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Sekretariatsberufe im Wandel

Nicht alles neu, aber vieles anders

08.06.2021

Während in den Debatten um die Digitalisierung oft Produktion und Fertigung im Fokus stehen, sind gerade Menschen in Büroberufen ständig mit neuer Software und damit einhergehend neuen Arbeitsprozessen konfrontiert. In diesem Artikel wird der Wandel der Büroarbeit am Beispiel von Sekretariatskräften von etwa 1980 bis heute nachgezeichnet.

Der Beitrag knüpft an ein wissenschaftliches Diskussionspapier an, das 2021 vom Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) in Zusammenarbeit mit dem Lehrstuhl für Soziologie (Technik – Arbeit – Gesellschaft) der Friedrich-Alexander Universität Erlangen-Nürnberg herausgegeben wird und sich diesen Berufen und ihrem Wandel widmet. Hierfür wurde ein Mixed-Method-Ansatz verwendet, der es ermöglicht, die blinden Flecken der unterschiedlichen Ansätze einfacher erkennbar zu machen und damit einfacher zu beseitigen (vgl. Kuckartz 2014, Blank et al. 2020). Gleichzeitig wurden durch die Diskussionen vieler Personen aus unterschiedlichen Forschungsparadigmen, die aus diesem Ansatz hervorgehen, neue Sichtweisen gefördert.

 

Es wird ein Blick auf vier Jahrzehnte des technischen und organisatorischen Wandels eröffnet. Dabei zeigt sich nicht nur ein dynamischer und vielgestaltiger Wandel, sondern öffnet sich auch der Fokus auf die Menschen in den Sekretariatsberufen, die diesen Wandel erlebt und ermöglicht haben.

Methoden und Datenbasis

Die qualitative Datenbasis besteht aus 14 qualitativen Interviews mit Expert*innen mit Überblicks- und Langzeitwissen zu Büroarbeit. Die interviewten Expert*innen stammen aus einschlägigen Fach- und Berufsverbänden, aus Gewerkschaften und der betrieblichen Interessensvertretung, aus Institutionen der beruflichen Bildung oder dem betrieblichen Personalwesen sowie von Weiterbildungsanbietern und Ministerien. Außerdem wurde darauf geachtet, Expert*innen anzusprechen, die über ihren Erwerbsverlauf hinweg selbst den Wandel von den 1980er Jahren bis heute erlebt haben.

Gleichzeitig erfolgten quantitative Betrachtungen, für die sowohl Erhebungen des Bundesinstituts für Berufsbildung als auch darüber hinaus gehende Datensätze verwendet wurden. Die für diesen Artikel analysierten Erhebungen setzen sich zusammen aus der die BIBB/BAuA und BIBB/IAB Erwerbstätigenbefragung (ETB), den amtlichen Angaben aus dem Datensystem Auszubildende (DAZUBI) sowie den Daten des Mikrozensus.

Der technische Wandel in Büroberufen im Vergleich

Der Artikel hebt unter anderem die Stationen des beruflichen Wandels für die Sekretariatskräfte in den letzten 40 Jahren hervor. Von der Einführung der Schreibmaschine, über den Einzug der elektrischen Schreibmaschine, Kugelkopfschreibmaschinen, Kopierern und Faxgeräten bis hin zur flächendeckenden Verbreitung von Computern in den Büros wird herausgearbeitet, wie sich die Bürobeschäftigten der zunehmenden Informatisierung im Büro und den sich damit wandelnden Anforderungen in ihren Berufen angepasst haben. Hier wird insbesondere auf die mittlerweile drei Neuordnungen der Büroberufe Bezug genommen.

 

Die quantitativen Analysen stützen sich jeweils auf einen Vergleich der Berufsgruppen innerhalb der Büroberufe. Die fünf Berufsgruppen (nach der Klassifikation der Berufe (KldB) 2010) die als Büroberufe operationalisiert werden können sind:

  • 713: Unternehmensorganisation und -strategie
  • 714: Büro und Sekretariat
  • 715: Personalwesen und -dienstleistung
  • 722: Rechnungswesen, Controlling und Revision
  • 732: Verwaltung

Für die Auswertungen wurden die Sekretariatsbeschäftigten, den übrigen vier Büroberufen gegenübergestellt. Die Sekretariatsberufe eignen sich als Beispiel für eine Analyse der Büroberufe besonders - nicht nur wegen ihrer quantitativen Bedeutung für die Berufsgruppe, sondern auch weil sie, wie aus den qualitativen Interviews schon hervorgeht, viele Veränderungsprozesse bewältigt haben und weiterhin bewältigen.

Ausgewählte Ergebnisse

Zusammengefasst lässt sich festhalten, dass die Büro- und Sekretariatsberufe zwar sowohl was die Beschäftigten- als auch die Absolventenanzahl angeht, einen Abwärtstrend im Verlauf der letzten knapp 20 Jahre zu verzeichnen haben, im Vergleich mit den übrigen Büroberufen aber weiterhin sehr relevant sind was ihre Quantität angeht. Zudem machen Frauen in den Büro- und Sekretariatsberufen weiterhin einen wesentlich höheren Anteil bei gleichzeitig geringerer Arbeitszeit aus, als in den übrigen Büroberufen. Hinsichtlich der Qualifikationsniveaus sticht vor allem der Unterschied zwischen dem Anteil der Beschäftigten ohne beruflichen Abschluss heraus, da diese in den Büro- und Sekretariatsberufen einen höheren Anteil ausmachen als in den übrigen Büroberufen.

 

Der Umgang mit Unwägbarkeiten und die Bewältigung von situativer und struktureller Komplexität werden genauso wie die Ermöglichung ständigen Wandels im Arbeitsalltag mithilfe des Arbeitsvermögens-Index (AVI) untersucht, der sich aus 17 Variablen der ETB zusammensetzt (Pfeiffer 2018). An diesen Anforderungen prägen sich Fähigkeiten der Beschäftigten aus, die im Kontext der Digitalisierung eine besonders relevante wie unterschätzte Rolle spielen: Sie sind zum einen schwer zu automatisieren und werden zum anderen mit steigender Komplexität relevanter und damit auch wichtiger, wenn Digitalisierung die Gesamtkomplexität erhöht. Die Analyse des AVI zeigt, dass auch in vermeintlich einfacheren Berufen in Büro und Sekretariat die Mehrheit der Beschäftigten nicht nur häufig, sondern zunehmend mit Wandel, Komplexität und Unwägbarkeiten umgeht. Diese besonderen Fähigkeiten von Beschäftigten – auch im Vergleich mit technischen Lösungen – finden sich nicht nur in den Zahlen; auch in den Interviews wird dieser „andere Blick“ betont und auch aus betrieblicher Seite für erhaltenswert gesehen.

Schlussbetrachtung und Ausblick

Weitergehend werden auch die Routineanteile, Aufgaben- und Fähigkeitsprofile sowie die formellen Qualifikationsanforderungen der Büroberufe in den Blick genommen. Abgerundet werden die quantitativen Analysen durch die Betrachtung der jeweiligen dualen Ausbildungen in den Büroberufen und deren Entwicklung. Über die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge im Zeitverlauf, bis hin zur Mobilität nach der Ausbildung und die Verwertbarkeit der in der Ausbildung erlernten Kenntnisse und Fertigkeiten werden Analysen zu den Büroberufen bereitgestellt, die deutlich machen, dass nicht nur die Beschäftigung in den Büroberufen auf den digitalen Wandel und den damit einhergehenden Herausforderungen vorbereitet, sondern auch die Ausbildung in den Büroberufen.

 

Entgegen der Feststellung des Job-Futuromaten, dass etwa 88 % der Fachkräfte in Büro und Sekretariat potentiell ersetzbar seien, zeigt sich die Situation der konkreten Büroarbeit empirisch somit doch sehr viel komplexer. Beschäftigte in Büro und Sekretariat sind nicht einfach defizitäre Verlierer der Digitalisierung – sondern sich im dauernden Wandel erprobte Ressourcen. Im Diskurs wird leider viel zu oft übersehen, dass die Büro- und Sekretariatskräfte bereits viel Wandel bewältigt, überstanden und, in diesem Zusammenhang sogar wichtiger, daraus gelernt und Arbeitsvermögen erworben haben. Dieser Umgang mit Wandel, Komplexität und Unwägbarkeiten wird auch in Zukunft von größerer Bedeutung sein. Es werden Menschen gebraucht, die Wandel bewältigt haben um dem zukünftigen Wandel begegnen zu können. Das hier vorhandene Wissen und potentiell kommende Wissen verfallen zu lassen, wäre eine fatale Entscheidung und ein Schritt zurück hinsichtlich der Bewältigung – nein, der Gestaltung - der Digitalisierung.