Die wissenschaftliche Weiterbildung in Form eines Studiums an einer Fachhochschule oder Universität ist für Personen mit beruflichem Ausbildungsabschluss eine Möglichkeit der formalen Höherqualifizierung, die zu höherwertigen Bildungsabschlüssen führt und neue Karrierewege eröffnet (Kapitel A10.4.2 sowie BIBB-Datenreport 2021, Kapitel C2.3.2 und Kapitel C3.4). Die Kombination von beruflicher Ausbildung und Studium verbindet praktische Berufserfahrung mit theoretisch fundiertem Fachwissen. Daraus können neben positiven Signalen an potenzielle Arbeitgeber – insbesondere an größere Unternehmen (BIBB-Datenreport 2021, Kapitel C4.1; Mottweiler 2018) – möglicherweise auch differente persönliche Vorstellungen und Erwartungen an Berufs- und Erwerbstätigkeit sowie unterschiedliche soziale Netzwerke resultieren. Diese können sich im Such- und Bewerbungsverhalten nach Studienabschluss unterschiedlich niederschlagen und erfolgreiche Übergänge in Erwerbstätigkeit fördern oder ggf. auch hemmen.
Dieser Beitrag geht der Frage nach, welche Rolle berufliche Vorerfahrungen für die Arbeitsmarktübergänge von Studienabsolventinnen und -absolventen spielen. Das Augenmerk liegt dabei auf Personen mit Bachelorabschluss, die vor Beginn des Studiums eine berufliche Erstausbildung absolviert haben. Zunächst wird untersucht, in welchen Ausbildungsberufen sie ihre Berufsqualifikation erworben haben und inwiefern das Studium zur beruflichen Höherqualifizierung oder zur Neuorientierung genutzt wird; dazu wird die fachliche Nähe zwischen dem erlernten Ausbildungsberuf und der ersten Erwerbstätigkeit nach dem Studium betrachtet. Anschließend werden die Übergänge von Bachelorabsolventinnen und -absolventen mit und ohne berufliche Erstausbildung miteinander verglichen, und zwar hinsichtlich des Such- und Bewerbungsverhaltens, wahrgenommener Probleme bei der Stellensuche sowie der genutzten sozialen Ressourcen.
Als Datenquelle dient das Nationale Bildungspanel (NEPS), das zum einen detaillierte Bildungs- und Erwerbsverläufe bietet, die u. a. die Unterscheidung beruflicher und akademischer Bildungsabschlüsse erlauben, und zum anderen eine Vielzahl von Messungen zur Stellensuche sowie zum arbeitsbezogenen Sozialkapital der Befragten, d. h. ihrer Netzwerkressourcen.
Nationales Bildungspanel – National Educational Panel Study (NEPS)
Startkohorte Studierende
Diese Arbeit nutzt Daten des Nationalen Bildungspanels (NEPS): Startkohorte Studierende, doi:10.5157/NEPS:SC5:15.0.0. Die Daten des NEPS wurden von 2008 bis 2013 als Teil des Rahmenprogramms zur Förderung der empirischen Bildungsforschung erhoben, welches vom BMBF finanziert wurde. Seit 2014 wird NEPS vom Leibniz-Institut für Bildungsverläufe e. V. (LIfBi) an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg in Kooperation mit einem deutschlandweiten Netzwerk weitergeführt. Das NEPS erhebt Längsschnittdaten zu Bildungserwerb, Bildungsprozessen und Kompetenzentwicklung in formalen, nicht formalen und informellen Kontexten über den gesamten Lebensverlauf. Dazu wurden sechs Startkohorten vom Säugling bis zu Erwachsenen im Rentenalter mit insgesamt mehr als 60.000 Personen gezogen.
Diese werden jährlich befragt und auf ihre Kompetenzen hin getestet. Weitere Informationen zum NEPS sind unter https://www.lifbi.de und bei Blossfeld/Roßbach/von Maurice (2011) zu finden. Für die hier genutzte NEPS-Teilstudie (Startkohorte fünf) wurden ca. 18.000 Personen (halb-)jährlich befragt, die im Wintersemester 2010/2011 zum ersten Mal an einer deutschen Hochschule eingeschrieben waren. Da der Fokus des Beitrags auf Personen mit Bachelorabschluss liegt, stammen die Angaben zum Übergang in den Arbeitsmarkt v. a. aus dem Zeitraum kurz nach dem (regulären) BA-Studium, also nach ca. sechs bis acht Semestern.
Zum Zeitpunkt der achten Erhebungswelle (2014/2015) liegen demnach Daten für 4.320 Personen mit Bachelorabschluss vor, von denen 965 Personen (ca. 22 %) vor Beginn ihres Studiums eine berufliche Erstausbildung – im Sinne eines formal qualifizierenden Berufsabschlusses (dual oder vollzeitschulisch) – absolviert hatten. Studierende in dualen Studiengängen wurden aufgrund geringer Fallzahlen aus den Analysen ausgeschlossen. Aufgrund des Untersuchungsdesigns wurden die für die Fragestellung relevanten Items in unterschiedlichen Wellen erfragt. Bei weiteren Items (z. B. Zeitpunkt der ersten Erwerbstätigkeit nach Studienabschluss) wurden die Angaben aus allen verfügbaren 15 Wellen verwendet. Daraus resultieren unterschiedliche Fallzahlen je nach untersuchtem Item. Analysen, die sich auf eine spezifische Welle beziehen, wurden mit den von NEPS zur Verfügung gestellten Querschnittsgewichten versehen (vgl. Zinn/Steinhauer/Aßmann 2017).
Der Großteil der 965 beruflich Qualifizierten mit Bachelorabschluss hat die Erstausbildung in einem kaufmännischen oder unternehmensbezogenen Dienstleistungsberuf (37 %), einem personenbezogenen Dienstleistungsberuf (30 %) oder einem Produktionsberuf (23 %) absolviert; Erstausbildungen in IT- und naturwissenschaftlichen sowie sonstigen Dienstleistungen waren eher selten (8 % bzw. 3 %). Innerhalb dieser Gruppe nahmen 601 Personen nach Studienabschluss eine Erwerbstätigkeit mit mindestens 20 Wochenstunden auf, darunter zwei Drittel in einem Beruf, der eine fachliche Nähe zum ursprünglichen Ausbildungsberuf aufweist; das übrige Drittel wechselte in einen anderen Berufssektor.240
Schaubild A10.4.1-1 stellt den Berufssektor der ersten Erwerbstätigkeit nach Studienabschluss dar, differenziert nach Berufssektor des Ausbildungsberufs. Bachelorabsolventinnen und -absolventen, die zuvor in einem personenbezogenen Dienstleistungsberuf (S2) ausgebildet wurden, wiesen die größte fachliche Nähe zwischen Erstausbildung und erster Erwerbstätigkeit auf; sie waren zu 79 % auch nach dem Studium im selben Berufssektor tätig. Personen mit einer Erstausbildung in Produktionsberufen (S1) oder im kaufmännischen Dienstleistungssektor (S3) blieben ebenfalls relativ häufig im selben Sektor (64 % bzw. 65 %). Ein Wechsel des Berufssektors lässt sich v. a. bei Personen mit Erstausbildungen in sonstigen wirtschaftlichen Dienstleistungen feststellen, die besonders häufig in kaufmännische Berufe (S3) wechselten (44 %). Personen, die eine Erstausbildung im IT- und naturwissenschaftlichen Dienstleistungssektor absolviert hatten (S4), fanden zu je einem Fünftel eine Erwerbstätigkeit in Produktionsberufen (S1) bzw. kaufmännischen Berufen (S3). Personen mit Erstausbildung in kaufmännischen Berufen (S3) wechselten zu 20 % in personenbezogene Dienstleistungsberufe (S2).
Ein wesentliches Maß bei der Betrachtung von Arbeitsmarktübergängen ist die Dauer bis zur Aufnahme der ersten Erwerbstätigkeit. Schaubild A10.4.1-2 zeigt, dass Bachelorabsolventinnen und -absolventen mit beruflicher Erstausbildung früher in eine Erwerbstätigkeit einmündeten als jene ohne Erstausbildung – unabhängig davon, ob sich noch ein Masterstudium anschloss. So gilt für Personen, die nach dem Bachelorabschluss direkt den Arbeitsmarkt anstrebten: Die Hälfte derjenigen mit beruflicher Erstausbildung fand nach spätestens fünf Monaten eine Erwerbstätigkeit, während dies bei jenen ohne Erstausbildung erst nach 16 Monaten der Fall war.241 Die kürzere Übergangsdauer könnte mit dem Bewerbungsverhalten beruflich Qualifizierter zusammenhängen: Personen mit Erstausbildung berichteten, für die Zeit nach dem Abschluss ihres Bachelorstudiums häufiger Bewerbungen verfasst zu haben als jene ohne Erstausbildung (durchschnittlich 17 vs. 11 Bewerbungen) – die Anzahl an Einladungen zu Vorstellungsgesprächen sowie Stellenzusagen unterschied sich zwischen den betrachteten Gruppen hingegen nicht (jeweils durchschnittlich 3).
Schaubild A10.4.1-1: Übereinstimmung zwischen Ausbildungsberuf und erster Erwerbstätigkeit nach dem Bachelorstudium (in %)
Schaubild A10.4.1-2: Übergänge in die erste Erwerbstätigkeit nach Studienabschluss, differenziert nach Studienund Berufsqualifikation (Personenanteile in %)
Bachelorabsolventinnen und -absolventen mit beruflicher Erstausbildung berichteten überdies grundsätzlich seltener von Problemen bei der Stellensuche, insofern sie vor allem hinsichtlich formaler Kriterien wie der nötigen Berufserfahrung oder des verlangten Studienabschlusses oder -schwerpunkts seltener auf Hürden stießen Schaubild A10.4.1-3. Andere abgefragte Problembereiche beziehen sich auf die Vorstellungen über die gewünschten Stellen. Im Falle von beruflich Qualifizierten entsprachen die Stellen häufiger den inhaltlichen Vorstellungen als bei Personen ohne berufliche Erstausbildung. Gleichzeitig hatten sie offenbar häufiger Gehaltsvorstellungen, die bei der Stellensuche nicht erfüllt wurden. Diese Ergebnisse deuten – wie auch die zuvor beschriebenen Unterschiede in der Bewerbungsaktivität – darauf hin, dass die vorhandene Berufserfahrung zu einem reibungsfreieren Arbeitsmarktübergang von beruflich qualifizierten Bachelorabsolventinnen und -absolventen beiträgt: Sie sind mit betrieblichen Rekrutierungsprozessen vertraut und haben konkretere Präferenzen hinsichtlich ihrer zukünftigen Erwerbstätigkeit, weshalb sie sich möglicherweise eher auf aus ihrer Sicht passende Stellen bewerben und ihre Interessen in Verhandlungen eher durchsetzen können als Personen ohne berufliche Erstausbildung.
Des Weiteren scheinen auch die jeweiligen Lebensphasen der Befragten für den Arbeitsmarktübergang relevant zu sein: Personen mit beruflicher Erstausbildung, die durchschnittlich älter sind und häufiger familiäre Verpflichtungen haben, nahmen die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie die Entfernung der angebotenen Stelle etwas häufiger als Problem wahr als Personen ohne Erstausbildung. Zwar waren diese Unterschiede zum dargestellten Zeitpunkt (Winter 2014/2015) kurz nach dem Bachelorabschluss noch nicht stark ausgeprägt, wurden in späteren Wellen jedoch umso deutlicher.
Für die Untersuchung des Arbeitsmarktübergangs ist auch die Frage relevant, auf welche Art und Weise die Befragten ihre erste Stelle nach Abschluss des Bachelorstudiums erhalten haben. In Schaubild A10.4.1-4 wird deutlich, dass die Kanäle, über die Personen mit und ohne Erstausbildung ihre erste Erwerbstätigkeit gefunden hatten, größtenteils dieselben waren. Auffällig ist jedoch, dass Personen mit Erstausbildung ihre erste Stelle mehr als doppelt so häufig über eine Erwerbstätigkeit vor dem Studium gefunden hatten als jene ohne Erstausbildung (12 % bzw. 5 %).
Schaubild A10.4.1-3: Probleme bei der Stellensuche (in %)
Schaubild A10.4.1-4: Kanäle, über die die erste Erwerbstätigkeit nach Studienabschluss gefunden wurde (in %)
Um nach dem Studium eine Arbeitsstelle zu finden, können Informationen sowie der persönliche Einsatz von Personen aus dem eigenen sozialen Netzwerk hilfreich sein. Die Unterstützungsnetzwerke der untersuchten Bachelorabsolventinnen und -absolventen unterschieden sich dabei je nachdem, ob eine berufliche Erstausbildung vorlag oder nicht – und zwar zunächst mit Blick auf die Netzwerkgröße und -zusammensetzung. So wurden beruflich Qualifizierte häufiger von drei oder mehr Personen über freie Stellen informiert als jene ohne berufliche Erstausbildung (68 % bzw. 60 %); in Bezug auf die Frage, ob sich jemand dafür eingesetzt hat, dass die befragte Person ihre (zum jeweiligen Befragungszeitpunkt) aktuelle Stelle erhalten hat, unterschieden sich die beiden Untersuchungsgruppen nicht wesentlich voneinander (25 % bzw. 23 %). Hinsichtlich des Bildungshintergrunds fällt auf, dass die Unterstützer/-innen von Personen mit Erstausbildung seltener studiert hatten als im Falle von Personen ohne Erstausbildung (Information: 59 % bzw. 75%; Einsatz: 65% bzw. 76 %).
Auch hinsichtlich der unterstützenden Personengruppen waren Unterschiede erkennbar, die den bisherigen Eindruck verstärken, dass für Personen mit Erstausbildung der frühere Kontakt zur Arbeitswelt sowie die konkreten Lebensumstände mit dem Arbeitsmarktübergang zusammenhängen. Wie Schaubild A10.4.1-5 zeigt, wurden Personen mit Erstausbildung – in Bezug auf die beiden untersuchten Dimensionen Informationen und Einsatz – häufiger von (ehemaligen) Arbeitskolleginnen und -kollegen unterstützt als jene ohne Erstausbildung. Überdies wurden beruflich Qualifizierte weniger von ihren Eltern unterstützt als Personen ohne Erstausbildung und dafür häufiger von ihren (Ehe-)Partnerinnen bzw. -partnern mit Stelleninformationen versorgt. Dies ist plausibel, da Personen aus dieser Gruppe i. d. R. älter sind und häufiger in einer festen Partnerschaft leben, wodurch der elterliche Einfluss zugunsten des Einflusses potenzieller (Ehe-)Partner/-innen sinkt.
Schaubild A10.4.1-5: Unterstützung bei der Stellensuche aus dem Umfeld: Genannte Personengruppen (in %)
Fazit
Die dargestellten Befunde aus dem NEPS zeigen, dass sich die Arbeitsmarktübergänge von Bachelorabsolventinnen und -absolventen unterscheiden – je nachdem, ob eine berufliche Erstausbildung vorliegt oder nicht. Personen mit Erstausbildung sind gegenüber jenen ohne Erstausbildung insofern im Vorteil, als sie nach ihrem Studienabschluss früher in eine Erwerbstätigkeit einmünden und bei der Stellensuche seltener auf Probleme stoßen. Dabei scheinen sie in mehrerlei Hinsicht von ihren beruflichen Vorerfahrungen zu profitieren: zum einen durch ihre Erfahrungen mit der Arbeitswelt und Bewerbungsprozessen im Allgemeinen, zum anderen durch die sozialen Ressourcen, die sie in ihren jeweiligen Betrieben gesammelt haben und auf die sie bei der Stellensuche zurückgreifen können. Nicht zuletzt steht das Übergangsgeschehen von Bachelorabsolventinnen und -absolventen auch in Zusammenhang mit konkreten persönlichen und familiären Umständen.
(Matthias Siembab)
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Für die Ermittlung der fachlichen Nähe wurden der Ausbildungsberuf und die erste Erwerbstätigkeit nach Studienabschluss anhand der KldB-2010 verglichen. Eine fachliche Nähe lag demnach vor, wenn beide Berufe mindestens demselben Berufssektor zuzuordnen waren.
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Wird noch ein Masterstudium angeschlossen, ist die Hälfte der Personen mit Erstausbildung nach spätestens 31 Monaten in Beschäftigung (ohne Erstausbildung: 37 Monate).