In diesem Kapitel wird kontinuierlich über die Jugendarbeitslosigkeit in Europa berichtet. Spätestens seit 2013 erlangten die Daten besondere Aufmerksamkeit, da im Zusammenhang mit der Wirtschafts- und Finanzkrise in vielen Ländern Südeuropas ein extremer Anstieg der Arbeitslosigkeit Jugendlicher zu verzeichnen war, der auch auf europäischer Ebene eine Reihe politischer Aktivitäten hervorgerufen hat. Bei der Verwendung und Interpretation der Daten ist zu beachten, dass verschiedene Messkonzepte zur Arbeitslosigkeit Jugendlicher genutzt werden, deren Wert in der Regel unterhalb des gängigsten Indikators der Jugendarbeitslosenquote liegen.
Messung von Jugendarbeitslosigkeit im internationalen Vergleich – Ansätze und empirische Konzepte
Anteil der erwerbslosen Jugendlichen an den gleichaltrigen Erwerbspersonen (Jugendarbeitslosenquote nach dem ILO-Konzept)
Dieser Indikator gibt Aufschluss über den Anteil der erwerbslosen Jugendlichen am gesamten gleichaltrigen Arbeitskräftepotenzial und wird als Quotient aus der Zahl der Arbeitslosen und der Erwerbspersonen (Erwerbstätige plus Erwerbslose) gebildet (vgl. Eurostat Metadata 2020a; Kapitel A10.1.3).420
Anteil der erwerbslosen Jugendlichen an der gleichaltrigen Bevölkerung (Erwerbspersonen und Nichterwerbspersonen)
Eine andere Kennzahl zur Arbeitslosigkeit von Jugendlichen setzt die Anzahl der arbeitslosen Jugendlichen in ein Verhältnis mit allen Personen (Erwerbs- und Nichterwerbspersonen) in derselben Altersgruppe. Sie gibt damit den Anteil der Arbeitslosen an der Altersgruppe an. Aufgrund des größeren Nenners ist die Zahl geringer als die der Jugendarbeitslosenquote.
Relative Jugendarbeitslosigkeit
Um z. B. konjunkturelle Effekte zu kontrollieren, kann die Jugendarbeitslosigkeit des jeweiligen Landes in Relation zur Gesamtarbeitslosigkeit (nach ILO-Definition) gesetzt werden. Hierzu sind in Tabelle D1.3-1 die Arbeitslosenquoten der unter 25-Jährigen den Arbeitslosenquoten der 25- bis 74-Jährigen gegenübergestellt. Der daraus resultierende Quotient (relative Jugendarbeitslosigkeit) zeigt, inwieweit Jugendliche unter den Arbeitslosen in besonders hohem Maße von Arbeitslosigkeit betroffen sind.
NEET-Quote – Not in Education, Employment and Training: Nicht erwerbstätige Jugendliche, die weder an Bildung noch an Weiterbildung teilnehmen
Der Indikator bezieht sich auf den relativen/prozentualen Anteil der Jugendlichen (einer gegebenen Altersgruppe und des jeweiligen Geschlechts) an der gleichaltrigen Gesamtbevölkerung, die sich weder in einem Beschäftigungsverhältnis/Arbeitsverhältnis befinden noch weiterführende Bildungskurse besuchen oder einer Ausbildung nachgehen (vgl. Eurostat Metadata 2020b). Im Zähler müssen zwei Bedingungen für die Befragten erfüllt sein: (a) Sie sind nicht berufstätig (d. h. sie sind arbeitslos oder fallen unter die Nichterwerbspersonen nach ILO-Definition) und (b) sie befinden sich in den vier Wochen vor der Befragung nicht in Bildung oder Ausbildung (weder formal noch nicht formal). Der Nenner bezieht sich auf die Gesamtbevölkerung der gleichen Altersgruppe sowie des jeweiligen Geschlechts, abgesehen von den Befragten, die nicht auf die Frage „Partizipation in regulärer (formaler) Bildung und Ausbildung“ geantwortet haben.
Ergänzend zu den Quoten zur Jugendarbeitslosigkeit nach dem ILO-Konzept (vgl. Eurostat 2022a, 2022b), der relativen Jugendarbeitslosigkeit und dem Anteil der erwerbslosen Jugendlichen an der gleichaltrigen Bevölkerung (vgl. Eurostat 2022c, 2022d) werden nachfolgend sog. NEET-Quoten (vgl. Eurostat 2022e) berichtet. Die NEET-Quoten umfassen alle nicht erwerbstätigen Jugendlichen, die zum Zeitpunkt der Messung weder an Bildung noch an Weiterbildung teilnahmen. Aufgrund der verschiedenen Definitionen und empirischen Konzeptionen zeigen sich deutliche Unterschiede in den Daten. Im Folgenden werden die Daten für das Jahr 2020 aktualisiert. Die jährlichen Angaben sind gegenüber saisonalen Schwankungen bereinigt und liefern damit insgesamt zuverlässigere Ergebnisse. Aus Gründen der Aktualität wurden zusätzlich auch die Angaben der vierteljährlichen Quoten für das dritte Quartal 2021 ergänzt.421
Jugendarbeitslosigkeit nach dem ILO-Konzept
Auch im Jahr 2020 fiel die Arbeitslosigkeit unter den Jugendlichen (15 bis 24 Jahre) im Gegensatz zu der Altersgruppe der 25- bis 74-Jährigen in allen betrachteten Ländern insgesamt deutlich höher aus Tabelle D1.3-1. Gegenüber dem Jahr 2019 lag diese im EU-Durchschnitt zudem auf einem höheren Niveau (2019 [EU-28]: 14,4 % vs. 2020 [EU-27]: 16,8 %). Hinsichtlich der stark von Jugendarbeitslosigkeit betroffenen Länder zeigen sich für das Jahr 2020 gegensätzliche Entwicklungen. Während in Griechenland (2019: 35,2 % vs. 2020: 35,0 %) und Italien (2019: 29,2 % vs. 2020: 29,4 %) kaum Veränderungen zu beobachten sind, zeichnete sich in Spanien (2019: 32,5 % vs. 2020: 38,3 %) und Portugal (2019: 18,3 % vs. 2020: 22,6 %) ein Anstieg der Jugendarbeitslosigkeit ab. Deutschland hatte 2020 trotz ansteigender Jugendarbeitslosigkeit (2019: 5,8 % vs. 2020: 7,0 %) weiterhin die niedrigste Quote im Vergleich der betrachteten Länder. Der rückläufige Trend der letzten Jahre setzte sich insbesondere auch aufgrund der Folgen der Coronakrise jedoch nicht fort. In diesem Zusammenhang ist, abgesehen von Griechenland, auch für alle weiteren betrachteten Länder ein Anstieg der Jugendarbeitslosigkeit im Jahr 2020 zu beobachten. Im dritten Quartal 2021 lagen die Jugendarbeitslosigkeitsquoten teilweise wieder auf einem niedrigeren Niveau. Dies war insbesondere in Spanien (2020: 38,3 % vs. 2021/Q3: 31,1 %), Italien (2020: 29,4 % vs. 2021/Q3: 26,9 %), Luxemburg (2020: 23,2 % vs. 2021/Q3: 18,0 %) und Schweden (2020: 23,9 % vs. 2021/Q3: 20,8 %) der Fall.
Tabelle D1.3-1: Arbeitslosigkeit, Jugendarbeitslosigkeit, relative Jugendarbeitslosigkeit und NEET-Quoten im europäischen Vergleich (Teil 1)
Tabelle D1.3-1: Arbeitslosigkeit, Jugendarbeitslosigkeit, relative Jugendarbeitslosigkeit und NEET-Quoten im europäischen Vergleich (Teil 2)
Relative Jugendarbeitslosigkeit
Mit Blick auf die relative Jugendarbeitslosigkeit im Jahr 2020 lässt sich weiterhin feststellen, dass sich der steigende Trend der Betroffenheit der jungen Erwerbsbevölkerung im Vergleich zu den Älteren im EU-Durchschnitt seit 2015 weiter fortsetzte (2019 [EU-28]: 2,62 vs. 2020 [EU-27]: 2,71). Für die stark von Jugendarbeitslosigkeit betroffenen Länder wie z. B. Griechenland (2019: 2,15 vs. 2020: 2,27) und Portugal (2019: 3,27 vs. 2020: 3,90) zeichnete sich 2020 ein Anstieg der relativen Jugendarbeitslosigkeit ab. Auch in Italien (2019: 3,32 vs. 2020: 3,68) und Spanien (2019: 2,54 vs. 2020: 2,74) war dies zu beobachten. Auffallend ist die zunehmende relative Jugendarbeitslosigkeit in Luxemburg (2019: 3,70 vs. 2020: 4,22). Dieser Trend ging dabei auch mit einer steigenden Jugendarbeitslosigkeitsquote einher (2019: 17,0 % vs. 2020: 23,2 %). Anders zeigt es sich in Schweden: Trotz steigender Jugendarbeitslosigkeitsquoten (2019: 20,1 % vs. 2020: 23,9 %) sank die relative Jugendarbeitslosigkeit im Jahr 2020 (3,73) gegenüber 2019 (3,94). Deutschland wies in Bezug auf die relative Jugendarbeitslosigkeit im Gegensatz zum Vorjahr im Ländervergleich nicht mehr den niedrigsten Wert auf (2019 und 2020 jeweils 2,00). Die Quote für das dritte Quartal 2021 deutet zudem auf einen Anstieg der relativen Jugendarbeitslosigkeit hin (2021/Q3: 2,54). Lettland weist trotz steigender Jugendarbeitslosigkeit (2019: 12,4 % vs. 2020: 14,9 %) eine sinkende relative Jugendarbeitslosigkeit auf und hatte im Vergleich der betrachteten Länder im Jahr 2020 damit den niedrigsten Wert (2019: 2,10 vs. 2020: 1,94). Im dritten Quartal 2021 wiesen Österreich sowie Lettland die niedrigsten Werte auf (Österreich 2021/Q3: 2,22 vs. Lettland 2021/Q3: 2,22).
Anteil der erwerbslosen Jugendlichen an der gleichaltrigen Bevölkerung und NEET-Quoten
Der Anteil der erwerbslosen Jugendlichen an der gleichaltrigen Bevölkerung stieg europaweit leicht an (2019 [EU-28]: 6,0 % vs. 2020 [EU-27]: 6,3 %), wobei Griechenland, Frankreich, Spanien, Luxemburg und Schweden die meisten Arbeitslosen bei den 15- bis 24-Jährigen im Jahr 2020 verzeichneten. In Luxemburg stieg der Anteil der erwerbslosen Jugendlichen an (2019: 5,9 % vs. 2020: 7,5 %); in Griechenland hingegen nahm ihr Anteil leicht ab (2019: 7,9 % vs. 2020: 7,4 %).
Die NEET-Quoten zeigen zudem, dass steigende Jugendarbeitslosigkeitsquoten europaweit und in den meisten betrachteten Ländern auch mit zunehmenden prozentualen Anteilen von nicht erwerbstätigen Jugendlichen zusammenhängen, die 2020 weder an Bildung noch an Weiterbildung teilnahmen. So stieg die durchschnittliche NEET-Quote in der EU von 10,1 % (2019, EU-28) auf 11,1 % (2020, EU-27).
(Viktor Ulbrich, Philipp Grollmann)
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Für Deutschland wird die Arbeitskräftestrichprobenerhebung dabei als Teil der jährlichen Mikro-Volkszählung durchgeführt. Es liegen Unterschiede zwischen den Zahlen zu Deutschland aus Kapitel A10.1.3 vor, da sich die Altersgruppe zur Berechnung der Erwerbslosenquote unterscheidet.
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Die Daten zur Jugendarbeitslosigkeit für 2020 und für das dritte Quartal 2021 wurden im Gegensatz zu den restlichen Daten am 03.03.2022 aktualisiert. Zudem werden ab dem Jahr 2020 die EU-27-Länder betrachtet. Für die EU-28-Länder werden die Daten nur bis 2020 fortgeführt, sind jedoch noch nicht verfügbar.