche Situation ist das Ergebnis dynamischer Entwicklungen in den letzten Jahrzehnten. Entsprechend den deutschen Fachkräftebedarfen wurden restriktive Regelungen im Laufe der Zeit gelockert und der Arbeitsmarkt immer weiter für Zugewanderte geöffnet (vgl. Conradt/Hornung 2020). Die rechtlichen Regelungen illustrierten dabei auch eine politisch-gesellschaftliche Entwicklung: vom Versuch, die Zuwanderung nach Deutschland zu beschränken, hin zur Positionierung als Einwanderungsland mit Willkommenskultur.
Nach dem Anwerbestopp Anfang der 1970er-Jahre war der Zugang zum Arbeitsmarkt für Ausländer/-innen prinzipiell verschlossen. Arbeitserlaubnisse wurden über den sog. Ausnahmekatalog nur für bestimmte Berufe und von begrenzter Dauer ausgestellt. Das Ausländergesetz (1990) regelte Arbeitsmigration erstmals einheitlich im Aufenthaltsrecht und nahm v. a. auf die Regelungen des Ausnahmekatalogs Bezug. Angesichts des hohen IT-Fachkräftebedarfs trat 2000 die Green-Card-Verordnung in Kraft, die als Voraussetzung für eine zeitlich begrenzte Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis entweder eine spezifische Hochschulqualifikation oder Mindestgehaltsgrenze einführte, während gleichzeitig eine Maximalquote von Erlaubnissen den möglichen Zustrom von Zuwandernden begrenzen sollte.
Als Ende des prinzipiellen Anwerbe- und Zuwanderungsstopps gilt das Zuwanderungsgesetz (2005), das u. a. die Freizügigkeit für Bürger/-innen aus EU und EWR gesetzlich verankerte. Für Hochqualifizierte in bestimmten Tätigkeitsfeldern sowie Absolventinnen und Absolventen deutscher Hochschulen aus Drittstaaten eröffnete das Zuwanderungsgesetz erstmals eine dauerhafte Aufenthaltsperspektive. Für beruflich niedrig- und unqualifizierte Ausländer/-innen blieb der deutsche Arbeitsmarkt aber weiterhin verschlossen. Mit dem Arbeitsmigrationssteuerungsgesetz (2008) erfolgte die strukturelle Öffnung des Arbeitsmarktes für alle Hochqualifizierten aus dem Ausland, deren Abschlüsse anerkannt bzw. mit einem deutschen Hochschulabschluss vergleichbar sind. Die zunehmende Bedeutung der Anerkennung ausländischer Abschlüsse führte 2012 zum Gesetz zur Verbesserung der Feststellung und Anerkennung im Ausland erworbener Berufsqualifikationen (Anerkennungsgesetz) (Kapitel C3.4). Ebenfalls im Jahr 2012 wurde mit dem Gesetz zur Umsetzung der Hochqualifizierten-Richtlinie der Europäischen Union die Regelungen zur sog. Blauen Karte EU in Deutschland umgesetzt. Dadurch sollte der Arbeitsmarktzugang für Hochqualifizierte aus Drittstaaten vereinfacht bzw. attraktiver gestaltet werden, indem z. B. die Erteilung einer unbefristeten Niederlassungserlaubnis nach einer bestimmten Arbeitsdauer in Deutschland ermöglicht wurde. Voraussetzung für die Blaue Karte EU ist u. a. ein Arbeitsvertrag mit einem jährlichen Mindestbruttogehalt (2022: 56.400 €). 2013 ermöglichte die neue Beschäftigungsverordnung auch die Einwanderung für beruflich Qualifizierte, die eine anerkannte Qualifikation in einem sog. Engpassberuf, also einem Beruf mit ausgeprägtem Fachkräfteengpass in Deutschland, vorweisen. Eine Ausnahme von der Notwendigkeit anerkannter Qualifikationen bildet die Westbalkanregelung (2015), die bestimmten Staatsangehörigen niedrigschwellige Möglichkeiten des Arbeitsmarktzugangs eröffnet, indem für ihren Aufenthaltstitel nur ein deutscher Arbeitsvertrag nötig ist.370 Während die Westbalkanregelung die Zuwanderung in das Asylsystem begrenzen sollte, förderte das Integrationsgesetz (2016) u. a. die Arbeitsmarktintegration von Menschen vor, während und nach dem Asylverfahren.
Der hohe Fachkräftebedarf bzw. der prognostizierte Fachkräftemangel als Folge demografischer Entwicklungen und nachlassender Zuwanderung aus EU, EWR und Schweiz führte 2020 schließlich zum Fachkräfteeinwanderungsgesetz, welches den Zugang zum Arbeitsmarkt für Zugewanderte aus Drittstaaten nochmals stark erleichtern soll. Die aktuellen Regelungen sind in Schaubild C2.2-1 dargestellt.
Schaubild C2.2-1: Arbeitsmarktzugang von Zugewanderten nach Aufenthaltszweck und Art der Aufenthaltserlaubnis
Neuerungen durch das Fachkräfteeinwanderungsgesetz (FEG)
Das am 1. März 2020 in Kraft getretene FEG stellt einen Paradigmenwechsel dar, insofern die Erwerbstätigkeit für alle Ausländer/-innen grundsätzlich erlaubt wird, soweit sie sich rechtmäßig (mit Aufenthaltstitel) in Deutschland aufhalten. Dies kann nur per Gesetz beschränkt oder verboten werden. Hiermit wird das bisherige Verbot mit Erlaubnisvorbehalt umgekehrt und die grundlegende Bedeutung des Arbeitsmarktzugangs für die Integration anerkannt. Für Asylantragstellende und Geduldete, deren Aufenthaltsperspektive unklar ist, besteht weiterhin das grundsätzliche Verbot mit Erlaubnisvorbehalt. Gleichzeitig wurden mit dem Gesetz über Duldung bei Ausbildung und Beschäftigung Möglichkeiten geschaffen, um bestimmten Fallgruppen mit einem Duldungsstatus eine langfristige Bleibeperspektive zu bieten, wenn sie eine Berufsausbildung absolvieren oder einer Beschäftigung nachgehen.
Das FEG verfolgt das erklärte Ziel der Bundesregierung, die Gewinnung von qualifizierten Fachkräften aus Drittstaaten entsprechend dem Bedarf der Wirtschaft zu erleichtern (vgl. Bundesregierung 2018). Der Fachkräftebegriff wird hierbei auf Personen mit qualifizierter Berufsausbildung ausgeweitet und die Zuwanderungsregelungen werden an diejenigen für akademisch Qualifizierte angeglichen. Dies umfasst vor allem den Wegfall der Beschränkung auf Engpassberufe und die eingeführte Möglichkeit der Einreise zur Arbeitsplatzsuche analog zur bestehenden Regelung für akademisch Qualifizierte.
Ausländische Fachkräfte erhalten zusätzliche Flexibilität, indem auf die Übereinstimmung zwischen der Qualifikation und der in Deutschland angestrebten Tätigkeit verzichtet wird. Eine Arbeitsaufnahme wird in jeder qualifizierten Tätigkeit möglich, zu der die erworbene Qualifikation befähigt. Zudem entfällt die Vorrangprüfung – also die Prüfung, ob andere Arbeitnehmer/-innen aus Deutschland oder einem anderen EU-Land zur Verfügung stehen.
Voraussetzung für die Einreise der Fachkräfte zur Erwerbstätigkeit sind ein Arbeitsvertrag und eine anerkannte Qualifikation. Die Einwanderung ohne berufliche Anerkennung ist unter bestimmten Voraussetzungen für Fachkräfte mit ausgeprägten berufspraktischen Kenntnissen in IT-Berufen sowie für Berufskraftfahrer/-innen im Güter- und Personenverkehr möglich.
Gleichzeitig wird die Einreise zur Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen erleichtert, indem die Erteilung des Aufenthaltstitels bei Erfüllung der Voraussetzungen gesetzlich zugesichert wird. Zudem wird eine Verlängerung des Aufenthalts für Anpassungs- oder Ausgleichsmaßnahmen bis auf maximal 24 Monate möglich und die Möglichkeiten der begleitenden Beschäftigung werden erweitert. In nicht reglementierten Berufen wird sogar eine qualifizierte Beschäftigung ermöglicht, wenn sich die festgestellten Unterschiede zum deutschen Referenzberuf schwerpunktmäßig auf die betriebliche Praxis beziehen, ein konkretes Arbeitsplatzangebot vorliegt und sich der Arbeitgeber verpflichtet, den Ausgleich der festgestellten Unterschiede innerhalb einer bestimmten Zeit zu ermöglichen. Voraussetzung für die Einreise für Qualifizierungsmaßnahmen sind in der Regel mindestens hinreichende deutsche Sprachkenntnisse (Niveau A2 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens [GER]).
Im Rahmen von Vermittlungsabsprachen der BA mit den Arbeitsverwaltungen anderer Staaten wird die Einreise vor der Beantragung der Anerkennung ermöglicht; parallel kann eine Beschäftigung (mit Verlängerungsoption auf bis zu drei Jahre) aufgenommen werden.
Arbeitgeber in Deutschland können ein beschleunigtes Fachkräfteverfahren beantragen. Hierbei wird die zuständige Ausländerbehörde gegen eine Gebühr für den Arbeitgeber als Bevollmächtigten der/des Antragstellenden tätig: Sie leitet das Anerkennungsverfahren bei der jeweils zuständigen Stelle ein, holt ggf. die Zustimmung der BA zur Beschäftigung ein und erteilt letztendlich die Vorabzustimmung für das Visum. Es gelten verkürzte Bearbeitungsfristen für das Anerkennungsverfahren und die Zustimmung der BA sowie Terminvorgaben für die Visastellen, sodass die Einwanderung insgesamt beschleunigt wird. Mit den vorgesehenen Fristen wird der zeitliche Rahmen für den gesamten Einwanderungsprozess zu Erwerbszwecken erstmals gesetzlich geregelt.
Zudem wurde mit dem FEG eine Zentrale Servicestelle Berufsanerkennung (ZSBA) eingerichtet, die Anerkennungsinteressierte im Ausland berät, beim Anerkennungsverfahren unterstützt und bis zur Einreise nach Deutschland begleitet. Diese wird vorerst bis Ende 2023 erprobt.
Das FEG sieht weitere Erleichterungen bei der Niederlassungserlaubnis vor. Für die Erteilung der Niederlassungserlaubnis gelten nun für Fachkräfte insgesamt verkürzte Wartezeiten, sodass diese bereits nach vier Jahren einen unbefristeten Aufenthaltsstatus erlangen können.
Neben der Gewinnung von ausgebildeten Fachkräften soll auch die Einwanderung für ein Studium oder eine Berufsausbildung in Deutschland vereinfacht werden. Insbesondere der Zugang zur Berufsausbildung wurde hierbei erweitert, sodass nun u. a. die Möglichkeit besteht, zur Suche nach einem Ausbildungsplatz nach Deutschland zu kommen. Die Voraussetzungen hierfür (u. a. Hochschulzugangsberechtigung und Deutschkenntnisse auf dem Niveau B2 GER) sind allerdings sehr hoch. Gleichzeitig erhalten die Ausländer/-innen seit 2019 einen erleichterten Zugang zur Förderung von Berufsausbildung und Berufsvorbereitung durch das Ausländerbeschäftigungsförderungsgesetz.
Die Umsetzung der erweiterten Optionen für die legale Einreise zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit und Ausbildung wurde durch die Einschränkungen grenzüberschreitender Bewegungen und Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie beschränkt. Jedoch bildet das FEG eine Grundlage für maßgebliche Veränderungen in der Erwerbs- und Bildungsmigration und hat somit ein großes Potenzial für die Sicherung des Bedarfs an qualifizierten Arbeitskräften.
(Vira Bushanska, Alexander Studthoff)
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Die Regelung gilt für Staatsangehörige von Albanien, Bosnien und Herzegowina, Kosovo, Montenegro, Nordmazedonien und Serbien.