Im Anerkennungsverfahren stellt die zuständige Stelle im Rahmen einer Dokumentenprüfung fest, ob die Gleichwertigkeit eines ausländischen mit einem aktuellen deutschen Berufsabschluss (sog. Referenzberuf) gegeben ist. Antragsvoraussetzung ist der Nachweis über einen ausländischen Abschluss sowie Informationen zu den Inhalten und der Dauer der Ausbildung. Es kommt jedoch vor, dass Antragstellende den zuständigen Stellen nicht ausreichende oder gar keine Dokumente vorlegen können. Grund dafür ist bspw., dass Zeugnisse verlorengegangen sind oder Krieg bzw. Unruhen in den Herkunftsländern, die eine Beschaffung der Dokumente unmöglich machen. Für die nicht reglementierten sowie die Handwerksmeisterberufe sieht das BQFG in solchen Fällen „sonstige geeignete Verfahren“ (vgl. § 14 BQFG und § 50c HwO) vor.
Da der Gesetzestext Raum dafür lässt, wie ein „sonstiges geeignetes Verfahren“ konkret gestaltet werden kann, gibt es seit 2012 Projekte mit zuständigen Stellen im IHK- und HWK-Bereich, die die Qualifikationsanalyse (QA) mit Standards für die Durchführung des Verfahrens zur Feststellung der beruflichen Handlungskompetenzen ausgearbeitet haben. Die QA wird individuell entlang der Kompetenzen der Antragstellenden und entlang der erforderlichen Qualifikationen des deutschen Referenzberufs durchgeführt. Hierzu wurden im Projekt Prototyping (2012-2014) Verfahrensanleitungen entwickelt. Diese werden aktuell im Projekt NetQA (2019 bis 2022) weiter ausgebaut und etabliert. NetQA regt den Ausbau eines Netzwerks der zuständigen Stellen untereinander durch verschiedene Formate an. Das Ziel dabei ist, sowohl Wissenstransfer zur Umsetzung einer QA flächendeckend zu etablieren als auch die Zahl der durchgeführten QAs zu stabilisieren.397
Instrumente der Qualifikationsanalyse (QA)
Bei einer QA können u. a. Fachgespräche, Arbeitsproben, Rollenspiele oder Probearbeiten in einem Betrieb als Instrumente herangezogen werden. Die Instrumente werden idealerweise miteinander kombiniert. Die Auswahl des eingesetzten Instruments orientiert sich daran, welche Handlungskompetenzen in der Hauptsache nachgewiesen werden sollen.
Laut amtlicher Statistik nach § 17 BQFG (Bund) führten die Kammern von 2012 bis 2020 insgesamt fast 1.300 Qualifikationsanalysen durch; 95 % davon allein die Handwerkskammern Schaubild C3.4.5-1. Dass die allermeisten Verfahren im Bereich des Handwerks stattfanden, mag daran liegen, dass sich Kompetenzen für praktische, handwerkliche Berufe besonders gut in Form von Arbeitsproben o. Ä. nachweisen lassen und damit besonders geeignet für eine QA sind. Der Rückgang der Zahlen im Jahr 2020 dürfte eine Folge der Kontaktbeschränkungen während der Coronapandemie sein, denn Qualifikationsanalysen werden – in der Regel – in Präsenz durchgeführt. Die mit Abstand meisten QAs bezogen sich in den Jahren 2012 bis 2020 auf die beiden Berufe Elektroniker/-in und Kraftfahrzeugmechatroniker/-in Tabelle C3.4.5-1.
Schaubild C3.4.5-1: Gesamtverteilung nach Zuständigkeitsbereich sowie Entwicklung durchgeführter Qualifikationsanalysen bei bundesrechtlich geregelten Berufen, 2012 bis 2020 (absolut und in %)
Tabelle C3.4.5-1: Durchgeführte Qualifikationsanalysen – die häufigsten bundesrechtlich geregelten Referenzberufe, 2012 bis 2020 (absolut) Deutscher Referenzberuf Anzahl
Betrachtet man die Verfahrensausgänge nach durchgeführter QA Schaubild C3.4.5-2 (exemplarisch für die letzten drei Jahre), so zeigt sich eine ähnliche Verteilung wie im Gesamtgeschehen (Kapitel D4). Daraus lässt sich schließen, dass Anerkennungsverfahren mit QA durchaus zu validen Ergebnissen analog der üblichen Dokumentenprüfung führen.
Die QA wird im Vergleich zur Dokumentenprüfung aufgrund ihrer seltenen Anwendung und höheren Komplexität gerne als Sonderweg bezeichnet. 2018 und 2019 lag der Anteil durchgeführter QAs an allen nach dem BQFG beschiedenen Verfahren398 bei rd. 4 %. Sie schließt damit eine Lücke, die z. B. im Bereich der Heilberufe über Kenntnisprüfungen gefüllt wird und ermöglicht die Gleichbehandlung der Anerkennungssuchenden mit ihren unterschiedlichen Biografien. Die QA erleichtert den weiterhin ausbaufähigen Weg der Anerkennung im Rahmen der „sonstigen geeigneten Verfahren“ für die zuständigen Stellen – auch für z. B. die „grünen Berufe“ wie Gärtner/-in, Landwirt/-in oder Pflanzentechnologe/Pflanzentechnologin.
(Daniela Wiemers)
Schaubild C3.4.5-2: Ausgang der auf Grundlage einer Qualifikationsanalyse beschiedenen Verfahren zu bundesrechtlich geregelten Berufen, 2018 bis 2020 (in %)
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Vgl. Entwicklungsprojekt des BIBB NetQA – NetzwerkQualifikationsanalyse unter https://www.bibb.de/de/94045.php
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Das heißt, aller Verfahren, für die gesetzliche Regelung in § 14 BQFG bei Bedarf ein „sonstiges geeignetes Verfahren“, also eine Qualifikationsanalyse, vorsieht.