Erasmus+ (2021 bis 2027) ist das Programm für allgemeine und berufliche Bildung, Jugend und Sport der Europäischen Union. Zwischen 2021 und 2027 steht dafür ein Gesamtbudget von rd. 26 Mrd. € zur Verfügung, ein fast doppelt so hohes Budget wie für das Vorgängerprogramm. Damit soll der Zugang für alle Menschen und Organisationen erleichtert werden, insbesondere sollen Menschen unabhängig von ihrer sozialen Herkunft oder etwa bestehender Mobilitätshindernisse die Möglichkeit zur Teilnahme erhalten. Neben dieser ersten Priorität „Inklusion und Vielfalt“ gibt es die drei weiteren Prioritäten „Umwelt und Bekämpfung des Klimawandels“, „Digitaler Wandel“ und „Teilhabe am demokratischen Leben“. Zentrales Instrument von Erasmus+ ist die Projektförderung. Das Programm umfasst neben den vier Bildungssektoren Berufsbildung, Erwachsenenbildung, Schule und Hochschule auch die Bereiche Jugend und Sport. Das Programm leistet einen wesentlichen Beitrag zur Schaffung eines europäischen Bildungsraums (vgl. Europäische Kommission 2017), zur Weiterentwicklung von Aus- und Weiterbildung in Europa (vgl. Rat der Europäischen Union 2020) und zur Umsetzung der in der Osnabrück-Erklärung von Politik und Sozialpartnern in Europa genannten Ziele (vgl. Bundesministerium für Bildung und Forschung 2020). Der Anteil für die Berufsbildung liegt bei mindestens 21,5 % des Gesamtbudgets. In Deutschland sind vier Nationale Agenturen für die Umsetzung von Erasmus+ verantwortlich. Für die Sektoren Berufsbildung und Erwachsenenbildung ist die Nationale Agentur beim BIBB zuständig.
Mobilität in der Berufsbildung
Die Lernmobilität von Einzelpersonen ist eine der drei Leitaktionen des Programms. Der Zugang zur Mobilität wurde mit dem Beginn des Programms in weiten Teilen auf institutionelle Förderung umgestellt. Einrichtungen können sich akkreditieren lassen und bekommen damit für die gesamte Laufzeit des Programms sicheren und unkomplizierten Zugang zu Fördermitteln. Sie haben mit der Akkreditierung die Möglichkeit, jährlich eine Mittelanforderung einzureichen und so kontinuierlich Auslandsaufenthalte durchzuführen. Zusätzlich gibt es einen vereinfachten Zugang auf Projektebene. Einrichtungen, die sich nicht direkt akkreditieren lassen möchten, können innerhalb von fünf Jahren maximal drei sog. Kurzzeitprojekte mit begrenzter Größe durchführen. Die Kurzzeitprojekte sichern einen direkten Zugang zu Fördermitteln und bieten die Möglichkeiten der Vorbereitung auf eine institutionelle Akkreditierung.
Im Rahmen von Mobilitätsprojekten können Auszubildende, Berufsfachschüler/-innen, Personen in der Berufsausbildungsvorbereitung und Personen in formaler beruflicher Weiterbildung sowie Absolventen und Absolventinnen dieser Bildungsgänge Auslandsaufenthalte mit einer Dauer zwischen zwei Wochen und einem Jahr realisieren. Das Programm fördert darüber hinaus die Teilnahme an Berufswettbewerben mit einer Dauer von zwei bis zehn Tagen. Das Berufsbildungspersonal kann zum Zweck des Lernens oder Ausbildens bzw. Unterrichtens und für den Besuch von Kursen gefördert werden. Die Dauer beträgt je nach Aktivität zwischen zwei und 365 Tagen. Neu im Programm sind die sog. sonstigen unterstützten Aktivitäten. Sie umfassen vorbereitende Besuche, eingeladene Experten/Expertinnen und die Aufnahme von in Ausbildung befindlichen Lehrkräften. Auch diese können je nach Aktivität zwischen zwei und bis zu 365 Tagen ins Ausland gehen.
Erasmus-Akkreditierung
Die Akkreditierung der Einrichtungen stellt quasi eine Erasmus-Mitgliedschaft dar. Mit der Akkreditierung wird ihnen bescheinigt, dass sie einen Plan zur Durchführung qualitativ hochwertiger Auslandsaufenthalt im Rahmen umfassender Anstrengungen zur Organisationsentwicklung entwickelt haben. Dieser Plan ist ein wichtiger Bestandteil des Akkreditierungsantrags und wird als Erasmus-Plan bezeichnet. Auf diese Weise verbindet das Programm die Förderung von Auslandsaufenthalten und Organisationsentwicklung. Im Jahr 2021 wurden 377 Einrichtungen akkreditiert; sie hatten im Herbst 2020 ihren Antrag auf Akkreditierung eingereicht. Weitere 219 Einrichtungen haben im Herbst 2021 eine Akkreditierung beantragt, über ihren Antrag wird Anfang des Jahres 2022 entschieden Tabelle D3.1-1.
Tabelle D3.1-1: Erasmus+ Mobilität in der Berufsbildung, beantragte und bewilligte Akkreditierungen 2021
Bewilligte Auslandsaufenthalte, neue Aktivitäten und internationale Dimension
Im Jahr 2021 standen 41,7 Mio. € für die Mobilität in der Berufsbildung zur Verfügung. 228 akkreditierte Einrichtungen haben eine Mittelanforderung eingereicht und so von ihrer Möglichkeit Gebrauch gemacht, Mobilitätsmittel im vereinfachten Verfahren abzurufen. Darüber hinaus wurden 26 Kurzzeitprojekte beantragt. Bewilligt wurden insgesamt 248 Anträge mit 10.271 Teilnehmenden Tabelle D3.1-2. Im Jahr 2019, dem letzten Jahr vor der Coronapandemie, wurden 32.887 Auslandsaufenthalte bewilligt. Die Pandemie hat damit zu einer Reduzierung der bewilligten Aktivitäten auf rd. ein Drittel geführt. Die Entwicklung der Zahl der Lernenden in der Berufsbildung seit 1995 ist in Schaubild D3.1-1 dargestellt.
Tabelle D3.1-2: Erasmus+ Mobilität in der Berufsbildung, beantragte und bewilligte Auslandsaufenthalte 2021
Schaubild D3.1-1: Erasmus+ Mobilität in der Berufsbildung 1995 bis 2021, Lernende
Die 2021 bewilligten Aktivitäten sind in Tabelle D3.1-3 dargestellt. Hervorgehoben werden sollen folgende Ergebnisse: Neu im Programm ist die Möglichkeit für akkreditierte Einrichtungen, weltweit Auslandsaufenthalte zu beantragen. Der Anteil ist vom Programm auf 20 % der Mobilitätsmittel begrenzt. Es wurden 501 weltweite Auslandsaufenthalte bewilligt, das sind rd. 5 % aller Auslandsaufenthalte. Angesichts der Pandemie ist das ein relativ hoher Wert. Anders als in den Vorjahren ist der Anteil des Bildungspersonals an den Auslandsaufenthalten deutlich höher ausgefallen. Die Auslandsaufenthalte des Personals haben insgesamt nicht so stark abgenommen, wie die der Lernenden.
Tabelle D3.1-3: Erasmus+ Mobilität in der Berufsbildung 2021, bewilligte Teilnehmende
Inklusion und Poolprojekte
Das Programm hat die Priorität, Auslandsaufenthalte für alle Personen in der Berufsbildung zugänglich zu machen. Dabei gilt ein aus deutscher Perspektive erweiterter Inklusionsbegriff, der nicht auf Menschen mit Behinderung beschränkt ist, sondern alle Personen umfasst, die aus gesundheitlichen, wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen oder anderen Gründen geringere Chancen haben. Das Programm stellt für ihre Förderung spezifische Instrumente bereit. Im Jahr 2021 wurden Auslandsaufenthalte für 1.464 Personen mit geringeren Chancen bewilligt (1.421 Lernende, 43 Bildungspersonal). Das sind 14 % aller bewilligten Auslandsaufenthalte.
In der Regel beantragen Projektträger Stipendien für die Lernenden ihrer Einrichtungen. Davon zu unterscheiden sind die sog. Poolprojekte, die den individuellen Zugang von Einzelpersonen zu einem Erasmus+ Stipendium bundesweit ermöglichen. Insbesondere Auszubildende von kleinen und mittleren Unternehmen sowie aus international unerfahrenen Bildungseinrichtungen bekommen so Zugang zu einem Stipendium, ohne dass ihr Unternehmen oder ihre Einrichtung ein Projekt selbst durchführt. Die Enquete-Kommission hat die Bedeutung von Poolprojekten zur Steigerung der Mobilität besonders hervorgehoben. Im Jahr 2021 konnten rd. 1.100 Poolplätze bewilligt werden. Das BMBF stellt seit dem Jahr 2016 unter bestimmten Voraussetzungen eine nationale Kofinanzierung für die Organisation von Auslandsaufenthalten von Auszubildenden in Poolprojekten zur Verfügung. Im Rahmen der Kofinanzierung werden zwei Projekte mit insgesamt über 250 Poolplätzen für Auszubildende gefördert. Auch die Zahl der Poolplätze ist aufgrund der Coronapandemie deutlich zurückgegangen. Interessierte finden die individuell zugänglichen Stipendien in der Poolprojekt-Datenbank unter www.meinauslandspraktikum.de.
Geförderte Auslandsaufenthalte, Auswirkungen der Pandemie
Aufgrund der Coronapandemie hatten die Projektträger die Möglichkeit, die i. d. R. zweijährigen Verträge um ein Jahr zu verlängern. Viele Einrichtungen haben davon Gebrauch gemacht, um mehr Zeit für die Projektdurchführung zu haben. Daher wurde im Jahr 2021 kein Förderzyklus abgeschlossen. Ausführliche Informationen zu den geförderten Bildungsgängen, Berufen und dem Bildungspersonal des letzten abgeschlossenen Förderzyklus sind an anderer Stelle bereits veröffentlicht worden (vgl. Nationale Agentur beim Bundesinstitut für Berufsbildung 2019; BIBB-Datenreport 2021, Kapitel D3).
Im Jahr 2021 wurden rd. 4.000 Auslandsaufenthalte durchgeführt. Aufgrund der in den Vorjahren bewilligten Stipendien ist abschätzbar, dass rd. 27.000 Auslandsaufenthalte geplant waren. Nach jetzigem Stand lässt sich damit für 2021 abschätzen, dass aufgrund der Pandemie die Auslandsaufenthalte auf rd. 15 % des ursprünglich geplanten Volumens eingebrochen sind. Anders stellt sich die Auswirkung der Pandemie auf institutioneller Ebene dar. Auch wenn sich die Rahmenbedingungen aufgrund des neuen Programms geändert haben, lässt sich festhalten, dass es 574 Antragsteller im Jahr 2020 gab. Im Jahr 2021 haben 473 Institutionen einen Antrag eingereicht, daraus ergibt sich ein Rückgang bei den Antragstellern von 18 %. Damit ist die Anzahl der im Programm aktiven Einrichtungen trotz der Coronapandemie im Vergleich zum Vorjahr zwar zurückgegangen, aber nicht eingebrochen. Daraus ergibt sich zusammenfassend, dass das Thema Mobilität in der Berufsbildung in den Einrichtungen im Jahr 2021 weiterverfolgt, die operative Umsetzung aber aufgrund der Pandemie deutlich reduziert wurde.
(Berthold Hübers)