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Fundament für kompetentes Handeln

09.03.2021 | Markus Bretschneider

Kompetenzen im Umgang mit Nachhaltigkeit und Digitalisierung sind mittlerweile unverzichtbarer Bestandteil der dualen Berufsausbildung. Vor diesem Hintergrund sind nun die Standardberufsbildpositionen der betrieblichen Ausbildungsrahmenpläne insgesamt modernisiert worden.

Standardberufsbildpositionen haben Ausbildungsinhalte zum Gegenstand, die für alle anerkannten Ausbildungsberufe im dualen System gleichermaßen von Bedeutung sind und im Zusammenhang mit den jeweils berufsprofilgebenden Kompetenzen integrativ vermittelt werden. Ausgehend von einer kurzen Darstellung der Entstehung von Standardberufsbildpositionen am Beispiel des Umweltschutzes werden deren Struktur und Inhalte vorgestellt. Ergänzend wird der Blick zudem auf Erläuterungen für die praktische Umsetzung gerichtet.

Unabhängig vom anerkannten Ausbildungsberuf lassen sich Ausbildungsinhalte identifizieren, die einen derart grundlegenden Charakter besitzen, dass sie für jede qualifizierte Fachkraft ein unverzichtbares Fundament kompetenten Handelns darstellen. Als sogenannte Standardberufsbildpositionen sind diese Inhalte im jeweiligen Berufsbild und betrieblichen Ausbildungsrahmenplan immer im Anschluss an die berufsprofilgebenden Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten verankert und im Zusammenhang mit diesen „während der gesamten Ausbildung“ zu vermitteln. Bei diesen Standards handelt es sich bislang um die beiden Positionen „Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit“ und „Umweltschutz“ sowie für den gewerblich-technischen Bereich zusätzlich um „Berufsbildung sowie Arbeits- und Tarifrecht“ sowie „Aufbau und Organisation des Ausbildungsbetriebes“.

Beispiel Umweltschutz

Die zeitliche Entwicklung dieser Berufsbildpositionen lässt sich beispielhaft am „Umweltschutz“ verdeutlichen. Vor dem Hintergrund einer fortschreitenden Umweltzerstörung betonte der Europarat bereits vor 50 Jahren, dass „die Unterrichtung und Ausbildung über Fragen der natürlichen Umgebung auszudehnen und zu verbessern [sei]“ (Europarat 1970, S. 4). Bezogen auf die berufliche Erstausbildung schlägt sich diese Maßgabe in den Folgejahren in Empfehlungen des BIBB-Hauptausschusses nieder.

Eine erste Empfehlung im Jahr 1980 bezieht sich auf die Formulierung berufsspezifischer Lernziele zur Energieeinsparung. Sie wird im Jahr 1988 erweitert durch die berufsspezifische Einbeziehung von Fragen des Umweltschutzes, die Einsichten in die konkreten Zusammenhänge zwischen Berufsausübung und möglichen Auswirkungen auf die Umwelt vermitteln sollen. Im Jahr 1991 wird ergänzt, dass die Relevanz eines Berufs bereits im Antragsgespräch zu einem Ordnungsverfahren durch einen eigenständigen Eckwert „Umweltschutz“ darzulegen ist. Aufgrund der wachsenden gesellschaftlichen Relevanz entstand schließlich die standardisierte Berufsbildposition „Umweltschutz“, die seit 1998 eigenständiger Teil des Berufsprofils eines modernisierten oder neu entwickelten Ausbildungsberufes ist.

Im Laufe der vergangenen beiden Jahrzehnte hat sich der Umweltschutz über die Berücksichtigung ökologischer Zusammenhänge hin zum Konstrukt Nachhaltigkeit mit den Dimensionen Ökologie, Ökonomie und Soziales weiterentwickelt. Vor dem Hintergrund der Notwendigkeit eines vorausschauenden (beruflichen) Handelns ist der eher reaktiv ausgerichtete Umweltschutz ordnungspolitisch zwar nicht obsolet, Anforderungen an berufliches Handeln im Kontext von Nachhaltigkeit (vgl. Biebeler et al. 2020) lassen sich damit jedoch nicht mehr adäquat abbilden. Darüber hinaus haben fortschreitende Digitalisierung und Vernetzung die Arbeitswelt in den vergangenen Jahren in einer Art und Weise verändert (vgl. Bretschneider 2019), auf die ordnungspolitisch ebenfalls reagiert werden musste.

Modernisierte Standards

Mit dem Ziel einer Überarbeitung der Standards wurde im Frühjahr 2020 eine Arbeitsgruppe durch den Hauptausschuss des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) eingesetzt, die sich aus Vertretern und Vertreterinnen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer sowie des Bundes und der Länder zusammensetzte. Mit der konsensualen Neufassung der Standards werden bewährte Inhalte weiterhin berücksichtigt, zukünftig jedoch erweitert. So wurden „Berufsbildung sowie Arbeits- und Tarifrecht“ sowie „Aufbau und Organisation des Ausbildungsbetriebes“ zu einer Position verschmolzen und beispielsweise um das Erläutern grundlegender Arbeits- und Geschäftsprozesse des Ausbildungsbetriebes, des Ausbildungsplans und der eigenen Entgeltabrechnung erweitert.

Zur „Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit“ ist neben dem Prüfen und Beurteilen von Gefährdungen am Arbeitsplatz nun auch der Arbeitsweg zusätzlich aufgenommen. Ebenso ist sicheres und gesundheitsgerechtes Arbeiten zu erläutern. Im Zuge der Erweiterung von „Umweltschutz“ um „Nachhaltigkeit“ ist die Nutzung von Produkten, Waren oder Dienstleistungen, Materialien und Energie um das Berücksichtigen und Abwägen der drei Dimensionen von Nachhaltigkeit ergänzt worden. Proaktives Handeln soll zudem durch das Entwickeln von Vorschlägen für nachhaltiges Handeln im eigenen Arbeitsbereich angeregt werden. Hierbei sind etwa Vor- und Nachteile von Optimierungsansätzen und Handlungsalternativen zu berücksichtigen.

Als vollkommen neuer Standard wurde die „Digitalisierte Arbeitswelt“ aufgenommen. Hier geht es einerseits um den Umgang mit digitalen Medien, Daten, Datensicherheit und Datenschutz, darüber hinaus sind aber auch kommunikative und soziale Kompetenzen sowie gesellschaftliche Vielfalt und der wertschätzende Umgang miteinander berücksichtigt.

Ausblick

Diese Standardberufsbildpositionen sind in allen ab dem 1. August 2021 in Kraft tretenden modernisierten und neu entwickelten anerkannten Ausbildungsberufen verbindlich zu verwenden. Dem Grundsatz der Technikoffenheit folgend stellen sie auf der Verordnungsebene den inhaltlich kleinsten gemeinsamen Nenner dar, der in Abhängigkeit von berufs- oder branchenspezifischen Besonderheiten in den berufsprofilgebenden Inhalten erweitert werden kann. Im Rahmen von Ordnungsverfahren ist dies fallweise zu prüfen. Ein Beispiel hierfür ist etwa die Berücksichtigung von Nachhaltigkeit in der modernisierten Ausbildungsordnung zum Hauswirtschafter und zur Hauswirtschafterin (vgl. Bretschneider et al. 2020).

Für die Umsetzung der Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten in der praktischen Ausbildung wurde eine Erläuterung für die BIBB-Reihe „Ausbildung gestalten“ erarbeitet, die – gemeinsam mit den modernisierten Standardberufsbildpositionen – im Dezember 2020 im Rahmen einer Hauptausschussempfehlung des BIBB veröffentlicht wurde. Als Teil der Implementation ist darüber hinaus die Erarbeitung einer Informationsbroschüre sowie einer Videoreihe mit beispielhaften betrieblichen Umsetzungskonzepten vorgesehen, welche über das Ausbilderforum „foraus.de“ veröffentlicht wird.

Literatur

Biebeler, H.; Kupka, K.; Bretschneider, M.; Görmar, G.; Telieps, J. (2020): Kompetenzanforderungen für Nachhaltigkeit in der beruflichen Bildung im Kontext der Digitalisierung. Abschlussbericht. Bonn

Bretschneider, M.; Casper, M.; Melzig, C. (2020): Nachhaltigkeit in Ausbildungsordnungen verankern. Das Beispiel Hauswirtschafter/-in. In: Berufsbildung in Wissenschaft und Praxis. H.2, S. 54-55

Bretschneider, M. (2019): Berufsbildung 4.0 – Fachkräftequalifikationen und Kompetenzen für die digitalisierte Arbeit von morgen. Die Ausbildungsberufe „Landwirt/-in“ und „Fachkraft Agrarservice“ im Screening. In: Wissenschaftliche Diskussionspapiere des Bundesinstituts für Berufsbildung. Heft 204. Bonn