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Im reglementierten Bereich wie bspw. in den Heilberufen ist in Deutschland die volle Gleichwertigkeit der ausländischen Qualifikation mit dem deutschen Referenzberuf Voraussetzung für die Berufsausübung. Wenn wesentliche Unterschiede zwischen den Ausbildungen vorliegen, müssen diese durch Ausgleichsmaßnahmen (Kenntnis- bzw. Eignungsprüfung oder Anpassungslehrgang) ausgeglichen werden. In nicht reglementierten Berufen sind die Anpassungsqualifizierungen für die Berufsausübung nicht zwingend erforderlich, sie ebnen aber den Weg zur vollen Gleichwertigkeit und erhöhen damit die Arbeitsmarktchancen (Kapitel C3.4.2). Für Drittstaatsangehörige kann die Teilnahme aufenthaltsrechtlich erforderlich sein.

Die Heilberufe Arzt/Ärztin sowie Gesundheits- und Krankenpfleger/-in verzeichnen die meisten Anträge auf Anerkennung (Kapitel C3.4.3). Aufgrund wesentlicher Unterschiede wurden 2020 in diesen beiden Berufen rd. 10.600 Bescheide mit der „Auflage“ einer Ausgleichsmaßnahme erteilt393 (dies betraf rd. 53 % der beschiedenen Verfahren zu Drittstaatsabschlüssen).394 Im nicht reglementierten Bereich wurden rd. 3.200 Verfahren (47 % der beschiedenen Verfahren in diesem Bereich) mit teilweiser Gleichwertigkeit beschieden. Aus den anhaltenden Trends zu mehr Anträgen zu Drittstaatsabschlüssen sowie den neuen Entwicklungen durch das FEG lässt sich für die Zukunft ein weiterhin wachsender Qualifizierungsbedarf ableiten.

Eine aktuelle Studie des BIBB-Anerkennungsmonitorings (vgl. Atanassov u. a. 2022) zeigt mit Blick auf die Kenntnisprüfung, dass sich in allen Bundesländern zur Organisation der Prüfungen in der Humanmedizin und Pflege jeweils ein System etabliert hat, das aber – besonders in der Pflege – Unterschiede aufweist. In den meisten Bundesländern gibt es zur Vorbereitung einen oder mehrere Kurse. Diese werden regelmäßig angeboten und es bestehen weitreichende Finanzierungsmöglichkeiten durch die Regelförderung (z. B. nach SGB III, SGB II), das Förderprogramm Integration durch Qualifizierung (IQ) oder in Zusammenarbeit mit den Arbeitgebern.

Im nicht reglementierten Bereich werden Anpassungsqualifizierungen individuell organisiert, da in den Verfahren sehr heterogene Defizite festgestellt werden. Hier spielt die Beratung eine wichtige Rolle, um zu prüfen, inwieweit die Strukturen der Berufsbildung vor Ort genutzt oder betriebliche Qualifizierungen organisiert werden können. Dies wird durch etablierte Kooperationen von IQ-Projekten, Industrie- und Handelskammern (IHKs) und Handwerkskammern (HWKs), qualifizierenden Betrieben und Projekten wie „Unternehmen Berufsanerkennung“ unterstützt. Das Angebot an Qualifizierungen unterscheidet sich jedoch stark je nach Region und Beruf.

Herausforderungen bestehen bei der Finanzierung, vor allem in Fällen, in denen keine Regelförderung oder Kostenübernahme durch Arbeitgeber vorliegt395 sowie in Bezug auf die erforderliche Zertifizierung nach der Akkreditierungs- und Zulassungsverordnung Arbeitsförderung (AZAV)396 für die Anbieter. Zum Teil sind lange Anfahrtswege und die Freistellung für die Kursteilnahme herausfordernd. Zudem bestehen besondere Herausforderungen in Bezug auf die Finanzierung und die Organisation für Fachkräfte, die sich noch im Ausland befinden. Sowohl in der Humanmedizin als auch in der Pflege kann es zu längeren Wartezeiten auf einen Prüfungstermin kommen. Für manche Personen kann die Teilnahme an Vorbereitungskursen erschwert sein, z. B., wenn sie bereits erwerbstätig sind und von den Arbeitgebern nicht freigestellt werden. In den nicht reglementierten Berufen stellen der hohe Aufwand für die individuelle Organisation, die fehlende verlässliche Finanzierung und die geringe Planbarkeit für die Anbieter die größten Herausforderungen dar.

Zur Steigerung der Qualifizierungsteilnahmen könnten die Finanzierungsmöglichkeiten verbessert werden – durch die Unterstützung der erforderlichen Zertifizierung, weitere Bekanntmachung der Fördermöglichkeiten und spezielle Lösungen für Personen oder Maßnahmen, die nicht von der Regelförderung profitieren können. In der Humanmedizin und Pflege gilt es, ausreichend Prüfungstermine anzubieten bzw. den Zugang zu diesen zu erleichtern. In den nicht reglementierten Berufen sollte das Angebot an individueller Beratung und Unterstützung aufrechterhalten bzw. ausgeweitet werden, um dieses nachhaltig und flächendeckend zur Verfügung zu stellen. Weitere Sensibilisierung und Unterstützung von Unternehmen sowie die Förderung von überbetrieblichen Bildungsstätten könnten die Teilnahme erleichtern. Zudem können die Auffindbarkeit und Vergleichbarkeit der Angebote verbessert werden und die Vereinbarkeit mit Beruf und Familie – etwa durch modularisierte Angebote und Absprachen mit Bildungsanbietern und Arbeitgebern.

(Rebecca Atanassov, Vira Bushanska)

  • 393

    Zum 31.12.2020 noch nicht absolviert

  • 394

    Abschlüsse aus der EU werden in den meisten Fällen automatisch anerkannt (vgl. EU-Berufsanerkennungsrichtlinie (2005/36/EG).

  • 395

    Aktuell spielt hier die IQ-Förderung eine große Rolle, wobei die Frage der Finanzierung mit Blick auf den Ablauf der aktuellen IQ-Förderperiode Ende 2022 zusätzlich an Relevanz gewinnt.

  • 396

    Eine Zertifizierung nach der AZAV ist für Träger notwendig, die Maßnahmen der Arbeitsförderung durchführen und eine Förderung durch die Agentur für Arbeit oder das Jobcenter in Anspruch nehmen möchten. Zudem müssen auch einzelne Maßnahmen zugelassen sein, wenn sie mit einem Bildungsgutschein in Anspruch genommen werden sollen; vgl. www.arbeitsagentur.de/bildungstraeger/akkreditierung-zulassung (Stand: 01.07.2021).