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DiQua

Digitale Qualifizierungsoffensive in überbetrieblichen Berufsbildungsstätten

Die Digitalisierung hat im Tischler-, Maler- und Lackiererhandwerk Einzug gehalten. Das Bildungs- und Technologiezentrum der Handwerkskammer Berlin untersuchte daher wie sich die Digitalisierung auf Arbeitsprozesse der Fachkräfte auswirkt und entwickelte passende Qualifizierungskonzepte.

Die Auswirkungen der Digitalisierung zeichnen sich insbesondere in den beruflichen Tätigkeiten des Tischlerhandwerks ab. Im kaufmännischen und arbeitsvorbereitenden Bereich gehört die Anwendung von Enterprise Ressource Planning Software in den Betrieben zum Standard. Kommunikationsprozesse werden immer häufiger (z.B. durch Fotos oder Skizzen) medial angereichert, um den Kundinnen und Kunden einen besseren Einblick in den Stand der Planung und damit einhergehend auch stärkere Einflussmöglichkeiten zu ermöglichen. Digitale Technologien wie digitale Aufmaßgeräte, Lasermessgeräte oder 3D-Drucker werden in den Werkstätten oder auf den Baustellen jedoch noch in sehr unterschiedlichem Maß genutzt.

Die digitalisierten Arbeitsprozesse verlagern sich auch auf Gesellenebene hin zu mehr planerischen und vorbereitenden Tätigkeiten und weniger manuellen Tätigkeiten in den Werkstätten. In der überbetrieblichen Ausbildung müssen künftige Fachkräfte daher nicht nur höhere kommunikative und digitale Kompetenzen erwerben, sondern auch eine veränderte Denkweise beim Entwurf von Produkten. Daraus ergeben sich Anforderungen an die Ausbildungscurricula. Hier setzte das Projekt „DiQua“ an.

Ziele

Das Projektteam hatte sich zum Ziel gesetzt, die Auswirkungen der Digitalisierung auf die beruflichen Tätigkeitsprofile der Tischler/-innen, Maler/-innen und Lackierer/-innen zu identifizieren und darauf basierend Schlussfolgerungen für die Qualifizierung des Ausbildungspersonals und die Weiterentwicklung der überbetrieblichen Ausbildung zu ziehen.

Projektschritte

Das Projekt wurde in mehreren Schritten umgesetzt:

  • Das Projektteam befragte Betriebe des Tischler- sowie des Maler- und Lackiererhandwerks nach erkennbaren oder erwarteten Entwicklungstendenzen.
  • In einem weiteren Schritt analysierte das Team die bestehenden Ausbildungspläne in den Gewerken. Somit sollte ermittelt werden, ob die bisherigen Ausbildungspläne den neuen medialen Ansprüchen entsprechen.
  • Um zu verdeutlichen, welchen Herausforderungen sich die Fachkräfte zukünftig stellen müssen, wurde eine typische digitale Prozesskette im Tischlerhandwerk angeschaut: digitales Aufmessen bei den Kund/-innen, CAD-Entwurf und Arbeitsvorbereitung, Bearbeitung an einem 5-Achs-CNC-Bearbeitungszentrum (und weiteren Maschinen) sowie Montage bei den Kund/-innen mit digitaler Zeiterfassung und Dokumentation.
  • Die durch die zunehmende Digitalisierung veränderten Qualifizierungsbedarfe der Fachkräfte und der Ausbildenden durch die digitale Entwicklung wurden definiert.
  • Das Projektteam erarbeitete didaktisch-methodische Konzepte für die überbetriebliche Ausbildung (ÜBA) ebenso wie Qualifizierungskonzepte für das Ausbildungspersonal im Hinblick auf die persönliche digitale Kompetenzentwicklung.
  • Für die Entwicklung didaktischer Handlungskompetenzen wurden Materialien und Handreichungen bereitgestellt.

Projektergebnisse

  • Entwicklung und Erprobung eines Modellkurses mit dem Schwerpunkt „Digitalisierung in der Produktionsprozesskette einer Tischlerei“
  • Maler- und Lackiererhandwerk weniger von Digitalisierung betroffen
  • Entwicklung eines Lernraumsystems für Auszubildende
  • Entwicklung eines didaktisch-methodischen Konzeptes für die überbetriebliche Ausbildung sowie Qualifizierungskonzepte für das Ausbildungspersonal
  • Transfer über Medienbausteine

Im Projekt wurde festgestellt, dass die aktuell verfügbare Zeit nicht ausreicht, um tiefergehende digitaltechnische Elemente und Aspekte der Medienkompetenzentwicklung in der ÜBA unterzubringen. Dies muss bei der curricularen Gestaltung berücksichtigt werden. Im Projekt wurde daher ein Kurs mit dem expliziten Schwerpunkt „Digitalisierung in der Produktionsprozesskette einer Tischlerei“ als einwöchiges Modellprojekt angeboten und erprobt.

Auszubildende des Maler- und Lackiererhandwerks zeigten sich insgesamt weniger von Digitalisierung betroffen. Kundenaufträge wurden jedoch auch hier zunehmend digital unterstützt umgesetzt. Dazu gehörten das Aufmessen bei den Kund/-innen, die Erstellung eines Farbkonzepts, der Entwurf und die Realisierung notwendiger Werkzeichnungen sowie das PC-gestützte Erstellen von Schablonen und bis hin zum digitalgesteuerten Abmischen der gewünschten Farben.

Eine bedeutsame Chance der Digitalisierung wurde im Kontext des Lernens festgestellt. Bei der überbetrieblichen Ausbildung setzte das Projektteam ein Lernraumsystem ein, in dem Auszubildende eigenständig auf Unterlagen zugreifen und sich kollaborativ neues Wissen aneignen können.

Es zeigt sich außerdem, dass den Ausbilderinnen und Ausbildern eine ausschlaggebende Bedeutung für die Ausgestaltung der Ausbildungspraxis zukommt. Fachliche und didaktische Kompetenzen müssen stets dem aktuellen Stand der Technik und der Berufspädagogik entsprechen, um den schnelllebigen digitalen Veränderungsprozessen gerecht werden zu können. So müssen die Ausbildenden bereits ein hohes Maß an digitaler Medienkompetenz besitzen, um diese auch an die Auszubildenden weitergeben zu können.

Medienbausteine

Das Projektteam stellt ausgewählte Ergebnisse aus den entwickelten und erprobten Ausbildungskonzepten als Medienbausteine zur Verfügung. Wie eine digitale Prozesskette im Tischlerhandwerk aussehen kann, wird am Beispiel der Planung und Fertigung eines Steckhockers als Outdoor-Sitzmöbel für den Balkon veranschaulicht.

Vorbereitung der überbetrieblichen Ausbildung

Im Rahmen der Projektwoche soll der Kundenauftrag „Fertigung eines Steckhocker“ bearbeitet werden. Im Video vorgestellt werden das zugrunde gelegte didaktische Konzept des projektorientierten Handlungslernens und die für die Bearbeitung einzusetzenden digitalen Werkzeuge, Apparate und Maschinen.

Digitales Aufmaß nehmen

Zur Erstellung eines Angebots werden Raummaße benötigt, die mit einem digitalen Aufmaßsystem beim Kunden erfasst werden. Funktionsweise und Bedienung der Aufmaß-App werden erklärt und am praktischen Beispiel illustriert. Der vollständige Grundriss wird abschließend als E-Mail an den Rechner des Betriebes übertragen.

Auftragsplanung

Die Planung des Kundenauftrags wird technisch umgesetzt. Dafür geht die mit CAD erstellte Zeichnung als Vorlage in die Fertigung. Die Planungsdaten werden in das CNC-Fertigungssystem eingelesen und die Fertigung anschließend am Bildschirm simuliert.

Durchführung – Die CNC-Maschine im Einsatz

Die Fertigung des Steckhockers wird an der CNC Maschine – im Anschluss an eine sogenannte Referenzfahrt der Anlage – begleitet. Arbeitsschutz und -sicherheit haben dabei höchste Priorität. Die Werkstücke werden abschließend überprüft, zusammengesetzt und können dem Kunden übergeben werden.

Auswertung des Auftrags

Der Kundenauftrag endet mit der Auftragsauswertung, unterstützt durch eine entsprechende Branchensoftware. Dieses Tool dient unter anderem der Dokumentation und Auswertung von Abläufen, der Erfassung der Kundenzufriedenheit sowie der Bewertung des Auftrags aus wirtschaftlicher Sicht.