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Kompetenzen in der deutschen Sprache sind unverzichtbar für die Ausübung beruflicher Tätigkeiten und gelten als elementare Voraussetzung für den Erwerb beruflicher Kompetenz. Sie werden daher als ein zentraler Bestandteil beruflicher Handlungskompetenz betrachtet.  Es wird von Bewerberinnen und Bewerbern, Auszubildenden und Erwerbstätigen erwartet, dass sie über ausreichende Kompetenzen in der deutschen Sprache verfügen. Dies gilt unabhängig vom Vorliegen eines Migrations- oder Fluchthintergrunds, unzureichende Deutschkenntnisse stellen jedoch insbesondere für einen Teil dieser Personen eine Hürde bei der beruflichen Integration dar. Um den Erwerb entsprechender Kompetenzen in der deutschen Sprache zu ermöglichen, wurde in Deutschland seit 2005 sukzessive ein System von Sprachkursen für Zugewanderte und in Deutschland lebende Personen mit Migrationshintergrund etabliert. In diesem Beitrag werden zunächst zwei Perspektiven auf das Thema skizziert: die quantitative Bestimmung des Zusammenhangs von Deutschkenntnissen und der Wahrscheinlichkeit, eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen sowie die sprachlichen Anforderungen für berufliches Handeln. Vor dem Hintergrund dieser Ausführungen wird die Angebotsstruktur der Deutschsprachförderung des Bundes reflektiert.

Sprachkompetenzen und Aufnahme einer Erwerbstätigkeit bei Geflüchteten

Aufgrund der hohen Zuwanderungszahlen von Flüchtlingen in den Jahren 2014 bis 2017 konzentrieren sich aktuelle Arbeiten zum Zusammenhang von Sprachkompetenz und Erwerbstätigkeit auf diesen Personenkreis. Im Folgenden wird auf zwei Analysen aus 2018 und 2019 Bezug genommen, die auf Daten der IAB-BAMF-SOEP-Flüchtlingsstichprobe basieren. In dieser Längsschnittuntersuchung werden Schutzsuchende, die in den Jahren 2013 bis Ende Juni 2019 nach Deutschland gekommen sind, und ihre Haushaltsangehörigen befragt. Die erste Befragungswelle wurde 2016 durchgeführt, die Befragungen erfolgen jährlich (Erläuterung in Kapitel C3.1).

Im Hinblick auf den Zusammenhang von Sprachkenntnissen und Erwerbstätigkeit konstatieren Brücker, Kosyakova und Schuß (2020) auf der Grundlage der Daten von Geflüchteten im Alter von 18 bis 64 Jahren für das Befragungsjahr 2018 (N = 4.265 Personen): „Der Abschluss von Integrationskursen, ESF-BAMF-Sprachkursen, sonstigen Sprachkursen und Arbeitsmarktprogrammen sowie Vermittlungs- und Beratungsmaßnahmen sind statistisch signifikant mit einer höheren Erwerbstätigkeitswahrscheinlichkeit verbunden“ (ebd., S. 13). Geflüchtete, die einen Integrationskurs abgeschlossen haben, weisen gegenüber Geflüchteten ohne Abschluss in einem Integrationskurs eine um 8,91 Prozentpunkte höhere Wahrscheinlichkeit der Erwerbstätigkeit auf. Bei Geflüchteten, die einen ESF-BAMF-Kurs/Berufssprachkurs besucht haben, sind es 4,34 Prozentpunkte, beim Besuch sonstiger Sprachprogramme 2,82 Prozentpunkte. Die Ergebnisse zeigen, dass sich die Teilnahme an Angeboten aus dem Gesamtprogramm Sprache günstig auf die Erwerbstätigkeitswahrscheinlichkeit auswirkt.

Auf der Grundlage der Befragten aus vier Befragungswellen dieser Stichprobe (bis zum Befragungsjahr 2019; N = 8.035) wurde eine ähnliche Auswertung vorgenommen. Hinsichtlich der Sprachkompetenzen wurde als weitere Variable „Deutschsprachkenntnisse“ einbezogen, berechnet aus dem Mittelwert der Selbsteinschätzungen im Sprechen, Schreiben und Lesen. Die Probandinnen und Probanden ordneten sich auf einer fünfstufigen Skala von „gar nicht“ bis „sehr gut“ selbst zu. Die Berechnungen führten zu etwas anderen Ergebnissen als bei der zuvor dargestellten Berechnung. Die Werte für den Zusammenhang zwischen der Erwerbstätigskeitwahrscheinlichkeit und dem Abschluss des Integrationskurses sowie dem Besuch eines ESF-BAMF-Kurses/Berufssprachkurses sind im Vergleich zu denen der Analyse aus 2020 (s. o.) niedriger (4,8 Prozentpunkte bzw. 2,3 Prozentpunkte). Die Variable „Deutschsprachkenntnisse“ korreliert zu 2,0 mit der Erwerbswahrscheinlichkeit (vgl. Kosyakova u. a. 2021, S. 8). Dies deutet darauf hin, dass, wenn nach Deutschsprachkenntnissen gefragt wird, der Weg, auf dem sie erworben wurden, an Bedeutung verliert.

Die herangezogenen Studien nennen zudem zahlreiche Aspekte, die bei der Betrachtung des Zusammenhangs von Spracherwerb und Aufnahme einer Erwerbstätigkeit zu berücksichtigen sind. Hier sei nur auf arbeitsmarktbezogene Kennzahlen hingewiesen, z. B. Wirtschaftslage, Nachfrage nach Arbeitskräften bzw. Arbeitslosenquote, die nicht nur die Erwerbstätigkeitswahrscheinlichkeit, sondern auch den Stellenwert von Sprachkompetenzen beeinflussen dürften: Werden viele Arbeitskräfte benötigt, sehen Arbeitgeber bei der Einstellung ggf. über mangelnde Sprachkompetenzen hinweg. Zu berücksichtigen ist zudem, dass die Bedeutung von Sprache auf die Erwerbswahrscheinlichkeit schwer isoliert zu erfassen ist, da sie in vielen Variablen bedeutsam ist, z. B. dem Bildungsabschluss.

Die Ergebnisse der vorgestellten Analysen belegen den engen Zusammenhang von Sprachkompetenzen und der Wahrscheinlichkeit, eine Erwerbtätigkeit aufzunehmen, machen jedoch auch deutlich, wie sehr das forschungsmethodische Vorgehen Ergebnisse dieser Auswertungen und Schlussfolgerungen daraus beeinflusst. So plausibel und naheliegend der Zusammenhang von Sprachkompetenzen und der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit sein mag, so schwierig und komplex erweist sich seine Messung.

Sprachliche Anforderungen im Beruf

In den letzten Jahren wurden zahlreiche Untersuchungen im Themenfeld Sprache und Beruf mit dem Ziel durchgeführt, die sprachlichen Anforderungen in beruflichen Kontexten zu bestimmen. Es liegen Untersuchungen für unterschiedliche Zielgruppen, z. B. für erwerbstätige Personen mit Migrationshintergrund (vgl. z. B. Grünhage-Monetti 2010), verschiedene (akademische) Berufe (vgl. z. B. Jakobs 2006) sowie in den letzten Jahren insbesondere für duale Ausbildungsberufe und entsprechend Auszubildende (vgl. Efing 2010; Settelmeyer u. a. 2017) vor. Diese Arbeiten sind durch die Erkenntnis motiviert, dass berufliches Handeln und das Lernen in Ausbildung immer auch eine sprachliche Seite hat. Sprachliche Defizite können das Lernen und Verstehen fachlicher Inhalte sowie die Verständigung im Betrieb insgesamt erschweren. Die Untersuchungen dualer Ausbildungsberufe zeigen bspw., dass beim Arbeiten und Lernen im Betrieb Fähigkeiten in allen sprachlichen Fertigkeitsbereichen – dem Lesen, Schreiben, Sprechen und (Zu)Hören – benötigt werden, wenn auch berufsspezifisch in je unterschiedlichem Ausmaß. Bestimmte Anforderungen kommen berufsübergreifend vor, z. B. dominieren im Schriftlichen tabellenförmige, formularähnliche Texte, die wiederum berufsspezifische Kennzahlen, Fachwörter und Abkürzungen enthalten. Bei den zu beherrschenden Gesprächssorten gibt es erhebliche Unterschiede, je nachdem, mit wem und zu welchem Zweck Gespräche zu führen sind. Zudem müssen Auszubildende betriebsspezifische Vorgaben beherrschen, z. B. bei der Kundenansprache. Neben diesen beruflich und betrieblich geprägten Anforderungen bestehen berufsübergreifend arbeitsweltbezogene Anforderungen, z. B. Bewerbungsschreiben und -gespräche sowie Arbeitsverträge. Sprachkurse für Zugewanderte und Personen mit Migrationshintergrund müssen Auszubildende bzw. Erwerbstätige in die Lage versetzen, arbeitsweltbezogene, berufs- und betriebsspezifisch geprägte Anforderungen sprachlich zu meistern.

Gesamtprogramm Sprache des Bundes

Das Gesamtprogramm Sprache des Bundes umfasst Integrations- und Berufssprachkurse. Integrationskurse sollen Teilnehmende befähigen, sprachlich selbstständig zu handeln und sich im Alltag zurechtzufinden. Das Angebot wurde zunehmend ausdifferenziert und umfasst neben dem allgemeinen Integrationskurs spezielle Angebote für Analphabeten/Analphabetinnen, Zweitschriftlerner/-innen, Jugendliche sowie Eltern und Frauen. Ziel ist, dass die Lernenden das Niveau B1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens erreichen. Berufssprachkurse bauen auf dem Integrationskurs auf und dienen „dem Spracherwerb, um die Chancen auf dem Arbeits- und Ausbildungsmarkt zu verbessern“ (Deutschsprachförderverordnung § 3). Auch hier steht ein differenziertes Angebot zur Verfügung: allgemeine berufsbezogene Kurse, um berufsweltbezogene Deutschkenntnisse zur Verständigung am Arbeitsplatz und für den Bewerbungsprozess auf den Sprachniveaus A2, B1, B2 und C1 zu erwerben. Diese Kurse verzeichnen die meisten Kurseintritte: 2020 waren es 97,7 % aller Kurseintritte. Fachspezifische Kurse für Personen, die in technischen bzw. kaufmännischen Berufen arbeiten, und Kurse für Personen im Berufsanerkennungsverfahren wurden dagegen entsprechend seltener in Anspruch genommen, obwohl Anforderungsanalysen ergeben haben, dass berufsspezifische Sprachkenntnisse im Betrieb benötigt werden (2,3 % aller Kurseintritte 2020) (vgl. Bundesamt für Migration und Flüchtlinge 2021, S.17). Aktuell wird bei den Kursen für Auszubildende ein neues Konzept erprobt: Begleitend zur und abgestimmt auf ihre Ausbildung erhalten Auszubildende in der Berufsschule pro Schuljahr zusätzlichen Unterricht von einer Sprachlehrkraft, die die Inhalte in sprachförderlicher Weise aufbereitet. Damit wird für diese Zielgruppe ein Konzept der Berufssprachkurse erprobt, das die Sprachförderung am beruflichen und individuellen Bedarf ausrichtet. Ähnliche Ansätze haben sich bei berufsvorbereitenden Maßnahmen für junge Flüchtlinge ab den Jahren 2015 bewährt (vgl. Settelmeyer 2021). Es ist zu prüfen, ob entsprechende Konzepte auch für andere Erwerbstätigengruppen hilfreich wären. Solche berufsintegrierten Angebotsformate sieht das Gesamtprogramm Sprache bislang nicht vor.

(Anke Settelmeyer)