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Angebot und Nachfrage auf lokalen Ausbildungsmärkten werden von der regionalen Mobilität Jugendlicher beeinflusst. Attraktive Ausbildungsmärkte ziehen Ausbildungsinteressierte aus der eigenen sowie aus anderen Regionen an, während weniger attraktive Regionen häufig hohe Auspendlerquoten aufweisen. Ungleichgewichte von Angebot und Nachfrage auf dem Ausbildungsmarkt können somit durch regionale Mobilität gemindert, aber auch verstärkt werden (vgl. ausführlich dazu Herzer/Ulrich 2020).

Amtliche Informationen zur Mobilität von Jugendlichen im Zusammenhang mit ihrer Berufsausbildung lassen sich aus der Beschäftigtenstatistik der BA gewinnen. Die Statistik gibt darüber Auskunft, wo Auszubildende wohnen und wo ihre Ausbildungsstätten liegen. Auf dieser Basis wird im Folgenden die regionale Mobilität zum Stichtag 30.09.2020 nachgezeichnet. Bei der Interpretation ist zu berücksichtigen, dass die BA-Beschäftigtenstatistik lediglich die faktisch realisierte Mobilität widerspiegelt. Also die Fälle, in denen die jungen Menschen im Zuge der Aufnahme einer Ausbildung ihren Hauptwohnsitz nicht verlegen. Anhaltspunkte zur Mobilitätsbereitschaft von ausbildungsinteressierten Jugendlichen bieten zudem die Ergebnisse der BA/BIBB-Bewerberbefragung (Kapitel A8.2.2).

Trotz der negativen Folgen der Coronapandemie, die sich 2020 auch in der geringeren Anzahl neu abgeschlossener Ausbildungsverträge niederschlug (vgl. Oeynhausen u. a. 2021) blieb die regionale Mobilität Auszubildender äußerst stabil. Die Anzahl der in der Beschäftigtenstatistik der BA erfassten Auszubildenden sank zwar absolut, die Anteile mobiler Auszubildender in den Bundesländern veränderten sich aber nicht in nennenswertem Umfang. Dazu ist anzumerken, dass die hier vorgelegten Zahlen keine Auskunft darüber geben, an welchem Ort die Auszubildenden ihre Arbeit/Ausbildung tatsächlich ausübten. Somit lassen sich keine Rückschlüsse darauf ziehen, ob Homeoffice oder Homeschooling stattfand.

Faktisch realisierte Mobilität zwischen den Ländern

Zum Stichtag 30.09.2020 wohnten rund 112.200 der 1.665.200 Beschäftigten, die zu diesem Zeitpunkt von der BA als Auszubildende registriert wurden, nicht in dem Bundesland, in dem ihr Ausbildungsbetrieb angesiedelt war Tabelle A8.2.1-1 (Spalten 4 und 5). Dies entsprach einem Anteil von 6,7 %.188

Die länderübergreifende Mobilität führte insbesondere in den Stadtstaaten dazu, dass höhere Anteile der dort verfügbaren Ausbildungsplätze nicht von eigenen Landesbewohner/-innen besetzt wurden Tabelle A8.2.1-1 (Spalte 7), so in Bremen (33,8 %), Hamburg (31,2 %) und Berlin (20,4 %).

In den Stadtstaaten werden zumeist sehr viel mehr Ausbildungsplätze angeboten, als es ausbildungsinteressierte Jugendliche vor Ort gibt. Gleichzeitig ist die Angebotsvielfalt an Ausbildungsberufen wesentlich höher als in weniger dicht besiedelten Regionen (vgl. Jost/Seibert/Wiethölter 2019). Auch innerhalb der Stadtstaaten wohnten in nennenswertem Maße Jugendliche, die ihre Ausbildung außerhalb ihres eigenen Bundeslandes absolvierten (Bremen 15,5 %, Hamburg 13,9 %, Berlin 8,9 % Tabelle A8.2.1-1 (Spalte 8). Doch lagen diese Anteile deutlich unter den Einpendlerquoten (Spalte 9, aufgeführte Differenz), sodass die Einwanderung klar überwog. Dies führte in der Konsequenz dazu, dass vor Mobilität noch günstige bzw. sehr günstige städtische Märkte für die dort einheimischen Jugendlichen mobilitätsbedingt durch die Einpendler/-innen zu eher schwierigen Märkten wurden. Auswertungen auf Ebene der Arbeitsagenturbezirke zeigen auch für die meisten Zentren von Großstadtregionen derartige Veränderungen der Marktlagen durch Mobilität (vgl. Herzer/Ulrich 2020).

Tabelle A8.2.1-1: Zahlen und Indikatoren zur länderübergreifenden Mobilität von Auszubildenden (Stichtag: 30.09.2020)

Entlastungen regionaler Ausbildungsmärkte durch Mobilität – aus der Perspektive der Jugendlichen – gab es insbesondere in Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen. Hier fielen die Auspendlerquoten in andere Länder merklich höher aus (jeweils um mehr als drei Prozentpunkte) als die Einpendlerquoten.

Relativ bedeutsame auswärtige Ausbildungsmärkte waren Tabelle A8.2.1-2:

  • für Brandenburg: Berlin (20,2 % der in Brandenburg lebenden Auszubildenden lernten in Berlin) und Sachsen (1,6 %),
  • für Mecklenburg-Vorpommern: Schleswig-Holstein (2,5 %), Brandenburg (1,1 %), Hamburg (1,1 %) und Berlin (1,0 %),
  • für Niedersachsen: Bremen (3,1 %) und Hamburg (2,4 %) und Nordrhein-Westfalen (2,0 %),
  • für Rheinland-Pfalz: Baden-Württemberg (4,4 %), Hessen (3,6 %), Nordrhein-Westfalen (3,0 %) und das Saarland (1,7 %),
  • für Sachsen-Anhalt: Niedersachsen (3,3 %) sowie Sachsen (3,3 %),
  • für Schleswig-Holstein: Hamburg (11,7 %) sowie
  • für Thüringen: Bayern (3,3 %), Sachsen (2,4 %), Hessen (2,1 %) und Niedersachsen (1,5 %).

Die drei Länder, in denen die meisten der dort wohnenden Auszubildenden auch dort ausgebildet wurden, waren Nordrhein-Westfalen (97,3 %), Bayern (97,1 %) und Baden-Württemberg (96,0 %) Tabelle A8.2.1-1 (Spalte 10). Dies dürfte u. a. daher rühren, dass es sich zugleich um die drei Länder mit der absolut höchsten Bevölkerungszahl bzw. mit dem absolut höchsten Ausbildungsplatzangebot handelt. Eine Rolle dürfte im Fall von Bayern auch die aus Sicht der Jugendlichen überdurchschnittlich gute Ausbildungsmarktlage spielen (Kapitel A1.1.1).

Am seltensten lernten brandenburgische Auszubildende im eigenen Land (74,4 %). Dies dürfte auf den sehr attraktiven Ausbildungsmarkt im Land Berlin zurückzuführen sein.

(Philip Herzer)

Tabelle A8.2.1-2: Relative Verteilung der im jeweiligen Bundesland wohnenden Auszubildenden auf ihre Ausbildungsplätze nach deren Standort (in %)

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    Zu berücksichtigen ist, dass unter den von der BA in der Beschäftigtenstatistik ausgewiesenen Auszubildenden zu einem kleineren Anteil auch Auszubildende außerhalb des dualen Berufsausbildungssystems enthalten sind (vgl. dazu Matthes/Ulrich 2017).