Teilzeit in der Pflegeausbildung
Das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) hat zum 08.07.2021 das Projekt „Teilzeit in der Pflegeausbildung“ (TiPa) in Auftrag gegeben. Auftragnehmer ist die Berufs- und Wirtschaftspädagogik der Universität Osnabrück, die durch Kooperationspartnerinnen des Bundesverbands Lehrende Gesundheits- und Sozialberufe (BLGS) und der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di), Bereich Gesundheit und Soziales, unterstützt wird. Eckdaten zum Forschungsprojekt sowie ausführliche Informationen entnehmen Sie der folgenden Übersichtstabelle sowie der Kurzbeschreibung.
Laufzeit |
18 Monate (07/2021 - 01/2023) |
Auftragnehmer |
Universität Osnabrück, Abteilung Berufs- und Wirtschaftspädagogik |
Bezug zur Ausbildungsoffensive Pflege (AOP) der Konzertierten Aktion Pflege (KAP) |
Handlungsfeld III Ausbildung und Qualifizierung stärken |
Kurzbeschreibung |
In dem 18-monatigen Forschungsprojekt werden neben einer Analyse der Rahmenbedingungen von Teilzeitausbildungen zwei Handreichungen für Praxiseinrichtungen und Praxisanleitende sowie für Pflegeschulen entwickelt, in denen wesentliche Unterstützungshilfen abgebildet werden. |
Kooperationspartner |
Bundesverband Lehrende Gesundheits- und Sozialberufe (BLGS) Vereinte Dienstleistungsgesellschaft (Ver.di) Bereich Gesundheit und Soziales |
Ansprechpersonen |
Dr. Janika Grunau, Lea Bartsch, Lena Sachse, Universität Osnabrück (tipa@uos.de) Pflegeforschung, AB 2.6 BIBB (Pflegeforschung@bibb.de) |
Kurzbeschreibung
Das Pflegeberufegesetz eröffnet die Möglichkeit, die Ausbildung zur Pflegefachfrau/zum Pflegefachmann in Teilzeit zu absolvieren (vgl. PflBG § 6). Teilzeit-Ausbildungsmodelle sind u. a. für Personen relevant,
die im
- familiären Umfeld Erziehungs- und Pflegeverpflichtungen wahrnehmen,
- sich im (politischen) Ehrenamt engagieren,
- begleitend zur Ausbildung erwerbstätig sind oder
- eine Position im Spitzensport bekleiden.
Dabei profitieren nicht nur diese Personengruppen von der Möglichkeit einer Teilzeitausbildung, sondern auch die Einrichtungen. Diese erhalten die Chance, neue Zielgruppen für eine Ausbildung zu gewinnen und dadurch dem zunehmenden Fachkräftemangel in der eigenen Einrichtung entgegenzuwirken (vgl. BMBF 2021, S. 3).
Dennoch ist wenig über die Rahmenbedingungen, Chancen und Herausforderungen von Teilzeitausbildungen bekannt. Es existieren diverse Einzelregelungen in den Schulen und Praxiseinrichtungen oder Teilzeitausbildungen können aus organisatorischen Gründen gar nicht angeboten werden. Durch ein transparentes Angebot an Teilzeitausbildungen könnten jedoch weitere Zielgruppen für die Pflegeberufe gewonnen werden.
Ziel des Projekts ist es, einen systematischen Überblick über die Angebotsstruktur der Teilzeitausbildungen zu erhalten, die Rahmenbedingungen, Voraussetzungen sowie die Herausforderungen und Umsetzungsparameter aus der Perspektive verschiedener beteiligter Akteure zu untersuchen. Zu den Beteiligten zählen Schulleitungen, Lehrkräfte, Entscheidungs- und Verantwortungstragende in Einrichtungen, Praxisanleitende und Auszubildende in Teilzeit.
Die Datengenerierung erfolgt im Rahmen eines Mixed-Methods-Ansatz. Ergänzend werden systematische Recherchen durchgeführt. Die Ergebnisse werden für Pflegeschulen und Praxiseinrichtungen in Form von Handreichungen aufgearbeitet.
Bei dem Vergleich der Statistik der Pflegeberufe-Ausbildungsfinanzierungsverordnung und den Daten der Berufsbildungsstatistik der statistischen Ämter des Bundes und der Länger zeigt sich, dass die neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge in Teilzeit insgesamt auf einem niedrigen Niveau sind. Für den Stichtag 31.12.2019* verzeichnet die Berufsbildungsstatistik 513.309 Neuabschlüsse, davon 2.283 in Teilzeit (0,44 %).
Für den Stichtag 31.12.2020 verzeichnet die Statistik der Pflegeberufe-Ausbildungsfinanzierungsverordnung für das Berichtsjahr 2020 53.610 neu abgeschlossene Ausbildungsverträge, davon 507 in Teilzeit (0,95 %).
*Für den 31.12.2020 wurden bisher keine Zahlen veröffentlicht. Die Neuabschlüsse für die Berichtsjahre 2017 und 2018 lagen bei 2.223 bzw. 2.289 Teilzeitberufsausbildungen. Durch das Berufsbildungsmodernisierungsgesetz (BBiMoG) und die entsprechende Erweiterung des Personenkreises für Teilzeitausbildungsangebote (vgl. Uhly 2020, S. 9) ist eine Entwicklung der Neuabschlüsse in den BBiG und HwO-Ausbildungsberufen nicht einschätzbar.
In § 6 Abs. 1 des Pflegeberufegesetzes wird die Möglichkeit zur Teilzeitberufsausbildung zur Pflegefachfrau bzw. zum Pflegefachmann festgelegt. In einer Vollzeitausbildung beträgt die Ausbildungsdauer drei Jahre. In Teilzeit darf die Ausbildungsdauer fünf Jahre nicht überschreiten. Wie die zeitliche Ausgestaltung der Teilzeitausbildung erfolgt, ist gesetzlich nicht vorgegeben (vgl. PflBG 2020). Für die dualen Ausbildungsberufe nach BBiG und HwO sind zwei Teilzeitmodelle bekannt: Das Zeitraummodell, bei dem einzelne Zeitabschnitte verkürzt werden und das Komplettmodell, bei dem die tägliche Arbeitszeit über die gesamte Ausbildungsdauer gekürzt wird. Bei beiden Teilzeitmodellen verlängert sich die Ausbildungsdauer entsprechend der anteilig reduzierten Arbeitszeit (vgl. BMBF 2021, S. 11; Baldus 2020, S. 50f.).
Beim Vergleich der Statistik der Pflegeberufe-Ausbildungsfinanzierungsverordnung für die Jahre 2020 und 2021 zeigt sich eine Zunahme der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge in Voll- und Teilzeit.
Während 2020 53.103 neue Ausbildungsverträge in Vollzeit abgeschlossen wurden, waren es 2021 55.671. Dies entspricht einem Plus von 4,84 Prozent. Im Jahr 2020 wurden noch 507 Ausbildungsverträge in Teilzeit abgeschlossen, 2021 waren es bereits 591 Neuabschlüsse. Dies entspricht einer Erhöhung von 16,56 Prozent. Der Anteil der Ausbildungsverträge in Teilzeit steigt damit um 0,1 Prozent von 0,95 Prozent im Jahr 2020 auf 1,05 Prozent im Jahr 2021 an.
Im Projekt werden verschiedene Personengruppen befragt: Leitungspersonen bzw. Ausbildungsverantwortliche in Bildungseinrichtungen, Personen, die eine Teilzeitausbildung absolvieren oder absolviert haben sowie Ausbildungsverantwortliche in Pflegeeinrichtungen. Bei der Interviewstudie liegt der Fokus auf den Erfahrungswerten und Interessenlagen im Hinblick auf Teilzeitausbildungen. Die Fragebogenstudie verfolgt das Ziel, die Umsetzungsparameter sowie die Bedarfe der beteiligten Personengruppen zu eruieren. Im Fokus stehen auch hier Bildungseinrichtungen, Praxiseinrichtungen und (potenzielle) Teilzeitauszubildende, die zu unterschiedlichen inhaltlichen Schwerpunkten befragt werden. Die Befragung richtet sich zunächst jeweils an alle Personen, unabhängig davon, ob eine Teilzeitausbildung angeboten bzw. genutzt wird oder nicht. Dadurch können sowohl förderliche als auch hemmende Faktoren sowie ergänzende Unterstützungsbedarfe bei der Etablierung von Teilzeitausbildungsangeboten in Erfahrung gebracht werden.
Die methodische Herangehensweise der geplanten Untersuchung zeichnet sich durch einen Mixed-Methods-Ansatz aus. Dieser besteht aus einer Kombination und Integration einer qualitativen Untersuchung sowie einer quantitativen Online-Fragebogenerhebung (Beginn jeweils im Januar 2022). Parallel zu den empirischen Zugängen, denen eine explorative Vorstudie vorgeschaltet wird, wird eine systematische Recherche (Scoping Review) durchgeführt.
An der Datenerhebung Interessierte können unter tipa@uos.de Kontakt mit den Ansprechpersonen der Universität Osnabrück aufnehmen.
Im Rahmen des Projekts erfolgt zunächst eine systematische Literatur- und Datenbankrecherche sowie ergänzende Befragungen. Neben der Informationsbeschaffung aus Datenbanken (z. B. FIS Bildung und PubMed) und zusätzlichen freien Informationsquellen werden auch Erfahrungen und Einschätzungen von Key-Stakeholdern im Rahmen von Expertinnen- und Expertengesprächen erhoben.
Vor dem Hintergrund, einen Überblick über Informationen zu Teilzeitausbildungen in der Pflege zu bekommen, wird sich bei der systematischen Recherche an der Ausrichtung und Vorgehensweise eines Scoping Reviews orientiert. Die Suche erfolgt mit spezifischen Suchsträngen (z. B. [Teilzeit OR Teilzeitausbildung] AND [Pflegeausbildung OR Pflegefachkraftausbildung OR Ausbildung Pflegefachmann OR Ausbildung Pflegefachfrau]). Die Treffer werden nach einer ersten thematischen Sichtung ein- bzw. ausgeschlossen. Bisher konnten insgesamt 47 relevante Quellen identifiziert werden (Stand November 2021).
Die systematischen Recherchen im Rahmen des Projekts offenbaren ein breites Spektrum an potentiellen Zielgruppen für Teilzeitausbildungen in der Pflege: Personen mit Erziehungsverantwortung, Personen mit pflegebedürftigen An- und Zugehörigen, Personen mit Anspruch auf Umschulung oder Fördermöglichkeiten, Personen in Politik und Ehrenamt, Personen mit chronischen Erkrankungen, Personen mit Langzeitbeschäftigung in der Pflege („Nicht-Fachkräfte“), Personen mit Lernbeeinträchtigung, Personen mit eigener Fluchterfahrung und im Leistungssport aktive Personen.
Im Rahmen der qualitativen Studie wurde ersichtlich, dass vor allem Personen mit Erziehungsverantwortung eine Teilzeitpflegeausbildung wahrnehmen. Eine weitere relevante Zielgruppe konnte durch die Interviews identifiziert werden: Personen, die aufgrund der Work-Life-Balance eine Teilzeitausbildung präferieren.
Um spezifische und aktuelle Informationen zu erhalten werden Gespräche mit Stakeholdern aus Bildungseinrichtungen, Verbänden und Ministerien geführt. Wesentliche Diskussionspunkte aus Sicht der befragten Stakeholder sind die Finanzierung und Refinanzierungen der Teilzeitausbildungen für die Schulen und Einrichtungen, aber auch die Ausbildungsvergütung für Teilzeitauszubildende, die – je nach Ausbildungsmodell – geringer ausfallen kann. Weiterhin spielt die Organisation der Ausbildung eine zentrale Rolle. Dabei wurden Diskussionspunkte aufgeworfen, wie beispielsweise die Frage nach der strukturellen Organisation der Ausbildung sowie der Begleitung der Auszubildenden in den Schulen und Einrichtungen. Die Nachfrage von Teilzeitausbildungen – so erste Einschätzungen – divergiert je nach Region und Angebot. Aufgrund verkürzter Arbeitszeiten könne es zu Akzeptanzproblemen von Teilzeitauszubildenden in den Einrichtungen kommen.
Diese ersten Ergebnisse, vor allem die Hinweise auf regional unterschiedliche Angebote und Nachfragen, decken sich mit den Darstellungen zum Angebot von Teilzeitausbildungen im ersten Bericht der Konzertierten Aktion Pflege (vgl. dazu Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend 2020, S. 31ff.).
Durch verkürzte und/oder angepasste Schichtzeiten kann es zu verschiedenen Herausforderungen in den Praxiseinrichtungen kommen. Zum einen sind Teilzeitauszubildende bei Pflegeübergaben ggf. noch nicht anwesend, sodass sie bei ihrem Dienstbeginn ein erneutes Übergabegespräch benötigen bzw. einfordern. Zum anderen können sie durch die veränderten Dienstzeiten bei Stoßzeiten nicht immer anwesend sein (vgl. Netzwerk Teilzeitausbildung Baden-Württemberg 2020, S. 18). Darüber hinaus kann es in Einzelfällen problematisch sein, wenn die Praxisanleitenden auf den Stationen ausschließlich in entgegengesetzten Schichtdiensten zu den Teilzeitauszubildenden arbeiten.
Im Rahmen der Interviews wurde seitens der Schulen und Einrichtungen zwar auf organisatorische Herausforderungen verwiesen, die Teilzeitauszubildenden selbst aber als besonders engagiert und motiviert beschrieben. Durch die Lebenserfahrung und die Übernahme (familiärer) Verantwortung verfolgen die Teilzeitauszubildenden ihr Ausbildungsziel in der Regel sehr zielstrebig. Die zur Verfügung stehende Zeit nutzen sie effektiv, um bspw. Pflegeprozesse und -dokumentation zu erlernen. Die Auszubildenden fordern Unterrichtsinhalte aktiv ein und möchten sie für ihren Lernprozess im Detail verstehen.
Literaturverzeichnis
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Bundesministerium für Bildung und Forschung (2021): Berufsausbildung in Teilzeit. URL: https://www.bmbf.de/SharedDocs/Publikationen/de/bmbf/3/31373_Berufsausbildung_in_Teilzeit.pdf?__blob=publicationFile&v=6 (zuletzt abgerufen am 04.11.2021).
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Gesetz über die Pflegeberufe (Pflegeberufegesetz – PflBG) vom 17. Juli 2017 (BGBl. I S. 2581), zuletzt geändert durch Artikel 9a des Gesetzes vom 11. Juli2021 (BGBl. I S. 2754).
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1Bundesinstitut für Berufsbildung (2021): Datenreport zum Berufsbildungsbericht 2021. Informationen und Analysen zur Entwicklung der beruflichen Bildung. Online unter https://www.bibb.de/dokumente/pdf/bibb-datenreport-2021.pdf (zuletzt abgerufen am 07.10.2021).
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2DESTATIS Statistisches Bundesamt (2021): Statistik nach der Pflegeberufe-Ausbildungsfinanzierungsverordnung 2020. Online unter https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Bildung-Forschung-Kultur/Berufliche-Bildung/Publikationen/Downloads-Berufliche-Bildung/pflegeberufe-ausbildungsfinanzierung-vo-5212401207005.html (zuletzt abgerufen am 07.10.2021).
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Uhly, Alexandra (2020): Duale Berufsausbildung in Teilzeit. Empirische Befunden zu Strukturen und Entwicklungen der Teilzeitberufsausbildung (BBiG/HwO) sowie zu Ausbildungsverläufen auf Basis der Berufsbildungsstatistik. Online unter https://lit.bibb.de/vufind/Record/DS-185119 (zuletzt abgerufen am 07.10.2021).
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Baldus, Julian (2020): Ausbildung in Teilzeit. Neue Impulse durch das Berufsbildungsmodernisierungsgesetz. In: BWP – Berufsbildung in Wissenschaft und Praxis, 3/2020, S. 50-52.
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Bundesministerium für Bildung und Forschung (2021): Berufsausbildung in Teilzeit. Online unter https://www.bmbf.de/SharedDocs/Publikationen/de/bmbf/3/31373_Berufsausbildung_in_Teilzeit.pdf?__blob=publicationFile&v=6 (zuletzt abgerufen am 12.05.2021.
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Gesetz über die Pflegeberufe (Pflegeberufegesetz – PflBG) vom 17. Juli 2017 (BGBl. I S. 2581), zuletzt geändert durch Artikel 9a des Gesetzes vom 11. Juli2021 (BGBl. I S. 2754).
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Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (2020): Ausbildungsoffensive Pflege (2019-2023). Erster Bericht. Online unter https://www.bmfsfj.de/resource/blob/162350/92f4bfaf4f34c38cc7b35234307badb2/erster-umsetzungsbericht-ausbildungsoffensive-pflege-data.pdf (zuletzt abgerufen am 17.11.2021).
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Netzwerk Teilzeitausbildung Baden-Württemberg (2020): Teilzeitausbildung – Good-Practice-Beispiele von und für Unternehmen! Zwölf Ausbildungsportraits aus dem ESF-Förderprogramm „Teilzeitausbildung für Alleinerziehende und Pflegende“. Online unter: https://sozialministerium.baden-wuerttemberg.de/fileadmin/redaktion/m-sm/intern/downloads/Downloads_ESF/Teilzeitausbildung-Good-Practice-ESF_Juli-2018.pdf (zuletzt abgerufen am 13.04.2022).