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Analysen der Bewerberbefragung 2020 hatten gezeigt, dass rd. ein Drittel der befragten Bewerber/-innen über negative Bewerbungserfahrungen aufgrund der Coronapandemie berichteten (bspw. Absage von Praktika). Solche negativen Erfahrungen erhöhen das Risiko, dass die Jugendlichen emotionalen Stress im Zuge der Ausbildungsstellensuche erleben (vgl. Eberhard u. a. 2021a).

Im Rahmen der BA/BIBB-Bewerberbefragung 2021 wurden daher die Bewerber/-innen teilweise noch expliziter danach gefragt, inwieweit die Coronapandemie ihre Berufsorientierung, Berufswahl und Ausbildungsstellensuche beeinflusst hat. Für dieses Kapitel werden vier ausgewählte Items dieses Fragenblocks ausgewertet, die sich mit der wahrgenommenen (emotionalen) Belastung auseinandersetzen.

Die einleitende Frage lautete: „Wie haben Sie Ihre Berufswahl- und Bewerbungsphase während Corona erlebt? Inwieweit stimmen Sie den folgenden Aussagen zu?“. Die Skala reichte von 1 = „gar nicht“ bis 7 = „sehr“. Für erste vorläufige Auswertungen wurden die Gruppenmittelwerte der einzelnen Items herangezogen.

Die Frage, ob die Bewerber/-innen Angst hatten, aufgrund von Corona keine passende Stelle zu finden, beantworteten die Befragungsteilnehmenden im Durchschnitt mit einem Wert von 3,8. Ein relevanter Anteil von etwa 43 % der Ausbildungsstellenbewerber/-innen stimmten der Aussage eher bis sehr zu.

Die durchschnittliche Zustimmung der Frage, ob die Bewerber/-innen Angst hatten, eine Ausbildung wegen der Pandemie nicht zu schaffen, beträgt hingegen nur 2,6, tendiert somit eher zu einer Verneinung. 52 % der befragten Bewerber/-innen stimmten dieser Aussage „gar nicht“ zu, nur 10 % „sehr“.

Die höchste Zustimmung erlebte die Frage, ob sich die Teilnehmenden (wegen Corona) bei der Ausbildungsstellensuche gestresst fühlten: Die mittlere Zustimmung betrug 3,9, gemessen an der zuvor skizzierten Skala, rangiert der Wert fast exakt in der Mitte zwischen gar nicht und sehr. Hier gaben nur 25 % an, dass sie die Suche „gar nicht“ gestresst habe, 21 % fühlten sich „sehr“ gestresst.

Auch die Frage danach, ob wegen Corona große Anstrengungen betrieben werden mussten, um eine Ausbildungsstelle zu finden, fällt, gemessen an der Skala, wenig negativ aus. So betrug die mittlere Zustimmung hier 3,4, rangiert somit im unteren bis mittleren Skalenabschnitt, der eine geringe Zustimmung impliziert. Allerdings stimmten dieser Aussage immerhin 18 % der befragten Bewerber/-innen jedoch uneingeschränkt zu.

Signifikante und teilweise auch stärkere Unterschiede zeigen sich allerdings, wenn im nächsten Schritt die durchschnittlichen Zustimmungen der Befragten differenziert nach ausgewählten Kriterien betrachtet werden.

Aus Schaubild A8.1.4-1 geht hervor, dass die Mittelwerte der Gruppe der Bewerber/-innen mit Migrationshintergrund durchweg höher liegen als bei der Gruppe der Bewerber/-innen ohne Migrationshintergrund. Bei Bewerber/-innen im Kontext Fluchtmigration liegen diese Werte nochmals höher, was bedeutet, dass diese somit tendenziell den Aussagen mehr zustimmen und die Auswirkungen der Coronapandemie auf den Berufswahl- und Bewerbungsprozess eher belastender wahrgenommen haben. Dies bestätigt die Tendenzen, die sich auch bei der Befragung 2020 in ähnlicher Weise gezeigt hatten (vgl. Christ u. a. 2021).

Betrachtet man nun die Gruppen differenziert nach dem offiziell registrierten Verbleib, zeigt sich, dass die Gruppe der offiziell bekannt und die der offiziell unbekannt verbliebenen Bewerber/-innen relativ eng zusammenliegen Schaubild A8.1.4-2.

Schaubild A8.1.4-1: Gruppe der Bewerber/-innen mit Migrationshintergrund und Fluchthintergrund: „Wie haben Sie Ihre Berufswahl- und Bewerbungsphase während Corona erlebt? Inwieweit stimmen Sie den folgenden Aussagen zu?“ (Mittelwerte)

Schaubild A8.1.4-2: Gruppe der offiziell unbekannt verbliebenen Bewerber/-innen: „Wie haben Sie Ihre Berufswahl- und Bewerbungsphase während Corona erlebt? Inwieweit stimmen Sie den folgenden Aussagen zu?“ (Mittelwerte)

Besonders bei der Frage, ob die Ausbildungsstellensuche gestresst hat, unterscheiden sich die Mittelwerte kaum (4,1 vs. 3,9).187 Die höchste Zustimmung geben hier jedoch die offiziell unbekannt verbliebenen Bewerber/-innen, wenn es um die Angst, eine passende Ausbildungsstelle zu finden, geht (4,2).

Betreffend die Gruppe der Altbewerber/-innen lässt sich erkennen, dass diese Gruppe aufgrund der Coronapandemie ihren Berufswahl- und Bewerbungsprozess verglichen mit denen, die 2021 zum ersten Mal auf der Suche waren, deutlich belastender bewerten Schaubild A8.1.4-3. Dies zeigt sich daran, dass Personen, die sich zum Befragungszeitpunkt nicht zum ersten Mal auf der Suche befanden, eher den zu bewertenden Aussagen zustimmten.

Insgesamt lässt sich auf Basis der ersten Auswertungen erkennen, dass im zweiten Jahr der Coronapandemie die bildungspolitisch besonders interessanten Gruppen der Migrantinnen und Migranten und derer mit Fluchthintergrund sowie die der offiziell unbekannt verbliebenen und die der Altbewerber/-innen weiterhin von großer Relevanz sind. Die dargestellten Ergebnisse zeigen bei diesen jeweils im Gruppenvergleich höhere Zustimmungswerte bezüglich der Angst, eine passende Stelle zu finden, der Angst, eine Ausbildung nicht zu schaffen, der Stressbelastung durch die Suche und der unternommenen Anstrengung, eine Ausbildungsstelle zu finden.

Schaubild A8.1.4-3: Gruppe der Altbewerber/-innen und Erstbewerber/-innen: „Wie haben Sie Ihre Berufswahlund Bewerbungsphase während Corona erlebt? Inwieweit stimmen Sie den folgenden Aussagen zu?“ (Mittelwerte)

Zusammenfassung und Fazit

Das Vermittlungsjahr 2021 war wie das Jahr 2020 von Auswirkungen der Coronapandemie geprägt. Für die hier dargestellten Gruppen gestaltete sich der Übergang in Ausbildung weiterhin schwierig. Besonders Personen mit Migrationshintergrund (mit oder ohne Fluchthintergrund), Altbewerbern/-bewerberinnen sowie unbekannt verbliebenen Ausbildungsstellenbewerbern/-bewerberinnen gelang es seltener, in eine betriebliche Ausbildung einzumünden. Es zeigt sich allerdings, dass die Gruppe der Ausbildungsstellenbewerber/-innen mit Migrationshintergrund, aber ohne Fluchthintergrund wieder etwas häufiger erfolgreich war, wohingegen Jugendliche mit Fluchthintergrund noch seltener in eine betriebliche Ausbildung einmünden konnten. Gerade diese Personengruppe war deutlich häufiger sonstig verblieben. Es zeichnet sich allerdings ab, dass viele die ohnehin schwierigere Zeit vermehrt nutzen, um sprachliche Qualifikationen weiter auszubauen.

Im Vergleich zu 2020 ging der Anteil der Arbeitslosen bei der Gruppe der Bewerberinnen und Bewerber, die den Kontakt zur BA abgebrochen hatten (unbekannt verbliebene Bewerber/-innen), zurück. Jedoch verblieb auch diese Gruppe seltener in einer betrieblichen bzw. vollqualifizierenden Ausbildung. Sie gingen häufiger einer sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit nach oder waren sonstig verblieben. Nach wie vor besteht allerdings bei dieser Gruppe die große Gefahr, dass sie, durch den Kontaktabbruch zur BA, dem Bildungssystem entgleitet und auch auf der individuellen Ebene ungünstigere Berufswege einschlägt.

Die Situation der Altbewerber/-innen hat sich im Vergleich zu 2020 leicht verändert: Personen, die sich bereits früher als 2021 für eine Ausbildungsstelle beworben hatten, mündeten zwar seltener in eine betriebliche bzw. vollqualifizierende Ausbildung ein, die Diskrepanz zur Gruppe der Erstbewerber/-innen nahm allerdings leicht ab. Besonders selten gelang der Übergang in eine betriebliche Ausbildung Personen, die sich bereits vor mehr als zwei Jahren um eine solche Ausbildung bemüht hatten. Altbewerber/-innen gehen vermehrt einer sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit nach oder waren zum Befragungszeitpunkt arbeitslos (bzw. -suchend). Ein Trend, der sich im Vergleich zu 2020 fortgesetzt hat.

Auch 2021 wurde die Coronapandemie als Schwerpunktthema für die BA/BIBB-Bewerberbefragung gewählt. Ausgewählte Items zum wahrgenommenen Belastungsgrad der Pandemie auf die Ausbildungsstellensuche und Bewerbungsphase lassen vermuten, dass die Jugendlichen den Einfluss der Pandemie deutlich gespürt haben. So gaben viele Ausbildungsstellenbewerber/-innen an, dass sie wegen Corona Angst hatten, keine passende Ausbildungsstelle zu finden oder aber auch aufgrund von Corona bei der Suche nach einer Ausbildungssuche gestresst gewesen zu sein. Diese Thematik und weitere werden im Laufe des Jahres 2022 in weiteren ausgewählten Publikationen vertiefend betrachtet.

(Alexander Christ, Julia Gei, Marcel Heinecke, Catie Keßler)

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    Beide Gruppen sind sehr heterogen und beinhalten sowohl die bekannt/unbekannt eingemündeten Bewerber/-innen, als auch die bekannt/unbekannt unversorgten Bewerber/-innen.