Dokumentation der Fachtagung „Lernort gestalten – Zukunft sichern. Digitalisierung in überbetrieblichen Berufsbildungsstätten“
Wie mit digitalen Gebäudebauwerksmodellen ausgebildet wird, wie Ausbildungskonzepte und Lernumgebungen im digitalen Wandel gestaltet werden können und welchen Beitrag die überbetrieblichen Berufsbildungsstätten (ÜBS) hierzu leisten, zeigte das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gemeinsam mit dem Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) und Bildungsstätten aus Handwerk, Industrie und Agrarwirtschaft auf der Fachtagung „Lernort gestalten – Zukunft sichern. Digitalisierung in überbetrieblichen Berufsbildungsstätten“ am 25. und 26. Juni 2019 in Berlin.
Das BMBF investiert in den kommenden vier Jahren weitere 120 Millionen Euro in Digitalisierungsprojekte von ÜBS. Mit den Fördermitteln können die ÜBS ihre Werkstätten und Lehrräume digital ausstatten. Auch können sie neue Konzepte entwickeln und Ausbildungspersonal qualifizieren.
Digitale Technik muss gewinnbringend eingesetzt und gesteuert werden. Das müssen unsere Fachkräfte schon in ihrer Ausbildung lernen. Dabei tragen die überbetrieblichen Berufsbildungsstätten erheblich zu guten beruflichen Zukunftschancen der Auszubildenden bei. Sie erreichen Auszubildende in kleinen und mittleren Unternehmen. Deswegen sind sie ein wirkungsvoller Multiplikator, wenn es darum geht, fachspezifische digitale Kompetenzen zu vermitteln. Das unterstützt mein Haus für weitere vier Jahre mit 120 Millionen Euro. Zusammen mit dem DigitalPakt Schule ist das ein kraftvolles Paket für moderne Bildungsinfrastrukturen. Im Jahr der Berufsbildung zeigen wir dadurch jungen Menschen attraktive berufliche Karrierewege auf.
Karliczek eröffnete die Fachtagung in Berlin und diskutierte anschließend gemeinsam mit Moderatorin Andrea Thilo, wie Ausbildung im digitalen Wandel gelingen kann und wie junge Menschen, auch mithilfe moderner Qualifizierungsangebote und moderner Technik, für die Berufsbildung gewonnen werden können.
Seit 2016 hat das BMBF mit der Förderung von digitaler Ausstattung und Good-Practice-Beispielen innovativer Ausbildung einen Modernisierungsschub in den ÜBS angestoßen. Nun wurden einem Fachpublikum von rund 260 Personen unterschiedlichste Beispiele guter Praxis präsentiert. Die Veranstaltung bot eine Plattform für den gemeinsamen Austausch dazu, wie Ausbildungskurse in den ÜBS gewinnbringend mit digitaler Technik angereichert werden können. Das Publikum diskutierte engagiert – trotz oder gerade wegen der rekordverdächtigen Hitze in Berlin an beiden Veranstaltungstagen.
Dass die Konzeption und methodisch-didaktische Anpassung von Ausbildungsangeboten in den ÜBS von zentraler Bedeutung für eine zukunftsorientierte Ausbildung ist, stellte Prof. Dr. Lars Windelband, Pädagogische Hochschule Schwäbisch Gmünd, in seiner Keynote „Prozessorientierte Didaktik - auch in der überbetrieblichen Berufsausbildung?“ beispielhaft dar.
Unter dem Motto „Digitalisierung – Eine Chance für die Lernortkooperation“ veranschaulichten Vertreterinnen und Vertreter von ÜBS im Gespräch mit der Moderatorin Andrea Thilo, wie digitale Ausstattungsgegenstände in der überbetrieblichen Ausbildung (ÜBA) eingesetzt werden:
Digitalisierung – Eine Chance für die Lernortkooperation
Wie sich ÜBS untereinander gewinnbringend vernetzen, berichteten Bernd Rackow, abc Bau M-V GmbH, sowie Michael Wieczorek und Roland Schnölzer des BFW Bau Sachsen e.V. anhand ihrer BIM-Gebäudesiedlung. Das Building Information Modeling (BIM) beschreibt eine Methode der optimierten Planung, Ausführung und Bewirtschaftung von Gebäuden mit Hilfe von Software. Das Arbeiten mit der digitalen Siedlung wird dabei standortübergreifend umgesetzt und die Ergebnisse von Dresden nach Rostock transferiert und erweitert. Ihre Kooperation hat sich dabei als besonders gewinnbringend herausgestellt: Sie nutzen seitdem die Möglichkeit, sich die neuen technischen Möglichkeiten kooperativ zu erschließen, so die Praxisvertreter. Das Ausbildungspersonal medienpädagogisch zu qualifizieren, ist dabei eine Herausforderung, wozu sie ebenfalls verschiedene Konzepte untereinander auszutauschen.
Austausch und Ergebnistransfer führten bislang zu vielfältigen neuen Ideen, an deren Umsetzung die Praxisvertreter arbeiten. Dabei sind sie sich einig: Der Einsatz von digitaler Technik wie BIM zeigt, wie modern und vielfältig die Bauberufe sind und dass sie eine attraktive und zukunftsorientierte Ausbildung bieten können.
Markus Weitzmann vom Bildungszentrum Holzbau Baden-Württemberg gab einen Einblick, wie die Lernorte Berufsschule und ÜBS eng zum Thema „CNC-Zusatzqualifikation“ zusammenarbeiten. Für die computergestützte Holzbearbeitung mit einer CNC-Abbundanlage in der Ausbildung zur Zimmererin / zum Zimmerer ist es erforderlich, dass digitale Daten erstellt werden. Dabei ist es notwendig, dass die Auszubildenden diese Daten lesen und verstehen können. Diesen theoretischen Teil erlernen sie in der Berufsschule. Das Bildungszentrum Holzbau Baden beteiligt sich in einem Schulversuch des Landes Baden-Württemberg daran, die Kooperation der Lernorte an dieser Stelle zu stärken. Die Tür zur Zusammenarbeit sei damit geöffnet. Außerdem sei von zentraler Bedeutung, die Wege gemeinsam weiterzugehen, um die Ausbildungsangebote attraktiv für die künftigen Fachkräfte zu gestalten, so Weitzmann.
Mit dem Spritzverfahren-Simulator machten Friderike Borchers und Klaus-Werner Schäfer vom Malerbildungszentrum (MBZ) im Handwerksbildungszentrum (HBZ) Brackwede e.V. für Moderatorin Andrea Thilo erlebbar, wie die Ausbildung zum/zur Maler/in und Lackierer/in sowie zum/zur Fahrzeuglackierer/in mit dem Simulator bereichert wird. Die Auszubildenden können damit ihr theoretisches Wissen vertiefen und die Handfertigkeiten des Lackierens trainieren. Nach Erfahrungen von Friderike Borchers erspart dies Zeit, Aufwand und Ressourcen. Sie kann gemeinsam mit den Auszubildenden gezielt Bereiche auswerten und verbessern, wie zum Beispiel die Entfernung zwischen Spritzpistole und Autotür oder die Schichtdicke der Lackierung. Die direkte Auswertung spornt zudem den Wettbewerb unter den Auszubildenden an, sich noch weiter zu verbessern, bevor es dann vom virtuell zu lackierenden Teil an die echte Autotür gehe, so Borchers.
Des Weiteren gab das MBZ Einblicke, wie die Simulatoren bei Berufsorientierungsmessen zum Einsatz kommen, um den potentiellen Auszubildenden die Vielfältigkeit der Ausbildung vorstell- und erlebbar zu veranschaulichen. Dieses Bildungsmarketing und die digitale Technik unterstützen das MBZ dabei, die Attraktivität und das Potential des Bildungszentrums und der Ausbildungsberufe zu verdeutlichen.
Der erste Tagungstag endete schließlich mit einer Diskussion über „Die überbetriebliche Berufsbildungsstätte – erfolgreicher Zukunftsakteur und Impulsgeber!“. Kornelia Haugg, BMBF | Prof. Dr. Michael Heister, BIBB | Martin Henke, Berufsbildende Schulen Osnabrück Brinkstraße | Susanne Müller, Kompetenzzentrum für Berufsbildung und Personalentwicklung sowie Matthias Steffen, Handwerkskammer Braunschweig-Lüneburg-Stade, waren sich einig, dass in Zeiten sinkender Auszubildenden-Zahlen die Vielseitigkeit und Attraktivität der dualen Ausbildung weiter zu steigern seien. Auch Lernortkooperationen zahlten auf diese Ziele ein und müssten daher gestärkt werden. Wichtige Impulse könnten z.B. leistungsstarke und modern aufgestellte ÜBS leisten. Es sei die Aufgabe aller Akteure darzustellen, dass die duale Ausbildung eine attraktive Alternative zum Studium darstelle. Dazu leisteten auch modern ausgestattete Lernorte einen großen Beitrag. Häufig sei dies aufgrund fehlender Ressourcen und unterschiedlicher Förderzuständigkeiten bei Bund, Länder und Kommunen jedoch erschwert.
Auf einem Markt der Möglichkeiten konnten sich die Teilnehmenden informieren, wie digitale Technik und digitale Medien zielorientiert in der überbetrieblichen Berufsausbildung eingesetzt werden. An den Marktständen zeigten die Ausstellenden von ÜBS aus Handwerk, Industrie und Agrarwirtschaft vor allem, wie sie die digitale Technik in der Praxis einsetzen und wie konzeptionelle Einsatzszenarien aussehen können.
Der zweite Tag fokussierte die Auswirkungen des digitalen Wandels in der Wirtschaft auf die überbetriebliche Ausbildung. In vier Fachforen präsentierten Vertreterinnen und Vertreter der Pilotprojekte des Sonderprogramms ÜBS-Digitalisierung ihre Ergebnisse und formulierten Antworten, wie die Ausbildung in ÜBS praxis- und zukunftsorientiert gestaltet werden kann.
Ergebnisse aus den Fachforen (26.06.2019)
Die schnell voranschreitende Digitalisierung und damit einhergehende technologische Entwicklungen verändern Arbeitsprozesse. Dies wiederum erfordert eine dynamische Fortentwicklung der Fachkräftequalifizierung. Dazu müssen alle Bildungsstandorte ihre Qualifizierungsangebote immer wieder auf den Prüfstand stellen und sie bei Bedarf anpassen. Petra Marpe, Projekt DigiZ, Sonja Weiss, Projekt Dental Digital3, und Fritz Staudacher, Projekt ETAEMA 4.0, berichteten, wie sie neue Ausbildungsangebote angestoßen haben, welche Akteure sie dabei einbanden und wie sie Ausbildungsangebote inhaltlich, konzeptionell und didaktisch-methodisch fortentwickelt oder neu gestaltet haben.
Um neue Ausbildungsangebote zu entwickeln und nachhaltig in der ÜBA zu implementieren ist es für sie essentiell, dass Arbeitsprozesse analysiert und ebenso ein technisches Monitoring durchgeführt werden. In einigen Fällen (wie zum Beispiel der Zahntechnik) haben sich die beruflichen Anforderungen durch die Digitalisierung derart verändert, dass eine Anpassung der Ausbildungsordnung angezeigt ist. Für eine zukunftsorientierte ÜBA müssen geeignete räumliche Voraussetzungen und technische Ausstattung geschaffen und vor allem die Lernmaterialien entsprechend fortentwickelt werden. Dabei ist die Einbindung aller Akteure – Betriebe, Berufsschulen, Innungen, Verbände und Hersteller – bedeutsam.
Moderation: Bernd Mahrin (Technische Universität Berlin)
Ein Aspekt erfolgreicher Ausbildung besteht darin, wie lernförderlich die Lehr- und Lernumgebung gestaltet ist. Dies trifft sowohl auf die Werkstätten und Theorieräume der ÜBS zu, als auch auf die Gestaltung digitaler Lehr- und Lernumgebungen. Petra Gohlke, Projekt ETAEMA 4.0, Frank Oelze, Projekt DIGI-SEC, und Klaus Franke, Projekt Innovation4E-Handwerk, diskutierten, wie Lernräume sowohl medientechnisch, als auch mediendidaktisch konzipiert werden können, um die Lehr- und Lernprozesse zukunftsorientiert zu gestalten und damit den Auszubildenden breite Lernerfahrungen zu ermöglichen. Sie sind sich einig: Dabei ist eine gezielte Methodenauswahl ein zentraler Schlüssel.
Lernräume so zu gestalten, dass die Auszubildenden dort kollaborativ lernen und ihre Lernprozesse selbst organisieren und regulieren können, hat sich als zentrale Gelingensbedingung erwiesen, wie sich im Forum zeigte. Die technische und mediale Ausstattung dieser Räume wird dabei in die didaktische Konzeption der Ausbildungsangebote integriert. So können physische, virtuelle oder auch lernerfahrungsfördernde Lernräume dazu beitragen, an der Arbeitsrealität gespiegelte Ausbildung umzusetzen.
Präsentation Christiane Köhlmann-Eckel
Präsentation Projekt ETAEMA 4.0
Moderation: Christiane Köhlmann-Eckel (BIBB)
IT-Kenntnisse sind mittlerweile, neben Lesen, Schreiben und Rechnen, zur vierten Schlüsselkompetenz in der Berufsausbildung geworden – für Lernende wie für Ausbildende gleichermaßen. Um die Leistungsfähigkeit des dualen Ausbildungssystems zu sichern und auszubauen, sind strukturelle und inhaltliche Anpassungen der methodisch-didaktischen Konzepte für die Fachkräftequalifizierung notwendig. Wie methodisch-didaktische Konzepte gestaltet und verändert werden und welche Voraussetzungen insbesondere auf der systemischen Ebene gegeben sein müssen, welche Akteure hierfür einzubeziehen sind, berichteten Axel Lange, Projekt HAND, Melanie Schütt, Projekt DIGI-SEC, sowie Sven Böttcher, Projekt BAU'S MIT BIM, in diesem Forum.
Um die methodisch-didaktischen Konzepte für die Qualifizierung der Fachkräfte anpassen zu können, hielten die Referentin und Referenten als zentrale Voraussetzung fest, dass das Ausbildungspersonal in deren Anwendung qualifiziert wird, bspw. durch Train-the-Trainer-Schulungen. Medienkompetenz bildet die Basis dafür, um das Bildungspersonal schließlich zu motivieren, selbstverantwortlich Anpassungen und Änderungen vorzunehmen. Dass die Ausbilderinnen und Ausbilder von Beginn an diesem Veränderungsprozess aktiv partizipieren, ist ein entscheidender Gelingensfaktor. Die Arbeitsmittel sollen methodisch-didaktisch so verändert werden, dass sie die Arbeitswirklichkeit aufgreifen, in denen die digitalen Prozesse als Hilfsmittel genutzt werden.
Moderation: Stefanie Weyh (BIBB)
Die digitalisierte Arbeitswelt führt zu neuen Anforderungen an die Ausbilderinnen und Ausbilder. Im Ausbildungsprozess nehmen sie die Schlüsselrolle bei der Vermittlung der Ausbildungsinhalte ein. Es ist daher von zentraler Bedeutung, dass sie ein breites Wissen über die aktuellen digitalen Technologien besitzen und sie zielführend einsetzen können. Wie sich die technologischen Veränderungen auf ihre eigene Qualifizierung auswirken, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen und welche Gelingensfaktoren dazu beitragen, Qualifizierungsprozesse nachhaltig zu gestalten, beantworteten in diesem Forum Julia Bauer, Projekt BAU'S MIT BIM, Markus Kybart, Projekt HAND, sowie Dr. Jost-Peter Kania, Projekt DiQua.
Um Qualifizierungsprozesse nachhaltig zu gestalten, ist ein Pool von Szenarien notwendig, wie das Bildungspersonal neue Technologien in der ÜBA anwenden kann, so die Erfahrung der Referentin und Referenten. Zudem sei es von zentraler Bedeutung, dass die Leitung der jeweiligen Bildungsstätte aktiv unterstützt, dass Qualifizierungsmaßnahmen angeboten und umgesetzt werden. Im Forum wurde daher einstimmig festgehalten, dass die Ressourcen Zeit, Raum, Akzeptanz in der Belegschaft und Kontinuität des Angebots die wesentlichen Faktoren sind, die zum Gelingen der Maßnahmen und Prozesse beitragen.
Präsentation Anne Görgen-Engels
Präsentation Projekt BAU'S MIT BIM
Moderation: Anne Görgen-Engels (BIBB)