BP:
 

Politische Ziele, quantitative Entwicklung und aktuelle Auswirkung der Coronapandemie

Die zunehmende Globalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft verändert die Qualifikationsanforderungen an den Arbeitsplätzen. Internationale Standards, kulturelle Heterogenität und die Nutzung von Fremdsprachen erfordern immer häufiger internationale berufliche Handlungskompetenz. Auslandsaufenthalte in der Berufsbildung sind in besonderer Weise geeignet, diese Kompetenzen zu vermitteln (vgl. Friedrich/Körbel 2011; Nationale Agentur beim Bundesinstitut für Berufsbildung 2018, 2019; Krichewsky-Wegener 2020). Internationale Lernmobilität in der Berufsbildung eröffnet individuelle Chancen zum Kompetenzerwerb, sichert die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen und leistet einen Beitrag zur Attraktivität der Berufsbildung.

Die Steigerung der Mobilität in der Berufsbildung hat daher in der nationalen und europäischen Bildungspolitik eine hohe Priorität. Der Anteil der Auszubildenden, die im Rahmen ihrer Ausbildung einen Auslandsaufenthalt absolviert haben, wird spätestens seit 2007 in Deutschland von Politik und Sozialpartnern als ein wesentlicher Indikator für die Attraktivität, Wettbewerbsfähigkeit und den Grad der internationalen Öffnung des nationalen Berufsbildungssystems gesehen (vgl. Bundesministerium für Bildung und Forschung 2007, Deutscher Bundestag 2012) und jeweils verbunden mit einer nationalen Zielmarke zur Steigerung oder Verdopplung der Mobilität. Im Jahr 2021 hat die Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages „Berufliche Bildung in der digitalen Arbeitswelt“ ihren Abschlussbericht vorgelegt. Der Bericht betont erneut die Bedeutung internationaler Mobilität für eine zeitgemäße berufliche Bildung und spricht sich daher auch für eine Stärkung aus. In einem Sondervotum schlagen einige Mitglieder die ambitionierte Zielmarke von 20 % Auslandsmobilität im Jahr 2030 vor (vgl. Deutscher Bundestag 2021, S. 204, 359). Auch der Koalitionsvertrag 2021 spricht sich für die Stärkung der Mobilität von Auszubildenden und des Programms Erasmus+ aus (vgl. Bundesregierung 2021, S. 23, 89).

In der europäischen Berufsbildungspolitik wird die internationale Mobilität in der Berufsbildung ähnlich diskutiert und daher in besonderer Weise gefördert. Verstärkend kommt hier noch das europäische Motiv hinzu, die Arbeitnehmerfreizügigkeit sicherzustellen. Der Rat der Europäischen Union hat im Jahr 2020 in der Empfehlung zur Aus- und Weiterbildung das Ziel formuliert, den Anteil der Absolventinnen und Absolventen der Berufsbildung, die im Rahmen ihres Bildungsgangs internationale Erfahrung gesammelt haben, bis zum Jahr 2025 auf 8 % zu steigern (vgl. Rat der Europäischen Union 2020). Die Mobilitätsquote ist damit eine von drei Indikatoren, mit denen der Rat die Zielerreichung und den Grad des Erfolges seiner Politik der Berufsbildung für nachhaltiges Wachstum, soziale Gerechtigkeit und Resilienz überprüfen wird. Die Mobilitätsquote wird daher in den kommenden Jahren Gegenstand des Monitorings und der Berichterstattung auf europäischer Ebene sein.

Die von der Nationalen Agentur beim BIBB veröffentlichte Mobilitätsstudie (vgl. Nationale Agentur beim Bundesinstitut für Berufsbildung 2018) hat gezeigt, dass im Jahr 2017 5,3 % aller Absolventen/Absolventinnen einer Berufsausbildung im Rahmen ihrer Ausbildung einen Lernaufenthalt im Ausland realisiert hatten. Aufgrund der starken Zuwächse im Programm Erasmus+ in den Jahren 2018 und 2019 sowie dem Ausbau der Förderung des Programms AusbildungWeltweit (s. u.) lässt sich abschätzen, dass im Jahr 2019 eine Mobilitätsquote von etwa 7 % erreicht wurde. Im Jahr 2020 hat die Quote aufgrund der Coronapandemie abgenommen. Auch wenn damit die anvisierte Zielmarke von 10 % Absolventen/Absolventinnen der Berufsausbildung mit Auslandserfahrung nicht erreicht worden ist, so lässt sich doch feststellen, dass die Mobilitätsquote in den Jahren zuvor deutlich gesteigert wurde. Im Verhältnis zu der für 2010 ermittelten Mobilitätsquote von 3,2 % (vgl. Friedrich/Körbel 2011) konnte sie sogar mehr als verdoppelt werden.

Die Coronapandemie hat die Mobilität im Jahr 2021 von Auszubildenden sehr stark eingeschränkt. Die Vorgaben von Kultusministerien und Unternehmen zum Schutz der Gesundheit ließen weitgehend keine Aktivitäten zu und Reisewarnungen machten auch individuelle Aufenthalte in vielen Zielregionen über längere Zeiträume unmöglich. In den Förderprogrammen wurde aber dennoch deutlich, dass die Einrichtungen der Berufsbildung das Thema der Auslandsaufenthalte weiterverfolgen und bei abklingender Coronalage die Aktivitäten umgehend wieder aufnahmen, wenn auch nur in geringem Umfang.