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Dritter Pfeiler im dualen System

Überbetriebliche Berufsbildungsstätten ergänzen Ausbildung – auch um Digitales

09.02.2021 | Behördenspiegel/Kilian Recht

Nach einer erfolgreichen Phase der Berufsorientierung führt es praktisch orientierte Jugendliche in die Berufsausbildung, ins duale System. Deutschland ist weltweit bekannt für dieses Modell und gleichzeitig Vorbild für viele Länder. Es lehrt die Praxis im Betrieb, die Theorie in der Berufsschule. Doch es gibt noch eine dritte Komponente, die unterstützt, wenn der Betrieb an seine Grenzen stößt: die Überbetriebliche Berufsbildungsstätte (ÜBS). Mit praxisnahen Lehrgängen sind sie Partner für vor allem kleine und mittlere Unternehmen (KMU), die nicht alle notwendigen Ausbildungsinhalte selbst vermitteln können.

Technologien und Prozesse entwickeln sich in der heutigen Arbeitswelt rasant weiter. Besonders KMU haben es schwer, stets mit dem aktuellen Entwicklungsstand mitzuhalten und diesen adäquat in der Ausbildung zu vermitteln. Überbetriebliche Berufsbildungsstätten greifen den Unternehmen hier mit entsprechenden Aus-, Fort- und Weiterbildungsangeboten unter die Arme. Als zuverlässige Partner der Betriebe unterstützen sie häufig im Handwerk, in der Industrie und Landwirtschaft sowie weiteren Wirtschaftsbereichen. Über 1.000 solcher Bildungsstätten gibt es bundesweit – das sind doppelt so viele wie Hochschulen im Land. Seit Beginn der Förderung durch das BIBB im Jahr 1978 wurden die Berufsbildungsstätten mit über 2,3 Milliarden Euro aus dem Haushalt des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) unterstützt. 72 Millionen Euro flossen allein im vergangenen Jahr. Mit den Geldern wurde zunächst der Aufbau einer ÜBS-Infrastruktur in den westlichen und später in den östlichen Bundesländern unterstützt und fortlaufend an aktuelle Anforderungen angepasst. Mit der Förderung zur Weiterentwicklung zu Kompetenzzentren wurde für die ÜBS eine Möglichkeit geschaffen, ihr fachspezifisches Profil auszubauen und sich als Leitzentren zu etablieren.

Modernisierungsschub für Digitales angestoßen

Das Lernen in den ÜBS verändert sich. Metallbauerinnen und Metallbauer lernen das Schweißen heute an Simulatoren, ehe sie ein Schweißgerät nutzen. Malerinnen und Maler mischen Farben mit einem digitalen Farbmischgerät. Um solche Lerninhalte vermitteln zu können, benötigen die ÜBS entsprechende Technik und Lernkonzepte. Seit 2016 stellt das BIBB dafür einen zusätzlichen Fördertopf des BMBF für digitale Projekte zur Verfügung. In der ersten Förderphase zur Digitalisierung in der Fachkräfteausbildung wurde 2016 ein erster Modernisierungsschub in der überbetrieblichen Ausbildung angestoßen. An über 200 ÜBS-Standorten wurden bis Mitte 2020 Werkstätten und Theorieräume digital ausgestattet. Fast 40.000 digitale Ausstattungsgegenstände konnten so angeschafft werden: vom kleinen Gerät, wie Tablets und Virtual-Reality-Brillen, bis zu computergesteuerten Holzzuschnittanlagen und Fütterungsrobotern. Acht Projektteams waren in dem Zeitraum damit betraut, die Einflüsse der Digitalisierung auf verschiedene Berufe zu analysieren und daraus Anpassungen für die überbetriebliche Ausbildung vorzunehmen. In der Folge wurden die Qualifizierungsbedarfe der jeweiligen Berufsbilder angepasst, Lehrgänge überarbeitet und Neuerungen bei den Ausbildungsplänen angestoßen.

Nach einer erfolgreichen ersten Phase wurde das Sonderprogramm mit neuen Fördermöglichkeiten ausgeweitet und bis Mitte 2023 verlängert. Bis dahin sollen 224 Millionen Euro in moderne Ausbildungsmittel geflossen sein. Ein weiteres Ziel ist es, die ÜBS und ihre Digitalisierungsprojekte tiefer in der Fachszene zu vernetzen und ihre Ergebnisse als Good-Practice-Beispiele bereitzustellen. Die ersten Projekte starteten im Herbst dieses Jahres.

„Als überbetriebliche Berufsbildungsstätte ist das Elektrobildungs- und Technologiezentrum (EBZ) in Dresden seit vielen Jahren verlässlicher Partner der Betriebe für die berufliche Qualifizierung ihrer Fachkräfte“, erklärt Klaus Franke, ehemaliger Leiter des EBZ. “Nach der Wiedervereinigung haben wir uns in dieser Rolle, auch unterstützt durch die ÜBS-Förderung, fortentwickelt, sodass wir heute sowohl in der Region als auch in einem bundesweiten Netzwerk aktiv sind. Nun erfordert es die Digitalisierung, dass wir uns abermals weiterentwickeln. Unsere überbetrieblichen Ausbildungsangebote stets passgenau und zeitnah an solche Entwicklungen anzupassen, gelang uns nicht zuletzt durch die Förderung des Bundes. Nachdem wir in einem ersten Projekt - gefördert im Sonderprogramm ÜBS-Digitalisierung - Ausbildungskurse modernisiert haben, können wir uns aktuell mit einem zweiten Projekt noch stärker für eine moderne Ausbildung im Elektrohandwerk engagieren.“

Jenseits der Ausbildung

Jenseits der Ausbildung Abseits des Ausbildungsbetriebs werden in ÜBS junge Menschen auf die Arbeitswelt vorbereitet. So fördern sie die Berufsorientierung von Schülerinnen und Schülern sowie Geflüchteten mit Werkstatttagen, in denen sie praktische Erfahrungen sammeln können, und bieten Schulabgängern berufs-und ausbildungsvorbereitende Maßnahmen an. Zudem verfügen sie über Fort- und Weiterbildungsangebote für Fachkräfte. Die Überbetrieblichen Berufsbildungsstätten leisten somit bedeutende Beiträge. „Der dritte Pfeiler des Ausbildungssystems mag zwar weithin unbekannt sein, für die Statik des Systems ist er aber unverzichtbar”, betont Prof. Dr. Michael Heister, Leiter der Abteilung „Initiativen für die Berufsbildung“.