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Seit einiger Zeit gehen das Angebot an Ausbildungsplätzen sowie die Nachfrage nach einer dualen Berufsausbildung zurück. Im Jahr 2020 ist die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge erstmals seit 1992 unter 500.000 gefallen (BIBB-Datenreport 2021, Kapitel A1.2). Die Passungsprobleme am Arbeitsmarkt sind in den letzten Jahren weiter angewachsen und es kommt zu einem beruflichen sowie qualifikatorischen Mismatch – mit Stellenbesetzungsproblemen in bestimmten Berufen auf der einen sowie unversorgten Ausbildungsstellenbewerberinnen und -bewerbern (ggf. in anderen Berufen) auf der anderen Seite (BIBB-Datenreport 2021, Kapitel A1.1).

Eine Chance, ihren Fachkräftebedarf zu decken, kann für Betriebe die Ausbildung junger Geflüchteter darstellen. Vor allem in den Jahren 2015 und 2016 stieg die Anzahl geflüchteter Menschen in Deutschland stark an (vgl. Bundesamt für Migration und Flüchtlinge 2021). Unter den Geflüchteten waren auch viele junge Menschen ohne einen in Deutschland anerkennungsfähigen Berufsabschluss. Nachdem zunächst der unklare oder fehlende Rechtstatus sowie fehlende Deutschkenntnisse als Hinderungsgründe für die Ausbildung Geflüchteter genannt wurden (vgl. Gerhards 2018, 2019), ist die Anzahl der Unternehmen, die jugendliche Geflüchtete als Auszubildende beschäftigen, von 7,2 % im Jahr 2016 auf 10,1 % im Jahr 2019 deutlich angestiegen (vgl. Heuer/Pierenkemper 2020).

Dieser Beitrag widmet sich der Frage, welche Betriebe Geflüchtete ausbildeten, und nimmt zudem die Bewerbungen und Neueinstellungen von Geflüchteten in den Blick. Dazu werden Betriebsmerkmale wie die Betriebsgröße und die Branchenzugehörigkeit sowie die Region (Ost-/Westdeutschland) des Betriebs untersucht. Datengrundlage bildet das BIBB-Betriebspanel zu Qualifizierung und Kompetenzentwicklung der Wellen 2020 und 2021. Die Daten der Welle 2020 werden hinzugezogen, da mit ihnen neben den Beschäftigtenzahlen zusätzlich nachvollzogen werden kann, wie viele Geflüchtete unter den Ausbildungsstellenbewerberinnen und -bewerbern und den neu eingestellten Auszubildenden waren.

Betriebspanel zu Qualifizierung und Kompetenzentwicklung (BIBBQualifizierungspanel)

Das Betriebspanel zu Qualifizierung und Kompetenzentwicklung des BIBB ist eine repräsentative, seit 2011 jährlich durchgeführte Wiederholungsbefragung deutscher Betriebe. Zuletzt wurden rd. 4.000 Betriebe pro Jahr befragt. Im Mittelpunkt stehen Untersuchungen zu den Strukturen, Entwicklungen, Rahmenbedingungen und Zusammenhängen des betrieblichen Qualifizierungsgeschehens (vgl. auch  Erläuterung in Kapitel A7.3).

Für die aktuelle Erhebungswelle 2021 (Stichtag 31.12.2020) steht u. a. die Information zur Verfügung, welche Betriebe unter ihren Auszubildenden Geflüchtete beschäftigten. Gemeint sind damit laut Fragetext „Auszubildende, die als Geflüchtete anerkannt sind oder die den Status als Asylbewerber/-innen oder Geduldete haben“.

In der Erhebungswelle 2020 (Stichtag 31.12.2019) wurde darüber hinaus nach der Anzahl von Bewerbungen und Neueinstellungen von angehenden Auszubildenden insgesamt und solchen mit Fluchterfahrung gefragt.

Weiterführende Informationen unter www.bibb.de/qp.

Anteil der Betriebe mit Geflüchteten unter den Auszubildenden

Wie hoch war zum Stichtag 31.12.2020 der Anteil der Betriebe mit Geflüchteten unter den Auszubildenden? Und welche Merkmale wiesen diese Betriebe auf? Zunächst lässt sich erkennen, dass mit zunehmender Betriebsgröße die Wahrscheinlichkeit steigt, dass sich unter den Auszubildenden mindestens eine geflüchtete Person befand. Dieses Ergebnis ist jedoch auch darauf zurückzuführen, dass mit der Höhe der Beschäftigtenzahl auch die Wahrscheinlichkeit steigt, dass zumindest eine geflüchtete Person ausgebildet wurde Schaubild C3.3-1.

Nach Branchen differenziert ergeben sich mit Blick auf die Erhebungswelle 2021 deutliche Unterschiede. So lag der Anteil im Verarbeitenden Gewerbe und in der Bauwirtschaft mit 17 % deutlich über dem Durchschnitt (10 %). Hohe Anteile von Betrieben mit geflüchteten Auszubildenden ergaben sich ebenfalls im Bereich der sonstigen überwiegend persönlichen Dienstleistungen (12 %).

In Ostdeutschland war der Anteil von Betrieben mit Geflüchteten unter den Auszubildenden mit 5 % etwa halb so hoch wie in Westdeutschland (11 %). Unterschieden nach Kammerzugehörigkeit zeigt sich mit 15 % bei den Handwerksbetrieben in Deutschland insgesamt eine deutlich gesteigerte Wahrscheinlichkeit einen Geflüchteten auszubilden.

Im Vergleich zur Erhebungswelle 2020 zeigt die jüngste Entwicklung, dass der Anteil von Betrieben mit Geflüchteten unter den Auszubildenden von 13 % auf 10 % sank. Ein besonders deutlicher Rückgang (von 27 % auf 12 %) ist im Bereich der sonstigen überwiegend persönlichen Dienstleistungen festzustellen, worunter u. a. Berufe aus dem Bereich Beherbergung und Gastronomie sowie Informationsdienstleistungen oder auch Post-, Kurier- und Expressdienste fallen.375

Schaubild C3.3-1: Betriebe mit Geflüchteten unter den Auszubildenden an allen Ausbildungsbetrieben1 2020 und 2021 (in %)1

Bewerbungen von Geflüchteten um Ausbildungsstellen

Die Wahrscheinlichkeit Geflüchtete auszubilden, hängt maßgeblich von der Anzahl bzw. dem Anteil der Bewerbungen ab, die Betriebe von dieser Gruppe erhalten. Für das Ausbildungsjahr 2019/2020 stehen im BIBB-Qualifizierungspanel 2020 Zahlen zum Anteil der Bewerbungen von Geflüchteten an allen Bewerbungen pro Betrieb bereit.

Nach Betriebsgröße zeigt sich, dass der Anteil von Bewerbungen Geflüchteter besonders bei kleineren Betrieben (1 bis 19 Beschäftigte) und Betrieben mit bis zu 99 Beschäftigten mit jeweils fast 6 % vergleichsweise erhöht war Schaubild C3.3-2.

Nach Branchen ergeben sich besonders für Berufe im Bereich der unternehmensnahen Dienstleistungen (7 %) und den sonstigen überwiegend persönlichen Dienstleistungen (6 %) etwas erhöhte Anteile von geflüchteten Bewerberinnen und Bewerbern für Ausbildungsstellen.

Betriebe mit Kammerzugehörigkeit erhielten zu einem höheren Anteil Bewerbungen von Geflüchteten (5 % im IHK-Bereich und 6 % im Handwerk) als Betriebe ohne Kammerzugehörigkeit (3 %).

In Westdeutschland war mit 6 % der Anteil der Bewerbungen geflüchteter Personen an allen Bewerbungen für Ausbildungsstellen im Schnitt etwas höher als in Ostdeutschland (4 %).

Schaubild C3.3-2: Anteil der Bewerbungen von Geflüchteten an allen Bewerbungen für Ausbildungsstellen (Durchschnitt in % pro Betrieb)1

Einstellungschancen von Geflüchteten

Vergleicht man für das Ausbildungsjahr 2019/2020 den Anteil von Neueinstellungen an allen Bewerbungen pro Betrieb, zeigt sich, dass Geflüchtete eine deutlich geringere Chance hatten als Auszubildende neu eingestellt zu werden. Im Vergleich zu Nichtgeflüchteten mit einem Anteil von 24 % wurden von den Geflüchteten nur 11 % der Bewerberinnen und Bewerber als Auszubildende neu eingestellt. Dieser Chancenunterschied zieht sich durch fast alle betrachteten Betriebsmerkmale Schaubild C3.3-3.

Bei der Betrachtung nach Betriebsgröße fällt auf, dass die Einmündungschancen bei Nichtgeflüchteten nach Betriebsgrößenklassen deutlich weniger schwankten (18 % bis 26 %) als bei geflüchteten Bewerberinnen und Bewerbern (6 % bis 20 %). Diesbezüglich hatten Geflüchtete in Kleinbetrieben mit bis zu 19 Beschäftigten nur sehr geringe Chancen auf eine Neueinstellung (6 %) und auch in Großbetrieben waren die Chancen mit 8 % eher gering. In mittelgroßen Betrieben mit 20 bis 99 Beschäftigten hatten Geflüchtete mit einem Anteil von 20 % Neueinstellungen gemessen an der Bewerberzahl dagegen vergleichsweise gute Chancen auf eine Neueinstellung.

Nach Branchen differenziert hatten Geflüchtete besonders gute Einmündungschancen in den Bereichen der sonstigen überwiegend persönlichen Dienstleistungen (32 %), in der Bauwirtschaft (24 %), im verarbeitenden Gewerbe (11 %) und im Öffentlichen Dienst (11 %). Der Anteil an Neueinstellungen geflüchteter Bewerberinnen und Bewerber überstieg bei den überwiegend persönlichen Dienstleistungen sogar den Anteil von den Nichtgeflüchteten (32 % gegenüber 23 %).

Im Bereich der Handwerkskammern hatten Geflüchtete etwas bessere Chancen auf eine Ausbildung (21 %) als im IHK-Bereich (10 %).

Im Vergleich von Ost- und Westdeutschland zeigten sich nur geringe Unterschiede bzgl. des durchschnittlichen Anteils der Neueinstellungen an den Bewerbungen Geflüchteter.

Schaubild C3.3-3: Anteile der Neueinstellungen an Bewerbungen Nichtgeflüchteter und Geflüchteter (Durchschnitt in % pro Betrieb)1

Fazit

Die Ergebnisse des BIBB-Betriebspanels zu Qualifizierung und Kompetenzentwicklung 2021 zeigen zunächst, dass der Anteil der Betriebe mit Geflüchteten unter den Auszubildenden im Vergleich zum Vorjahr rückläufig war. Zudem werden mit Blick auf die aktuellen Zahlen von 2021 branchenspezifische sowie innerdeutsche Unterschiede deutlich. Der Anteil der Betriebe mit mindestens einem/einer geflüchteten Auszubildenden war bspw. in Westdeutschland doppelt so hoch wie in Ostdeutschland. Geflüchtete bewarben sich – gemessen an allen Ausbildungsstellen – überdurchschnittlich oft bei kleineren Betrieben sowie im Bereich der unternehmensnahen Dienstleistungen. Letztlich waren allerdings – unabhängig von Branche und Betriebsgröße – die Chancen auf eine Neueinstellung für Geflüchtete deutlich geringer als bei Nichtgeflüchteten. Führte bei allen Bewerberinnen und Bewerbern fast jede vierte Bewerbung zu einer Neueinstellung, waren es im Vergleich bei jenen von Geflüchteten lediglich 11 % der Bewerbungen.

Die Ergebnisse dieser Untersuchung verdeutlichen, dass u. a. für viele Betriebe die Ausbildung Geflüchteter ein Potenzial darstellt, ihren Fachkräftebedarf zu decken. Im Vergleich zum Jahr 2017, in dem lediglich in fast 3 % der Betriebe mindestens eine geflüchtete Person als Auszubildende/-r beschäftigt war (vgl. Gerhards 2018), hat sich 2021 dieser Anteil – trotz eines Rückgangs im Vergleich zum letzten Jahr – mehr als verdreifacht (auf 10 % im Ausbildungsjahr 2020/2021). Entsprechend liegt auf der Hand, dass die Rolle der Geflüchteten auf dem Ausbildungsmarkt in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen hat.

Bei den Ergebnissen gilt es zu berücksichtigen, dass viele Betriebe bei der Integration Geflüchteter auf Hilfsangebote und außerbetriebliche Unterstützungsleistungen angewiesen sind. Die zuletzt rückläufigen Ausbildungszahlen auch bei Geflüchteten können u. a. auf den pandemiebedingten Ausfall außerbetrieblicher Maßnahmen und Hilfsangebote sowie fehlende Möglichkeiten für Praktika zurückgeführt werden (vgl. Gerhards/Weis 2022).

(Christian Gerhards, Till Hoffmann)

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    Inwiefern diese Entwicklung mit der Coronapandemie und der zu ihrer Eindämmung durchgeführten Maßnahmen zusammenhängen könnte, kann anhand der vorliegenden Daten nicht geklärt werden.