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In Zeiten von Digitalisierung und Pandemie: Wie ÜBS-Förderung zukunftsorientiert gestaltet werden kann

22.03.2021

Mit dem Sonderprogramm ÜBS-Digitalisierung treibt das Bundesministerium für Bildung und Forschung die Digitalisierung in den überbetrieblichen Berufsbildungsstätten an. Expertinnen und Experten aus Wissenschaft und Praxis begleiten das Programm fortan. Dazu lud das BMBF zur ersten Expert/-innenrunde ein.

Digital ausgestattete Werkstätten und Lernräume in überbetrieblichen Berufsbildungsstätten (ÜBS), eingebunden in moderne Ausbildungskonzepte – das ist die Basis für eine hochwertige und zeitgemäße überbetriebliche ergänzende Ausbildung (ÜBA). Um diese Basis zu schaffen bzw. zu stärken, fördert das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) die ÜBS mit dem Sonderprogramm ÜBS-Digitalisierung, das die reguläre ÜBS-Förderung seit 2016 ergänzt.

Um den Dialog zwischen Wissenschaft und Praxis zu fördern und gemeinsam Potenziale zur Weiterentwicklung der ÜBS-Förderung zu identifizieren, lud das BMBF am 24. Februar 2021 zur ersten programmbegleitenden Expert/-innenrunde zum Sonderprogramm ÜBS-Digitalisierung ein. „Mit diesem Format möchten wir eine Plattform schaffen, um das Sonderprogramm mit externer Expertise zu begleiten und so noch zielgerichteter für die ÜBS und die Digitalisierung zu wirken“, erklärte Dr. Ingo Böhringer, Leiter des Referats „Innovationen in der beruflichen Bildung“ im BMBF. Über 30 Expertinnen und Experten folgten der Einladung und diskutierten digital über die Folgen der Corona-Pandemie und die daraus resultierenden Chancen für die Digitalisierungsprozesse in den ÜBS und ihre Förderung.

Ertl: ÜBS-Angebote in Pandemiezeiten noch wichtiger

Wie sich die Corona-Pandemie auf den Ausbildungsmarkt 2020 auswirkte, erläuterte Prof. Dr. Hubert Ertl, Forschungsdirektor und Ständiger Vertreter des Präsidenten des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB). So wurden im Ausbildungsjahr 2020/21 rund 11 Prozent weniger Ausbildungsverträge abgeschlossen als 2019, davon 9,2 Prozent pandemiebedingt. Anhand einer Betriebsbefragung des BIBB unter 458 Betrieben zeigte der Forschungsdirektor, dass vor allem kleinere Betriebe mit den Folgen der Pandemie zu kämpfen haben.

„Wir müssen uns stark um die kleineren Betriebe kümmern, die von der Pandemie besonders betroffen sind“, forderte Ertl. Die Angebote von ÜBS spielten dabei eine wichtige Rolle, da viele kleine Betriebe nur so ihre Ausbildungsfähigkeit erhalten könnten. „In der Pandemie und der Phase danach kommt es auf die ÜBS noch stärker an als bisher, wenn es darum geht, Ausbildung für Betriebe aller Größenordnungen zugänglich zu machen“, betonte der Forschungsdirektor.

Ausbildung mit modernen Technologien attraktiv gestalten

Wie können ÜBS ihre wichtige Funktion in Zeiten der Pandemie besser erfüllen? Als Antwort auf die Frage schlug Prof. Dr. Hubert Ertl vor, Lernortkooperationen zukünftig als Netzwerke zu gestalten, an denen möglichst viele verschiedene Akteuren beteiligt sind. Die Netzwerkarbeit solle sich außerdem stärker an den Bedürfnissen des informellen Lernens orientieren, regionale Besonderheiten intensiver berücksichtigen und sich nachfrage-orientierter ausrichten.

Alle Akteure der beruflichen Bildung sollten zudem sicherstellen, dass das Ausbildungsangebot für Jugendliche attraktiv ist. ÜBS könnten als „Knotenpunkte des Technologietransfers“ einen entscheidenden Beitrag leisten: „Wenn wir zeigen, dass in der Ausbildung digitale Instrumente und moderne Technologien verwendet werden, können wir junge Menschen für die betriebliche Ausbildung gewinnen“, schloss Ertl.

Evaluation zeigt: Sonderprogramm treibt Digitalisierung der ÜBS voran

Die Ausbildung attraktiver zu machen, ist auch ein Ziel, das das BMBF mit dem Sonderprogramm ÜBS-Digitalisierung verfolgt. Mit der Förderung sollen ÜBS angeregt werden, digitale Technologien anzuschaffen und in die ÜBA zu integrieren. In der ersten Phase des Sonderprogramms erhielten 235 ÜBS Fördermittel für moderne Ausstattungsgegenstände wie zum Beispiel 3D-Drucker oder Virtual-Reality-Brillen.

Wie wirksam die Förderung in der ersten Phase (2016 bis 2019) des Sonderprogramms war, untersuchte die InterVal GmbH in einer ex-post-Evaluation. Dr. Stefan Ekert stellte deren Ergebnisse in der Expert/-innenrunde erstmals öffentlich vor. Er erörterte, dass viele ÜBS erst durch das Förderangebot und die hohe Förderquote von 90 Prozent dazu angeregt wurden, sich mit der Digitalisierung auseinanderzusetzen und den notwendigen Investitionsbedarf in digitale Technik in Angriff zu nehmen. „Unsere Untersuchung belegt, dass viele Investitionen ohne Förderung geringer ausgefallen, später getätigt worden oder ganz ausgeblieben wären“, erläuterte Ekert.

Transfermaßnahmen für flächendeckende Nutzung verstärken

Die ex-post-Evaluation beschäftigte sich auch mit der Arbeit der ersten acht Entwicklungs- und Erprobungsprojekte. Insgesamt entwickelten die Projektteams 54 ÜBA-Kurse weiter und sechs neu. In diese Kurse integrierten sie neue Lehr-/Lernkonzepte und digitale Ausbildungsmittel. Fünf Projekte boten außerdem Schulungen für Ausbildungspersonal an.

Das Fazit der Evaluierenden bezüglich der Projektarbeit lautet: „Die Projekte haben die Aufgabenstellungen erfolgreich bearbeitet und in ihren Einrichtungen viel bewirkt, aber darüber hinaus nur punktuell gewirkt.“ Aus diesem Grund empfahl Ekert, Transferaktivitäten bei zukünftigen Projekten zu forcieren und die Ausbildenden in den ÜBS stärker in den Blick zu nehmen.

Dass dies in der zweiten Phase des Sonderprogramms (2020 bis 2023) bereits geschehe, betonte Anne Görgen-Engels, fachliche Koordinatorin des Sonderprogramms im BIBB. Sie erläuterte, dass die aktuellen Entwicklungs- und Erprobungsprojekte bereits bei Antragsstellung Lernortkooperationen mit Berufsschulen und Betrieben nachweisen mussten. Zusätzlich musste jedes Projekt ein Transferkonzept mit konkreten Aktivitäten und Maßnahmen vorlegen. So sollte sichergestellt werden, dass die Vorhaben nicht exklusiv für die ÜBS konzipiert, sondern im Austausch mit anderen Beteiligten gezielt angegangen werden.

Weitere Ergebnisse aus der Evaluation veröffentlichen wir in Kürze auf bibb.de/uebs-digitalisierung.

Gewerkeübergreifender Ansatz aus der Baubranche

Ein Beispiel für die gemeinsame Entwicklung von modernen Ausbildungsangeboten präsentierte Michael Wieczorek, Leiter des überbetrieblichen Ausbildungszentrums Glauchau des Bau Bildung Sachsen e. V. Er verantwortete das Projekt „BAU’S MIT BIM“ der ersten Projektgeneration und leitet aktuell „BIM-basierte Bauausbildung (B³AUS)“, eines der 15 neuen Entwicklungs- und Erprobungsprojekte. In diesem geht es darum, das im abgeschlossenen Projekt entwickelte Konzept auf alle 19 Bauhauptberufe auszuweiten, mit den Möglichkeiten moderner Vermessungstechnik anzureichern und eine bundesweite Nutzung zu ermöglichen.

„Wir möchten digitale Bauwerke für die Ausbildung in verschiedenen Gewerken bundesweit nutzbar machen. Die Ausbildung bleibt praktisch. Die Art und Weise wird für die Azubis aber attraktiver und orientiert sich an den Möglichkeiten digital gestützter Arbeitsabläufe auf der Baustelle“, erklärte Wieczorek. Das Projekt wird im Verbund umgesetzt: Jedes der sechs Baubildungszentren erarbeitet Bauteilmodelle für jeweils drei bis vier Berufe. Die Anwendung soll in den ÜBS, aber auch in den ausbildenden Bauunternehmen und in Berufsschulen erprobt werden. Angestrebt sei auch eine Kooperation mit Hochschulen, um von Studierenden erstellte BIM-Modelle in der Ausbildung nutzen zu können.

Den Blick auf die Ausbildenden richten

Lernortkooperationen waren auch Thema der abschließenden Diskussionsrunde. Aus der Bauindustrie kam der Vorschlag, in den Regionen unabhängige Moderationsnetzwerke zu installieren, die aktiv versuchen, relevante Akteure zusammenzubringen. Dies könne insbesondere dort helfen, wo es keine funktionierenden Lernortkooperationen gebe.

Darüber hinaus wurde in der Runde die unzureichende Transferleistung kritisiert: Die Corona-Pandemie habe gezeigt, dass heute solche ÜBS gut aufgestellt sind, die sich bereits im Vorfeld mit der Digitalisierung beschäftigt haben. In dieser Hinsicht sei es nun besonders wichtig – so Vertreter/-innen aus der Forschung –, die gewonnenen Ergebnisse in die Breite zu tragen. Dazu müsse auch der Transfer innerhalb der Institutionen und der Lernortkooperationen intensiviert werden.

Auch die Perspektive des Ausbildungspersonals solle stärker in den Blick genommen werden, so der allgemeine Tenor: Es gehe nicht darum, die Technologien für sich zu sehen, sondern vielmehr ihre Einbettung in Lernprozesse. Dazu müssen Ausbildende in den Fokus rücken und digitale Technologien als Unterstützungsinstrumente, die ein anderes Lehren und Lernen ermöglichen, betrachtet werden.

ÜBS auf dem Weg zu digitalen Bildungsstätten unterstützen

Vertreter/-innen aus der Forschung plädierten schließlich dafür, ÜBS in ihrer Weiterentwicklung zu „digitalen Bildungsstätten“ stärker zu unterstützen. ÜBS sollten nicht nur im Bereich der Ausbildung, sondern in allen Bereichen (z. B. Administration, Organisation, Monitoring) Prozesse digital leben, um einerseits die Akzeptanz für digitale Elemente in den Bildungsangeboten zu erhöhen und andererseits die Ausbildung für Jugendliche attraktiver zu machen.

Mit der ersten Expert/-innenrunde wurde der Diskurs zum Sonderprogramm und zu übergreifenden Fragen bezüglich der Digitalisierung und der beruflichen Bildung erfolgreich eingeläutet. Viele Ideen, insbesondere zur Verstärkung des Transfers, wurden angeregt diskutiert. Der Dialog soll weitergehen: Ein weiteres Treffen ist für Anfang 2022 geplant.