In einer sich wandelnden Arbeitswelt stellt sich die Frage, welche Kompetenzen Beschäftige benötigen, immer wieder neu. Nahezu Konsens besteht darüber, dass Methodenkompetenzen helfen können, diesen Wandel und die damit verbundene Komplexität zu bewältigen. Methodenkompetenzen sollen Personen befähigen, auf verschiedene berufliche Anforderungen flexibel reagieren und adäquat mit diesen umgehen zu können.235
Methodenkompetenzen sind als Querschnittskompetenzen zu verstehen (vgl. DQR), d. h., sie sind berufs- bzw. fachübergreifend relevant. Eine einheitliche Definition von Methodenkompetenzen gibt es nicht, weshalb auch die einzelnen Fähigkeiten und Fertigkeiten, die dazu gerechnet werden, stark variieren. Sie sind bspw. definiert als „Kenntnisse, Fertigkeiten und Fähigkeiten, die es ermöglichen, Aufgaben und Probleme zu bewältigen, indem sie die Auswahl, Planung und Umsetzung sinnvoller Lösungsstrategien ermöglichen“ (Orth 1999, S. 109). Dazu zählen z. B. Problemlösungsfähigkeit, Entscheidungsfähigkeit, Informationskompetenz (Fähigkeit, Informationen zu beschaffen) und Lernkompetenz (Fähigkeit, Wissen zu erwerben) (vgl. auch Bröckl/Bliem 2020; Pastoors u. a. 2019, S. 43).
Arbeitssituationen, die Methodenkompetenzen erfordern, haben seit 2006 zugenommen, so die Ergebnisse der BIBB/BAuA-Erwerbstätigenbefragungen.236 In diesem Beitrag wird gezeigt, in welchem Maße die Arbeit von heute Anforderungen an Methodenkompetenzen stellt und wie deren Bedeutung zwischen Berufen variiert. Die dargestellten Befunde basieren auf der BIBB/BAuA-Erwerbstätigenbefragung 2018 (ETB 2018), die repräsentativ für Erwerbstätige in Deutschland ist (gemäß Definition).
BIBB/BAuA-Erwerbstätigenbefragung 2018 (ETB 2018)
Die ETB 2018 ist eine Befragung unter rd. 20.000 Erwerbstätigen in Deutschland zu den Themen Arbeit und Beruf im Wandel sowie Erwerb und Verwertung beruflicher Qualifikationen (doi:10.7803/501.18.1.1.10). Grundgesamtheit sind Erwerbstätige ab 15 Jahren (ohne Auszubildende), die einer bezahlten Tätigkeit von regelmäßig mindestens zehn Stunden pro Woche nachgehen. Die Daten wurden über computergestützte telefonische Interviews (CATI) im Zeitraum Oktober 2017 bis April 2018 von Kantar Public München erhoben und sind repräsentativ für diese Gruppe. Die Auswahl der Telefonnummern basierte dabei auf einem mathematisch-statistischen Zufallsverfahren (Gabler-Häder-Verfahren); neben Festnetztelefonanschlüssen wurde ein Mobilfunkanteil von 30 % einbezogen (sog. Dual-Frame-Ansatz). Die Daten wurden durch Gewichtung nach zentralen Merkmalen auf Basis des Mikrozensus 2017 an die Strukturen der Grundgesamtheit angepasst. Für methodische und publikationsbezogene Hinweise siehe www.bibb.de/arbeit-im-wandel sowie Rohrbach-Schmidt/Hall 2020.
Um die in der Erwerbstätigkeit geforderten Methodenkompetenzen zu operationalisieren, wurden verschiedene Indikatoren aus der ETB 2018 herangezogen. In der ETB wurde ein tätigkeitsbezogener Kompetenzbegriff zugrunde gelegt, der auf die berufsrelevanten Kompetenzen und Fähigkeiten abzielt, die zur Erfüllung der Anforderungen am Arbeitsplatz erforderlich sind. Die entsprechenden Fragen wurden daher arbeitsplatzbezogen formuliert und erfassen nicht die individuellen Kompetenzen der Befragten, sondern die in der Arbeit gestellten Kompetenzanforderungen an Erwerbstätige. Die Ergebnisse werden differenziert nach vier Komplexitätsgraden (Anforderungsniveaus) und neun Berufssegmenten dargestellt.
Mit Blick auf das Anforderungsniveau zeigt sich, dass Methodenkompetenzen umso häufiger gefordert wurden, je höher der Komplexitätsgrad der Tätigkeit ist Schaubild A10.3-1. Unter den Methodenkompetenzen ist Problemlösungsfähigkeit von zentraler Bedeutung in der Arbeitswelt; 71 % aller Erwerbstätigen haben in der Befragung angegeben, dass sie in ihrer Arbeit häufig auf Probleme reagieren und diese lösen müssen. Auf dem Fachkraftniveau war der Anteil der Erwerbstätigen, die häufig Problemlösungskompetenz benötigen, mit 65 % deutlich höher als auf Helferniveau (40 %), aber auch deutlich niedriger als auf Spezialisten- oder Expertenniveau (81 % bzw. 87 %). Auch Entscheidungsvermögen spielt eine mit dem Anforderungsniveau zunehmend wichtigere Rolle (Ø 42 %). 34 % der Erwerbstätigen auf Fachkraftniveau gaben an, dass sie häufig eigenständig schwierige Entscheidungen treffen müssen, auf Spezialisten- und Expertenniveau waren es bereits 51 % bzw. 61 % der Erwerbstätigen, die entscheidungsfähig sein sollten. Der Anteil der Erwerbstätigen, die Wissenslücken häufig erkennen und schließen müssen, steigt mit dem Anforderungsniveau jeweils um zehn Prozentpunkte an; auf Helferniveau waren es 21 %, auf Fachkraftniveau 30 %, auf Spezialistenniveau 42 % und auf Expertenniveau 54 % der Erwerbstätigen, von denen diese Kompetenz häufig gefordert wird (Ø 37 %). Erwerbsarbeit in Deutschland stellt auch in hohem Maße Lernanforderungen an die Erwerbstätigen, insofern ein hoher Anteil der Erwerbstätigen angegeben hat, dass sie häufig vor neue Aufgaben gestellt werden, in die sie sich erst mal hineindenken und einarbeiten müssen (Ø 40 %). Auch bezogen auf diese Kompetenz ist ein starker Anstieg vom Fachkraftniveau (31 %) auf das Spezialistenniveau (50 %) zu erkennen.
Operationalisierungen in der ETB 2018
Anforderungen an Methodenkompetenzen
Die Befragten sollten für verschiedene Arbeitssituationen bzw. Arbeitsanforderungen angeben, wie häufig diese bei Ihrer Arbeit vorkommen; ob häufig, manchmal, (selten) oder nie.
Wie häufig kommt es bei Ihrer Arbeit vor, dass Sie …
…auf Probleme reagieren und diese lösen müssen?
…eigenständig schwierige Entscheidungen treffen müssen?
…eigene Wissenslücken erkennen und schließen müssen?
…vor neue Aufgaben gestellt werden, in die Sie sich erst einmal hineindenken und einarbeiten müssen?
Die Items wurden für die Analysen dichotomisiert (häufig vs. manchmal bis nie) und laden auf einem Faktor (cronbach‘s alpha=0.63).
Anforderungsniveau
Zur Abbildung der Komplexität der beruflichen Tätigkeit (Anforderungsniveau) wird auf die fünfte Stelle der KldB 2010 zurückgegriffen (vgl. Wiemer/Schweitzer/Paulus 2011). Es werden vier Komplexitätsgrade unterschieden:
1: Helfer- und Anlerntätigkeiten (Helferniveau),
2: fachlich ausgerichtete Tätigkeiten (Fachkraftniveau),
3: komplexe Spezialistentätigkeiten für die in der Regel ein Fortbildungs- oder Bachelorabschluss erforderlich ist (Spezialistenniveau) und
4: hochkomplexe Tätigkeiten, für die in der Regel eine mindestens vierjährige Hochschulausbildung erforderlich ist (Expertenniveau).
Berufssegmente
Die ausgeübten Berufe wurden nach der Klassifizierung der Berufe 2010 (KldB 2010) codiert und können anhand der 37 berufsfachlich homogenen Berufshauptgruppen in Berufssegmente zusammengefasst werden (vgl. Matthes/Meineken/Neuhauser 2015), die hier weiter auf neun Segmente verdichtet werden.
Schaubild A10.3.1-1: Methodenkompetenzen nach Anforderungsniveau 2018 (Anteil an der Angabe „häufig“ in %)
Die Differenzierung nach Berufssegmenten der ausgeübten Tätigkeit Schaubild A10.3-2 zeigt eine hohe Heterogenität auf. Mit Blick auf die Produktionsberufe wird deutlich, dass in den fertigungstechnischen Berufen, mit Ausnahme der Entscheidungsfähigkeit, der Anteil der Erwerbstätigen, von denen häufig Methodenkompetenzen verlangt werden, deutlich größer ist als bei Erwerbstätigen in sonstigen Produktionsberufen. Fast jede/-r zweite Erwerbstätige in fertigungstechnischen Berufen (47 %) gab an, häufig vor neue Aufgaben gestellt zu werden, in die man sich zunächst hineindenken und einarbeiten muss. Der Anteil lag auch deutlich höher als in Gesundheitsberufen, Handelsberufen oder sonstigen Dienstleistungsberufen. In Gesundheitsberufen waren stattdessen mehr Erwerbstätige als in den Produktionsberufen mit der Anforderung konfrontiert, häufig eigene Wissenslücken erkennen und schließen zu müssen. Gleiches gilt für alle anderen Dienstleistungsberufe mit Ausnahme der Handelsberufe; besonders oft benötigten Erwerbstätige in IT- und naturwissenschaftlichen Dienstleistungsberufen diese Kompetenz (54 %). Von Erwerbstätigen in Gesundheitsberufen, in sozialen und kulturellen Dienstleistungsberufen und in unternehmensbezogenen Dienstleistungsberufen wurde auch häufiger Entscheidungsfähigkeit verlangt als von Erwerbstätigen in den Produktionsberufen; jede/-r zweite Erwerbstätige in Gesundheitsberufen musste häufig eigenständig schwierige Entscheidungen treffen. Erwerbstätige in sozialen und kulturellen Dienstleistungsberufen (83 %) und in IT- und naturwissenschaftlichen Dienstleistungsberufen (86 %) haben wiederum zu einem sehr hohen Anteil angegeben, dass sie in ihrer Arbeit häufig auf Probleme reagieren und diese lösen müssen.
Schaubild A10.3.1-2: Methodenkompetenzen nach Berufssegmenten 2018 (Anteil an der Angabe „häufig“ in %)
Die Fachrichtung der ausgeübten Tätigkeit hängt eng mit deren Komplexitätsgrad zusammen. So war der Anteil der Spezialisten- und Expertentätigkeiten in sozialen und kulturellen Dienstleistungsberufen sowie in IT- und naturwissenschaftlichen Dienstleistungsberufen im Schnitt um rund 30 Prozentpunkte höher als im Durchschnitt über alle Berufe hinweg. Da die in der Arbeit geforderten Kompetenzen mit der Komplexität der beruflichen Tätigkeit generell steigen, stellt sich die Frage, welcher Anteil des Berufseffektes auf das Anforderungsniveau der Tätigkeit zurückgeht und welcher mit der Fachlichkeit des Berufs zu tun hat.
Um das Anforderungsniveau und die Fachlichkeit des Berufs gleichzeitig berücksichtigen und zudem prüfen zu können, ob die Unterschiede zwischen den Berufen signifikant sind, werden im Folgenden multivariate logistische Regressionsmodelle geschätzt Schaubild A10.3-3. Gezeigt wird der Kontrast in der durchschnittlich vorhergesagten Wahrscheinlichkeit für die vier Kompetenzanforderungen zwischen den Berufssegmenten und dem Gesamtmittelwert. Liegen die Symbole rechts der roten Linie, ist die Wahrscheinlichkeit größer als im Durchschnitt über alle Berufe hinweg, liegen sie links der roten Linie, ist die Wahrscheinlichkeit geringer als im Durchschnitt.
Es sind in erster Linie Tätigkeiten in sonstigen Dienstleistungsberufen, die unabhängig vom Komplexitätsgrad seltener Methodenkompetenzen erfordern Schaubild A10.3-3. Auch für Erwerbstätige in Handelsberufen gilt dies in Bezug auf Anforderungen an Problemlösungsfähigkeit und Lernanforderungen. Unter Berücksichtigung des Anforderungsniveaus werden auch Unterschiede im Hinblick auf erforderliche Entscheidungskompetenz in den Produktionsberufen deutlicher. Tätigkeiten in den sonstigen Produktionsberufen unterschieden sich nicht signifikant vom Gesamtdurchschnitt, wohingegen die in fertigungstechnischen Berufen Tätigen im Schnitt signifikant seltener als im Gesamtdurchschnitt häufig eigenständig schwierige Entscheidungen treffen müssen. Die durchschnittlich vorhergesagte Wahrscheinlichkeit, dass Erwerbstätige in diesen Berufen häufig vor neue Aufgaben gestellt werden, in die sie sich erst einmal hineindenken und einarbeiten müssen, war hingegen um 5,7 Prozentpunkte höher als im Gesamtdurchschnitt. Auffallend ist auch die hohe Bedeutung von Entscheidungsfähigkeit für die Gesundheitsberufe, die unter Berücksichtigung des Anforderungsniveaus nochmals angestiegen ist. So war die durchschnittlich vorhergesagte Wahrscheinlichkeit, dass Erwerbstätige in Gesundheitsberufen häufig eigenständig schwierige Entscheidungen treffen müssen, um 15,1 Prozentpunkte höher als im Gesamtdurchschnitt.
(Anja Hall)
Schaubild A10.3.1-3: Durchschnittliche marginale Effekte der Berufssegmente auf Methodenkompetenzen
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Der Kompetenzbegriff, wenn auch unterschiedlich definiert (zu den gängigsten Kompetenzdefinitionen vgl. Rüschoff 2019), schließt an die frühere Diskussion um die Schlüsselqualifikationen an (vgl. Hackel 2020). Bereits in den 1970er-Jahren wurden von Dieter Mertens (1974, S. 36) „Schlüsselqualifikationen“ thematisiert, die „[…] den Schlüssel zur raschen und reibungslosen Erschließung von wechselndem SpezialWissen bilden“.
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Vgl. www.demowanda.de