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Der folgende Abschnitt legt aktuelle Entwicklungen zur beruflichen Ausbildung von Jugendlichen mit Migrationshintergrund vor. Zuerst werden auf Grundlage der Berufsbildungsstatistik Ergebnisse zur Ausbildungsbeteiligung von Jugendlichen ausländischer Staatsangehörigkeit berichtet, in einem zweiten Schritt werden Untersuchungsergebnisse zur Teilhabe von Jugendlichen mit Migrationshintergrund an beruflicher Ausbildung betrachtet.

Die Ausbildungsbeteiligung der Wohnbevölkerung, die eine duale Berufsausbildung nach BBiG/HwO beginnt, d. h. die Ausbildungsanfängerquote, unterscheidet sich weiterhin deutlich nach der Staatsangehörigkeit und ist gegenüber dem Vorjahr gesunken (siehe Erläuterung in Kapitel A5.8). Die Ausbildungsanfängerquote ausländischer Jugendlicher liegt 2020 im Vergleich zum Vorjahr bei 35,4 % (2019: 38,4 %) und damit erneut deutlich niedriger als die der deutschen Jugendlichen mit 51,4 % (2019: 56,3 %) (Kapitel A5.8, Tabelle A5.8-4). Männliche Ausbildungsanfänger sind von dem Rückgang der Ausbildungsanfängerquote stärker betroffen, gerade diejenigen mit einem ausländischen Pass. Die Differenz zwischen männlichen Ausbildungsanfängern mit deutschem und ausländischem Pass ist weiterhin deutlich höher als diejenige zwischen den Ausbildungsanfängerinnen: So lag auch 2020 die Ausbildungsanfängerquote männlicher Jugendlicher mit deutschem Pass mit 64,1 % (2019: 69,3 %) um 25 Prozentpunkte höher als die männlicher Jugendlicher mit ausländischem Pass mit 39,1 % (2019: 45,1 %). Bei den Ausbildungsanfängerinnen fiel die Differenz mit rund 7 Prozentpunkten 2020 geringer aus, wobei die Anfängerquote von Ausbildungsanfängerinnen mit deutschem Pass im Vergleich zum Vorjahr gesunken ist (2020: 38,1 %; 2019: 42,7 %) und bei Ausbildungsanfängerinnen mit ausländischem Pass erneut leicht gestiegen ist (2020: 30,7 %; 2019: 29,4 %; 2018: 28,2 %) Tabelle A5.8-4.

Bei Berücksichtigung aller Bildungssektoren (Berufsausbildung, Erwerb der Hochschulreife [Sek II], Studium) sind nach der Integrierten Ausbildungsberichterstattung Bildungsanfänger/-innen ohne deutsche Staatsangehörigkeit unterproportional im Sektor „Berufsausbildung (14 %) sowie im Sektor „Erwerb der Hochschulreife“ (7,4 %) vertreten (Kapitel A4, Tabelle A4-2). Ein größerer Anteil von Anfängern/Anfängerinnen im (Aus-)Bildungsgeschehen ohne deutschen Pass befand sich auch 2021 im Übergangsbereich (29,8 %). Das war deutlich mehr als der Durchschnitt aller Ausbildungsanfänger/-innen ohne deutsche Staatsangehörigkeit (18 %) Tabelle A4-2. Die Analysen zu den neu abgeschlossenen Ausbildungsverträgen zum 31.12. zeigen, dass Ausbildungsanfänger/-innen mit ausländischem Pass vor Beginn ihrer Ausbildung häufiger als diejenigen mit deutschem Pass an einer Maßnahme im Übergangsbereich teilgenommen haben (2020: 10,7 % vs. 7,1 %) (Kapitel A5.5.2, Tabelle A5.5.2-5).

Migrationshintergrund

Berufsbildungsstatistik, Schulstatistik und integrierte Ausbildungsberichterstattung erfassen nicht den Migrationshintergrund, sondern die Staatsangehörigkeit. Auf dieser Datenbasis sind nur Aussagen zu Personen differenziert nach der Staatszugehörigkeit möglich.

Der Begriff „Migrationshintergrund“ ermöglicht eine Differenzierung von Personen nach dem Zuwanderungskontext. Die in empirischen Erhebungen jeweils verwendeten Konstrukte basieren i. d. R. auf mehreren Merkmalen und werden in Studien z. T. unterschiedlich operationalisiert. Die für die Definition jeweils verwendeten Kriterien bzw. die Begründung ihrer Auswahl sind offenzulegen (vgl. Settelmeyer/Erbe 2010). In den empirischen Untersuchungen des BIBB werden meist die aktuelle Staatsangehörigkeit und die Muttersprache (bzw. die als erste erlernte/-n Sprache/-n), teilweise auch das Geburtsland und in Deutschland verbrachte Zeiten, erhoben (vgl. Settelmeyer/Erbe 2010) sowie zum Teil auch der Fluchtmigrationshintergrund (Erläuterung im BIBB-Datenreport 2019, Kapitel A8.1.1).

Da amtliche Statistiken keine Antwort geben können auf Fragen zum Übergang junger Menschen mit Migrationshintergrund in berufliche Ausbildung, wird hierfür auf Stichprobenerhebungen zurückgegriffen.

Nach der BA/BIBB-Bewerberbefragung 2021 (Kapitel A8.1) befanden sich am Jahresende 2021 Bewerber/-innen mit Migrationshintergrund erheblich seltener in einer betrieblichen Ausbildung als Bewerber/-innen ohne Migrationshintergrund. Von den bei der BA registrierten Bewerbern/Bewerberinnen mit Migrationshintergrund waren rd. 29 % in einer betrieblichen Berufsausbildung nach BBiG/HwO, von den Bewerbern/Bewerberinnen mit Migrationshintergrund, aber ohne Fluchterfahrung 30 % und 26 % von denjenigen mit Fluchthintergrund – im Vergleich zu 43 % der Bewerber/-innen ohne Migrationshintergrund Schaubild A8.1.1-2. Auch im Jahr 2021 zeigten sich Folgen der Coronapandemie: So wird bei Bewerbern/Bewerberinnen mit Fluchthintergrund im zweiten Jahr ein Rückgang des Verbleibs in betrieblicher Ausbildung sichtbar (2021: 26 %; 2020: 32 %; 2018: 34 %). Dies gilt auch für Bewerber/-innen ohne Migrationshintergrund (2021: 43 %; 2020: 46 %; 2018: 48 %). Bei Bewerbern/Bewerberinnen mit Migrationshintergrund, aber ohne Fluchthintergrund zeigt sich eine diskontinuierliche, insgesamt ebenfalls sinkende Entwicklung (2021 30 %; 2020 28 %; 2018 32 %) Schaubild A8.1.1-2.

Eine außerbetriebliche Ausbildung trägt laut BA/BIBB-Bewerberbefragung 2021 bei migrantischen Bewerbern/Bewerberinnen – wie in den Jahren zuvor – nicht zu einer Kompensation ihrer geringeren Übergänge in eine betriebliche Ausbildung bei (Verbleib in einer außerbetrieblichen Ausbildung: ohne Migrationshintergrund 4 %, mit Fluchthintergrund 3 %, mit Migrationshintergrund, aber ohne Fluchthintergrund 3 % Tabelle A8.1.1-2). Migrantische Bewerber/-innen ohne Fluchthintergrund, aber auch mit Fluchthintergrund verblieben am Ende des Jahres daher deutlich häufiger außerhalb des Bildungssystems: Sie waren Ende 2021 deutlich häufiger als Bewerber/-innen ohne Migrationshintergrund (8 %) sozialversicherungspflichtig beschäftigt oder jobbten (mit Fluchthintergrund 13 %, mit Migrationshintergrund, aber ohne Fluchthintergrund 11 %) und etwas häufiger arbeitslos (ohne Migrationshintergrund 10 %, mit Fluchthintergrund 12 %, mit Migrationshintergrund, aber ohne Fluchthintergrund 13 % Tabelle A8.1.1-2).

Bewerber/-innen mit Migrationshintergrund waren nach der Ausbildungsmarktstatistik der BA auch 2021 mit 50 % unter den unbekannt Verbliebenen erheblich stärker vertreten als unter denjenigen mit bekanntem Verbleib (37 % Tabelle A8.1.2-2). Unbekannt verbliebene Bewerber/-innen befanden sich mit 8 % erheblich seltener als bekannt verbliebene Bewerber/-innen (44 %) in einer betrieblichen Ausbildung; sie waren hingegen erheblich häufiger arbeitslos (32 % vs. 7 % Tabelle A8.1.2-1). Die BA/BIBB-Bewerberbefragung 2018 zeigte darüber hinaus, dass insbesondere unbekannt verbliebene Bewerber/-innen mit Migrationshintergrund (mit und ohne Fluchterfahrung) nur halb so oft in eine betriebliche Ausbildung einmündeten wie unbekannt verbliebene Bewerber/-innen ohne Migrationshintergrund; sie befanden sich hingegen erheblich häufiger als die Vergleichsgruppe außerhalb einer vollqualifizierenden Ausbildung (BIBB-Datenreport 2019, Kapitel A8.1.1).

Unter Berücksichtigung wichtiger personeller, sozialer und institutioneller Einflussfaktoren wie z. B. der schulischen Voraussetzungen, des Bewerbungsverhaltens, des Übergangsprozesses oder des Ausbildungsmarktes, lässt sich auf Grundlage der BA/BIBB-Bewerberbefragungen (vgl. Eberhard/Schuß 2021), aber auch der NEPS-Daten belegen, dass Bewerber/-innen mit Migrationshintergrund (mit und ohne Fluchthintergrund) bzw. nicht studienberechtigte ausbildungsinteressierte Schulabgänger/-innen mit Migrationshintergrund eine signifikant geringere Einmündungswahrscheinlichkeit in eine betriebliche Berufsausbildung haben, meist auch noch 20 Monate nach Ende der allgemeinbildenden Schulzeit im Vergleich zu denjenigen ohne Migrationshintergrund (vgl. Beicht/Walden 2018). Dies trifft in besonderem Maße Jugendliche türkischer bzw. arabischer Herkunft (vgl. Beicht 2017). Trotz engagierter Suchaktivitäten und längerer Übergangsprozesse münden Jugendliche mit Migrationshintergrund seltener in eine betriebliche bzw. vollqualifizierende Ausbildung ein. Selbst mit den gleichen Schulabschlüssen, Schulnoten, Bildungs- bzw. Berufspräferenzen, Bewerbungsaktivitäten sowie ausbildungsmarktrelevanten Merkmalen und der gleichen sozialen Herkunft und sozialen Einbindung haben nicht studienberechtigte Schulabgänger/-innen mit Migrationshintergrund schlechtere Chancen, einen Ausbildungsplatz zu erhalten als Schulabgänger/-innen ohne Migrationshintergrund (vgl. Beicht/Walden 2018; Granato 2020). Über die berücksichtigten Faktoren hinaus sind weitere Einflussgrößen wirksam, die in Verbindung mit einem Migrationshintergrund auf eine strukturelle Ausgrenzung hinweisen. Erst bei (der kleinen Gruppe der) Schulabgänger/-innen der dritten Generation gleichen sich die Einmündungschancen an (vgl. Beicht/Walden 2018).

In der Coronapandemie zeigen sich im Übergangsprozess sowie beim Zugang zu einer beruflichen Ausbildung besondere Schwierigkeiten, gerade bei Bewerbern/Bewerberinnen mit Migrationshintergrund. Dies betrifft den Rückgang der Möglichkeit an (schulischen) Berufsorientierungsangeboten oder an Angeboten im Übergangsbereich teilnehmen zu können ebenso, wie Erfahrungen im Bewerbungsprozess. So haben Bewerber/-innen mit Migrationshintergrund 2020 im Vergleich zu 2018 seltener an einem Angebot der Berufsvorbereitung im Übergangsbereich teilgenommen, wohingegen die Beteiligung bei denjenigen ohne Migrationshintergrund in diesem Zeitraum sogar angestiegen ist (2018: 22 %; 2020: 25 %). Insbesondere bei Bewerbern/Bewerberinnen mit Fluchthintergrund ist die Teilnahme um 4 Prozentpunkte zurückgegangen (2018: 41 %; 2020: 37 %; vgl. Schuß u. a. 2021). Der Rückgang bei Befragten mit Migrationshintergrund, aber ohne Fluchthintergrund fiel mit 2 Prozentpunkten moderater aus (2018: 27 %; 2020: 25 %; vgl. Schuß u. a. 2021). Im Jahr 2020 schloss die große Mehrheit der Befragten (86 %) auch weiterhin das besuchte berufsvorbereitende Bildungsangebot erfolgreich ab. Allerdings stieg im Vergleich zu 2018 die Abbruchquote bei Bewerbern/Bewerberinnen ohne Migrationshintergrund um 3 Prozentpunkte (2020: 12 %). Bei denjenigen mit Migrationshintergrund, aber ohne Fluchthintergrund blieb sie unverändert bei 13 % und mit Fluchthintergrund stieg sie um 6 Prozentpunkte auf 13 % an (vgl. Schuß u. a. 2021).

Dies könnte auch damit in Zusammenhang stehen, dass gerade im ersten Pandemiejahr Angebote zeitweise digital durchgeführt wurden, wodurch sich gerade für Geflüchtete die Teilnahmemöglichkeiten erschwert haben (vgl. Fernández 2020).

Andere pandemiebedingte Schwierigkeiten in der Übergangsphase waren mit negativen Bewerbungserfahrungen verbunden. Bewerber/-innen mit Migrationshintergrund waren im Prozess des Bewerbungsverfahrens mit 39 % häufiger von einem Stellenrückzug seitens des Betriebs, d. h. von abgesagten Praktika bzw. Probearbeiten oder zurückgezogenen Stellenausschreibungen, betroffen als Bewerber/-innen ohne Migrationshintergrund (33 %) oder Fluchthintergrund (33 %; vgl. Eberhard u. a. 2021). Auch von Schwierigkeiten mit der Erreichbarkeit von Betrieben bzw. der Absage von Bewerbungsgesprächen seitens der Betriebe berichteten Bewerber/-innen mit Migrationshintergrund (38 %) häufiger als Bewerber/-innen ohne Migrationshintergrund (31 %) bzw. mit Fluchthintergrund (34 %; vgl. Eberhard u. a. 2021).

Gleichzeitig waren, so weitere Ergebnisse der BA/BIBB-Bewerberbefragung 2020, Bewerber/-innen mit Migrationshintergrund häufiger von Absagen einer Ausbildungsstellenzusage oder von einer Kündigung betroffen (11,3 %) als diejenigen ohne Migrationshintergrund (7,7 %). Dies galt für Bewerber/-innen mit Fluchthintergrund (11,3 %) genauso wie für jene mit Migrationshintergrund ohne Fluchthintergrund (11,3 %; vgl. Neuber-Pohl u. a. 2021a). Solche Erfahrungen finden ihren Niederschlag in Sorgen und Ängsten von Jugendlichen im Übergang Schule – Ausbildung. Wiederum betrafen sie Bewerber/-innen mit Migrationshintergrund häufiger. Rund zwei von drei Bewerber/-innen mit Migrationshintergrund hatten Sorge, keinen Ausbildungsplatz zu finden; deutlich häufiger als diejenigen ohne Migrationshintergrund (46,6 %). Der Anteil lag bei denjenigen mit Fluchthintergrund mit 69,4 % noch höher als bei denjenigen mit Migrationshintergrund, aber ohne Fluchthintergrund (65,2 %; vgl. Neuber-Pohl u. a. 2021a).

Schwierigkeiten im Übergangsprozess und bei der Einmündung in eine betriebliche Ausbildung wirken sich auch auf die Platzierung in der beruflichen Ausbildung aus. Jugendliche mit Migrationshintergrund münden bspw. erheblich seltener in ihren Wunschberuf ein. Zudem erweisen sich die Rahmenbedingungen ihrer betrieblichen Ausbildung oftmals als ungünstiger (BIBB-Datenreport 2016, Kapitel A4.9). Demgegenüber werden sie häufiger in Ausbildungsberufen mit einer höheren Vertragslösungsquote ausgebildet. Dies spiegelt sich auch in der Vertragslösungsquote von Auszubildenden mit ausländischem Pass wider. Diese lag 2020 nach der Probezeit bei 21,9 % und damit um rd. 6 Prozentpunkte über der Vertragslösungsquote Auszubildender mit deutschem Pass mit 15,8 %. In der Probezeit betrug die Vertragslösungsquote bei einer ausländischen Staatsangehörigkeit 11,3 %, bei einer deutschen Staatsangehörigkeit 8,2 % (Kapitel A5.6, Tabelle A5.6-3). Werden die ungünstigeren Schulabschlüsse von Auszubildenden ausländischer Nationalität, die Ausbildungsberufe sowie andere Merkmale berücksichtigt, so zeigen sich bei dualen Auszubildenden mit ausländischem Pass im Vergleich zu denjenigen mit deutschem Pass kaum mehr Unterschiede in der Höhe der Vertragslösungen (vgl. Rohrbach-Schmidt/Uhly 2015).

Pandemiebedingt treten im Ausbildungsprozess weitere Schwierigkeiten auf. Von Veränderungen in der Arbeitsweise während ihrer Ausbildung berichteten in der BA/BIBB-Bewerberbefragung 2020 insgesamt rd. 43 % der Auszubildenden; Auszubildende mit einem Fluchthintergrund etwas seltener (39,8 %). Rund 23 % der Befragten gaben an, dass ihre Ausbildungsqualität pandemiebedingt litt, ähnlich häufig traf dies auf Auszubildende mit und ohne Migrationshintergrund zu (ohne Migrationshintergrund 23,9 %; mit Migrationshintergrund, aber ohne Fluchthintergrund 20,8 %; mit Fluchthintergrund 22,4 %; vgl. Neuber-Pohl u. a. 2021b).

Gedanken und Sorgen um die berufliche Zukunft betreffen nicht nur die Übergangsphase Schule – Ausbildung und die Ausbildungszeit selbst, sondern auch die Zeit nach der beruflichen Ausbildung. In der Pandemie sind auch die Sorgen um die eigene berufliche Zukunft bei Auszubildenden mit Migrationshintergrund ausgeprägter als ohne. So gingen nach der BA/BIBB-Bewerberbefragung 2020 Auszubildende mit Migrationshintergrund wesentlich häufiger als Auszubildende ohne Migrationshintergrund aufgrund der Pandemie von ungünstigen Bedingungen aus, nach Abschluss ihrer Ausbildung vom Ausbildungsbetrieb übernommen zu werden bzw. nach Ausbildungsabschluss eine Arbeit zu finden. Dies galt insbesondere für Auszubildende mit Fluchthintergrund (Übernahmechancen verschlechtert: ohne Migrationshintergrund 24,6 %; mit Migrationshintergrund 37,9 %; mit Fluchthintergrund 43,6 %; Arbeit finden nach Ausbildungsabschluss schwieriger: ohne Migrationshintergrund 21,6 %; mit Migrationshintergrund 28,1 %; mit Fluchthintergrund 33,5 %; vgl. Neuber-Pohl u. a. 2021c).

Rund zwei von drei Auszubildenden vermuteten zwar, ihre bisherigen beruflichen Pläne nicht beibehalten zu können, bei einem Drittel war dies aber nicht der Fall. Auszubildende mit Migrations- und insbesondere Fluchthintergrund erwarteten bedingt durch die Coronakrise deutlich seltener als Auszubildende ohne Migrationshintergrund ihre beruflichen Zukunftspläne beibehalten zu können (ohne Migrationshintergrund 67,7 %; mit Migrationshintergrund 55,2 %; mit Fluchthintergrund 56 %). Zudem sorgten sich Auszubildende 2020 erheblich häufiger um die eigene berufliche Zukunft: Diese Sorgen waren bei denjenigen mit Migrations- oder Fluchthintergrund erheblich häufiger ausgeprägt (ohne Migrationshintergrund 24,8 %; mit Migrationshintergrund 37,2 %; mit Fluchthintergrund 40,7 %; vgl. Neuber-Pohl u. a. 2021c).

Ein Berufsabschluss hat gerade im Hinblick auf eine dauerhafte Integration in das Erwerbsleben eine herausragende Bedeutung (Kapitel A11.1 und A11.3). Junge Erwachsene mit Migrationshintergrund erlangen deutlich seltener einen Berufsabschluss. Der Anteil junger Erwachsener (20 bis 34 Jahre) mit Migrationshintergrund, der in Deutschland aufgewachsen ist und keinen Berufsabschluss hat, d. h. nicht formal qualifiziert ist (Erläuterung in Kapitel A11.1), lag 2020 mit 17,6 % doppelt so hoch wie bei der Vergleichsgruppe Deutscher ohne Migrationshintergrund (8,9 %) Tabelle A11.3-1. Bei jungen Erwachsenen ohne eigene Migrationserfahrung, deren Familien aus der Türkei stammen, lag die Quote der Personen ohne Berufsabschluss mit 23,9 % noch höher. Junge Frauen mit Migrationshintergrund, aber ohne eigene Migrationserfahrung blieben seltener als die männliche Vergleichsgruppe ohne formalen Berufsabschluss (weiblich 15,3 %, männlich 19,7 %). Dies traf auch auf die Gruppe junger Frauen türkischer Herkunft ohne eigene Migrationserfahrung zu (weiblich 20,6 %, männlich 27,3 %). Bei der Gruppe junger Erwachsener mit eigener Migrationserfahrung, d. h. derjenigen, die selbst nach Deutschland zugewandert sind, lag die Quote der formal Ungelernten mit 34,8 % noch höher. Besonders betroffen waren Personen mit Herkunft aus der Türkei (48,5 %): Von den jungen Frauen türkischer Herkunft mit eigener Migrationserfahrung hatte über die Hälfte (55,5 %) keinen Berufsabschluss, bei den jungen Männern türkischer Herkunft waren es 42,8 % Tabelle A11.3-1, was auf einen weiterhin großen Förderbedarf hinweist.

Der erreichte Stand der Integration im Bereich beruflicher Ausbildung konnte bei Jugendlichen mit Migrations- und Fluchthintergrund bereits vor der Pandemie als unbefriedigend angesehen werden, dasselbe gilt für Jugendliche mit Migrationshintergrund, die in Deutschland aufgewachsen sind (vgl. Beicht/Walden 2018). Bereits vor der Coronakrise erschwerte insbesondere die Benachteiligung beim Zugang zu einer beruflichen Erstausbildung die Teilhabe junger Menschen mit Migrationshintergrund und Fluchthintergrund an beruflicher Ausbildung.

Pandemiebedingt sind Auszubildende mit Migrationshintergrund und Fluchthintergrund in der Ausbildung selbst aber auch mit Blick auf ihre berufliche Zukunft bei der Mehrheit der untersuchten Punkte (noch) häufiger von Schwierigkeiten und Belastungen betroffen als Auszubildende ohne Migrationshintergrund. In der Berufsorientierung, im Übergang Schule – Ausbildung und gerade im Bewerbungsprozess zeigen sich in der Pandemie für Bewerber/-innen mit Migrationshintergrund und Fluchthintergrund häufiger zusätzliche Nachteile wie z. B. die Möglichkeit, seltener an Berufsorientierungsangeboten teilzunehmen oder häufigere Erfahrungen mit Absagen seitens von Betrieben, die den Übergang in eine berufliche Ausbildung erschweren. Vermutlich trägt dies gerade bei diesen beiden Gruppen dazu bei, dass die Phase der Ausbildungsplatzsuche in der Pandemie – häufiger als von Bewerbern und Bewerberinnen ohne Migrationshintergrund – als belastend wahrgenommen wird, was sich im zweiten Jahr der Pandemie 2021 erneut bestätigte: Bewerber/-innen mit Migrationshintergrund hatten, so die BA/BIBB-Bewerberbefragung 2021, häufiger Sorgen, keinen passenden Ausbildungsplatz zu finden oder wegen Corona die Ausbildung nicht zu schaffen. Bei Bewerbern/Bewerberinnen mit Fluchthintergrund waren derartige Sorgen noch ausgeprägter (Kapitel A8.1.4, Schaubild A8.1.4-1). Dies trägt dazu bei, „dass sie durch die Corona-Krise im Ausbildungssystem“ noch schlechtere Chancen für sich sahen als in der Zeit vor Ausbruch der Pandemie (vgl. Neuber-Pohl u. a. 2021c, S.11).

Diese Sorgen und Befürchtungen spiegeln die negativen Entwicklungen beim Zugang in eine betriebliche Ausbildung wider. Die vorliegenden Ergebnisse der BA/BIBB-Bewerberbefragungen 2020 und 2021 weisen darauf hin, dass es sich hierbei um durchaus berechtigte Sorgen von Jugendlichen mit Migrationshintergrund und mit Fluchthintergrund handelt. Denn im Vergleich zu 2018 ist 2020 und nochmals 2021 der Anteil der Bewerber/-innen mit Fluchthintergrund, der in eine betriebliche Ausbildung eingemündet ist, gesunken, was auf besondere pandemiebedingte Schwierigkeiten hinweisen könnte. „Ungleichheiten in den Zugangschancen könnten sich durch die Coronakrise demnach verstärkt haben“ (Neuber-Pohl u. a. 2021a, S. 7). Dies bestätigt sich auch aufseiten der Betriebe. So ist der Anteil der Betriebe, die Geflüchtete eingestellt haben, in der Pandemie zurückgegangen; der Anteil von Betrieben mit Auszubildenden mit Fluchthintergrund ist von 2019 auf 2020 um 3 Prozentpunkte von 13 % auf 10 % aller Auszubildenden gesunken (Kapitel C3.3, Schaubild C3.3-1). Handlungsbedarf besteht dadurch insgesamt und gerade für diese Zielgruppen, um die zusätzlichen in der Pandemie entstandenen Restriktionen, negativen Erfahrungen und Belastungen rasch abzubauen und zu überwinden und die Integration in berufliche Ausbildung im Hinblick auf den Ausbildungsprozess, den Übergang in eine ausbildungsadäquate Berufsarbeit und insbesondere bei dem Zugang in eine berufliche Ausbildung zu sichern. Angebote, die Jugendliche im Übergang kontinuierlich begleiten wie Mentoringprogramme, Patenschaften oder die Berufseinstiegsbegleitung sind ebenso wie vielfältige und frühzeitige Kontakte zu Betrieben (z. B. im Rahmen der Einstiegsqualifizierung, durch andere Praktika oder durch Probearbeiten) entscheidend für einen gelingenden Übergang von Jugendlichen mit Migrationshintergrund und Fluchthintergrund in eine betriebliche Ausbildung, wie zentrale Ergebnisse der BA/BIBB-Bewerberbefragung und der BA/BIBB-Fluchtmigrationsstudie 2018 zeigen (Eberhard/Schuß 2021).

Eine Unterstützung ist auch im Verlauf der beruflichen Ausbildung erforderlich, um diese – gerade angesichts der Erfahrung mit pandemiebedingten Schwierigkeiten während der Ausbildung – erfolgreich abschließen zu können. Kontinuierliche Begleitung und individuelle Betreuung sollten sich daher auf die Berufsvorbereitung, die Übergangsphase und den gesamten Ausbildungsverlauf erstrecken. Ein Wechsel von Angeboten und Personen birgt immer das Risiko von (vermeidbaren) Friktionen (vgl. Esser u. a. 2017). Programme, die Auszubildende beim Übergang in eine berufliche Ausbildung und im Verlauf der Ausbildung begleiten, erweisen sich ebenso als Erfolg versprechend wie Maßnahmen, die bei den Auszubildenden und beim Ausbildungsbetrieb ansetzen (z. B. Assistierte Ausbildung u. Ä.; vgl. Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration 2019). Die Umsetzung solcher berufsorientierenden, berufsvorbereitenden und ausbildungsbegleitenden Angebote haben sich durch die pandemiebedingten Restriktionen einerseits als schwieriger erwiesen (vgl. z. B. Fernández 2020) andererseits als umso notwendiger für den erfolgreichen Übergang und Abschluss einer beruflichen Erstausbildung von Jugendlichen. „So kann eine noch durchgängigere Beratung und Betreuung von Ausbildungsinteressierten bzw. eine strukturell sichergestellte ‚Ausbildungsvorbereitung aus einer Hand‘ eine große Stütze sein (..)“ gerade für neuzugewanderte junge Menschen, so eine Empfehlung des Sachverständigenrats deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR-Forschungsbereich 2020, S. 43). Hierfür sind eine kontinuierliche flächendeckende und zielgruppendifferenzierte Weiterführung und Weiterentwicklung berufsorientierender, berufsvorbereitender und ausbildungsbegleitender Angebote in Präsenz erforderlich, auf die gerade junge Menschen mit Migrationshintergrund bzw. Fluchtmigrationshintergrund besonders angewiesen sind.

(Mona Granato)