Kodifizierte Zusatzqualifikationen – ein geeignetes Strukturelement für Ausbildungsberufe?
Zwischenergebnisse zur Evaluation der „M+E-Berufe 2018“ liegen vor
14.04.2021
Das BIBB führt aktuell eine Evaluation der im Jahr 2018 verordneten Metall- und Elektroberufe durch. Damals wurden eine für alle elf Berufe geltende integrative Berufsbildposition „Digitalisierung der Arbeit, Datenschutz und Informationssicherheit“ sowie sieben kodifizierte Zusatzqualifikationen (kZQ) in die Verordnungen mit aufgenommen. Ziel des Evaluationsprojektes ist es, die Herausforderungen und Chancen, die sich mit dieser Novellierung ergeben haben, zu thematisieren und wissenschaftlich zu erheben sowie Handlungsempfehlungen abzuleiten.
Die Zwischenergebnisse zeigen, dass die eingeführten Neuerungen differenziert angenommen werden. So dienen die Inhalte der kZQ häufig als Maßstab für die eigene Ausbildung und decken sich mit Zusatzangeboten, die Betriebe individuell oder im Verbund mit Dritten realisieren. Die volle Umsetzung der kZQ einschließlich einer IHK-Prüfung leisten sich dagegen nur wenige Betriebe. Nichtsdestotrotz sollten nach Ansicht von Befragten künftig viele dieser Inhalte als verbindliche Mindestanforderung in die Ausbildungsordnungen der Berufe gehören.
Zwei Ergebnisse spiegeln die nachfolgenden Grafiken wider. Erstens zeigt sich, dass sich der Strukturwandel in den Unternehmen beschleunigt, zu Transformationsprozessen im Ausbildungsgeschehen führt und ein verändertes Ausbildungsplatzangebot zur Folge hat. Verantwortlich dafür ist laut den Befragungsergebnissen nicht zuerst die Corona-Pandemie, sondern der Digitalisierung geschuldete Umstrukturierungsprozesse, die möglicherweise durch Covid 19 beschleunigt werden. Das kann auch heißen, dass Ausbildungsplätze nicht ersatzlos gestrichen, sondern in anderen, insbesondere den IT-Berufen angeboten werden.
Zweitens liegen die Gründe für die nicht vollständige Nutzung der kZQ in erster Linie im notwendigen Aufwand, den die Ausbildungsbetriebe nicht voll erbringen können.
Begriffserklärung "Zusatzqualifikation"
Eine Zusatzqualifikation ist ein in sich abgeschlossenes Bündel an Fertigkeiten, Kenntnissen und Fähigkeiten, das optional und zusätzlich zum Ausbildungsberufsbild vermittelt werden kann. Kodifizierte Zusatzqualifikationen sind in der Ausbildungsordnung verankert und werden im Rahmen der regulären Ausbildungszeit vermittelt und geprüft. Ihre rechtliche Grundlage ist das Berufsbildungsgesetz § 49 (BBIG, 2020).
Methodik
Für das methodische Vorgehen im Projekt sind fünf Forschungsfragen – nach Schwerpunktsetzung, Umsetzung, Akzeptanz, Qualität und Perspektiven – handlungsleitend. Ausgehend davon wurden Leitfadeninterviews mit Sachverständigen, die an den Neuordnungsverfahren der industriellen Metall- und Elektroberufe und des Berufs Mechatroniker/-in (2018) mitwirkten, geführt. Ergebnisse daraus und weitere Recherchen waren die Grundlage für zwei Online-Befragungen. Diese wurden von September bis November 2020 durchgeführt. Eine war an die Ausbildungsverantwortlichen in den Betrieben adressiert und die andere an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei den zuständigen Stellen (IHK), die für die Ausbildungsberatung und Prüfungsorganisation in den betreffenden Berufen verantwortlich sind. Beide Fragebögen korrespondieren in ihrer Zielstellung und den verwendeten Fragen. Die Auswertung dazu ist jetzt abgeschlossen und in einem Zwischenbericht zusammengefasst.
Erste Ergebnisse der Evaluation
Die im Jahre 2018 geänderten Ausbildungsordnungen sind eine erste Antwort auf in den Berufsfeldern stattfindende Digitalisierungsprozesse und stehen im Zusammenhang mit Empfehlungen, die in einschlägigen Studien und Gutachten vorliegen. Sie beinhalten eine neue und weitere, überarbeitete Berufsbildpositionen sowie insbesondere sieben kZQ. Deren Prüfung soll im Rahmen der Abschlussprüfungen mittels einer eigenständig im Ausbildungsbetrieb durchgeführten praxisbezogenen Aufgabe und einem anschließenden fallbezogenen Fachgespräch erfolgen. Obwohl dieses Prüfungsmodell von den Befragten als grundsätzlich passend beurteilt wurde, ist es vielen schlussendlich zu aufwendig und wird deshalb nur sehr selten genutzt.
Identifizierte Beispiele, häufig mit Bezug auf die Inhalte der kZQ, in denen Ausbildungsbetriebe, individuell oder im Verbund eigene Zusatzangebote eng am Bedarf entwickeln und einsetzen, zeigen, dass Eigeninitiativen der Betriebe und der Ausbildungsverantwortlichen eine gute und praktikable Alternative zu den kZQ sind. Die jetzigen kZQ können nach Ansicht vieler Befragter und der Autoren des Zwischenberichts in Zukunft auch Ankerpunkte für die Weiterbildung und die beruflichen Karrieren der Fachkräfte sein.
Ausführliche Informationen zum Projekt können im Zwischenbericht nachgelesen werden.
2.2.322 - Evaluation der Zusatzqualifikationen und der neuen integrativen Berufsbildposition der industriellen Metall- und Elektroberufe sowie des Berufs Mechatroniker / -in
Laufzeit II-19 bis IV-21
Informationen zur Neuordnung der Metall- und Elektroberufe 2018
Zum 1. August 2018 wurden die industriellen Metallberufe:
- Anlagenmechaniker/-in,
- Industriemechaniker/ in,
- Konstruktionsmechaniker/-in,
- Werkzeugmechaniker/-in und
- Zerspanungsmechaniker/-in
und die industriellen Elektroberufe:
- Elektroniker/-in für Gebäude- und Infrastruktursysteme,
- Elektroniker/-in für Betriebstechnik,
- Elektroniker/-in für Automatisierungstechnik,
- Elektroniker/-in für Geräte und Systeme und
- Elektroniker/-in für Informations- und Systemtechnik
sowie der Beruf Mechatroniker/-in durch Änderungsverordnungen fortgeschrieben.
Ebenfalls in die Verordnung aufgenommen wurde eine für alle elf Berufe geltende integrative Berufsbildposition „Digitalisierung der Arbeit, Datenschutz und Informationssicherheit“ sowie sieben kodifizierte Zusatzqualifikationen (kZQ):
- Additive Fertigungsverfahren,
- Digitale Vernetzung,
- IT-gestützte Anlagenänderung,
- IT-Sicherheit,
- Programmierung,
- Prozessintegration und
- Systemintegration